Szene ④


Jasper öffnete die Tür des Kühlschranks und hätte sich am liebsten in ihn hineingelegt. Es war zwar schon September, aber der heutige Abend war schwül und die Temperaturen so hoch wie im Sommer.

Fria hatte sich, als die Freunde im Baumhaus angekommen waren, natürlich trotzdem darüber beschwert, dass sie fror. Das tat sie eigentlich immer.

Zumindest Jaspers Hand landete im kalten Königreich, als er sich ein Wasser herausholte. „Das ist so schön", erklärte er Benno und reichte ihm das Wasser.

„Stimmt, wow." Benno legte sich die Flasche an die Stirn. Das sah lustig aus.

Die Freunde hatten vor ein paar Minuten Fria begrüßt und waren dann zu ihr hoch ins Baumhaus geklettert. Nun saßen sie auf den Sitzsäcken und redeten über den Schulalltag.

Als das Thema auf die bevorstehende Mathe-Klausur fiel, waren sowohl Benno als auch Jasper geflüchtet.

Benno hatte sicher noch nicht mit dem Lernen begonnen und wollte nichts davon hören, was es alles zu wiederholen gab.

Jasper war bereits mitten im Lernstress. Mathematik war sein Leistungskurs. Das war wichtig.

Doch er wollte gerade nicht mit der Schule konfrontiert werden. Er hatte sich einen freien Abend verdient!
Als er sich zurück zu den anderen setzte, kommentierte er ihr Gespräch lautstark und machte so klar, dass er das Thema wechseln wollte.

„Also Lilia, was hast du im Krankenhaus herausgefunden? Wir haben uns immerhin hier versammelt, weil du meintest, dass du was zu erzählen hast."

Das angesprochene Mädchen saß auf ihrem Lieblingsplatz am Fenster und aß Erdbeeren aus einer bunten Schüssel. Ihre Oma hatte das frische Obst erst gestern im Garten geerntet. Es war das letzte des Jahres. Eigentlich war es ein Wunder, dass die Sträucher bis in den September hinein Früchte produzierten.

Lilia sah nicht sehr erzählfreudig aus. Sie biss in eine weitere Beere und kaute übertrieben lange. „Es ist, wie Jasper gesagt hat. Angeblich war zu der Zeit, in der jemand Malea mitgenommen hat, niemand an der Rezeption. Im Dienstplan steht niemand eingetragen", brachte sie schließlich doch kauend hervor.

Die Genugtuung, die Jasper eigentlich verspüren sollte, blieb aus. Schade, er hatte gedacht, dass Lilias Besuch vielleicht doch etwas hätte bewirken können.

„Die Kameras sind während der Entführung ebenfalls ausgefallen", berichtete Lilia weiter und stellte die Obstschüssel auf den kleinen Tisch. „Außerdem habe ich Yasmin getroffen. Sie arbeitet an der Rezeption."

Jetzt war Jasper doch etwas erstaunt. „Yasmin? Die Yasmin aus meinem Computerclub?"

Lilia nickte. „Sie war gerade mit ihrer Schicht an der Anmeldung fertig gewesen und wollte mit Erik Pizza essen gehen, als ich kam."

Jasper machte eine wegwerfende Handbewegung und lehnte sich in seinem Sitz nach vorne. „Die Pizza spielt keine Rolle, aber das Yasmin im Krankenhaus arbeitet, irritiert mich."

„Warum? Ist doch ein guter Nebenjob." Fria saß mit angewinkelten Beinen auf dem Boden und lauschte dem Gespräch andächtig.

„Warum?" Jasper schnaubte. „Ihre Familie hat genug Geld, um das ganze Krankenhaus zu kaufen. Sie spenden dem Computerclub jedes Jahr neue Laptops der Oberklasse. Habt ihr euch noch nie gefragt, wie ich mir mein Gerät leisten kann?"

Fria lachte. „Als ob ich den Preis deines Laptops google."

Jaspers Augen verengten sich zu Schlitzen. Wenn es um seinen Lieblingsgegenstand ging, war Vorsicht geboten. Fria konnte doch nicht ernsthaft behaupten, dass ihr das Gerät nie aufgefallen war. Er trug den Laptop immer in einer Extra-Tasche durch die Schule. „Ich kann dir nur eins verraten: Er ist sehr teuer. Und wenn du das nicht siehst, bist du blind."

„Du interessierst dich doch auch nicht für die Kosten meiner Kameras", giftete Fria zurück. „Oder kannst du mir sagen, welche die teuerste ist?"

„Okay, Stopp!" Benno stand auf und erregte so das Aufsehen all seiner Freunde. „Bevor das jetzt eskaliert. Wir haben es verstanden. Yasmin braucht diesen Nebenjob nicht. Aber vielleicht ist sie einfach sozial, nicht so wie ihr. Vielleicht macht es ihr Spaß, Menschen zu helfen, auch wenn sie das nur indirekt macht, weil man für den Job einer Ärztin ein Studium braucht."

