Kapitel 74 - Kampf und Zwickmühle
In einer schnellen, fließenden Bewegung drehte Alec sich um die eigene Achse und rammte dem Soldaten hinter ihm den Ellbogen ins Gesicht. Dieser taumelte keuchend zurück und Alec nutzte die Gelegenheit und trat ihm die Beine weg, sodass er zu Boden ging. Mit einem weiteren gut gezielten Tritt setzte er den Mann außer Gefecht, bevor er sich gegen Sebastian warf und ihn zu Boden riss.
Amor entglitt dabei seiner Hand und kullerte noch etwas weiter bis er zum Stehen kam, aber darum konnte Alec sich vorerst nicht kümmern.
Er war nämlich vollauf damit beschäftigt, sich alle Techniken des Nahkampfs in Erinnerung zu rufen, die er sich während seiner Zeit auf der Warlock angeeignet hatte, um sich gegen Sebastian zu behaupten.
So verschwand Magnus für einen Augenblick aus seinen Gedanken und wieder erfasste ihn diese eiskalte Ruhe, die er auch beim Bogenschießen verspürte, kurz bevor er einen Pfeil losließ. Nur war das hier wesentlich anstrengender, denn Sebastian entglitt immer wieder seinem Griff, aber auch Alec war lange micht mehr so ungelenk wie früher.
Der Kampf war ausgeglichen, weshalb sie kämpfend über den Boden rollten. Immer auf der Suche nach der Gelegenheit, den anderen endgültig am Boden festzupinnen und somit den Kampf zu gewinnen.
Alec verwendete seine ganze Kraft darauf, nicht als Verlierer aus diesem Kampf hervorzugehen, denn er wusste, er hatte nur diese eine Chance.
Auch Magnus wehrte sich, obwohl er insgeheim einen anderen Plan verfolgte. Das hieß allerdings nicht, dass er sich nicht befreien wollte, weshalb es ihm ein teuflisches Vergnügen bereitete, dem Soldaten hinter sich in die Kniescheibe zu treten. Er nutzte den Moment, in dem sich der Soldat zusammenkrümmte und entfernte sich einige Schritte, bevor er stehen blieb. Der Soldat wiederum blickte ihn nur noch wütender an, bevor er sich aufrichtete, sein Schwert zog und hoch über den Kopf hob, um Magnus damit zu zerschmettern. Magnus hätte ausweichen können -dieser Soldat war wirklich eine Schnecke-, aber er wollte nicht. Stadessen hob er seine Hände genau in dem Moment, als die Klinge auf ihn hinabsauste. Mit einem schrillen Krachen zersprang das metallene Bindeglied, welches seine Handschellen zusammengehalten hatte und die Wucht des Aufpralls war sogar so stark, dass dem Soldaten das, nun ziemlich angeschlagene, Schwert aus der Hand rutschte. Ab hier war es Magnus, trotz seines erschöpften Zustandes, ein Leichtes, den Mann zu überwältigen, immerhin hatte er in seinen Jugendjahren oft geboxt oder andere Kampfsportarten, während seiner Reise durch die Schattenwelt, erlernt, um sich damit kontrolliert abreagieren zu können.
Derweil zeichnete sich der Kampf auf der anderen Seite des Pentagramms zunehmens zu Alecs Gunsten ab. Endlich hatte er Sebastian unter sich eingekeilt und so schnell würde er sich auch nicht befreien können.
Kurz sah er auf und bemerkte, dass Amor unweit von ihm auf dem Boden lag. Er dachte nicht nach, sondern schoss nach vorne und ergriff den goldenen Kompass.
Nur leider gab er so auch seine überlegene Position auf, was Sebastian natürlich ausnutzte. Mit Schwung stieß er Alec zur Seite und nagelte nun ihn am Boden fest, die Hände etwas über dem Kopf und mit seinem ganzen Körpergewicht auf dem Schwarzhaarigen.
Sebastian grinste, als er bemerkte, wie nah sie der einzigen noch farblosen Spitze des Pentagramms waren. Alecs Herz hingegen raste und er versuchte sich aus dieser unpassenden Position zu befreien, doch Sebastians Griff war fest und machte ihn absolut bewegungsunfähig.
Plötzlich umgriff Sebastians kalte Hand sein linkes Handgelenk, welches noch immer den Kompass umklammerte. Mit einem teuflischen Grinsen streckte er Alecs Arm nach vorne, bevor er ihn nach unten drückte.
Sofort spannten sich seine Armmuskeln an und er hielt dem Druck sand, den Sebastian ausübte.
