Kapitel 47 - Freunde

Alecs Hände zitterten leicht und er mied während seines ganzen Berichts die bohrenden Blicke der anderen.

Er fühlte sich furchtbar unwohl in seiner Haut und tat sein Bestes, um sich dies nicht anmerken zu lassen, immerhin wollte er nicht so schwach erscheinen wie er wirklich war.

Dennoch war er froh, als er endlich fertig war, aber da er einen Wutanfall fürchtete, drückte er unbewusst die Schultern nach oben, zog den Kopf ein und kniff die Augen zusammen.

~Du widerwärtiger Schuft, du...~, begann Ragnor wutentbrannt, wurde aber von Catarina gestoppt, die ihre Hand erneut auf seinen Unterarm legte und diesen beruhigend drückte.

Dann wandte sie sich Alec zu, der noch immer verkrampft da saß, und nahm ihn plötzlich in den Arm.
Er gab seine steife Haltung auf und entspannte sich, sodass er die Umarmung erwiedern konnte. Er drückte sich eng an sie und ihm war es egal, wenn ihn die anderen nun seltsam ansahen..

Es tat einfach zu gut, so umarmt zu werden, weshalb er intuitiv seinen Kopf in ihrer Halsbeuge vergrub, um sein Zittern zu regulieren.

Plötzlich verstand er Magnus besser denn je.
Denn. wo Ragnor ignorant und sarkastisch war, war Catarina sanft und verständnisvoll, was sie umso liebenswerter machte.

Sie war eine starke Person, an die man sich anlehnen konnte, war man selbst auch noch so standfest, und die einem stets das Gefühl vermittelte, dass schlussendlich doch noch alles gut werden würde. So auch jetzt.

~Gib dir nicht die Schuld~, wisperte sie so leise, dass ihre Worte zwar kaum sein Ohr streiften, ihn aber mitten ins Herz trafen,~Du konntest nichts dafür und Magnus hätte das auch nie gewollt.~

Dann löste sie sich langsam von ihm und sofort fehlte Alec die Sicherheit, die ihm Catarina gegeben hatte.

Dennoch fühlte er sich nun nicht mehr ganz so verloren, sondern einigermaßen gefasst. Der Sturm in seinem Inneren hatte sich vorübergehend gelegt und war einer Ebbe gewichen, die ihm zumindest vorläufig etwas Frieden schenkte.

~Wir müssen Magnus da raus holen. Nicht nur unseretwillen, sondern auch um Kalis Wiedererweckung und damit das Ende der Welt zu verhindern.~, sagte Catarina entschlossen.

Dafür erntete sie zustimmendes Gemurmel der anderen und einen verwirrten Blick von Alec, der nicht wusste, was es mit ihrer Aussage auf sich hatte.

Das schien sie zu merken, denn plötzlich wurde ihr Blick sorgenvoll.
~Er hat es dir nicht erzählt, stimmt's?~
~Was nicht erzählt?~, fragte Alec verwirrt.

Statt einer Antwort, wechselte sie einen tiefen Blick mit Ragnor, der zwar etwas griesgrämig, aber vor allem nachdenklich aussah.

Nachdem sie in ihrer stillen Diskussion zu einem Ergebnis gekommen waren, wandte sich Catarina wieder Alec zu.
~Hat Magnus dir erzählt, wie die Beschwörung Kalis im Detail funktioniert?~

Alec schüttelte den Kopf. Warum hätte er das auch tun sollen?
Sie hatten in ihrer Beziehung wesentlich andere Dinge zu tun, als sich um das vermeintliche Ende der Welt zu kümmern.

Jetzt aber machte sich eine böse Vorahnung in ihm breit, die ihm beinahe die Luft zum Atmen abschnürte, doch davon ließ er sich nichts anmerken.

Viel lieber wollte er die Wahrheit erfahren.

~Zunächst legt man die Kompasse in die Ecken des Pentagramms. Dabei ist wichtig, dass der, der den letzten Kompass ablegt, automatisch derjenige ist, der einen Wunsch frei hat. Egal was.~, erklärte Ragnor bedächtig.