Suzanne rührte sich nun auch das erste Mal, seit sie das Baumhaus betreten hatte. Fast hatte Jasper vergessen, dass sie überhaupt da war. „Ich stimme Benno zu."

Oh, wie rührend. Jasper könnte kotzen. Sein Blut war sowieso bereits am Kochen, da konnte er süßliche Pärchen-Unterstützung nicht auch noch ertragen.

„Also gut, ihr habt eure Meinung, ich habe meine. Für mich ist an der Sache was faul und ich werde herausfinden, was."

„Ich stimme dir zu", sagte Lilia und nickte. „Yasmin hat irgendwie merkwürdig gewirkt, als ich ihr meine Fragen gestellt habe. Bestimmt hat es einen Grund, warum sie im Krankenhaus arbeitet."

„Vielen Dank." Jasper freute sich sehr darüber, dass zumindest Lilia auf seiner Seite war. „Gibt es noch etwas zu klären, oder können wir jetzt zum entspannten Teil des Tages übergehen?" Er wollte schon zum Spieleschrank gehen, um sich ein Brettspiel auszusuchen, da räusperte Fria sich.

In Gedanken stöhnte Jasper. Na super, noch eine Diskussion konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen. Doch laut sprach er diesen Gedanken nicht aus. Vielleicht war das, was Fria sagen wollte, ja doch wichtig.

„Eben, kurz bevor ihr kamt, habe ich jemanden im Wald gesehen."

Benno schnappte nach Luft und umklammerte seine Wasserflasche. „Wer war es? Hans Verhaag?"

„Das weiß ich nicht", gab Fria zu. „Es war nur ein Schatten im Schutz der Bäume. Als er euch gehört hat, ist er schnell verschwunden."

„Zum Glück." Suzanne hatte eine Hand vor den Mund gelegt. Sie schien sehr schockiert. „Vielleicht wäre er sonst zu dir ins Baumhaus geklettert und hätte dir etwas angetan."

„Ja", antwortete Fria grübelnd. „Wir sind schon etwas wagemutig, noch zum Baumhaus zu kommen. Vielleicht sollten wir das in Zukunft unterlassen."

„Aber das Baumhaus ist unser Zuhause." Jasper wusste, dass Fria eigentlich recht hatte, aber er wollte es sich nicht eingestehen. Dieser Ort war so viel mehr als nur eine Hütte im Wald. Es war ein Ort voller Erinnerungen, Träumen und bedingungsloser Liebe. Hier schien die Zeit stehen zu bleiben, und Malea noch immer am Leben zu sein. Jasper brauchte so einen Ort, um nicht in Schmerz zu ertrinken. „Ich glaube, solange wir im Hellen und, oder als Gruppe hierherkommen, sollte uns nichts passieren."

Lilia nickte. „Hans Verhaag hat seine Töchter umgebracht, keine Freunde von ihnen. Auch wenn wir noch nicht wissen, warum er das alles tut, seinem Muster folgend sollte sich eher Dorothea Gedanken machen." Lilias Worte klangen hart. Jasper spürte, wie sich seine Muskeln anspannten.

Er kannte diesen Tonfall von Lilia nur allzu gut. Sie hatte diese Sätze hervorgebracht, weil sie ihr Herz verschlossen hatte.

Seine Töchter. Eine davon war Lilias Freundin gewesen. Sie hätte die Sätze nicht aussprechen können, hätte sie dabei die Trauer über Malea an die Oberfläche gelassen. Also hatte sie nicht mit dem Herz, sondern mit dem Kopf gesprochen.

Fria hingegen verstand Lilias harte Worte nicht. Sie kreischte fast als sie antwortete: „Dorothea wird nicht sterben! Sie ist sicher! Wir passen auf sie auf!"

„Ja Fria, das werden wir." Jasper hatte nun endgültig ein Spiel aus dem Schrank gezogen, um so das Thema zu wechseln. Die Gefühle seiner Freunde spielten verrückt. Sie brauchten jetzt eine Ablenkung, sonst würde dieser Abend in einem Desaster enden.

Sein Gefühl hatte sich für Tabu entschieden. Das war lustig und würde sie auf andere Gedanken bringen. Außerdem konnte man hier nur schlecht schummeln und es würde hoffentlich zu keinem Streit kommen.

Zuversichtlich hielt Jasper das Spiel in die Höhe und verkündete: „Jetzt widmen wir uns dem hier."

Seine Freunde schienen wenig begeistert, aber das war egal. Hauptsache sie kamen endlich auf andere Gedanken.

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