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„Okay,hast du alles? Dein erster Tag in einem vollkommen neuen Land. Ach quatsch in einem neuen Leben!"

Er schwafelte schon wieder. Hauptberuflich war er Journalist und sowieso das ständige Pendeln gewohnt.

In 2 Tagen würde er schon wieder auf dem Weg in den Iran sein. Ich würde ihn vermutlich trotzdem vermissen, auch wenn er nicht mein Vater war, war er dennoch auch nach dem Tod meiner Mutter bei mir geblieben.

Er hatte es stets gut mit mir gemeint, doch ersorgte sich ständig um mich und faselte ständig davon das ich darüber hinweg kommen würde.

Wirst du nicht. Genau so wenig wie er.

Ich hatte mit 9 Jahren meinen Vater verloren und mit 17 Jahren dann auch meine Mutter. Ein Teil in mir würde nie wieder so sein wie vor den Schicksalsschlägen.

Ich war ein so glückliches Kind gewesen, ich weiß nicht was ich getan hatte damit mich Gott so bestraft hatte. Aber er war es dank dem ich es geschafft hatte weiterhin stark zu sein, der mir vermutlich jeden Tag Kraft zum aufstehen gab. Er und auch mein Stiefvater.

„Ja Pier, ich weiß.", antwortete ich schlicht und streifte mir meine schwarze Bomberjacke über, die ich von meiner Mutter zu meinem 18 Geburtstag bekommen hätte.

„Hast du alles?", er hielt mich zurück und stellte sich rasch zwischen mich und die Tür.

„Schreibmaterial, Unterlagen für deine neue Universität, die Formulare? Sind sie auch ausgefüllt? Am besten schauen wir nochmal nach ob du auch alles hast was du brauchst." Er unterstützte jede Sache die ich vergessen haben könnte indem er sie an den Fingern abzählte.

Als ich mich nicht rührte schob er unruhig seine Brille wieder hoch. Eine typische Geste wenn er nervös war.

„Ich habe alles, versprochen. Und jetzt bitte." , ich schob mich sachte an ihm vorbei zur Tür. Mit der Hand auf der Türklinke drehte ich mich noch einmal um und sagte:

„Wir sehen uns nachher."

Dann öffnete ich die Tür und ging hinaus. Ich schaute nicht nochmal zurück, ich hatte Angst das seine sentimentale Art ansteckend wäre, sondern holte mein Handy aus meiner Jackentasche und rief Google Maps auf damit ich zu der Universität fand. Ich hatte keine Zeit mich vorher umzuschauen, da wir Vorgestern erst angekommen waren, außerdem stapelten sich immer noch unzählige Umzugskartons in unserer Wohnung. Eigentlich bekam man so kurzfristig keinen Platz mehr an einer so wichtigen Uni aber mein Stiefvater kannte den Schulleiter von einer seiner Reisen durch die Welt und dieser schrieb mich kurzerhand noch mit ein.

Und so kommt es dass ich nun mit meinem Smartphone durch die Straßen von LA laufe. „Die dürfte doch gar nicht mehr so weit weg sein? Pier hatte doch gesagt höchstens 10 Minuten zu Fuß." Ich starrte weiterhin auf mein Handy und lief geradewegs gegen eine andere Person.

Ich knallte mit meinem Kopf gegen etwas hartes und ließ vor Schreck mein Smartphone fallen. Es lag mit dem Display nach unten auf der Straße.

Ich sah hoch und funkelte die Person an, die Sonne ragte über demjenigen am Himmel auf weswegen ich ihn nicht sehen konnte. Sie, er oder ES war nur eine einzige schwarze Silhouette.

„Kannst du nicht aufpassen!", platzte es aus mir hervor.
Ich bückte mich und hob mein Handy vom Boden auf. Ich drehte es langsam um, es war eines der älteren Samsung Modelle, welches ich schon einige Jahre mit mir herum trug. Dort waren sämtliche Fotos aus meiner Vergangenheit drauf, wie Fotos mit meiner Mutter.

Sogar ein Kinderfoto wo auch mein Vater drauf war. Meine Mutter und ich standen links und rechts neben ihm am Krankenbett und hielten seine Hände. Wir lächelten alle drei. Ein Kratzer zog sich quer über den Bildschirm, Tränen schossen mir in die Augen.

