Szene ①
Am nächsten Morgen erwachte Benno früh. Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen. Die gestrigen Gedanken hatten ihn nicht gut schlafen lassen.
Nach einem ausgewogenen Frühstück entschied er sich, das einzig Richtige zu tun.
Es war Samstag und er hatte nicht viele Hausaufgaben auf. Also ab zu Fria!
Benno war sich sicher, dass seine Freundin ein offenes Ohr für ihn haben würde. Sie war die Einfühlsamste der Dreien und würde ihn nach seiner Erzählung über den Kuss sicher nicht angeekelt angucken. Bei Jasper und Lilia konnte man sich da nicht so sicher sein.
Benno fragte sich, ob sie sich je ändern würden. Keiner von beiden hatte je sonderliches Interesse an einer anderen Lebensform gezeigt. Ausgedachte Charaktere aus anderen Universen hatten Lilia jedoch schon oft den Kopf verdreht.
„Hi Benno", begrüßte Frias Bruder Kai den jungen Pianisten ein paar Minuten später an der Haustür. Kais Zwilling Emil stand direkt hinter ihm.
„Hi Leute, ist Fria da?"
„Ja, sie ist oben." Kai zog die Tür weit genug auf, damit Benno eintreten konnte. „Aber wahrscheinlich schläft sie noch. Zumindest ist ihre Zimmertür noch zu."
Kai und Emil folgten Benno die Treppe hinauf bis vor Frias Zimmertür. Er war sich nicht ganz sicher, was sie von ihm wollten. Gespannt neigten die identisch aussehenden Brüder die Köpfe nach links.
Benno lachte. „Was ist denn mit euch los?"
„Nichts, warum?"
„Ihr wollt doch irgendwas von mir." Da ihm keiner der beiden antwortete, und sie nur verschwörerisch lächelten, klopfte Benno an Frias Zimmertür. Sie war aus braunem Holz und übersäht mit Filmzitaten. Ein paar Bilder von Fotoshootings mit Malea hingen hier auch.
Als Fria auf das Klopfen nicht antwortete, drückte Benno die Klinke nach unten und betrat den Raum. Die Sonnenstrahlen fielen durch die blauen Vorhänge seiner Freundin und durch das geöffnete Fenster wehte ein leichter Wind.
Fria lag friedlich schlafend in ihrem Bett und kuschelte sich an ein bedrucktes Kissen. Dieses hatte Lilia ihr zu einem Geburtstag geschenkt. Es war eine Fotokollage aus Bildern der Freunde.
Ihre schwarzen Haare lagen wild verstreut über den anderen Kissen und Plüschtieren hinter ihr.
„Guten Morgen Fria. Tut mir echt leid, aber du musst jetzt aufstehen."
Benno setzte sich zu ihr ans Bett und berührte leicht ihren Arm. Fria zuckte zusammen und öffnete die Augen. „Benno? Was machst du hier?" Verschlafen gähnte sie und streckte sich.
„Ich wollte dich besuchen. Eigentlich dachte ich, du wärst schon längst wach."
„Normalerweise bin ich das ja auch", sagte sie und gähnte wieder. „Aber ich habe bis spät in die Nacht am Schnitt meines neuen Films gesessen und bin erst nach Mitternacht ins Bett." Fria setzte sich auf und sah durch ihre geöffnete Zimmertür in den Flur. „Was machen die Jungs da?"
Kai und Emil standen noch immer grinsend auf ihren Positionen. Als Fria sie nun aber entdeckte, lösten sie sich aus der Starre, gingen ins Zimmer und sprangen aufs Bett. „Endlich bist du wach. Wir dachten schon, du stehst nie auf." Kai schlug ihr gegen den Arm.
„Weil wir keine Zeit verschwenden konnten, haben wir das heutige Spiel allein herausgesucht." Emil schlug ihr gegen das Bein.
Als Fria realisierte, was heute für ein Tag war, ließ sie sich in das Kissen zurücksinken. „Ich habe unseren Spielevormittag vergessen", sagte sie und seufzte.
Die Zwillinge nickten. „Wie jeden Samstag."
„Tut mir echt leid Jungs."
Benno schaltete sich ein: „Ja mir auch. Fria hatte das mal erwähnt. Soll ich gehen und später wiederkommen?"
„Schon gut." Emil kämpfte sich durch das Chaos im Bett an das Ende und stand dann auf. „Wir können nachher wiederkommen. Dann machen wir halt einen Spielenachmittag. Die letzten drei Wochen war das auch schon so." Kai trottete ihm hinterher und sie schlossen die Tür. „Hab euch lieb Jungs", rief Fria noch schnell, bevor sie aus dem Sichtfeld verschwanden.
