XXIX. Ende der Gnade

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Shruti fühlte sich wie eine Schlafwandlerin, als ihre Seidenschuhe sie durch die Korridore des Präsidentenpalastes trugen.
Es war, als würde sie träumen, aber sie träumte keinen normalen Traum, sondern einen Albtraum.
Und für sie gab es kein Erwachen.

Hier, ganz allein zwischen den endlosen Fassaden, war sie nicht Thronfolgerin, Anführerin und Hoffnungsträgerin ihrer Nation, sondern ein Mädchen, das sich fürchtete.
Doch diese Angst galt nicht ihr selbst.

Unweigerlich ballte sich ihre Faust um die zerknitterte Zeitung in ihrer Hand.
Dabei hatte sich die Schlagzeile bereits in ihren Schädel gebrannt, nachdem ihre Privatsekretärin ihr diese  diskret nach der Oper gereicht hatte.

Das neue Schreckensgespent am bruktischen Himmel!

Die bruktische Magierschaft hat scheinbar ihrer Heimtücke zu neuer Prosperität verholfen, verkündeten die ersten Zeilen des Artikels mit unverhohlenem Vergnügen.
Und das scheinbar vom Kaiser unterstützt. Wie sonst sollte man sich die Generalsernennung der Magierin Cécile Palinquas erklären?

Selbst wenn die Karikatur daneben keinerlei Ähnlichkeit mit ihrer Cilia hatte und den mitreanischen Druckerpressen die nötigen Buchstaben für die korrekte Schreibweise fehlte, so war es doch unmissverständlich.

Wie hatte Cilia sich nur auf so etwas einlassen können?
Shruti hatte damals gedacht, sie hätte sie verloren. Endgültig. Aber das hatte sie nicht. Sie lebte. Irgendwie. Nur damit sie jetzt wieder in Gefahr geriet und-

Was es auch war, jetzt konnte sie Cilia weder helfen noch beschützen.
Genau wie damals. Genau wie in Valon.
Shruti schauderte.

Sie musste ihre Contenance zurückgewinnen und sich zusammenreißen, wenn sie nicht selbst scheitern wollte.
Immerhin konnte sie sich allzu gut daran erinnern, was sie und Saphir in der Oper über Dolus und seine bruktische Herrin gehört hatten.

Also stoppte sie vor der Flügeltür, die zum Speisesaal Arondax' Dîner führte, atmete tief durch, richtete den goldenen Kamm in ihrer Frisur und lächelte.

"Meine Liebe, wie schön, dass Sie noch zu uns stoßen", kam ihr sofort die Stimme der Präsidentengattin mit ihrer aufrichtigen Gutmütigkeit entgegen.

"Verzeihung", setzte sie an. "Während der Oper ist eine Depesche aus der Heimat angekommen. Eine wichtige Angelegenheit."

"Das war eben bedeutend für Sie", winkte Arondax ab, "Setzen Sie sich doch. Das Entrée wurde gerade aufgetragen. Es wäre eine Schande, das Essen zu verschwenden."

Arondax, seine Ehefrau Ophelie, Bloche, Dolus und Saphir waren bereits am langen Tisch versammelt, auf den man Vasen voller Lavendel gestellt hatte.
Bei dem Anblick Saphirs zuckte eine ihrer Brauen in die Höhe.
Sie nahm sich ein Herz und ließ sich neben ihm nieder.

Im schummrigen Licht der Oper war es schwerlich erkennbar gewesen, aber die letzten zwei Wochen hatten ihn sichtlich ausgezehrt.
Sein Gesicht war aschfahl, die Wangenknochen zu spitz, die Augen glasig und selbst seine Haut begann sich unnatürlich über seine Knochen zu spannen.
Er hätte auch ein Toter sein können.

