IX. Entflammter Himmel

▪︎ ▪︎ ▪︎

Ihre Finger zitterten, als sie die Repetieruhr aus dem schneeweißen Mantel zog und auf das Zifferblatt starrte.
Fünf vor neunzehn Uhr.
Im selben Herzschlag verstummte das Heulen der Artillerie und hinterließ nichts als geisterhafte Stille und Wolken aus Rauch. Instinktiv griff sie nach dem Flachmann und stürzte einen bitteren Schluck herab, der das wilde Pochen ihres Schädels beruhigte und den Schmerz in ihrem Bein verblassen ließ. Hier und jetzt konnte sie es sich nicht leisten, verletzt und geplagt von Qualen über das Niemandsland zu humpeln.
Also drehte sie ihren Kopf um und nickte zu ihren Soldaten. Fünf Stück an der Zahl, alle hatten die Lippen verbittert aufeinandergepresst.
Die kleinste von ihnen stand in ihrer Mitte. Eine junge, zart gebaute Frau, aus deren Tschako goldblondene Locken hingen. Doch in ihren Augen glomm ein stummes Feuer.
Božena war ihr Name.
Sie war die erste, die sich freiwillig gemeldet hatte, als Zilli und Kerinsk in die Baracke der Reservesoldaten gestapft waren, um Freiwillige für ihren Stoßtrupp zu rekrutieren.
Ihre Stimme war glockenhell gewesen und ihr Lachen klar. Jedes ihrer Worte war sie auf so eine feine Weise betonend, wie man es von Theaterschauspielern gewöhnt war.
"Es ist doch eigentlich ganz einfach", hatte sie gesagt. "Entweder wir verharren und lassen uns vom Feind überrennen. Dann sterben wir ganz gewiss. Oder wir folgen dem Fräulein Major hier und wir sterben nur vielleicht."
Einer Bildungsbürgerin wie Zilli fiel automatisch auf, dass es sich um eine Abwandlung eines Zitats aus dem Stück In Feuersbrünsten handelte.
Wortlos streckte Zilli ihre Hände zu den anderen aus und dachte automatisch an Kerinsk und Hašek.
Ihr Offiziersdiener würde schön im Kurhaus die Suppenteller plündern, während Kerinsk ihre zweite Truppe auf einer Anhöhe keine fünfzig Meter von hier befehligte.
Seine Männer würden Zilli Feuerschutz geben, während sie die Linien des Feindes infiltrierten und diese aufbrachen. Chaos stiften, weiterziehen, die Mitreaner zurück in die Deckung zwingen.
Wie als würden sie die unterste Karte im Kartenhaus hinausziehen. Alles stürzte zusammen.en.
Feuer und Bewegung - das war die Devise ihres Angriffs.
Generäle konnten befehlen was sie wollten, aber am Ende waren es eben die Gefreiten, die den Krieg gewannen.
"Bereit?", murmelte sie zu ihrer illustren Truppe.
Neben den nachtschwarzen Mänteln waren sie bis zu den Zähnen mit Grabenmessern, Pistolen und kurzläufrigen Karabinern bewaffnet. Über jede Brust schlangen sich zwei überkreuzte Munizionstaschen und Handgranaten.
Frostwolken quollen aus all ihren Mündern - außer ihrem eigenen.
"Ja", meldete Unteroffizierin Božena knapp und sie alle legten ihre Hände übereinander. Wie diese kühnen idealistischen Helden aus den Märchenbüchern, die ihr die Tristesse des Lyzeums mit Süße erfüllt hatten.
Das hier würde alles werden, nur eben keine Sage über Helden.
Allein das Röhren des Vogelschwarms aus Jagdflugzeugeb über ihnen übertönte ihre Verschwörung.
In dem Moment, als sie ihre Augen schloss, riss es sie durch die Zwischenwelt.
Dann drückte sich eine Ruine feucht gegen ihren Rücken, Farbschlieren vereinten sich zu dem Nebelmeer aus Schießpulver und Trümmern des Niemandslands.
Ihr linkes Bein zitterte und drohte fast, unter ihr nachzugeben.
Hinter sich hörte sie unterdrückte Würgegeräusche, während einen Blick durch ein Loch in der Wand riskierte.
Der feindliche Graben war einen Steinwurf entfernt.
Oder einen Granatenwurf eben.
Immer wieder blitzte das Salbeigrüm der Mitreaner zwischen Schlamm und Frost .
Sie gab ihrem Trupp zwanzig Sekunden, dann nickte sie Božena und einem Gefreiten namens Rattnik zu. Wortlos zogen sie Stiehlgranaten. Leicht glühte auf ihnen die rote Rune eines Feuermagiers.
