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Ich lief schnell über den Campus zu dem Wohnheim für die Erstsemestler,es war inzwischen sehr kalt geworden und nur wenig Studenten begegneten mir auf dem Weg dorthin.
Schnell schlüpfte ich durch die Tür und war überrascht als ich mich umsah. Vor mir lag ein großer Gemeinschaftsraum mit ein paar Couches und Sesseln auf denen schon ein paar Schüler saßen und in den Fernseher schauten. Sie musterten mich kurz als ich rein kam und wendeten sich dann wieder ihren Beschäftigungen zu. Nur ein Mädchen sprang aus einem der Sessel und kam auf mich zu gelaufen. Sophie. „Hey.", sagte sie und zog mich an sich.
Sie überforderte mich komplett mit dieser freundschaftlichen Geste. Sie grinste als sie mein Gesichtsausdruck sah und hakte sich dann bei mir unter. „Es ist total super hier! Komm mit ich zeig dir alles."
Sophie zeigte mir eine kleine Küche in der wir unter anderem unsere Wäsche waschen konnten. Wir gingen wieder zurück in den Gemeinschaftsraum und gegenüber von dem Durchgang in die kleine Küche war eine Treppe, die nach oben führte.
Wie sie mir erklärte ging es dort zu den Zimmern. „Welche Zimmernummer hast du?", fragte sie neugierig.
Ich langte den Schlüssel den mir der Direktor gegeben hatte aus meinem Rucksack und gab ihn ihr. Sie beäugte ihn und wirkte enttäuscht. „Wir wohnen nicht im Gleichen. Schade."
Ich bemerkte das auch ich enttäuscht war. „Du wohnst in Zimmernummer 23, ich wohne im Zimmer 26. Immerhin nur 3 Zimmer weiter.", sie lächelte.
Ich nickte zustimmend und ließ mich von ihr zu meinem Zimmer bringen. Wir gingen die Treppe hoch und dann nach links. An den Wänden hingen immer wieder vereinzelt Bilder von Landschaften oder Personen, die ich nicht kannte. Sie zeigte auf eines der Bilder und blieb stehen.
„Das ist der Gründer der Jaxson-High. Edward Jaxson."
„So und das da vorne ist dein Zimmer.", sagte Sophie.
Ich drehte mich wieder zu ihr um. Sie zeigte auf eine Tür auf der rechten Seite. Ich löste mich von dem Bild und eilte zu ihr. Sophie gab mir den Schlüssel zurück und ich steckte ihn ins Schloss.
Ich öffnete die Tür und trat ein. Ich staunte, das hatte ich mir irgendwie einfacher eingerichtet vorgestellt, wie in einer Jugendherberge. Aber das erinnerte mich mehr an ein Hotelzimmer.
„Wow.", hauchte ich. „Ja es ist einfach unglaublich oder?", sagte Sophie und schob mich vorwärts. Ich nickte und ging in die Mitte des Raumes. Jeweils an den Seitenwänden des Raumes stand ein Bett, eines für mich und eins für meiner Mitbewohnerin. Es war ebenfalls noch unbezogen, also war sie auch noch nicht da. Neben jedem Bett stand ein kleiner Nachtisch, darauf waren jeweils eine kleine Schirmlampe und eine Kerze. Auf dem Boden lag zwischen den Betten ein großer kuscheliger Teppich, ich hätte am liebsten meine Turnschuhe in die Ecke gefeuert und meine nackten Füße in den wolligen Fransen vergraben. Ein großes Fenster war der Tür gegenüber in der Wand eingelassen, zwischen den Betten. Darunter hing eine kleine Heizung. An der linken Seitenwand des Zimmers waren 2 große dunkle Holz-schränke und dazwischen stand ein eleganter Schreibtisch auf dem ein Computer prangte. Ein bequemer weißer Schreibtischsessel ruhte davor. „Sieh dir die Decke an!",kreischte sie aufgeregt.
Ich sah nach oben. „Wow.", hauchte ich nochmals. Mir blieb der Mund offen stehen. Ein kunstvolles Muster zierte die Mitte der Zimmerdecke. Geschwungene Linien griffen ineinander und liefen jeweils an den Enden in weitere Linien aus.
Kleine dunkle und helle Flächen bildeten einen wunderschönen Kontrast und vermittelten die Tiefe des Deckenbildes. Es sah aus wie ein Flügelpaar eines Engels. „Es ist wunderschön.", flüsterte ich. Sie kam zu mir und zeigte auf eine weitere Tür.