~Dann wird eine Beschwörungsformel gesprochen, die in jedem Codex, egal ob in unserem oder dem der Schattenjäger, abgedruckt ist. Eigentlich ist es egal, wer die Zauberformel spricht, allerdings bekommt der Zauber mehr Kraft, wenn sie vom Blutopfer selbst gesprochen wird.~, fuhr Catarina fort.

~Schlussendlich wird das Opfer gebracht. Dabei lässt man eine unbestimmte Menge Blut in das Pentagramm tropfen. Wichtig ist nur, von wem das Blut stammt.~

~Genau, man braucht nämlich das Blut von einem der fünf, die Kali einst gebannt haben. Das ist nun aber schon Jahrhunderte her und heute lebt nur noch ein Nachfahre, mit dem die Beschwörung glücken könnte.~, endete Catarina und ihr bitterer Tonfall trug nicht dazu bei, dass das unangenehme Gefühl in seinem Bauch verschwand.

Eher im Gegenteil, das Gefühl nahm zu und schien seinen ganzen Körper auszuhölen.
Alec schluckte schwer im Versuch, den Kloß in seinem Hals loszuwerden. Vergebens.

~Und Magnus ist derjenige, dessen Blut man braucht, oder?~

Der winzige Hoffnungsschimmer erlosch, als er einstimmiges Nicken erntete.

~Wir müssen ihn befreien. Sebastian wird ihn doch nicht am Leben lassen, wenn er die Möglichkeit hat, ihn umzubringen! ~, sagte Alec und war selbst darüber überrascht, wie fest seine Stimme klang. Dabei tobte in seinem Inneren erneut ein Sturm, der vor allem von Wut und seinem Beschützerinstinkt getragen wurde.

~Ja, aber nicht heute.~, antworete Lily, die bis jetzt vollkommen still gewesen war und legte eine Hand auf seinen Unterarm, um ihn am Aufstehen zu hindern.

~Ich stimme der Vampirin zwar nur ungern zu, aber sie hat recht. Wir sollten die letzten Stunden der Nacht nutzen, um uns ein wenig auszuruhen. Ich befürchte, dass wir in nächster Zeit nicht mehr allzu oft dazu kommen werden.~, meinte auch Ragnor und fuhr sich gähnend über die Augen und Stirn.
~Apropos, solltest du nicht bei deiner Crew sein?~

Lily zuckte nur gleichgültig die Schultern.
~Hier sind wir alle nur Schattenweltler. Es gibt keine speziellen Lager, also muss ich auch in keinem sein. Außerdem will ich Alec nicht alleine lassen, immerhin ist er mein Freund.~

Bei diesen Worten sah Alec von seiner Schüssel auf, in die er bis gerade eben gestarrt hatte, um das Muster zu bewundern, welches er in die matschige Pampe geritzt hatte. Ein Pentagramm.

Natürlich war ihm Lily mit der Zeit ans Herz gewachsen und er hatte sie auch gewissermaßen als Freundin gesehen, aber er hatte nicht erwartet, dass sie genauso darüber dachte. Das freute ihn irgendwie. Ein kleines Licht inmitten kalter Dunkelheit, dachte er.

Er schaffte es sogar, sie anzulächeln und als sie dieses erwiederte, verstärkte sich das warme Gefühl in seinem Inneren noch ein wenig. Es war nicht genug, um ihn vollkommen aufzuwärmen, aber es war ein Anfang.

Catarina zuckte nur mit den Schultern, lächelte Lily aber wissend an, was diese gekonnt ignorierte.

Schließlich machten sich alle fertig für die letzten paar Stunden Schlaf, die sie bekommen konnten und legten sich auf die Decken, die im Zelt ausgelegt waren. Schlafsäcke gab es nicht und die Feldbetten waren für die Verletzten vorgesehen.

Doch es war nicht der unebene Untergund oder Ragnors Schnarchen, das Alec vom Schlafen abhielt, es waren seine Gedanken, die sich kontinuierlich um eine Person drehten.
Magnus.

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