Dann wandte sie sich wieder Benno zu. „Warum bist du hier?"
„Einfach so."
Fria sah ihn schief an. „Niemals. Du grinst wie ein Honigkuchenpferd. Was ist los?"
„Na gut." Benno ließ dem Grinsen auf seinem Gesicht freien Lauf. „Sue und ich haben uns geküsst."
Auf Frias Gesicht erschien ein ebenso großes Grinsen. „Ist nicht dein Ernst? Wie toll!"", quietschte sie.
„Ja. Aber deswegen bin ich leider nicht hier."
„Hast du noch eine bessere Info?" Fria streckte sich nochmal. Sie schien noch nicht vollständig wach zu sein.
„Leider nein. Die andere ist keine positive." Benno hatte schon fast ein schlechtes Gewissen. So wie der Kuss am Vortag schnell vergessen war, würde er jetzt auch Frias Freude über sein Erlebnis zerstören.
„Nachdem Suzanne weg war, ist mir eine Person begegnet. Sie stand in schwarz gekleidet hinter einem Baum und hat mich angesprochen."
Frias Augen weiteten sich. „Was hat sie gesagt?"
Benno schluckte. „Malea starb umsonst."
Fria schlug sich die Hand vor den Mund. Einige Sekunden war sie sprachlos. „Oh Mann, wie gruselig! Konntest du erkennen, wer es war?"
„Nein. Die Person trug eine Kapuze."
„Hans Verhaag?"
Benno schüttelte den Kopf. „Es war ganz klar ein Mädchen. Vielleicht in unserem Alter."
Die Stimmung im Zimmer war plötzlich auf Eiseskälte gesunken. Die warmen Gedanken an den Kuss mit Suzanne waren verflogen, stattdessen lag nun das Mysterium über die Kapuzengestalt in der Luft.
„Warum sollte dir jemand in unserem Alter eine so kryptische Botschaft zukommen lassen? Und warum hat sie dir das nicht in der Schule gesagt? So doof wie das jetzt klingt, aber erstens hat sie recht mit dem, was sie sagt, und zweitens verbindet sie das ja nicht mit der Tat. Es war nur eine Aussage."
„Ja, aber wahrscheinlich hat sie trotzdem irgendetwas mit den Todesfällen zu tun. Sonst hätte sie wirklich einfach zu mir kommen können."
„So ein Mist!" Fria befreite einen ihrer Arme aus der Decke und schlug sich damit gegen die Stirn. „Aua! Ich dachte gestern, dass wir erst mal mit weiteren Geheimnissen verschont bleiben. Und jetzt das."
„Tut mir echt leid." Benno griff schützend nach ihrer Hand, damit sie sich nicht weiter schlagen konnte und führte sie wieder unter die Decke. „Aber das ist kein Grund sich selbst zu verletzten. Wir bekommen das schon hin."
„Stimmt." Langsam kehrte die Wärme in den Raum zurück und mit ihr Kai und Emil. Oder war es gerade wegen Kai und Emil? Schwungvoll öffneten sie die Tür und verkündeten: „Mama hat Frühstück gemacht."
„Mein Stichwort." Benno erhob sich von der Bettkante und winkte seiner Freundin zu. „Wir sehen uns am Montag."
„Erzählst du Jasper und Lilia von gestern?"
Kai und Emil waren sofort neugierig. „Was war gestern?"
Fria verengte ihre Augen zu Schlitzen. „Geht euch nichts an."
„Menno!" Die Zwillinge verschwanden wieder nach unten, ließen die Tür aber offenstehen.
Fria verdrehte die Augen. „Typisch. Die beiden sind einfach viel zu neugierig. Ich bin erstaunt, dass sie freiwillig wieder nach unten gegangen sind. Normalerweise verstecken sie sich hinter der Tür und denken, dass ich das nicht merke. Aber egal. Was wolltest du sagen?"
„Ich werde Jasper und Lilia auf jeden Fall von der Gestalt erzählen. Dass sie der Kuss interessiert, bezweifle ich."
Fria kicherte. „Wie wahr. Ich würde gerne ihre Gesichter sehen."
Benno verabschiedete sich und dachte schwermütig an den kleinen Stapel Hausaufgaben, der ihn zuhause erwarten würde. Auch wenn es nicht viele waren. Für Benno war schon ein Fach ein Fach zu viel. „Ich mache ein Bild für dich, wenn ich es ihnen sage."
„Versprochen?"
„Versprochen!"
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