XV. Eine Stadt aus Katzengold
▪︎ ▪︎ ▪︎
Man sagte, die Hauptstadt Bruktiens wäre das unangefochtene Juwel des Nordens.
Zilli wollte das gerne glauben.
War Neu Berun auch in Dunkelheit getaucht und allein das ferne Glühen der Eisengießerein eine Lichtquelle, so erstrahlte der Innerer Kreis der Metropole in glänzender Pracht.
Gaslampen flackerten unermüdlich und schimmerten wie flüssiges Gold in den tiefschwarzen Wassern des Kristallsees, Kerzen illuminierten schicke Kaffees und Varietés, wo sich ihr Schein in zahllosen Perlenketten verlor.
Pelzstolas, Tugendpfeile und perlmuttene Krawattennadeln - auf den ersten Blick konnte man sich der Illusion hergeben, dass es Krieg gar nicht gab.
Spätestens aber auf dem zweiten merkte man die Veränderung. Die Epauletten und Schirmmützen dutzender Offiziere blitzten im Licht, keine luftigen Gewänder, sondern die Kriegskrinoline bedeckte die Beine und es floss nicht mehr der mitreanische Gerard-Wein in Strömen, sondern bloß das cremefarbene Prickeln des heimischen Gretgolds.
Es war nahezu erschreckend, wie leicht ihre Uniform mit diesem Meer aus Elitismus verschwamm.
Dabei kettete sich Zweifel an jeden humpelnden Schritt und sie dankte den Märtyrern, dass der dunkle Armeemantel ihre orangenen Ärmel verbarg.
Das Jantar hingegen legte sich wie eine Schlinge um ihren Hals.
Noch einmal schluckte sie, bevor sich ihr Blick auf eines der Cafés heftete.
Die meisten seriösen Kaffeehäuser stellten alle möglichen Zeitschriften bereit - außer die karlistischen und majestätsfeindlichen natürlich. Und es war zweifelhaft, oft überhaupt ein einziges Etablissement im Umkreis des Palast etwas anderes als seriös war.
"Hast du schon gehört?", wisperte neben ihr eine junge Dame zu ihrer Sitznachbarin, die einen Hut so groß wie ein Wagenrad trug - und beinahe unter den Papierblüten zusammenzubrechen drohte. "Die Mitreaner wollen den Geheimrat Saphir als Druckmittel gebrauchen. Als regelrechte Geisel."
Die Frau neben ihr stieß ein Schnauben aus. "Geisel? Der ist doch bestimmt übergelaufen, als die Kabisius ermordet haben. Was soll man von so einem überhaupt erwarten? Treue und Heimatgefühl?"
Laut mahlten Zillis Zähne übereinander und sie musste heiße Wut hinabschlucken, damit sich ihre Füße weiter vorschoben, bevor sie das zarte Musselin der Dame mit Brandflecken ruinierte.
Somit schlüpfte sie hinein in die warme Stube und wurde sofort gebadet in den Duft von Gewürzen, Kaffee und teurem Parfum. Die Luft um sie herum schien regelrecht zu kleben.
Doch es blieb weder Zeit noch Geld für solch Oberflächlichkeiten.
Strack steuerte die Magierin auf einen Messingständer zu, in dem sich ordentlich gebügelte Zeitungen aufreihten. Sie zog die erste heraus - und wäre fast zurückgewichen.
Bunte Farben sprangen ihr ins Augen, die sich zu einer schmucken Zeichnung einer Arbeiterin in einer Munitionsfabrik zusammensetzten.
In ihre Haare waren Blüten geflochten, selbst ihre Wangen waren rosig und die Lippen prall. Kein Öl und Schweiß. Nicht einmal eine Schmauchspur. Selbst die Realität wagten es scheinbar nicht, ihr Antlitz zu beschmutzen.
Trautes Heim, verkündeten geschwungene Lettern den Titel. Darunter war geschrieben Schwolents geheime Liasion? Umnähen der Kleider der letzten Saison bei Stoffmangel oder Leckere Rezepte trotz Lebensmittelmarken
Frustriert stopfte Sie das Blatt zurück und zog das nächste heraus.