Ich versuchte es anzuschalten, aber das Display blieb dunkel. Ich biss mir auf die Lippe und straffte meinen Körper. Ich sah noch ein letztes mal zornig zu meinem Gegenüber und dann ging ich an ihm, wie ich jetzt wusste, vorbei und rempelte ihn dabei "aus versehen" mit meiner Schulter an.

Wobei ihm sein Grinsen aus dem Gesicht fiel und er mich am Arm packte. Ich sah ihm mit hervor gestrecktem Kinn und hocherhobenem Kopf in die Augen. Er war locker ein Kopf größer als ich und ich war für ein Mädchen schon ziemlich groß, 1,70 Meter. Meine Mutter hatte immer schon leicht zu mir hochschauen müssen.

Ich konnte sie praktisch hören, ihre liebevolle Stimme, wie sie schmunzelnd sagte, dass ich die Größe eindeutig von meinem Vater haben müsse. Ich musste lächeln, bei diesem Gedanken.

Du vermisst sie.

Dann sah ich ihn wieder vor mir und mein Gesichtsausdruck wurde ausdruckslos.

„Willst du dich nicht entschuldigen?", raunte er tief.

Jeden anderen hätte das vermutlich eingeschüchtert, aber nicht mich, dafür hatte ich schon zu viel erlebt. Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und raunte ebenfalls:

„Ich wüsste nicht wofür." Er ließ ein Schnauben hören und dann zeichnete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ab. Es gefiel mir nicht, aber ich blieb wie eingefroren stehen als er einen Schritt näher kam und sich zu meinem Ohr herabbeugte:

„Du scheinst neu zu sein, ich verzeihe dir dein Unwissen. Du gehst bestimmt auf die Jaxson-High. Hier ordnet man sich unter und du stehst ganz unten." Er zog sich zurück, aber nicht ohne mich nochmal genau zumustern.

Ich tat das selbe. Ich prägte mir seine Augen ein, ein stechendes Grün, umrahmt von tiefschwarzen Wimpern, in der gleichen Farbe wie auch seine hoch gegelten Haare waren, er war attraktiv, das musste ich ihm lassen.

Aber Innen ist er hässlich.

Sein Grinsen wurde breiter. Ich riss mich los und ging davon, aber nicht ohne eine Antwort. Ich schaute über meine Schulter und sagte lässig:

„Abwarten" Dann ging ich mit stolzen Schritten weiter.

Zum Glück war die Universität von hier aus leicht zu sehen. Ich musste lediglich in die nächste Straße einbiegen und befand mich vor einem riesigen Campus. Ein Schild mit der Aufschrift: "Erstsemester", befand sich am Eingang, ein großer, imposanter Zaun umgab das gesamte Gelände.

Ich trat darauf zu und nahm mir einen der Flyer,der in einem Plastik Behälter neben dem Schild hing.

„Erstsemester: Neuankömmlinge begeben sich bitte in das Direktorat in der 2 Etage, Raum 208. Dort erhalten sie weitere Informationen."

Ich lief über den Campus, er war ordentlich strukturiert. Auf der Rückseite des Flyers war eine beschriftete Karte zu sehen. Der Campus teilte sich in 4 Bereiche ein.

Das Wohngebäude der Erstsemestler befand sich in der nördlichen Richtung, dort würde ich vermutlich einziehen. Das wäre praktischer, dann müsste ich nicht immer so weit laufen, mein Stiefvater wäre sowieso die ganze Zeit im Ausland unterwegs, da wäre es ja egal wo ich wohnte.

In der östlichen Richtung befand sich das für die Zweitsemester und im Westen das für die Drittsemester. Das Gebäude im Süden ist auf der Karte umkreist.

Das muss es sein. Ich ging den Kiesweg entlang, überall standen Bäume unter denen sich Studenten tummelten, sich unterhielten, oder lernten.

Die Atmosphäre hier war toll, mich durchströmte zum ersten mal seit Ewigkeiten wieder ein Gefühl von Glück.

Vielleicht kannst du hier wirklich neu anfangen. Ich lächelte und sah mich ein wenig um. Es ist später Sommer, vereinzelte Blätter färben sich schon rötlich und der Morgen ist ziemlich kühl.

Ich liebte den Herbst. Ein Wind zog auf und zerrte an meinen Haaren, ich steckte meine Hand in die Taschen meiner Bomberjacke und machte mich auf zu dem Hauptgebäude.

Überarbeitet: 04.11.17

Ja noch ist das hier alles Vorgeplänkel, aber ihr solltet es trotzdem lesen.

Einiges ist wichtig für die Verständnis in den späteren Kapiteln!

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