Sie duckten sich und öffneten ihre Münder, um die Lungen vor den Druckwellen der Explosionen zu schützen, die einen Wimpernschlag später krachend über das Land fegte.
Der Rauch hatte sich nicht einmal gelegt, da hob sie ihre Hand, winkte und versuchte zu vergessen, in welches Schlangennest sie sich am Stürzen waren, dann stürmte sie voraus und schwang sich mit gezogener Pistole in den feindlichen Graben.
Der Aufprall des verletzten Beins presste ein Stöhnen über ihre Lippen, doch es war der Gestank nach Ruß und Tod, der Zillis Sinne vollkommen überforderte.
Warnschreie gellten durch die schwarzen Wolken, Wimmern bebte in der Luft und Körperfetzen waren grotesk über Schmutz und Sandsäcke geschmiert.
Es war obszön.
Erde und Schnee knarzten unter den Schritten eines heranstürmenden Mitreaners und in einer schnellen Bewegung hob sie die Pistole, zielte und drückte ab, bevor sie das herannahaende Bajonett auch nur streifen konnte.
Der Rückstoß fetzte durch ihren Arm. Sofort stieß der Getroffene einen Spitzen Schrei aus und sackte zusammen.
Automatisch fluchte sie leise vor sich hin. Der Schuss war bloß in die Schulter gegangen.
Entweder würde er hier jetzt grausam verbluten oder von Sanitätern gerettet werden.
Für den Soldaten konnte sie nur Letzteres erhoffen.
Trotzdem nagte Groll an ihr.
Vor Valon hätte sie nie so elendig das Ziel verfehlt.
Feuer konnte nur durch Hitze, Brennmaterial und Sauerstoff entstehen.
Und als Feuermagierin hatte sie die Hitze eines Schusses, durch Reibung der Kugel und Abfeuern, allein mit einem Gedanken lenken können.
Aber jetzt blieb ihr nichts als Instinkt- und keine Zeit, weiter über diesen Verlust zu lamentieren.
Sie sah mitreanische Soldaten aus den Laufgräben hasten, die Mützen schief und noch immer ihre Waffen am Laden.
Sie wandten sich ihrer Truppe zu, dann brüllten Schreie vom anderen Ende des Grabens.
Kerinks Deckungsfeuer.
Für einen Moment gefroren die Feinde in Überraschung und Verwirrung und besiegelten somit ihr Schicksal.
Karabiner knallten, schmale Rachsäulen stiegen auf.
Dann ging alles rasend schnell.
Es war fast wie ein Rausch.
Sie stießen weiter vor, Granaten knallten und Messer stachen. Sie duckten sich hinter Wände und Palisaden.
Rattnik rammte einem Feind den eigenen Spaten in den Magen, von irgendwoher spritzte heißes Blut auf Cäcilies Wange, dann-
Ein Rattern zerfetzte die Luft und Projektile schlugen schneller als jeder Herzschlag, jeder Atemzug,jedes Blinzeln in den Boden ein.
Dreck wirbelte auf.
Bevor sie sich versehen konnte, packte sie Božena am Arm und stieß Zilli zur Seite, hinaus aus der Schusslinie.
Für einen Moment noch sah sie Boženas schimmernde Locken, dann stürzte sie hinter einen Berg aus Sandsäcken.
Hätte es noch geschlagen, Zillis Herz hätte einen Sprung gemacht.
Ein Maschinengewehr!
Die Wand erschütterte unter Schüssen, die Cäcilies Bewegung gefolgt waren und nun in der weichen Füllung versanken.
Nur Sekunden von ihrem Fleisch entfernt.
Dann klirrte ein markerschütternder Schrei in ihren Ohren und mit Grauen musste Zilli mit ansehen, wie Božena wenige Meter vor ihr mit blutenden Bein zu Boden gegangen war.
In dem Moment, als ihre Soldaten in Deckung gekrochen waren oder am Boden lagen, riss die todbringende Melodie ab.
Allein Boženas Wimmern erfüllte die Luft.
Zilli biss auf ihre Unterlippe, sah auf die Frau, deren Füße in ihre Richtung ausgestreckt dalagen.
Im nächsten Moment schoss sie vor, umklammerte den Knöchel der Soldatin und zog sie hinter die Säcke.
Sofort flammten die Schüsse wieder auf, eine Patrone versank in dem Arm der Blonden, dann trafen sie nur noch dumpf auf Sandsäcke.
Ohne weiter zu zögern schnitt Zilli mit ihrem Grabenmesser Boženas Uniform in Streifen und missbrauchte den naheliegenden abgebrochenen Schaft einer Stielhandgranate als Tourniquet für den behelfsmäßigen Verband.