Schon die erste Seite betraf Kriegsnachrichten.
Nationale Zukunft!
Erinnert euch an die Miserikordie!
Miserikordie- der bruktische Name für die Iurikow-Krise. Darunter erneut ein Bild. Diesmal lächelte ihr keine bildhübsche Arbeiterin entgegen, eigentlich lächelte sogar niemand, sondern da war ein bruktischer Soldat. Stramm, stark und unerschütterlich im Angesicht einer Welle aus Magie, die ihn und die ganze Welt zu begraben drohte. Ein wachsamer Wächter, der das Unbesiegbare besiegt hatte.
Und zu seinen Füßen kauerte sein Schützling. Eine Gestalt in Tschapka und Kurtka, die Verkörperung Morokews, zu schwach, um sich selbst gegen die Bedrohung im eigenen Land zu richten.
Eine stumme Frage lag dem Betrachter auf den Lippen: Wie sollte man den noch gegen ein Land verlieren, dass sich nicht einmal gegen sich selbst verteidigen konnte?
Es war die fadenscheinigste Art von Propaganda. Aber wer gab sich nicht gerne dem süßen Traum hin, dass das Vielvölkerreich Morokew gerade zerbrach, dass all das gut für sie enden würde? Es war der einzige Weg, um nachts ruhig schlafen zu können ohne dem Fallbeil der Zukunft als ständigen Begleiter.
Doch eine Sache blieb erschreckend auffällig. Keine Verlustzahlen wurden angegeben.
An Anfang des Krieges hatte man noch geprahlt: Kaum ein Soldat würde fallen, die Flaggen blieben beständig stehen - während die Banner des Feindes im Rot ihres Blutes ersoffen.
Penibel hatte man damals die Toten dokumentiert, denen man selbst ein respektvollen Begräbnis verweigerte.
Doch jetzt? Nichts.
Hektisch blätterte sie weiter, überflog Berichte über die Telegraphen der Schwolent-Werke oder vermeintlich blutige Magierriten während der letzten Rauhnächte, bis sie endlich einen Artikel über die mitreanische Front gefunden hatte.
Doch sofort sackten ihre Mundwinkel herab.
Junge Offiziere zeigen Wagemut und Stolz! Ein glorreicher Kampf mit glorreichem Ausgang, der dem Feind im Westen das Blut in den Adern gefrieren ließ!
Das war alles.
Dafür hatten sie also geblutet.
Sie hätte gerne Zorn gespürt. Enttäuschung vielleicht. Aber da war nur Resignation.
Und doch... Sie schluckte. Ihre Finger tasteten weiter, suchten eine andere Zeitschrift, egal welche, eine, deren Titel sie nicht wie die Fratzen der Heiligen zu verhöhnen drohten. Einfach nur eine. Irgendetwas.
Sei es auch nur -
Bevor sie hätte zurückweichen können, stieß sie einem anderen paar Hände in die Quere.
Ein Siegelring blitzte auf.
Gold, das Rubin einschloss.
Geschlungen um Finger mit schlecht verheilten Brandnarben, die jeder Bewegung Eleganz und Geschmeidigkeit raubten.
Doch als sie gegen eine Fingerspitze stieß, hätte sie trotz Handschuhen genauso gut ein Blitz treffen können.
Blut.
Sie schmeckte Blut in ihrem Mund. Süßlich. Wie Eisen. Zäh und warm zugleich.
Im nächsten Moment war es bereits vorbei. Allein der Schatten eines Nachgeschmacks drückte unangenehm gegen ihren Gaumen.
Trotzdem zuckte ihr Blick alarmiert nach oben - und sie starrte direkt in das erschreckend junge Gesicht eines Offiziers, umrahnt von kurzen honigblonden Locken, die sorgfältig mit Pomade frisiert waren.
Und nahezu sofort erblühte ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen.
"Und ich dachte schon, ich wäre der einzige, den es nach Informationen statt Gretgold dürstet."
Sie hatte gar keine Zeit, perplex zu sein.
