„Aufstehen Mädchen", hörte Lu die Stimme von Lilly. Sie öffnete verschlafen ihre Augen und nach einigen Sekunden konnte sie klar sehen. Sie wollte wie die anderen das warme Bett nicht verlassen, doch Lilly stand fordernd vor ihren Betten. „Also wenn jetzt nicht die erste von euch duschen geht, könnte es sein, dass ihr zu spät zum Frühstück kommt" „Ist ja gut", nuschelte Mary und schälte sich mühsam aus ihrem Bett. Nachdem sie im Bad verschwunden war, kam Lilly zu Lu ans Bett. „Lu. Nach dem Frühstück gehst du nicht mit den anderen in die Klasse, sondern folgst mir auf den Hof. Heute ist dein großer Tag", Lilly strahlte bei den Worten und Lu wusste, dass es was Besonderes sein musste. „Was passiert denn auf dem Hof?", fragte Lu nun nahezu hellwach. „Abwarten", grinste Lilly und ging zu ihrem Schrank. Sie holte einen schwarzen Umhang mit lila Innenseite heraus und streifte ihn sich über. Lu warf sie einen grauen zu. „Sobald du deinen Hüter kennst bekommst du einen Umhang in dieser Farbe", sagte Lilly nachdem Lu sie fragend ansah.

Nachdem sie alle fertig waren gingen sie in eines der kleinen Nebenzimmer der Speisehalle und aßen ihr Frühstück. „Lu heute ist doch dein großer Tag nicht?", fragte Tara mit vollem Mund. „Ja klar ist es das", schaltete Mary sich ein. Lu fiel auf, dass Mary heute viel gesprächiger als gestern war. „Sky und Tara ihr habt heute übrigens Tischdienst. Mary und ich machen heute Abend und Lu du musst heute noch nicht, schließlich bist du neu", sagte Lilly. „Was?! Warum müssen wir am ersten Schultag schon? Und dann gleich für alle!", beschwerte sich Tara. „Keine Sorge wir bekommen Hilfe. Zwei Füchsinnen und einen Drachen. Ihre Namen weiß ich nicht mehr", meinte Lilly. „Füchsinnen? Drachen?", fragte Lu verwirrt. Luana hatte die gestrigen Erlebnisse noch nicht richtig verarbeitet und nun kamen schon neue. „Okay es ist ganz einfach", seufzte Sky. „Ich bin ein Delfin. Mary ist eine Füchsin, Tara ein Drache und Lilly ist eine Wölfin", erklärte Sky. Die Gedanken von Lu überschlugen sich förmlich. „Und warum die ganzen Namen?" „Also es gibt die vier Hüter. Die vier Elemente. Wasser, Luft, Feuer und Erde. Der Hüter des Wassers ist der Delfin, der Hüter der Luft ist der Drache, der Fuchs ist der Hüter des Feuers und der Hirsch von der Erde", begann nun Mary zu erzählen. „Und es gibt einige wenige die behaupten, dass es einen Geisthüter also ein Geistelement gibt. Den Wolf. Aber es wurde nie bewiesen und die Leute haben ganz normale Fähigkeiten die auch ein Hirsch, Fuchs, Delfin oder Drache hat. Aber anscheinend gibt es die wirklich", fuhr Tara fort. „Und das Lila? Steht das für Geist?", fragte Lu weiter. „Ja, ich habe meinen Umhang schon an, aber wenn du dir Marys anschaust wirst du merken, dass dieser eine rote Innenseite hat, Taras eine silberne und Skys eine hellblaue", übernahm nun Lilly. „So ich muss los", beendete Lilly dann schon ihren Vortrag und ging. „Was macht Lilly denn jetzt? Und was muss ich eigentlich an meinem „besonderen Tag" machen?", fragte Lu. „Das wirst du noch erfahren meine liebe", grinste Tara und die Mädchen schwiegen daraufhin.