Zumindest der Schuss in den Oberschenkel hatte eine Arterie getroffen.
"Jetzt werde ich noch von einer Ragana gerettet und folge ihr in den Tod", spie die Tschetikin aus, irgendwo zwischen Lachen und Schluchzen. "Könnte mir ein langweiligeres Ende vorstellen."
"Ich bin untröstlich, aber ich glaube, ich werde Sie zu Langeweile verdammen", zischte Zilli und zerrte den Stoffetzen fester. "Laut mir sterben Sie nämlich in etwas mehr als vierzig Jahren in Ihrem Bett mit einem weichen Kissen im Nacken."
Es war eine glatte Lüge.
Wenn sie nicht schnell professionelle Hilfe bekamen, würde Božena den Nachmittag nicht überleben.
Nur hier war kein Sanitäter.
Und Umkehren in ihrer Situation keine Option.
Nur Vorwärts- und sie mussten schnell genug sein, um den Tod einzuholen.
"Major", zischte da Rattnik aus einer Nische im Erdwall mit einem Unterton in der Stimme, der besser als jeder Prophet oder Hierophant die nahende Katastrophe ankündigte.
"Mitreanische Verstärkung. Kommt aus den Verbindungsgräben."
Ihre Knöchel knackten bedrohlich, dann sah sie es auch.
Das Aufblitzen der feindlichen Raupenhelme, immer näher.
Sie waren Sekunden davon entfernt, von einer Zange aus Soldaten zerquetscht zu werden.
Und das Maschinengewehr verhinderte, dass sie auch nur ein Glied rühren konnten.
Noch einmal spähte sie zur Mordswaffe, versteckt in einem Monstrum aus Beton, dem ein langer Schlitz das Feuer erlaubte.
Zilli knirschte mit den Zähnen.
"Kümmert ihr euch um die Verstärkung, ich mach das Ding kalt. Sie haben ab jetzt das Kommando, Unteroffizier."
Sie sah, wie sich Rattniks Mund öffnete, er zur Erwiderung ansetzte, doch die Magie hatte sich schon zu einem knisternden Ball verdichtet und katapultierte sie über das zerfurchte Land.
Noch im selben Wimpernschlag drückte Beton kalt und feucht gegen ihre Finger, nicht die weiche Masse der Sandsäcke.
Nun thronte sie auf dem gewölbten Dach des Bunkers und blinzelte die hellen Flecken aus ihrem Gesichtsfeld.
Jeder Gedanke setzte aus, als sie sich eine Handgranate krallte, auslöste, sich dann über den Rand beugte und das bräunliche Ding durch den Spalt in das Innere des Unterstands schleuderte.
Hastig wich sie zurück, dann erschütterte ein Beben Boden und Beton, riss sie fast von ihrer grauen Festung.
Ein Schwarm Raben stieß krächzend in die Höhe, denn die dicke Rauchschwade, die aus dem Schlitz qualmte, verdarb wohl auch ihren Hunger auf Frischfleisch.
Mit zusammengepressten Lippen lauschte die Marjorin.
Nichts.
Keine entsetzten Schreie, kein Wimmern, kein schießen.
Nur der Ferne Gefechtslärm.
Das war ja nahezu einfach gewesen.
Und doch...
Nach dem Debakel von gerade eben wollte sie keine Chance auslassen.
Sei es auch nur, um jede weitere Gefahr für ihre Soldaten auszuschließen, umfasste sie die Kante fester und hangelte sich durch den Spalt in die Gedärme des Bunkers.
Schon als ihre Stiefel den Boden berührte, umfing sie Zwielicht und der Gestank von verbrannten Fleisch.
Zaghaft wagte sie sich zwei Schritte vor, vorbei an dem verkohlten Gerüst des Maschinengewehrs.
Es knackte leicht.
Sofort wirbelte sie herum, ihr Blick zuckte panisch durch die Schatten.
Durch den Schleier ihrer Magie erkannte sie gerade noch die Schemen eines bleichen Gesichts, dann schoss ein Feuerball auf sie zu.
Ihr blieb nicht einmal Zeit zum Fluchen.
Allein eine Sache war gewiss, denn Zilli wollte nicht als Brathähnchen enden.
Instinktiv sprang sie zur Seite, stürzte in der hektischen Bewegung zu Boden und rappelte sich mit dröhnendem Schädel sofort wieder auf die Beine.
Wie in Trance taumelte sie los. Einfach nur weg, Bewegung, ja nicht verharren.