Dabei hätte sie sich innerlich am liebsten verflucht.
"Der wirkliche Durst vergeht eben, wenn danach die Geldbörse trocken ist, nicht wahr?", witzelte sie also mit Blick auf einen Kellner, der feinsten Mokka am Servieren war und ein zustimmendes Schnauben drang zu ihr.
"Dabei sind sogar Informationen in unserer heutigen Zeit so schrecklich kostbar geworden."
Erneut blieb ihr Blick an dem funkelnden Siegelring hängen.
Ein Statussymbol - beinahe nach aussagekräftiger als ein Adelsprädikat. Nur wagte es sich kein Wappen sein Modell zu verunstalten.
"Ich dachte immer, jemand aus Ihrem Stand würde morgens mit Kaffee und frisch gebügelten Zeitungen geweckt?"
Was als Spaß gemeint war, ließ den Offizier stocken. Und für einen Moment meine sie, ihn zurückzucken zu spüren. Als hätte sie ihn geschlagen.
Aber schon im nächsten Wimpernschlag war wieder ein charmantes Lächeln auf sein Gesicht gemalt.
"Leider - oder eher glücklicherweise- serviert man mir morgens heiße Schokolade und gebratene Eier statt Papierkram." Trotzdem schmälerte sich seine Euphorie leicht. "Man hat eben nicht immer auf alles Zugriff, was das Leben einem versprechen müsste. Aber das ist Lamentieren auf zu hohem Niveau. Sie haben doch sicherlich von dem Schrecken in Marondais gehört?"
Natürlich. Jeder hatte das.
Sofort kam ihr eine Passage aus dem Drachentänzer in den Sinn. Dem Nationalepos Saint-Mitres. Ein Stück, das eigentlich auf den Scheiterhaufen gehörte, nicht auf die Lippen einer Patriotin, einer Offizierin dazu. Und doch sprach sie mit Worten wie Flammen:
"Und so nahm man uns, was uns nie hätte genommen werden dürfen. Freiheit. Gleichheit. Würde. Stattdessen schenkte man uns nur Schmerz, Unterdrückung und Gräber."
Für einen Moment sah er sie nur an. Aus Augen, die nicht in diese Welt gehören wollten. An denen irgendetwas falsch war. Ein Makel, der sich im Zwielicht des Kaffehauses versteckte.
Dann, nahezu zärtlich, vollendete er die zitierte Passage:
"Also hoch die Banner, greift zum Degen, lasst fallen das Joch. Kämpfen wir nicht für uns selbst, wird es keiner tun."
Sie hätten sich in Nichtigkeiten verlieren können. Leere Kommentare wie "Schönes Stück, aber ein wenig melodramatisch, nicht?" Oder: "Eins muss man den Mitreanern lassen, Pathos beherrschen sie."
Stattdessen bot der Offizier ihr nur die vernarbte Hand an.
"Kuno Baron von Zyssen."
Und Zilli ergriff.
"Hedda Marquardt. Es ist eine Ehre."
"Die Ehre ist ganz meinerseits, Fräulein Major." Keck zwinkerte er ihr zu und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken.
Zilli wusste, wann man ihr eine Einladung der ganz besonderen Art machte. Dafür war sie schon oft genug angeflimmert worden.
Genau das tat Baron nicht.
In seiner gesamten Gestik lag eine solche harmlose Unschuld, die das alles als reinste platonische Koketterie entlarvte.
Und vor allem: Sie war in einer feste Beziehung. Shruti würde ihr nach dem Krieg den Kopf abreißen, sollte sie jemanden nur falsch anschielen.
Fast hätte sie geschnaubt. Nach dem Krieg. Das klang wie: Nach dem Ende der Zeit selbst.
Oder hatte eben jener Krieg sie quasi geschieden? Möglicherweise waren sie noch gerade so auf dem Status Paartherapie? Mittlerweile gab es ja diese Psychoanalytiker an jeder Ecke.
Innerlich stöhnte sie. Das waren die Themen, über die sie auf dem abfackelnden Luftschiff hätten reden sollen.