Als Shruti sich setzte, streifte ihre Hand seinen Ärmel.
Beide tauschten einen verschwörerischen Blick, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den Teller mit der Vorspeise.
Das Essen fiel  bescheiden aus.
Es war eine ölige rote Suppe aus dem Süden, verfeinert mit gegartem Fisch und Provinzkräutern, serviert mit einer Art Fladenbrot.

"Oh, das erinnert mich an meine Kindheit", plapperte Ophelie wild drauf los.
"Damals, auf dem Bauernhof, haben wir Abends oft die Fische für die Suppe ausgenommen..."
Sie sprach mit beachtlicher Selbstsicherheit, obwohl man ihr oft Bauerntrampel nachraunte. Doch der General ließ sie nicht aussprechen.

"Bei den Moiren, Sie essen ja wie ein Spätzchen!", spottete  Bloche drauf los.

Unwillkürlich schielte sie zu Saphir. Sein Teller blieb nahezu unangetastet und er stocherte mehr herum, als er aß. Trotzdem sah er aus, als wäre ihm speiübel.

"Oh, bekommt Ihnen die Küche etwa nicht?", schaltete sich nun auch Ophelie ein. Eine Sorgenfalte zerknitterte ihre Stirn."Soll man Ihnen etwas anderes bringen? Der nächste Gang ist Hühnchen. Das sollte Ihnen doch bekommen?"

"Mein Magen ist nur etwas verstimmt", antwortete er. Bloche hob kritisch eine Augenbraue. "Das Adamium. Mir verkommt der Appetit."

"Für mich wirkt dieses Verhalten eher undankbar gegenüber der Gastgeberin."
Das war Dolus.
Die nasale Stimme war nach der Oper unverkennbar. Wie Kreide auf einer Tafel. Shruti konnte nicht anders als ihre Lippen zu verziehen. Schnell hob sie ihren Becher, als der Fabrikant fortfuhr.
"Nicht jeder Gefängniswärter ist so freundlich und nimmt Sie auf Opern und Abendessen mit. Sie sollten dankbar für diese Milde sein."

"Ah, ich vergaß, die famose mitreanische Gastfreundschaft und Ihre Großzügigkeit. Wie kleinkariert von mir." Saphir funkelte ihn an- und man konnte schwören, wäre da nicht das Adamium, wäre vom Großindustriellen nicht mehr als ein rauchendes Häuflein Asche übrig.

"Meine Herren, meine Herren!", protestierte Arondax nur und Ophelie versuchte sofort, die Parteien in eine harmlose Konversation zu verwickeln:
"Ich muss gestehen, Monsigneur Saphir, ich hatte selten Gelegenheit, mit einem Magier zu sprechen. Die Großverzauberin Lamisque ist selten da und wird wohl erst heute Nacht von der Front zurückkehren und der Ordonnanzoffizier meines Gatten...Nun, der liebe Augustin ist nicht sehr gesprächig. Also sagen Sie, tut es sehr weh? Das Adamium, meine ich?"

Shruti bemerkte, wie sich etwas in Valentins Blick veränderte.
"Nun, Madame, vielleicht fragen Sie lieber den Zwergenfreund des geschätzten Herrn Dolus, immerhin ist es ein zwergisches Artefakt. Für die Zwerge ist er bestimmt ein sehr großzügiger Geschäftspartner."

"Mein Freund, Sie dürfen jetzt nun wirklich nicht Zabin Tyr Jarrivar für Ihre Lage verantwortlich machen!", tadelte Arondax.

"Also bitte", verwarf Dolus mit exaltiertem Lachen. "Ich zahle Tyr Jarrivar nur so viel, wie er verdient."

"Für den Beitrag zur mitreanischen Schwerindustrie? Das Metall aus seinen Minen?", führte Saphir seine Inquisition fort und richtete sich sogar etwas auf.

"Ja, wofür den sonst?"