Keine Sekunde zu spät, denn wieder zischte ein Ball aus Hitze und Licht an den Ort, wo sie vor einem Wimpernschlag noch gekauert hatte.
Selbst wenn sie den orangenen Halbumhang im Schatten nicht erkannt hätte, bemerkte ihr siebter Sinn das Lodern eines Feuermagiers.
Kein Wunder, dass so jemand das Überhitzen des Maschinengewehrs verhindert hatte!
Mit einem Satz brachte sie sich hinter einem umgestürzten Tisch etwas in temporäre Sicherheit und schallte sich selbst.
Warum hätte sie nicht einfach früher auf Magie achten können? Das Zwicken in der Magengrube erkennen?
Und bei den drei, warum hatte die Druckwelle den anderen nicht zerfetzt?
Egal was es war, hier konnte sie nicht bleiben, wenn sie nicht geröstet werden wollte.
Angespornt von dem Zorn über sich selbst sprintete sie durch den engen Raum, schlug Haken und sprang über Trümmer, um ihm ja keine Chance zum Zielen zu geben.
Flammen schossen aus einem geborstenen Stuhl hinter ihr, sie schwang sie sich zur Seite, doch folgte ihrer Bewegung nicht.
Denn sie zog sich durch die Zwischenwelt auf die andere Seite des Raums und noch bevor der Magier wusste, wo und was ihm geschah, hatte sie die Pistole gehoben, gezielt und-
Sie drückte nicht ab.
Denn mit einem Mal schnitt ihr wieder die Erkenntnis durchs Mark, dass nicht mehr sie die heißen Kugeln umlenken konnte, sondern er.
Er würde sie mit ihrem eigenen Schuss umbringen können.
Ihr Stocken gab dem anderen genug Zeit zum Reagieren.
Gleißendes Licht zog sich in seiner Handfläche zusammen, richtete das Glühen direkt auf sie, während Zilli nur die Waffe in ihrer Hand anstarren konnte.
In einer hektischen Bewegung riss sie den Magazinkasten ab und schleuderte dem Magier die Pistole ins Gesicht.
Sein Stöhnen durchzuckte die rauchgeschwängerte Luft und der Aufschlag ließ seinen Arm verrutschen, dann schoss der Flammenball los.
Bevor sie reagieren konnte, züngelte brennender Schmerz durch ihr rechtes Bein.
Sofort knickte sie unter dem Ziehen, bis der Boden hart gegen ihre Knie schlug.
Wie durch Milchglas starrte sie auf den Brandfleck auf ihrer Hose, bemerkte mit wachsendem Grauen, wie Taubheit ihren Schenkel heraufkroch und brachte keinen Ton heraus.
Kein Schrei, nicht einmal ein Flehen.
Sie versuchte sich aufzurichten, stemmte ihre zittrigen Beine gegen den rußigen Boden und klappte stöhnend wieder zusammen.
Währenddessen hatte sich auch der Magier wieder gefangen und sein Blick fiel auf sie.
Wut verzerrte sein Gesicht zu einer hässlichen Fratze.
Eine Tirade mitreanische Flüche prasselte auf sie nieder, zu schnell, als dass sie verstehen konnte, aber deren Nettigkeiten ließen sich problemlos an den folgenden Sekunden ablesen.
Die nächste Flammenwalze rauschte durch den Raum, doch Zilli teleportierte sich erneut hinter den Magier.
Sie kniete im Staub, hob ihr Grabenmesser und rammte es dem Zauberer in die Seite.
Er jaulte auf, dann donnerte seine Hand in ihr Gesicht und mit schwirrendem Kopf schlug sie vollkommen auf dem Boden auf.
Warmes Blut tropfte von oben auf sie herab und es dauerte einige Sekunden, bis sich ihr Blick schärfte.
Flammen zogen sich aus dem Nichts zu einem gleißenden Punkt direkt vor ihrer Nase zusammen, sie sah sich schon verglühen, da schoss ihre Hand hoch und sie pumpte all ihre Magie hindurch.
Es war, als würde sie ein Blitz spalten.
Blau flutete den Raum bis in die tiefste Ritze.
Dumpf schlug ein Körper auf dem Beton auf.
Das Feuer war erloschen.
Stille senkte sich auf sie herab.
Für einige Momente wagte sie nicht einmal, sich zu bewegen.
Vorsichtig bückte sie sich über den reglosen Körper des Feindes und wich angeekelt von dem glatt zersäbelten Abdomen zurück.
Dann sah sie den Brandfleck auf dem Halbumhang, genauso groß wie ein Sigille.
Kein Wunder, dass er die Explosion überlebt hatte.
Lange hatte es ihn aber nicht beschützen können.