„Das ist das Bad." Ich sah von ihr zu der Tür und grinste. Dann war ich mit 2 schnelles großen Schritten an der Tür, legte meine Hand auf die geschwungene, verzierte Klinke und sah zu ihr zurück. Sie strahlte wissbegierig. „Ja nun mach schon!", kreischte sie und kam schnell zu mir.
Wir öffneten die Tür gemeinsam und standen in einem wunderschön gefliesten Badezimmer. „Wow!", hauchten wir beide gleichzeitig. In der rechten hinteren Ecke stand eine Dusche, davor lag eine kleinere Version von unserem Schlafzimmerteppich. Uns gegenüber stand ein Waschbecken, mit einem grünen Seifenspender und an der Wand daneben hingen ebenfalls grasgrüne Handtücher.
Ich ging zu dem Waschbecken und öffnete die die kleine Schrankgarnitur. Darin lagen noch mehr Handtücher. Von kleinen Waschlappen bis hin zu großen Handtüchern für die Dusche. Ich schloss die Schranktüren.
„Ich gehe hier nie wieder weg!", kreischte ich vom Glück überrollt. Sie hatte mich mit ihrem Eifer angesteckt und nun nahm ich ihre Hand und zog sie wieder in das Hauptzimmer.
„Geht mir genauso!", gab sie zurück und wir ließen uns beide auf eines der Betten fallen. Ich schloss die Augen und faltete die Hände auf meinem Bauch. Wir seufzten glücklich. „Wie heißt du eigentlich?" , fragte sie dann und drehte ihren Kopf in meine Richtung. „Angelin.", antwortete ich ihr.
„Angelin-Olivia Johnson."
„Sophie Winters.", sagt sie dann. „Schön dich kennen zu lernen." Ich musste grinsen und sie erwiderte mein Lächeln. Ich war auch sehr froh sie kennengelernt zu haben.
Ich hatte lange nicht mehr mit Gleichaltrigen geredet, lange nicht mehr gelacht. „Sag mal Sophie Winters.", fing ich witzelnd an. „Gibt 's da n' Abkürzung?" Sie lachte leise.
„Du kannst mich Soph nennen. Und bei dir?" Ich dachte zurück an meine Schulzeit in Norwegen. Meine Freunde hatten mich genauso wie meine Mutter genannt.
„Angel.", antwortete ich ihr. Sie nickte. „Und bist du mit deinen Eltern hierher gezogen?" Sie hatte einen wunden Punkt getroffen.
Konnte ich mich schon jemandem anvertrauen? Auf meiner alten Schule hatte es sich ausgebreitet wie ein Lauffeuer und jeder sprach mir sein Mitleid aus. Als hätte mir das geholfen. Ich brauchte und wollte kein Mitleid.
Ich wollte nicht das unsere Freundschaft unter Mitleid zerbrach. Das sie mich jedes mal schonte wenn es um dieses Thema ging, oder mich nur noch mit Samthandschuhen anfasste.
Denn genau das war zwischen mir und meiner besten Freundin passiert. Aus unseren Shopping touren wurden Besuche auf dem Friedhof, auf Partys nahm sie mich gar nicht mehr mit. Sie dachte ich würde nie wieder Spaß empfinden können.
Auch noch nach einem Jahr wurde es nicht besser. Meine Lehrer hatten Angst mir schlechte Noten zu geben und ich musste einmal in der Woche zum Schulpsychiater.
Und sie schlugen mir Sonderregelungen beim Abitur vor, die ich ablehnte. Sogar die Schüler die mich nie leiden konnten und sogar meine Hassfeindin sprachen mir ihr Mitleid aus und jeder wollte mir alles recht machen. Wie ich es gehasst habe.
Zu meinem 19 Geburtstag bekam ich nur haufenweise traurige Blicke. Am Abend kam meine beste Freundin dann mit einem Film zu mir, in dem es um Waisenkinder ging, die es am Ende schafften sich wieder glücklich ihrem Leben zu wenden.
Genau das was ich gebraucht hatte. Noch mehr Mitleid!
Als Pier eine Woche darauf von seiner Reise aus Afrika zurückkam schlug er mir vor in die USA zuziehen, das war sein Geburtstagsgeschenk. Diese Universität zu besuchen. Und ich war ihm auf ewig dankbar.
Soph sah mich fragend an. „Alles gut?"
Ich nickte und sah ihr in die Augen. „Ja, ich.",setzte ich an.
Nein! Vertrau ihr. Ich schüttelte den Kopf und versuchte es nochmal.
„Nein ich bin mit meinem Stiefvater hier hergezogen. Meine Eltern sind beide Tod." Ich machte mich auf Mitleid gefasst, doch sie nickte nur.