Shruti sah in Saphirs Augen, dass er bereit war, etwas sehr, sehr dummes zu tun.
"Ich weiß nicht", zischte er. "Aber vielleicht, um Ihr Land an die bruktische Kriegswirtschaft zu verraten und den Geistermagier anzuheuern, der die Explosion in Valon entfesselte, um Friedensverhandlungen zu verhindern?"

"Saphir!", zischte Arondax, diesmal mehr als nur eine Warnung. Doch eine manische Entschlossenheit trat auf Valentins ausgemergeltes Gesicht.

"Sie verdienen Ihr Geld mit dem Krieg", fuhr Saphir fort. "Sie profitieren vom Massensterben. Von jedem einzelnen Toten sogar, immerhin steht auf jeder einzelnen Patrone im Körper eines Soldaten der Name Ihrer Fabriken. Also sehen Sie mir in die Augen und sagen Sie mir, dass Sie nicht hinter der Katastrophe von Valon stecken."

"Natürlich kommen aus einem bruktischen Mund solche schändlichen Worte! Spalten will er uns, und gegeneinander aufhetzen", spuckte Dolus auf. "Die Lippen zunähen sollte man diesem Dämon!"

Es war Bloches Hand, die auf den Tisch donnerte.
"Was eine Farce! Soldaten-" Zwei Männer in Uniform an der Tür setzten sich in Bewegung. "Bringen Sie unseren verwirrten bruktischen Gast wieder in seine Zelle und wenn das nicht hilft, prügeln Sie notfalls wieder etwas Verstand in ihn herein."

Shruti wusste, dass es die klügere Entscheidung wäre, das sinkende Schiff zu verlassen und Saphir in irgendeiner Zelle vermodern zu lassen.
Leider kompensierte sie manchmal mit ihrem exquisiten Modegeschmack für fehlenden guten Menschenverstand.

Porzellan klapperte als sie aufsprang und Saphir eine schützende Hand auf die Schulter legte.
Ich glaube, wir haben heute Seine Exzellenz einfach überanstrengt. Er braucht Ruhe, wäre, was sie hätte sagen sollen, stattdessen platzte über ihre Lippen:
"Der Geheimrat spricht die Wahrheit."

Die Soldaten verharrten perplex mitten im Raum. Für einen Moment meinte sie, Schweißperlen auf Dolus Stirn zu sehen.

"Er spricht die Wahrheit", wiederholte sie mit Bravado in der Stimme. "Weil er und ich in der Oper Dolus samt seinem Zwergenkumpanen belauscht haben. Dort sprachen Sie über Dolus' bruktische Herrin, "
Sie legte eine Kunstpause ein.
"Ob er wirklich hinter Valon steckt, kann ich nicht sagen. Bestenfalls ist Dolus ein Verräter, schlimmstenfalls Teil eines skrupellosen Netzwerks internationaler Kriegstreiber, die kein Interesse an Frieden haben!"

Ophelie schlug eine Hand vor die Lippen.
Dann hörte sie das Klatschen von zwei Händen. Dolus Händen. Der Fabrikant starrte sie aus eisigen Augen an.

"Was eine süße Geschichte, das muss ich gestehen. Es ist wirklich rührend, dass Sie mir so viel Ihrer Aufmerksamkeit widmen. "Nur ist es leider genau das: Eine Geschichte."
Sein stechender Blick richtete sich auf Arondax und Arondax allein.
Er deutete zu Shruti und Valentin.
"Können Sie dem Glauben? Dem Wort eines wahnsinnigen Magiers und einer Monarchistin?"
Er verzog die Lippen und sah zu den zwei Verschwörern.
"Das ist der Mann, der genau dann in Valon aufkreuzte, als die Explosion eines Geistermagiers ein Lazarett zerfetzte. Das ist der Mann, der sich auf Wunsch der Prinzessin nachts in die Gärten von Syralis schlich, nur die Moiren als ihre Zeugen. Vielleicht, um eine Verschwörung auszuhecken? Fragen Sie nur den Soldaten Ciel, wenn Sie mir nicht glauben wollen."