Doch all das war scheinbar einem Nachbartisch bevölkert von Soldaten in den verschiedensten Stadien des Deliriums egal.
Einer von ihnen, dessen ganze Uniformjacke und das Hemd darunter bereits aufgeknöpft waren, grölte schon:"Ach, mein lieber Baron. Sei nicht so zimperlich! Mach den ersten Schritt. Hol dir die Braut. Ein Mann tut, was ein Mann tun muss!"
Sofort sah sie, wie rote Flecken des Schams in Kunos Gesicht schossen.
"Du- Fiete, halt - halt einfach den Mund!", zischte er, doch da klimperte Zilli den Betrunkenen bereits an und säuselte:
"Soll ich 'Sei nicht so zimperlich' auf dein Grabstein gravieren, nachdem ich dich Bekanntschaft mit meinem Degen hab schließen lassen oder denkst du es reicht, wenn ich es dir in die Stirn ritze?"
Aber da war noch etwas anderes.
Fiete.... Name und Gesicht waren bekannt. Eines der vier Bälger ihres Souverän? Wenn es so war, dann war er das schlimmste von allen.
Nicht verwunderlich, dass er mit Standesgenossen wie dem Baron und noch mehr Alkohol den bestsituierten Bezirk der Stadt unsicher machte - und mit etwas Glück hinterließ er keine Brandruinen.
Zumindest hoffte sie das.
Andererseits, was sollte man jetzt noch mit ihr machen? Sie wegen Majestätsbeleidigung einsperren?
Sie hinrichten?
Sonderlich kreativ wäre das ja nicht gerade.
Der vermeintliche Prinz öffnete den Mund, ein erstickter Laut drang hervor, doch schon im nächsten Moment kippte er kopfüber in seinen Kuchenteller.
Schnarchend.
Scheinbar ausgeschaltet von dem eigenen Alkohol, wäre da nicht wieder dieser Geschmack nach Blut, der sich schwer auf Zillis Zunge legte.
"Moiren, das tut mir so schrecklich Leid", schob Kuno schnell hinterher. "Ich weiß, mein Charme und Aussehen sind unwiderstehlich, aber eine solche Aufmerksamkeit wollte ich nun wirklich nicht!"
Wie ein Hund das Blut witterte Zilli ihre Chance.
"Ach was", winkte sie nur ab. "Lieber sollte sich ihr lieber Kamerad für diese Ausgeburt des schlechten Geschmacks entschuldigen. Ich würde ja fast schon sagen, jeder andere würde dafür eine Zelle in Kalardin verdiene."
"Kalardin", wiederholte der Baron nur gedehnt den Namen des Kerkers, doch statt seinem Freund zu helfen, unterschrieb er nur sein Todesurteil. "Die Festungshaft dort ist viel zu angenehm. Dort kommen doch ohnehin nur Offiziere, Duellanten und Wohlhabende hin. Für die meisten wäre das die reinste Sommerfrische. Nein, ihn sollte man lieber direkt nach Valon an die Front schicken."
Innerlich seufzte sie. Das war schon einmal eine gute Nachricht.
Ihre Sorge um Kerinsk konnte sie - zumindest vorerst -zurückstellen. Und ehrlich gesagt konnte der Kauz gerne einige Wochen in irgendeinem Loch schmoren. Half vielleicht seinem Charakter.
Schlimmer konnte der ja ohnehin nicht werden.
Doch Kuno hatte ihr gerade eine weitere Tür geöffnet. Wenn auch unbewusst.
Als hoher Offizier, in der Hauptstadt stationiert und Adeliger noch dazu...
Leicht tippte sie auf die Zeitung.
"Aber man hört ganz schön wenig aus Valon."
"Bis auf das Kabisius- Spektakel, meinen Sie?" Er schnaubte. "Wirklich ein Wunder. Oder eher eine faule Angelegenheit. Kaum ein überraschender Sieg in dieser Zeit der Niederlagen und kaum kommt einer, wird er nicht ausgeschlachtet."
"Sie wollen doch nicht andeuten...?"
