Kapitel 28 - Deal
Es herrschte das reinste Chaos an Deck.
Kaum waren Alec und Magnus im Freien angelangt, da wurden sie auch schon von einer fliegenden Gestalt angegriffen, die Alec wohl enthauptet hätte, wäre er nicht rechzeitig aus dem Weg gezogen worden.
Magnus, der ihn gerettet hatte, reagierte da schneller, denn er holte die Gestalt, noch während sie flog, mit einem seiner Dolche vom Himmel.
Bevor die Gestalt, ein Eidolon in Nixform, sich zu einem Sandhäufchen auflöste, stieß er einen markerschütternden Schrei aus, der Glas zum Zerspringen hätte bringen könnte.
~Danke.~, keuchte er atemlos, während er den schlanken Bogen von seiner Schulter gleiten ließ und einen Pfeil anlegte.
~Lass dich einfach nicht umbringen.~, antwortete ihm Magnus, der mit erhobenen Waffen an seinen Rücken gelehnt stand.
Obwohl die Eidola den Vampiren zahlenmäßig weit überlegen waren, schienen sie nichts von Teamwork zu halten, denn hier gab es beinahe nur Einzelkämpfe.
Alec stellte auch fest, dass sie, trotz ihres, den Menschen nachempfundenen Aussehens, kaum Ähnlichkeit mit diesen hatten. Ihre Haut war gräulich und vernarbt, ihre Haare hatten mehr Ähnlichkeit mit vertrockneten Algen und ihre Augen waren lediglich gelb leuchtende Scheiben, die mehr als gruselig aussahen. Auch schienen sie keine richtigen Waffen zu besitzen. Viel mehr benutzten sie verrostete Metallgegenstände und, Schwertern nachenpfundenen, spitze Korallen.
Leider jedoch waren sie alles andere als erfolglos, was sie auch ihren Kollegen aus dem Meer zu verdanken hatten, denn immer wieder segelte ein Eidolon über das Deck und riss einen Vampir mit sich ins Wasser.
Sowohl das Rauschen des Meeresstrudels, als auch das Kampfgetöse wurden von einem hellen, sirenenartigen Gesang übertönt, der Alecs Sinne verwirrte und seine Sicht verschwimmen ließ.
So bemerkte er auch viel zu spät das Ungetüm von Monster, welches auf ihn zu raste.
Die Distanz war zu kurz und der Eidolon zu schnell, um einen präzisen Schuss abzugeben, weshalb ihm das Herz beinahe stehen blieb, als er erneut zur Seite gestoßen wurde.
Magnus tauchte in seinem Sichtfeld auf, die unterarmlangen Dolche erhoben und bereit für den Angriff. Er duckte sich geschickt unter dem ersten Schlag des Eidolons hindurch und noch ehe dieser seine Verteidigung wieder aufbauen konnte, rammte er ihm den linken Dolch mit voller Wucht in die Seite.
Das graue Fleisch platzte auf und noch ein letzter, schriller Schrei entkam seiner Kehle, bevor er zusammensank und sich langsam zu Sand auflöste.
Magnus nahm beide Dolche in eine Hand und half ihm mit der anderen auf.
Alec erstaunte es, dass diese Wesen scheinbar kein Blut besaßen, denn die Spitze des Dolchs war nicht rot, sondern schien lediglich etwas nass vom Meerwasser zu sein.
Magnus' angespannte Miene hingegen überraschte ihn da weniger.
~Kletter auf den Mast. Da hast du einen besseren Winkel.~, meinte er knapp und wollte sich schon abwenden, aber Alec hielt ihn am Oberarm fest.
Verwundert sah er auf.
~Ich geb dir Rückendeckung.~
~Pass einfach auf dich auf.~
~Nur wenn du es auch tust.~
Ein kurzes Grinsen huschte über sein Gesicht.
~Deal.~
Auch Alec warf ihm ein kleines Lächeln zu, ehe er ihn freigab und an den Zwei- und Dreikämpfen vorbei zum Mast huschte.
Er warf sich den Bogen über die Schulter und begann, hochzuklettern, was gar nicht so einfach war, da das Schiff in leichter Schieflage war.
Dennoch schaffte er es schnell auf den Querbalken, auf dem ihn kurz die Erinnerungen überrollten.
