Szene ③


In der Mittagspause hatten sich Jasper und das Wetter zumindest wieder einigermaßen beruhigt.

Der Starkregen war zu Nieselregen geworden und statt Wut fühlte Jasper nun vor allem Ekel. Noch immer konnte er nicht begreifen, wie seine Englischlehrerin so kurz nach Maleas Unfall so positiv über den Tod hatte sprechen können.

Benno erzählte gerade von seinem gestrigen Erlebnis. Den Kuss hatten sie schnell abgearbeitet, woran Jaspers und Lilias fehlender Enthusiasmus viel beigetragen hatten, aber das, was danach kam, bereitete Jasper Kopfzerbrechen.

Die Kapuzengestalt müsste eigentlich mit ihnen in die Schule gehen, denn sie schien Benno persönlich zu kennen. Doch als sich die Freunde verstohlen umsahen, konnten sie niemanden auffälligen entdecken.

Es wäre auch ein sehr großer Zufall gewesen, wenn die Person sie gerade mit einem Fernglas beobachten würde. In einem Film wäre nun sicher genau diese Kameraeinstellung gewählt worden.

Fria überlegte kurz, ob das etwas war, was sie in ihren nächsten Film einbauen sollte. Die Kameraperspektive des Beobachters kam immer gut an.

„Möchtest du mir jetzt endlich sagen, was dir vorhin über die Leber gelaufen ist?", fragte Benno Jasper leise.

„Eine Maus", antwortete er, was sie beide zum Lachen brachte.

„Das glaube ich dir leider nicht." Benno überlegte fieberhaft, wie er seinen Freund dazu bringen könnte, mit der Sprache herauszurücken. Doch zu seinem Erstaunen fuhr sich Jasper durch die blonden Haare und antwortete dann: „Erik und Yasmin sind nach der Stunde bei Frau Debsh geblieben."

Benno ließ seinem Freund Zeit das Geschehene weiter zu erklären, doch Jasper schwieg. Sein Kiefer bewegte sich malmend, wie bei einer Kuh. Er schien nachzudenken.

Benno hielt es nicht mehr aus. „Und warum sind sie bei Frau Debsh geblieben?"

„Das weiß ich nicht, und da liegt das Problem. Die ganze Englischstunde lang hat Frau Debsh den Tod gepriesen und dabei die Sache mit Malea komplett ignoriert. Und jetzt spricht sie mit diesen Menschen, die im Krankenhaus arbeiten und in meinem Kopf von Verdächtigen gerade zu Mördern mutieren."

„Wow, wow, wow." Benno hob beschwichtigend die Hände. „Jetzt mach mal halblang. Wir können ihnen immer noch nichts nachweisen."

„Ich weiß. Außerdem haben sie kein Motiv. Zumindest ist mir nicht bekannt, dass sie Malea nicht mochten." Jasper ließ noch immer seine Kiefer aufeinander trommeln.

„Und wir sind uns sicher, dass Hans Verhaag seine Kinder getötet hat", erinnerte er seinen Freund an ihre Theorie. Benno reichte Jasper seine Wasserflasche und wollte ihn so davon abbringen, weiter mit den Zähnen zu knirschen. Das Geräusch machte ihn wahnsinnig.

„Hundertprozentig können wir uns nie sicher sein, außer wir finden die Wahrheit heraus." Jasper nahm das Wasser und trank einen großen Schluck. Dann ging er dazu über, statt mit den Zähnen zu knirschen, den Sticker auf der Metallflasche abzupiddeln. Es war noch ein alter aus Bennos Kindheit. „Da ist zu wenig Sprudel drinnen", kommentierte er außerdem.

„Hört ihr mir überhaupt noch zu?", fragte Fria in dieser Sekunde und fuchtelte mit ihrer Gabel herum. Jasper und Benno hatten sich nun schon seit mehreren Minuten nicht am Gespräch beteiligt.

Es war nichts Wichtiges gewesen. Es ging erst um die aufkommende Mathearbeit und dann um Haustiere. Trotzdem vermisste Fria die Teilnahme der Jungs am Gespräch.

„Sorry Fria. Was hast du gesagt?"

Fria schnaubte und wechselte absichtlich das Thema. „Ich wollte von euch wissen, ob ihr einen Plan habt. Wie soll es weitergehen? Ich habe keine Lust, vor einer Kapuzengestalt davonzulaufen."

„Wir auch nicht", pflichtete ihr Benno bei. „Und deshalb müssen wir herausfinden, wer das gewesen ist."

Fria schnaubte wieder. „Und wie? Du hast doch nur schwarzen Stoff gesehen."

Benno grinste sie frech an. Er war plötzlich sehr stolz auf sich. „Gesehen habe ich nur den schwarzen Stoff. Das ist richtig. Aber gehört habe ich mehr. Ich kann dir aus einer Gruppe von hundert Leuten die Person heraushören, welche die schwarze Kapuze trug."