Ihre Fingerspitzen kribbelten in stummer Erwartung.
"Nein. Es ist nichts. Nur meine Vorgesetzte, die Generalin, der ich als Adjutant diene..." Langsam schüttelte er den Kopf. "Bloße Gerüchte über einen Generalstab, der sich gerade die Haare am Raufen ist. Aber wann tut der das nicht?"
"Naja", räumte Zilli da ein und lehnte sich verschwörerisch nach vorne. "Die Gerüchte sind aber da... Jetzt behaupten manche sogar noch, irgendeine Magierin hätte Bloche eine ausgewicht. Bloß Propaganda?"
Er hob eine Braue.
"Glauben Sie mir, manche Geschichten haben einen wahren Kern. Und wenn es Propaganda wäre, dann würde man keine Magierin zur Heldin erklären."
"Aber- Aber was macht der Generalstab dann? Mit so einer?"
Er zuckte mit den Schultern. "Die hohen Herren und Damen Offiziere sind ein unerklärliches Mysterium."
Erneut wollte sie den Mund öffnen, da ließ Glockengeläut die ganze Luft beben.
Sie erstarrte.
Zwölf Schläge.
Mitternacht.
Beinahe wäre sie in unflätiges Fluchen ausgebrochen.
Sie war bereits viel zu lange unterwegs. Wer wusste, wie lang ihr kleiner Trick noch funktionierte? Die ablenkende Magie der Sigille musste schon schrecklich schwach sein...
Automatisch wurde ihr speiübel.
Schon lag ihr eine Ausrede auf den Lippen, um sich hastig zu empfehlen, da blickte sie auf und sah, dass auch Kuno wie vom Schock gepackt zum Sprechen angesetzt hatte.
Und da realisierten sie, dass sie beide drauf und dran waren, einander fadenscheinige Entschuldigungen zu präsentieren. Lügen.
Also sahen sie sich noch ein letztes Mal an und nickten einander in stummer Übereinstimmung zu.
Begleitet von dem Klingen einer Glocke hastete sie in die Nacht, deren Glanz die Zeit keinen Abbruch getan hatte. Ganz im Gegenteil.
Obwohl sanfte Flocken herabrieselte, drängten immer mehr Pelzmäntel und zuckende Leiber auf den Straßen, bis sie sich nur mit Ellenbogen vorkämpfen musste.
Gerade bog in die vertraute Nische ein und das Ziehen der Magie bündelte sich in ihrer Magengrube, da ließen sie helle Scheinwerfer aufzucken und tiefer in den Schatten weichen.
Ein gedrungener Schemen sprang aus dem Wagen und hastete durch die ersten Schneewehen zu der schlotternden Gestalt eines Portiers.
"Eine Nachricht an einen Ihrer Gäste. Sie soll unverzüglich vermittelt werden." Die Botin stockte, ihre Stimme war erfasst von dem rauen Klang der Tschetikensprache. "An Cäcilie Palinquas. Majorin des Regiments Kaiserin Efgenia."
Am Rande ihrer Wahrnehmung hörte se den Portier sprechen: "Ich fürchte--Ich fürchte das ist nicht möglich."
Die Worte der Botin waren zu leise, um sie zu verstehen.
Scheinbar zeigte sie dem jungen Mann etwas, das keine Zweifel ließ.
Ein Siegel, Namen, Bestechungsgeld- doch es war egal. Was zählte schon der Schlüssel, wenn die Tür offenstand?
Das machte keinen Unterschied in ihrem Debakel.
Zilli hatte genug gehört.
Sie wich noch ein wenig tiefer in die Schatten der Nische zurück, dann riss die Magie sie durchs Nichts und Teppich federt im nächsten Augenblick ihre Schritte.
Der Aufprall entflammte ihr Bein und löste ein Stöhnen aus ihrer Kehle.
Doch noch ehe sie wieder auf den Sessel ihres Zimmers hatte sinken können, bemerkte sie den bitteren Gestank nach Alkohol und Tabak.
Der Gestank, der nun verdächtig an jedem Zentimeter Stoff ihrer Uniform klebte.
