Kapitel 42 - Gefunden

~Was meinst du damit?~, fragte Alec atemlos und verkniff sich ein frustriertes Seufzen, als Magnus aufstand und seinen Mantel glatt strich.

Dann sah er ihn erstaunlich ernst an und antwortete~Der Alarm. Irgendetwas ist passiert. Komm.~

Mit diesen Worten streckte er Alec die Hand entgegen, der sie nur zu gerne annahm und sich hochziehen ließ.

~Dann sollten wir nachsehen, was das Problem ist.~, meinte er und rannte Magnus hinterher.

Es war zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen, allerdings reichte schon das Kreischen der Menschen, der helle Klang von aufeinandertreffendem Metall und das Knistern und Knacken von Flammen, die sich durch Holz fraßen, um Alec kaum merklich erschaudern zu lassen.

Mittlerweile waren sie in eine der engen Gassen der Siedlung eingetaucht, die zum Hauptweg führten, von dem die Geräusche kamen. Die Luf war stickig, trocken, heiß und stank nach Blut und Alkohol.

~Warum muss ich ausgerechnet jetzt unbewaffnet sein? Das ist doch ein schlechter Scherz!~, zischte Magnus leise, sichtlich wütend und angespannt.

Allerdings konnte Alec auch eine gewisse Nervosität aus seiner Stimme heraushören.

~Wozu hast du denn deinen weitsichtigen Freund?~, fragte er und musste, trotz der ernsten Lage, lächeln.

Dann zog er aus seiner Mantelinnentasche zwei identische Lederscheiden hervor.
Magnus' Augen weiteten sich vor Überraschung, bevor Erleichterung und Zuneigung ihren Platz einnahmen.

~Du überrascht mich wirklich immer wieder.~, stellte er lächelnd fest und küsste ihn kurz auf die Wange, bevor er ihm die Lederscheiden abnahm, sich umschnallte und dann die darin enthaltenen Zwillingsdolche hervorzog, die in dem unheimlichen Licht rötlich schimmerten.
~Im guten Sinne hoffe ich.~
~Natürlich.~, meinte er grinsend, bevor er weiterschlich, Alec direkt hinter ihm.

Als er das Sandsteingebäude verlassen hatte, hatte er die Kiste gesehen, in die sie ihre Waffen gelegt hatten. Sie stand herrenlos herum und ehe er sich versah, hatte er die Dolche und, aus Ermangelung eines Bogens, ein Schwert in der Hand gehabt.

Jenes Schwert schlug in seiner Scheide beständig gegen sein Bein und er hoffte inständig, es nicht ziehen zu müssen. Er war nämlich ein miserabler Schwertkämpfer und mied den Nahkampf so gut es ging.
Aber unbewaffnet herumzulaufen war auch keine Lösung und so hatte er wenigstens die Möglichkeit, sich zu verteidigen.

Als sie endlich das Ende der Gasse erreichten und am Rande der Hauptstraße standen, stockte ihm der Atem.
Vor Schock.

Die Bars, die noch vor wenigen Stunden gut besucht gewesen und aus denen nur lautes Gelächter und Musik gedrungen waren, wurden von einem Flammenmeer von Innen heraus aufgefressen. Ihre Holzverkleidung brannte wie Zunder.
Und weil ihre Steinmauern nicht brennen konnten, so verbrannten sie von Innen und warfen ihr bedrohliches Licht auf das Kopfsteinpflaster der Hauptstraße, wie riesige, furchteinflößende Laternen.

Viele Schemen huschten über diese Straße. Einige langsam, torkelnd, andere hingegen schnell, treffsicher und grausam, wie Racheengel auf himmlischer Mission, nur dass jene alles andere als himmlisch oder heilig war.
Überall lagen Leichen von Menschen jeden Alters, Geschlechts und Herkunft, deren Blut träge die Straße hinabfloss und den Boden glitschig werden ließ.

Angst- und Todesscheie erfüllten die Luft, vollendeten das grausame Bild einer Nacht, die so schön angefangen hatte.

Alec konnte nicht atmen. Die Luft stank nach Blut, Schweis, Alkohol und Tod. In seinen Ohren dröhnten die Schreie, übertönt von einem schrecklichen Kampfgeheul, aus dem reiner Triumph sprach.