"Wie können Sie es-", fing Valentin an, aber Dolus Stimme walzte ihn nieder.

"Denken Sie wirklich, es ist ein Zufall, dass Saphir in der Oper so spurlos verschwunden ist? Genau zu der Zeit, als der Lüster hinabstürzte und um ein Haar die Führungselite dieses Landes verfehlte?  Denken Sie es ist ein Zufall, dass man jetzt den Mann attackiert, ohne dessen Fabriken die Versorgung der ganzen mitreanischen Armee kollabieren würde? Das hier ist nicht nur ein Angriff auf mich, ganz gewiss nicht, es ist ein Angriff auf das Herz von Saint-Mitre selbst."

Seine Worte brachten die Welt zum schwanken.
Das ist falsch, ganz falsch, wollte sie krähen, aber stattdessen war ihr nur heiß und kalt zugleich.

"Sie verdrehen Tatsachen!", hielt Saphir noch dagegen, aber seine Stimme klang heiser und schwach. Sogleich hatte  General Bloche sich erhoben und machte einen Schritt auf den Magier zu.
"Das reicht. Es ist vorbei mit den Spielchen."

Saphir stolperte prompt zurück, als Bloche ihn am Arm packen wollte.
"Fassen Sie mich nicht an!"
Seine Stimme zitterte vor Panik.

"Sie dummer Scharlatan, Sie werden betteln-"

Bloche knurrte, streckte seine Hand aus und wollte Saphir am Kragen packen, da schlossen sich Saphirs Finger um sein Messer.
Das nächste, was Shruti hörte, war Bloches markerschütternder Schrei, als Valentin die Klinge durch Bloches Handrücken und in den Tisch rammte.

An dem Punkt war alles vorbei. Das Esszimmer löste sich in Chaos auf.
Ophelie schrie, ein Soldat stürzte zu seinem General, ein anderer auf Shruti und Valentin. Sofort griff die Dutvari Saphirs Hand und sprintete los.

Shruti wusste nicht, welchen Göttern sie danken sollte, aber es glich einem Wunder, dass sie es durch die Tür und in die Korridore schafften.

Ihre Beine drohten sich in dem feinen Stoff ihres Rockes zu verwickeln und Saphir stolperte hinter ihr wie eine Puppe, doch sie strauchelten voran.
Panisch warf sie einen Blick über die Schulter. Sie sah, wie die zwei Wachen gleichzeitig durch die Tür preschten - und prompt darin hängen blieben und sie verstopften.

Fast hätte sie einen Freudenschrei ausgestoßen, doch sie zerrte Valentin nur weiter durch die dunklen Flure. Kaum eine Kerze brannte. Die Wände waren karg und kahl.
Umso lauter hallte also jeder ihrer Schritte, als sie um die nächste Ecke hasteten.
Shruti fühlte sich wie in einem Schreckensmärchen.

In sternenloses Nächten wisperte man noch immer zu den Kindern der Stadt, dass König Chlodin hier Geheimgänge für seine Konkubinen hätte anlegen lassen - nur, um deren Baumeister nach deren Vollendung hinrichten zu lassen, bis nur er allein das Mysterium kannte. Doch noch immer, so die Sage, geisterten ihre Seelen durch die zahllosen Gänge.
So einen Geheimgang hätte Shruti jetzt sehr gerne.

Doch im nächsten Moment hechteten die beide über die Türschwelle, hinaus aus den warmen Gemäuern in die Gärten von Syralis.

Die Nacht war kalt und klar. Hell funkelten die Sterne über ihnen und ließen die Gargouilles auf den Dächern und Zinnen schimmern wie Knochen.
Aber es blieb keine Zeit zu verharren.
Sie sprinteten. Kies knirschte, spritzte um ihre Sohlen und sie schnappte keuchend nach Luft.