Und sofort mischte sich auch das Poltern von Schritten in die Misere, die mit jeder Sekunde lauter und näher wurden.
Sie hatte nicht viel Zeit zu reagieren.
Hektisch zerrte sie sich Mantel und Feldbluse vom Leib, riss die Tür ins Bad auf und ließ das grau darin verschwinden. Sofort flogen die schneedurchnässten Stiefel hinterher. Die Eingangstür knarzte und der goldene Knauf senkte sich bedrohlich, da warf sich die Magierin auf den Stuhl und schnappte sich ein Buch. Stur starrte sie auf die Seite, nahm die Zeilen noch gar nicht war, da flog das Eichenportal auf.
Sie hatte nicht einmal bemerkt, welch Leid sie sich gerade mit Gefangen in den Fängen der Leidenschaft von Sigmund Bjalschki angetan hatte.
Cäcilie war einfach nur froh, dass man bei ihr nicht mehr hastig en Atem und gerötete Wangen erkennen konnte.
"Palinquas", donnerte die Gendarmin plötzlich. "Sie haben Besuch und-"
Die Augenbrauen der Blonden zuckten in die Höhe - und Zillis regungsloses Herz stürzte herab in die Tiefen.
"Warum lesen Sie Ihr Buch falsch herum?", fegten die Worte der anderen durch den Raum und alle Nackenhaare stellten sich auf.
Vermmaledeit, wieso musste sie sich auch so selten dämlich aufführen?
Trotzdem versuchte sie, alle mögliche Nonchalance zusammenzukratzen, die Beine übereinanderzuschlagen, um schlussendlich zu erwidern:"Ich brauche eben länger für ein Buch, wenn ich es kopfüber lese - und je nachdem, wie lange ich hier festsitze, ist das vielleicht ganz vorteilhaft."
Sie versuchte die eigenen Worte mit einem Schulterzucken abzutun.
"Wer will mich nun sehen? Zu dieser Uhrzeit?"
Aber die Gendarmin ließ nicht locker.
"Und Sie verschwenden Ihre Zeit... darauf?"
Zögerlich drehte sie das Buch um und die vorher sinnlosen Buchstaben setzten sich zu Sätzen zusammen, die unter anderen Umständen ein lediges Fräulein wie sie mit glühenden Wangen zurücklassen sollen.
Und somit entwich dem Malefikanten ein keuchender Atemzug, von dem er nicht einmal wusste, dass er ihn gehalten hatte. Allein der Anblick der mächtigen königlichen Lenden sorgte bereits dafür , dass die bösen Absichten in seinem Leib einfach dahinschmolzen.
Doch diese Ekstase wurde nur noch neu entfacht, als Ernst Friedrich ihm in royaler Sanftheit über die Spitzen seiner Ohren strich und Wärme in seinem Magen gluckerte. Noch im selben rasselnden Atemzug wanderte seine Hand tiefer seinen blassen Bauch herab und-
Statt nun rot anzulaufen, presste sie ihre Lippen aufeinander und versank im Fremdscham für den Autor.
Schnell schlug sie das Buch zu und blickte der Blonden entgegen.
"Ich fürchte, dieses...Etablissement lässt mir nicht viel Auswahlmöglichkeit. Kann man das Ihrer Gendarmerie schon als Folter auslegen?"
Historische Trivialliteratur war schon immer ein beliebtes Unterhaltungsmedium der höheren Schichten gewesen und gerade Ernst Friedrich II. als wohl populärster, erfolgreichster und machtausbauendste König ein fester Bestandteil darin. Immerhin hatte er Teutin reformiert, sein Gebiet vergrößert und schließlich auch ihre Vorfahren vor dem Tod bewahrt.
Doch wer den großen König wollte, der kam nicht an Saphir vorbei.
Erst dämonisiert, dann infantilisiert und später der auf den Knien kauernde Teil einer nicht nur politischen Partnerschaft.
Zilli hatte schon in ihrer Kindheit fest geglaubt, dass die Große Ausmerzung durch eine zuckrige Romanze geendet war.