Hier hatte er sich nach seinem Herzbruch die Seele aus dem Leib geheult, aber auch erfahren, dass er Magnus nicht gerade wenig bedeutete.
Von hier oben konnte er das ganze Ausmaß des Chaos' ausmachen.
An Deck waren ungefähr zwei Dutzend Eidola, während im Meer noch nicht einmal halb so viele lauerten. Der schwarze Holzboden schimmerte vor Blut und auch mehrere Leichen waren zu sehen.
Alec hoffte, dass Lily nicht unter ihnen war.
Trotz ihrer Unterzahl schlugen sich die Vampire wacker, den zahlreichen Sandhäufchen nach zu urteilen.
Das eigentliche Problem war aber der Meeresstrudel.
Selbst von hier oben konnte er nicht seine gesamte Größe ausmachen. Er schien sich bis zum Horizont zu erstrecken, wo weitere, onyxfarbene Felsen in die Luft ragten und den grauen Himmel zerfetzten.
Wenigstens bewegte sich das Wasser erstaunlich träge, was wohl mit der Saugpause zu tun hatte, die Magnus erwähnt hatte.
Dennoch fiel das Wasser in der Mitte des Strudels beinahe senkrecht ins Bodenlose hinab, als wäre dort ein riesiger Schlund.
Die Vampire schlingerte am äußeren Rand des Strudels entlang und der einzige, der verhinderte, dass sie tiefer in dieses Karussell des Todes glitten, war Raphael Santiago, der das Steuerruder mit aller Macht umklammert hielt.
Obwohl er hier hoch oben war, kam er sich noch immer furchtbar klein und verloren neben den spitzen, vollkommen schwarzen Felsen der City of Bones vor. Die sieben Felsen glichen der Klaue eines gigantischen Monsters, dessen Größe der menschliche Verstand einfach nicht zu erfassen vermochte.
Alec fröstelte bei dem leichten Wind und zog den durchnässten Mantel enger um seine Schulten. Dann ging er mit gespannten Bogen in die Hocke und suchte sein erstes Ziel.
Wenigstens würde ihn keiner hier oben vermuten, was ein klarer Vorteil für ihn war. Mit spielerischer Leichtigkeit gab er seine ersten Pfeile auf die Eidola ab und verfehlte dabei kein einziges Mal sein Ziel. Dass die Welt vor seinen Augen schwankte und sich verzerrte, blendete er einfach aus, zu routiniert war er im Umgang mit dem Bogen.
Dennoch waren seine Augen stets auf der Suche nach Magnus, denn dieser schien mit der Masse verschmolzen zu sein und lediglich sein roter Mantel blitzte von Zeit zu Zeit auf.
Endlich fand er ihn auf dem Achterdeck, wie er sich gerade mit drei grauhäutigen Monstern beschäftigte, um Raphael zu verteidigen. Das war auch nicht unbedingt das, was in beunruhigte. Viel mehr war es die Tatsache, dass er nur noch einen Dolch in der Hand hielt und leicht hinkte.
Er musste ihm helfen!
Also visierte er einen der Eidola an, schoss und traf. Die Gestalt zerfiel zu Sand und sofort schnappte sich Magnus den übrig gebliebenen Pfeil, um ihn dem nächsten Monster in die Brust zu rammen.
Nachdem er sich auch des dritten entledigt hatte, sah er kurz zu Alec auf und warf ihm einen Luftkuss zu.
Alec grinste leicht dümmlich, während er den nächsten Pfeil abgab.
Magnus war einfach unverbesserlich.
Seine Finger wurden langsam taub, da es begann zu regnen, aber er bemerkte dies kaum, denn er hatte einen Tunnelblick, zu fixiert war er auf seine Aufgabe.
Zu fixiert war er, um den Eidolon zu bemerken, der sich schwerfällig den Mast hochkämpfte, da er ihn bemerkt hatte.
Alec hörte das verräterische Keuchen zu spät und kaum hatte er sich zu dem Monster hinter ihm umgewandt, da spürte er auch schon einen heftigen Schlag auf den Kopf.
Seine Sicht verschwamm vollkommen und alles schien sich zu drehen, bevor er das Gleichgewicht verlor und in die Tiefe fiel.
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