Die Freunde staunten nicht schlecht. „Ich hätte nicht gedacht, dass dir die Musikbegabung mal bei der Aufklärung eines Mordfalls helfen würde", sagte Lilia beeindruckt. In ihrem Kopf formte sich gerade ein Plan, wie sie mit Bennos Gabe die Gestalt überführen könnten.

„Wir könnten so tun, als würden wir für die Schülerzeitung alle Schüler interviewen. Und sobald das richtige Mädchen zu uns kommt, wirst du sie erkennen. Das ist genial!"

„Dein Plan hat nur einen Haken. Wir arbeiten nicht für die Schülerzeitung." Jasper war mal wieder dafür da, die Ideen seiner Freunde auszubremsen. Gelassen entfernte er die Sticker-Reste von Bennos Flasche und warf sie in den nahegelegenen Mülleimer. „Wir finden aber sicher einen anderen Weg. Vielleicht könnte ich Spenden für den Computerclub sammeln."

„Gute Idee. Dann kannst du gleichzeitig noch Geld für dein Windrad gewinnen."

„Das war der Plan." Jasper grinste. „Man kann beim Detektivspielen mehr tun, als nur Dinge zu ermitteln. Geld verdienen zum Beispiel."

„Ok super. Und was machen wir mit Erik und Yasmin?" Lilia versuchte unauffällig über zwei Tische hin zu den beiden zu sehen, doch schon nach wenigen Sekunden wurde sie erwischt. Beschämt drehte sie sich wieder weg.

Benno lachte. „Nach dieser Aktion wohl nichts. Jetzt wirken wir so, als würden wir sie stalken."

„Dabei sind sie die Stalker."

„True."

„Also gut. Benno geht mit Jasper Spenden sammeln und wir passen auf, Erik und Yasmin nicht auffällig zu beobachten. Wenn Hans Verhaag auftauchen sollte, müssen wir ihn handlungsunfähig machen und ihn danach zur Rede stellen." Fria tippte mit ihrer Gabel der Reihe nach ihren Freunden vor die Nase.

„Ich glaube nicht, ...", wollte Jasper gerade ansetzen, doch dieses Mal holte Fria mit ihrer Gabel aus und schlug ihm gegen den Arm.

„Aua."

„Hör endlich auf, alles in Frage zu stellen. Natürlich wird es schwierig werden, einen erwachsenen Mann zu überwältigen. Aber wenn wir es nicht versuchen, verlieren wir auf jeden Fall."

„True."

Fria schlug nun auch Benno gegen den Arm. „Und du hör auf mit true. Das nervt." 

„Du nervst."

„Ok, ok." Lilia stand auf und schüttelte sich. „Das reicht. Wir haben alles besprochen und die Pause ist gleich um. Bevor ihr euch mit euren Gabeln aufstecht, würde ich es vorziehen, in den Klassenraum zu gehen."

„Ich folge dir Lil." Benno schnappte sich sein Tablett und stolzierte hinter seiner Freundin her.

„Sie hat recht", sagte Jasper provokativ.

„Ich weiß." Fria schlug wieder mit der Gabel nach Jasper, doch dieses Mal war er vorbereitet und konnte ausweichen. Fluchend verkündete Fria: „Trotzdem bist du ein mieser Pessimist." Sie erhob sich und streckte Jasper die Zunge heraus.

„Hast du heute noch was vor? Wir könnten Erik und Yasmin stalken gehen." Jasper hatte plötzlich den Drang, sich Lilias Plan zu widersetzen.

Doch Fria schüttelte den Kopf. „Du bist nicht nur ein Pessimist, sondern auch ein ganz mieser Freund. Hör nächstes Mal besser zu, wenn Lilia redet. Sie hat uns verboten, Erik und Yasmin zu stalken."
Jasper zog eine Schnute. „Also nicht?"

„Nein, aber das hat andere Gründe. Ich gehe heute Mittag auf den Reiterhof."

Jasper lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände vor der Brust. „Zu Tilo?"

Fria umklammerte ihr Tablett fester. „Ja, zu Tilo."

„Aha." 

„Aha."

„Was genau willst du von mir?" Fria hörte die Klingel, welche die nächste Stunde ankündigte, schenkte ihr aber keine Beachtung.

„Du bist momentan ziemlich oft auf dem Reiterhof."

„Neidisch?"

Jasper lachte. „Nicht im Geringsten. Wie du weißt, sind Tiere nicht so mein Fall. Ich beschütze sie, aber ich muss ihnen nicht zu nahekommen." Er stand auf und stellte sein Tablett zu einer der Sammelstellen. Dann machte er sich grinsend auf den Weg zu seiner nächsten Unterrichtsstunde. Fria verabschiedete er mit den Worten: „Schnapp dir Tilo, bevor es diese Kristina tut."

Empört versuchte diese sich zu rechtfertigen. Doch Jasper war bereits verschwunden. 

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