Aber Liebe beendete keinen Genozid. Was hätte einen König auch überhaupt davon abgehalten, weiter Magier zu verbrennen und gleichzeitig Saphir einfach zu behalten? Dankbarkeit für diese Ausnahme erwartend?
Die Politik hinter der Großen Beschwichtigung war deutlich komplizierter gewesen, als all die hübschen Passagen und lila Prosa es glauben ließen.
Doch eine Geschichte über einen gnädigen König, der einem verdorbenen Magier eine Chance gab, ihn bekehrte und dessen Herzensgüte von den Moiren mit wirtschaftlichen Aufschwung belohnt hatte, war deutlich besser für das Gewissen als die Realität.
Die Militärpolizistin schürzte die Lippen, ließ die Sache aber fallen, als sie stattdessen erwiderte:"Jemand hat eine Nachricht für Sie überbringen lassen... Eine sehr wichtige sogar."
Sie trat zur Seite und die Botin schlüpfte herein, nickte Zilli mit ihrem wettergegerbten Gesicht leicht zu und überreichte ihr einen Brief.
Gerade hatte die Majorin einen Blick auf das pittoresken Siegel mit den zwei Schwänen geworfen, da kratzte schon die raue Stimme der Tschetikin in ihrem Ohr:
"Die geehrte Dame Despina Schwolent verlangt nach Ihrer Anwesenheit auf Ihrer Wintersoiree nächsten Wodensdag."
"Was?", schrillte die Gendarmin, bevor die Majorin antworten konnte und tat automatisch ein Schritt vor. "Das ist nicht möglich. Palinquas wird diesen Raum unter keinen Umständen verlassen!"
Die Botin hob eine Braue, doch Zilli konnte das ganze Spektakel nur mit geweiteten Augen betrachten, Ihre Finger krallten sich in den Chintz des Sessels.
"Wieso nicht? Meines Wissens nach werden Verbrecher gegen die man handfeste Beweise hat, in Zellen statt Hotelzimmern aufbewahrt."
Ein Zischen sprang über die Lippen der Blonden und sie fletschte die Zähne.
"Was will die reichste Frau des Reiches von - von so einer!"
"Ich befürchte, dass entzieht sich Ihrem Einflussbereich."
"Das reicht!", beschloss die Gendarmin. "Ich lasse mir hier nicht von irgendeiner dreckigen Tsche-"
"Aber bitte", unterbrach Zilli sie, die eigene Stimme zitternd. Dabei fürchtete sie sich nicht einmal. Oder etwa doch? Aber wovor? Dass ihre Lage noch schlimmer, noch verworrener werden konnte?
Sie wusste es nicht-und vielleicht war es genau das.
Sie war eine Person in einem Heer von guten zwei Millionen Menschen. sSe sollte nicht wichtig sein.
Der Gedanke ließ Übelkeit ihre Kehle hinaufschießen.
Trotzdem fuhr sie fort mit dem süffisantesten Lächeln, das sie vorgaukeln konnte.
"Sie wollen doch nicht wirklich die Entscheidung einer so wichtigen, so anerkannten Bürgerin anzweifeln? Gerade, da Schwolent ja auch so gut mit der Hofgesellschaft vertraut ist."
Zumindest behauptete das dieses romantische Schmierblatt aus dem Kaffeehaus - und sie hoffte, die Gendarmin war eine eifrige Leserin.
Zuerst wurde ihr Gesicht rot, dann presste sie ihre Lippen zu einem Strich zusammen und wirbelte auf dem Absatz herum.
"Diese maßlos Frechheit melde ich dem Admiral!", bellte sie noch, bevor sie verschwand.
Ich, am Anfang der Geschichte:
Ah, the plot thickens
Ich, hier in der Mitte:
Ah, the plot thinnens
Aber ich war im letzten Monat nicht ganz untätig.
Wir kennen zwar alle Emily in Paris, aber auch:
Gut angezogen ist er ja prinzipiell immer, aber Amour in Calieux? Ich weiß ja nicht...
Ich hatte auch Zwischendrin meinen ersten Animationsversuch :'D
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top