„Meine Mutter ist auch schon Tod." Ich lächelte sie an, sie erwiderte es schwach.
Wir schauten beide zur Decke und ihr zeichnete die Linien mit meinem Finger auf meinem Bauch.
„Wann hast du sie verloren?", fragte sie mich. Ich seufzte.
„Meinen Vater vor 10 Jahren an Krebs und meine Mutter vor 2 Jahren, sie hat starke Anti-Depressiver genommen, sie ist über den Tod meines Vater nie hinweg gekommen. Dann hat sie stärkere Tabletten genommen und ist eines Tages auf Arbeit einfach umgekippt." Sie nickte.
„Und sie hat trotzdem neu geheiratet?" Ich nickte.
Es tat gut darüber zu reden.Wirklich zu reden. Sie wollte genauso wenig Mitleid wie ich.
„Und bei dir?" Sie seufzte. „Meine Mutter war Extremsportlerin." Soph schloss die Augen, sie wirkte traurig. „Sie liebte Geschwindigkeit, Höhe und die Gefahr. Wir wussten das es sie eines Tages das Leben kosten würde."
Eine vereinzelte Träne rann ihr die Wange herunter. „Vor 13 Jahren war es dann so weit." Sie schluckte. „Ich hatte sie angefleht nicht zu starten. Der Wind war zu stark" Sie lächelte höhnisch. „Aber sie versicherte mir dass das nicht das Erste mal war das sie bei Wind sprang. Ihr Fallschirm entfaltete sich nicht richtig." Sie schluchzte.
„Aber das ist schon zu lange her um noch darüber nach zu denken.", sagte sie dann und wischte sich die Träne von der Wange.
Wir lagen Schulter an Schulter in meinem Bett, wir hatten beide genug Platz.
„Aber ich habe ja noch meinen Vater und meine ältere Schwester, sie geht auch hier auf diese Uni, sie ist im Zweitsemester und hat schon einige Kontakte.", sagte sie dann wieder gefasst und das Kontakte betonte sie in dem sie mir ein Grinsen schenkte.
„Schluss mit Trübsal blasen!" Sie setzte sich auf und blickte auf mich herab. Ich lächelte.
„Kann man hier irgendwo auch Spaß haben?", fragte ich sie, setzte mich ihr gegenüber und lehnte mich gegen die Wand. Sie grinste.
„Oh ja!", raunte sie und wurde hibbelig. „Hier steigen an den Samstagen immer die heißesten Partys.", Soph zwinkerte mir übermütig zu und ergänzte: „Und naja, heute ist einer dieser Samstage." Ich machte große Augen.
„Ich glaube ich weiß was wir heute Abend tun.", antwortete ich verschmitzt.
Wir hatten ein verlängertes Wochenende für die Anreise und das Einleben in dieser Universität, der Erste Schultag würde also erst am Dienstag sein und heute war die aller erste Party des neuen Schuljahres. Es würden alle da sein die auf diese Universität gehen.
„Es ist erst 12 Uhr, wie wäre es mit einer kleinen Shopping-tour? Ich brauche ganz dringend ein neues Partykleid." Sophie stand auf. „Also eh nur wenn du magst.", sie wirkte plötzlich nervös, wie ich sie vor dem Direktorat kennen gelernt hatte und schaute auf ihre Hände.
„Wann soll 's losgehen?",fragte ich amüsiert. Sie schaute hoch und ihre Augen glänzten.
„Echt?" Ich nickte und sie zog mich übereifrig vom Bett.
„Aber erst solltest du dein Zimmer mal einrichten. Hast du überhaupt schon die Formulare unterschreiben lassen?" Oh ja richtig, die hatte ich komplett vergessen! Sie prustete los: „Also nicht." Sie steckte mich mit ihrem Lachen an. Nach einer Zeit wusste ich gar nicht mehr worüber wir gelacht hatten. Aber was ich wusste war, dass sie der einzige Mensch auf der ganzen Welt war der mich verstand und das Gleiche war ich für sie.
Wir waren nicht länger alleine, wir hatten einander. Was viele Leute nicht verstehen ist, dass bei solchen Verlusten weder Ärzte noch Psychiater helfen können, sondern einfach jemanden der dich versteht ohne mit dir darüber reden zu müssen.
Ja ich weiß bis hier hin war es noch nicht wirklich spannend..
Aber ich wollte euch erstmal die Charaktere näher bringen.
Nächstes Kapitel wird es dann schon spannender.
Danke das ihr bis hier her gelesen habt! 😊
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