Wohin nur?, pochte es durch Shrutis Kopf, als ihre Füße über Sträucher und Wege flogen. Wohin fliehen? Durch ihr Handeln hatte sie sich als Verräterin gebrandmarkt. Eine dumme, unüberlegte Verräterin.
Sie musste zu der Garnison mit den dutvarischen Truppen. Sie waren ihr loyal. Ihr allein. Sir würden sie und Saphir beschützen-
Doch es war bereits zu spät.

Soldaten strömten in ihren salbeifarbenen Uniformem durch das vergoldete Tor. Die aufgepflanzten Bajonette funkelten rasiermesserscharf .

Sie wirbelten herum, stürzten auf die andere Seite des Gartens zu, aber auch aus der Glastür, aus der sie gekommen waren, eilte schon der nächste Trupp herbei.
Sie waren innerhalb von Sekunden hilflos umzingelt.

Etwas knirschte neben ihr und Saphir drehte sich in ihre Richtung. Für einen Moment lag nur sein dunkler Blick auf ihr.
Und schon da wusste sie, dass das ihr Abschied sein würde.

"Wissen Sie, ich bin froh, dass Palinquas Sie hat. Sie sind eine gute Frau."

Damit schenkte der Magier ihr ein letztes, trauriges Lächeln, das ihr Herz förmlich zerriss.
Dann kamen die Soldaten.
Es geschah blitzschnell.

Noch ehe sie realisierte, was geschah, stieß der Geheimrat ein Stöhnen aus. Soldaten hatten ihn von hinten gepackt, die Arme verdreht und er kippte auf die Knie.
Mit einem Tritt in den Rücken klatschte er vollkommen in den Dreck.

Shruti machte einen Schritt in seine Rihtung, starrte aber prompt in eine Gewehrmündung, die sich wie ein Abgrund vor ihr erstreckte.

"Wie können Sie es auch nur wagen-", fauchte sie, da hallte ein helles Lachen durch die feuchtkalte Nachtluft.
Es war wie das Läuten der Glocken.

"Der Magierfürst kauert im Schmutz und die Prinzessin wurde vom Fußsoldaten geschlagen. Ich hätte nicht gedacht, dass sich mir je ein solch köstlicher Anblick bieten würde."

Die Stimme war nichts als ein süffisantes Schnurren und ihre Besitzerin fahl wie eine Nachterscheinung.
Automatisch ballte sie Shrutis Hände zu Fäusten. Ihre spitzen Nägel schnitten in ihr Fleisch.

Sie war groß, schlank und gänzlich gekleidet in weiß. Selbst die silberne Halbmaske, die Magier in Saint-Mitre so oft trugen, wirkte blass, ein starker Kontrast zu ihrem nachtschwarzen Haar und dem sanften Hellbraun ihrer Haut.
Die Frau wirkte wie ein Phantom auf den Weg, den Tod zu verkünden.

"Lamisque", hörte sie Saphir klirrend kalt feststellen.

Océanne Lamisque, die oberste Staatsmagierin Saint-Mitres. Saphirs Gegenpart.
Denn egal wie sehr man Magie dämonisierte, wer hielt sich nicht die Hintertür offen, davon zu profitieren?

"Nana, das hört sich ja nahezu so an, als würden Sie sich nicht über meine Anwesenheit freuen. Dabei bin ich doch extra aus Orciennes zurückgekehrt, um mir das Spektakel in der Hauptstadt anzusehen."

"Spektakel? Sie meinen wohl, wie man wehrlose in den Dreck prügelt?", schnaubte Shruti.

Ein messerscharfes Lächeln umspielte Lamisques Lippen.

"Wer entrinnt schon den Schicksalsfäden?" Nahezu abwesend schnalzte sie mit der Zunge. "Weder Blaublut noch Magie schützen davor. Sicherlich wird unser neuer Zeuge dem zustimmen."