Mit tränenden Augen sah er zu Magnus hinab, der das ganze Schauspiel mit einer Mischung aus Schock und unterdrückter Wut betrachtete.

Als ein Schemen an ihnen vorbeihechtete, zögerte er keine Sekunde und warf den rechten Dolch mit kalter Präzision.
Er bohrte sich in den Rücken der Gestalt und diese ging mit einem leisen Keuchen zu Boden, wo sie erst noch zuckte und dann plötzlich erschlaffte.

Alec brachte kein Wort über die Lippen, sondern folgte Magnus, der zu der Leiche ging, um sie genauer zu betrachten. Er zog seinen Dolch aus dem toten Leib und drehte ihn mit dem Fuß auf den Rücken.

Wieder stolperte Alecs Herz. Drohte, völlig den Geist aufzugeben, denn er erkannte den Toten.

Es war Raj, einer der Crewmitglieder der Shadowhunter, die er nie hatte leiden können. Er war stets zwielichtig und hinterlistig gewesen, aber ihn jetzt hier zu sehen...
Das konnte nur eins bedeuten.

~Sie haben uns gefunden.~, sprach Magnus tonlos seine Gedanken aus.

Dann wirbelte er plötzlich auf dem Absatz herum, packte Alec am Oberarm und zog ihn zurück in die Gasse.
Seinen Protest ignorierte er gekonnt.

~Was hast du vor?~
~Wir müssen hier weg. Zu den Höhlen östlich des Pandemonium-Vulkans.~
~Du willst fliehen?~
~Ich will dei- ... unser Leben retten und Flucht ist dabei die klügere Variante.~, erklärte er so knapp, dass er eigentlich keinen Widerspruch duldete.

Alec ignorierte das einfach.
~Wir sollen die anderen einfach im Stich lassen?~
~Welche anderen, Alexander? Die Schattenjäger haben uns völlig unvorbereitet getroffen. Beinahe jeder war betrunken oder mit etwas anderem beschäftigt. Wir hatten keine Zeit, eine Verteidigungslinie aufzubauen und das nutzen sie aus, um ein blutiges Massaker zu veranstalten, in dem sie alles töten, was ihren Weg kreuzt. Hier geht es nicht um die Gemeinschaft. Jetzt muss jeder für sich selbst entscheiden und für sein eigenes Wohl sorgen~, antwortete Magnus und sah ihm direkt in die Augen,~Und ich bin zu egoistisch, um dir deine Entscheidung zu lassen und stadessen zu wollen, dass du mit mir kommst und dich mit mir in Sicherheit bringst.~

Seine Augen strahlten aus dem Spiel von Licht und Schatten hell hervor und in ihnen spiegelte sich Sorge, aber auch ein Hauch von Selbsthass, der von Angst und einem flehenden Glitzern überdeckt wurde.

Statt einer Antwort, ergriff er Magnus' Hand und sagte entschlossen.
~Dann mal los.~

Das erleichterte Funkeln bekam er nicht mit, denn sofort zog ihn Magnus hinter sich her. Zurück in die Gassen, zurück in die Dunkelheit.

Später konnte Alec nicht sagen, wie lange sie unterwegs waren. Sein Zeitgefühl hatte ihn schon verlassen, als sie die große Ebene überquert und in einen dunkeln Tunnel eingetaucht waren.

Mittlerweile liefen sie zügig durch eine Schlucht, in der es so dunkel war, dass man kaum die Hand von Augen sehen konnte. Die einzige Sicherheit, die einzige Konstante, war Magnus, der seine Hand fest mit seiner verschränkt hatte und ihn zielsicher um die scharfkantigen Felsen herumführte.

Die Luft war nicht mehr rauchgeschwängert, aber auch nicht rein, denn jetzt stank sie nach faulen Eiern und anderen Gasen. Sie waren in unmittelbarer Nähe zum Vulkan, aber das machte ihm eigentlich am wenigsten Sorgen. Viel mehr war es die Angst, dass sie noch nicht alles überstanden hatten, was diese Nacht für sie bereit hielt.

Diese Vorahnung lag schwer und kalt in seinem Magen, unterdrückte das Kribbeln  welches er immer spürte, wenn Magnus ihn berührte.
Er hätte sich am liebsten übergeben, als er plötzlich eine bekannte, aber vor allem verhasste Stimme hörte~Endlich hab ich euch.~

Sebastian.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top