Nachdem das Frühstück beendet war ging Lu durch die Flure auf den Hof. Dort standen schon einige jüngere Schüler und Lilly. „Na? Bereit deinen Hüter kennenzulernen?" „Zu wem glaubst du gehöre ich?", fragte Lu. „Es kommt darauf an. Deine Fähigkeit muss nicht unbedingt dein Element sein. Eine Fähigkeit bekommt man vererbt. Ein Element ist aber tief in dir verankert, es kommt auf deine Persönlichkeit dein Handeln und vieles mehr an. Ich kann nur vermuten was du bist. Ich könnte mir vorstellen, dass du ein Hirsch oder Delfin wirst. Fuchs und Wolf wäre ich eher skeptisch gegenüber und wenn du ein Drache wärst, wäre dies schon ein Wunder", antwortete Lilly. „Alle einmal herhören", rief eine tiefe Männerstimme. Ein großer schlanker Mann in einer etwas abgewetzten Umhang ging zu ihnen. Er hatte braunes Haar und strahlend gelbe Augen. „Ich bin Roman Lower. Nennt mich bitte einfach Roman und du. Ich fühle mich sonst so alt", sagte der Mann. „Ich will euch heute zu der Kristallhöhle bringen. Dort erfahrt ihr eurer Element und auch etwas über eure Fähigkeit. Anschließend werden einige von euch mich im Unterricht haben. Die anderen werden einen meiner Kollegen haben. Wir trainieren dann mit euch eure Fähigkeiten und Schwächen. Ich darf euch unsere Schulsprecherin Lilly vorstellen. Sie wird uns ebenfalls begleiten. Der Weg ist nicht gefährlich aber man könnte sich verlaufen. Also hört ihr auf mich und Lilly. Verstanden?", der Mann lächelte in die Runde. „Dann will ich euch zeigen was euch dort drin erwartet", sagte er und dann formte sich eine Art Flamme in seinen Händen. Sie war allerdings giftgrün und schien nicht heiß zu sein. Mit Leichtigkeit hielt er die kleine Flamme in seinen Händen und ließ sie tanzen. Dann blies er und die Flamme breitete sich wie ein Nebel aus. Die Schüler wichen ein wenig zurück als sich ein Bild aus dem grünen Nebel formte. Vier Sockel mit jeweils einem Tier drauf. Die Tiere waren aus Stein. Ein Delfin der auf seiner Flosse saß und einen anzulächeln schien. Ein Fuchs der auf Flammen saß und stolz nach oben blickte. Ein Drache lag auf dem dritten Podest und hatte seine mächtigen Flügel von sich gestreckt. Neben ihm stand ein majestätischer Hirsch der freundlich aber auch streng in die Runde zu schauen schien. Dann verblassten die Flammen und Roman sog sie wieder in seine Hände wo sie verschwanden.

Kurz war es totenstill. Dann klatschten die Schüler begeistert und redeten aufgeregt. „Wer die Hüter sehen möchte macht sich mit mir jetzt auf den Weg", sagte er und führte die Schüler an. Luana war mehr als gespannt was sie erwarten würde als sie den anderen über den Hof folgte. Die Schüler verließen das Gelände durch ein silbernes Tor welches eher ein Geflecht aus mehreren Silbersträngen war. Der Boden war nun nicht mehr gepflastert sondern nur noch ein Erdweg. Es ging den großen Hügel hinunter und man konnte nun das Plätschern eines Baches hören. Das klare Wasser schien die Schüler auf ihrem Weg zu begleiten, denn die Gruppe hielt sich immer an den Bach. Dann kamen erste Bäume und der Erdweg war übersäht mit Eicheln, Blättern und Ästen. Einige Früchte die noch nicht reif waren, lagen angeknabbert auf dem Boden. Ein Eichhörnchen huschte über den Weg und flitzte einen Baum hinauf. Die Sonne beleuchtete den Wald anfangs noch sehr gut, doch das Blätterdach wurde immer dichter. Die Sonnenstrahlen fanden nahezu keinen Weg hindurch. Nach einigen Biegungen war es wirklich dunkel, obwohl es helllichter Tag war. Die Gruppe rückte nun immer enger zusammen, denn Dornen bereiteten sich links und rechts vom Weg aus und ihre Spitzen ragten bedrohlich in Richtung der Schüler. Das Rascheln der Blätter wurde immer leiser und eine geheimnisvolle aber auch bedrohliche Stille legte sich nieder. Die Schüler tuschelten leise und der Pfad wurde immer dunkler. Wie ein Tunnel der sie alle nacheinander verschlingt. „So bitte alle in Zweierreihen hintereinander weggehen, der Weg wird noch enger", rief Roman laut. Er und Lilly hatten mit einem einfachen Zauber eine große Lichtkugel oder ein Lichtnebel, so genau konnte Lu es nicht sagen, über sich schweben. „Wo führt der Weg hin?", fragte eine Schülerin die hinter Lu lief. Lu konnte nur mit den Schultern zucken und weitergehen. Lilly war zu weit, Lu müsste schreien um dies zu fragen, was ihr aber ein wenig peinlich wäre. „Ich bitte euch nun, dass ihr gleich nacheinander und ohne zu drängeln die Stufen hinaufgeht. Der Weg ist nicht ungefährlich also keine Spielereien", befahl Roman den Schülern. Dann konnte es auch Lu sehen. Nach einer erneuten Biegung war es wieder sehr hell. Als ob auf einmal die Sonne aus einem Schlaf erwacht wäre. Vor ihr stand ein riesiger Berg. Er überragte alle anderen kleineren Berge. Seine Vorsprünge und Risse waren spitz und angsteinflößend. Niemand sagte etwas. Alle waren von diesem Anblick geblendet. „Lu möchtest du als erste hineingehen?", fragte Lilly. Lu nickte ein wenig unsicher. „Du wirst gleich die Hüter kennenlernen. Suche nicht nach ihnen, sie werden dich finden"

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Eure Rankenstern