Und dann sah sie ihn. Ein weiterer ungebetener Gast in ihrer Runde der Unglücklichen.
Arondax stürzte regelrecht aus dem Präsidentenpalast, der hastig übergeworfene Mantel flatterte hinter ihm, bauschte sich zu einer drohenden, schwarzen Wolke auf, während dessen Besitzer jede Phase von Entsetzen, über Zorn hinweg zu Resignation zu durchlaufen schien.

"Ich bin maßlos enttäuscht", spie er aus, während er neben Lamisque Stellung bezog. Mit jedem weiteren keuchenden Atemzug erstarrte sein Gesicht mehr zu einer eisernen Maske. "Dass der Geheimrat uns früher oder später in den Rücken fällt, war zu erwarten, aber Sie?"

Die Anklage bohrte sich in ihre Brust, aber trotzdem presste sie hervor: "Sie können unmöglich wissen, was überhaupt-"

"Oh, doch, das tue ich", fuhr er ihr dazwischen.

Aus den Augenwinkeln erkannte sie, wie Saphir kreidebleich wurde. Oder zumindest noch kreidebleicher als ohnehin schon.

"Es war aus dem Kontext gerissen! Dolus manipuliert Sie!" Saphirs Stimme war schwach, trotzdem verlieh er ihr jeden möglichen Nachdruck.

"Seit wann kann man Verrat aus dem Kontext reißen? Und dann auch noch die wichtigsten Pfeiler unserer Kriegsanstrengung als Lügner ankreiden? Man könnte fast meinen, diese Spielchen würden Ihnen Freude bereiten."
Er verzog die Lippen.
"Es fällt mir nicht leicht, einzugestehen, dass ich jemanden als gute Person eingeschätzt habe, die allen Zeichen nach in ein Komplott verwickelt ist. Ein Komplott, das scheinbar mit dem feigen Mord an den Lazarettpatienten verschmilzt. Aber ich muss es tun, so sehr es auch schmerzt."

"Sie verstehen nicht!", würgte Saphir hervor, seine Worte überschlugen sich. Er warf sich regelrecht nach vorne, doch der Klammergriff der Soldaten hielt ihn an Ort und Stelle. "Uns die Schuld an all dem zu geben spielt doch nur Dolus in die Hände! Er hat Sie verraten! Er hat die Explosion angeordnet. Weil Frieden ihn Geld kostet. Weil Gier keine Grenzen kennt."

Statt zu verstehen, rümpfte Arondax nur die Nase.
"Bestenfalls enttarnen diese Worte Sie als schlechten Lügner, oder Sie sind wirklich dem Wahnsinn anheim gefallen."

Und mit diesem vernichtenden Urteil drehte er sich um, und postulierte von den Soldaten: "Setzt die Prinzessin unter Hausarrest und werft den Geheimrat in eine Zelle, wo ich ihn nicht mehr sehen muss. Schöne Worte haben die beiden gesprochen, aber ihre verräterischen Taten waren lauter."

Es war das Grinsen auf dem Gesicht der Lamisque, das Shruti den Rest gab.
Fauchend stürzte sie sich auf die Frau und hob eine Hand, um ihr dieses dumme Lächeln aus dem Gesicht zu kratzen.
Ihre Hände waren nur Zentimeter entfernt, da schnippte Lamisque einfach mit den Fingern- und Feuchtigkeit aus dem Boden schlang sich ihre Knöchel herauf und legte sie in Fesseln aus Eis.

Shruti strauchelte, kam aus dem Gleichgewicht und wäre fast zu Boden gestürzt, würde sich die Hand der Magierin nicht in ihren Kragen krallen.
Warme Luft kitzelte ihr Ohr, als die Frau sich vorbeugte und wisperte:

"Taten sind wahrlich lauter als Worte. Und Ihr Versagen, Ihre kleine Freundin damals vor dem Tod zu retten, war das lauteste, was sie jemals gesagt haben."

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