Ein kurzer Blick nach vorne verriet ihm, dass seine Hand über einer dunklen Kule schwebte, an der Spitze der dunklen Sternzacke. Wenn der Kompass den Boden berührte, das wusste Alec, würde er ihn nie wieder lösen können und der erste Schritt zur Beschwörung Kalis wäre getan.
Das konnte er nicht zulassen! Also hielt er stand, doch sein Arm zitterte bereits verdächtig, verriet seine Anstrengung.
Auch Sebastian bemerkte dies, denn sein Grinsen wurde breiter, regelrecht zur Fratze, als er sich zu Alec hinabbeugte.
~Gib auf, Lightwood. Diesen Kampf wirst du nicht mehr gewinnen, aber vielleicht ja noch überleben.~
Alec schüttelte krampfhaft den Kopf. Schweisperlen rannen ihm von der Stirn, aber sein Widerstand war eisern.
~Niemals!~
~Dann wirst du genauso durch meine Klinge sterben wie er, nur mit dem Unterschied, dass du zusehen wirst, wie das Leben aus seinen Augen entweicht. Bei deinem Bruder hattest du schließlich auch schon die Gelegenheit dazu.~, hauchte er kalt und mit einem kräftigen Ruck drückte er Alecs Hand vollends runter, sodass dieser gequält von der Bewegung und den Worten aufschrie.
Sobald der Kompass den Boden berührte, ging ein heftiges Beben durch die Erde. Als hätte ein Riese einmal mit seinem gigantischen Fuß aufgestampft.
Der Kompass leuchtete nur noch heller und sein Licht schoss durch die dunklen Umrisse der Sternzacke, um sich mit den anderen Farben zu verbinden. Auch am Himmel war ein blauer Lichtstrahl, der das Pentagramm vollendete, welches daraufhin sowohl am Himmelszelt als auch am Boden geheimnissvoll zu schimmern begann.
Sebastian ließ von Alec ab, der sich nach Luft ringend aufrappelte. Sobald er wieder auf den Füßen stand, war er wieder kampfbereit, die Hand zuckte bereits zu seinem Gürtel, wo er Magnus' Zwillingsdolche verstaut hatte, doch er hielt inne.
Magnus stand am anderem Ende des Pentagramms und sah ihn an. Neben ihm stand Valentin Morgenstern, der scheinbar locker einen Dolch, den er wohl gegen die Pistole eingetauscht hatte, mit geschwungener Klinge, ähnlich wie den Zwillingswaffen an Alecs Gürtel, hielt.
Auch er spürte Sebastians Anwesenheit und die Bereitschaft, ihn auf der Stelle umzubringen, wenn Magnus auch nur falsch atmen sollte.
Die Morgensterns erpressten sie mit ihrer Liebe zueinander, denn Alec würde nicht riskieren, Magnus zu verletzen und andersherum war es genauso, weshalb sie die Schattenjäger in der Hand hatten.
Alec knirschte mit den Zähnen, als ihm das klar wurde und am liebsten hätte er Magnus angefleht zu verschwinden, jetzt, wo er seine Handfesseln los war. Doch er wusste, dass Magnus sich nicht vom Fleck rühren würde, wenn Alec noch in Gefahr schwebte.
Diese Zwickmühle ist fies, beschloss Alec, denn er konnte nichts tun, um aus ihr zu entkommen. Oder zumindest nichts, was er wollte, was er ertragen konnte.
~Da wir nun so schön beisammen sind, sollten wir den zweiten Schritt der Beschwörung antreten. Ich will Kali heute noch befreien. Ich hoffe ja, dass dein Latein nicht allzu eingerostet ist, Magnus.~, sagte Sebastian selbstzufrieden.
Magnus funkelte ihn wütend an, was eine Welle der Erleichterung in Alec auslöste. Das Feuer in seinen Augen war nicht erloschen, auch wenn es stark flackerte. Doch es war da und das hieß, dass Magnus noch nicht bereit war, aufzugeben und das war Alec auch nicht.
Nur wie sollten sie sich aus dieser misslichen Lage befreien? Verstärkung war nicht in Sicht, immerhin waren ihre Freunde damit beschäftigt, die Nachhut der Schattenjäger aufzuhalten.
Sie waren auf sich allein gestellt.
Valentin drückte Magnus ein schweres Buch in die Hand.
Er schlug es langsam auf und strich beinahe liebevoll über das brüchige Pergament. Dann warf er Alec noch einen intensiven Blick zu, bevor er sich wieder der aufgeschlagenen Seite vor sich zuwandte und begann, laut zu lesen oder viel mehr zu psalmolieren.
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