Mit einem Mal stieg plötzlich Übelkeit in ihr auf, als die Erkenntnis in sie tropfte, dass der Leichnam vor einem halben Jahr noch sie selbst hätte gewesen sein können.
Dass sie sich selbst nicht weniger gegen einen eindrigenden Feind gewehrt hätte.
Sie musste die Hand auf den Mund drücken, als ein Würgen sie erschütterte, dann knallte die Tür des Bunkers auf und Rattniks entsetztes Gesicht starrte ihr entgegen.
"Major - Scheiße." Seine Augen klebten am roten Umhang. "Der hätte uns glatt alle verkokelt."
"Hätte", bestätigte sie und verzog die Lippen. "Aber der ist jetzt unsere kleinste Sorge. Dass Sie noch leben nehme ich als gutes Zeichen für unsere Aktion?"
Erneut wollte sie aufstehen, wankte aber bedrohlich und Rattnik griff rettend ein, indem er sie stützte, sodass sie aus dem langsam entweichenden Smog humpeln konnten.
"Wir sind auf Trupp zwei getroffen wie geplant. Der ganze Graben ist geräumt", berichtete er knapp. "Die restlichen Infanterie sollte jeden Moment nachrücken."
"Und Božena? Wurde noch jemand weiteres verletzt?"
"Sie ist..." Sichtlich zögerte er in seinem Bericht. "Lebendig. Gerade noch so. Womöglich verliert sie ihr Bein, aber dafür braucht sie erst einmal einen Physikus. Die anderen sind gesund, außer Erzer. Er... haben die Moiren ihn selig. Aber zuminfest hier gelang unsere Aktion."
"Zumindest hier?", echote sie, aber Rattnik musste nicht antworten.
Es war unmöglich zu übersehen.
Sie, diese kleinen mickrigen Punkte auf dem Boden, sahen einen Koloss brennen.
Rauch quoll aus dem Führerhaus des Luftschiffes, das von einem Vogelschwarm aus Dutvari Jagdfliegern bedrängt wurde.
Sie musste schlucken.
Man konnte froh sein, dass nicht das Gas in dem Ding entzündet war, sonst würde das fliegende Ungetüm noch in einem Feuerball aufgehen.
Wenn sich die Flammem aber weiter ausbreiteten, könnte das jeden Moment geschehen.
Bei dem Gedanken kräuselte sich ihre Stirn.
"Was ist mit der Besatzung? Wie viele sind auf so einem Ding? Ich sehe ihre Fallschirme nicht."
Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.
Jetzt, wo der Lärm verklungen und der mitreanische Widerstand niedergeschossen war, füllte nichts sein Schweigen.
Nur vereinzelte Schüsse in der Ferne.
"Zwanzig Personen, aber sie haben keinen einzigen Fallschirm", gestand er schließlich. "Zumindest damals, als ich bei den Jagdfliegern war -also bevor sie mich rausgeschmissen haben."
"Was?", schnitt sie ihm dazwischen. "Wieso sollte man so etwas gestatten?"
"Offizielle Erklärung? Es ist unehrenhaft und feige, das Flugzeug im Kampf zu verlassen. Inoffiziell? Maschinen müssen um jeden Preis gelandet werden, weil die Produktion so teuer ist."
"Rattnik, das Ding fackelt da gerade ab! Das geht in die Luft, wenn es den Boden nur berührt. Mit oder ohne Besatzung. "
Er blickte weg.
"Hab nie geleugnet, dass das ein komplett beschissener Befehl war."
Vor Wut zitternden Fäusten dachte sie an das Festmahl im Kurhaus zurück.
Und die kargen Rationen, die jeder Frontsoldat bekam.
Selbst ihre Suppen mit Pökelfleisch im Regimentsstab war dagegen eine Delikatesse.
Schnaubend befreite sie sich aus Rattniks Griff und torkelte vorwärts.
"Was- Was bei den drei tun Sie da?", schrillte ihr Rattnik hinterher, aber sie drehte sich nicht um, sondern erwiderte bloß:"Niemand wird zurückgelassen."
Nicht, während sie für diesen Angriff verantwortlich war.
"Das ist doch nur manischer, verantwortungsloser Altruismus!"
Mit letzter Kraft zog sie die Magie in sich zusammen und sie kritzelte sich selbst eine Sigille auf die Feldbluse.
Momentan war sie die einzige, die diese zwanzig Gefangenen der Lüfte auch nur rechtzeitig erreichen konnte, ohne in die Luft zu gehen.
Und heute war der Tag, an dem sie Bonzen und ihren Befehle eben vollkommen entsagt hatte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top