Kapitel 26 - Zwei gebrochene Männer

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Gott, Alexander würde ihn dafür hassen!
All seine Freunde würde ihn dafür hassen oder viel mehr für verrückt erklären. Magnus selbst hasste seine Idee schon jetzt, aber er war leider ein risikobereiter Sturkopf, der alles durchzog, was er sich in den Kopf gesetzt hatte und jetzt hatte er sich vorgenommen, Trace -oder wie auch immer sein Name lauten möge- zu befreien.

Er beschäftigte Alec und dieser litt, weil er nichts für ihn tun konnte. Magnus wollte es nicht recht zeigen, aber das fraß auch ihn auf, denn er wollte, dass sein Liebster glücklich war und das war er momentan nicht.

Er wusste natürlich, dass er damit viel riskierte, möglicherweise sogar sein Leben, wenn das alles rauskam, aber sein eigenes Leben war ihm schon immer herzlich egal gewesen.

Ihm ging es hier nur um Alexander.

Deshalb ging er auch mit entschlossenen Schritten in den Zellentrakt, um seinen wahnwitzigen Plan auszuführen.

Blondie sah noch nicht einmal auf, als er den Raum betrat, was nur ein Beweis für seine Unhöflichkeit und seinen Starrsinn war.

Warum sich dieser Kerl nicht den Schattenweltlern angeschlossen hatte, war ihm wirklich ein Rätsel.
Er würde nämlich einen hervorragenden Hexenmeister abgeben, wenn Magnus so darüber nachdachte. Dann müsste er aber auch zwangsläufig mit ihm zusammenarbeiten und dieser Gedanke sagte ihm nun überhaupt nicht zu.

~Was willst du hier, Pirat? Dich an meinem Elend ergötzen? Na dann viel Spaß beim Trauerspiel.~, riss ihn Blondies schnippische Stimme aus den Gedanken.


Er stellte sich mit verschränkten Armen vor die Zelle und funkelten den Blonden herausfordernd an, doch dieser machte sich noch nicht einmal die Mühe, aufzusehen.


~So verlockend diese Aussicht auch wäre, nein. Ich bin aus einem viel widerwärtigeren Grund hier.~

Keine Antwort, wie unhöflich!

~Willst du diesen Grund vielleicht erfahren?~
~Lieber nicht.~
~Gut, ich sag ihn dir nämlich trotzdem. Ich bin hier, um dich zu befreien.~

~Du willst was?~, fragte Trace ungläubig und zu seiner Empörung sogar leicht belustigt, als er sich ebenfalls erhob und ihn endlich eines Blickes würdigte,~Du?~
~Ja, ich.~

~Warum willst du mich befreien? Oder warte, stimmt ja, ihr Piraten hintergeht einander ja ständig! Also, was willst du von mir für meine Freiheit? Ich habe kein Geld.~
~Unterlass es bitte, uns Schattenweltler alle in einen Topf zu werfen. Ich bin ein Hexenmeister, kein Vampir. Außerdem kann von wollen hier keine Rede sein. Deine Freiheit ist lediglich Mittel zum Zweck.~
~Zu welchem Zweck?~

Magnus knirschte kaum hörbar mit den Zähnen. Eigentlich war er ja sehr offen gegenüber anderen Menschen, doch der Blonde hatte irgendetwas an sich, was ihn für Magnus absolut unsympathisch machte.
Er wollte diesen Kerl eigentlich nur noch loswerden und bereute seine Entscheidung schon jetzt, aber er war schließlich nicht umsonst stur.

~Alexander leidet darunter, dass du hier gefangen bist und er dir nicht helfen kann. Ich will nicht, dass er leidet und deshalb musst du von hier verschwinden. Lebend wäre besser~, erklärte er knapp, bevor er auf Trace' unangerührtes Abendessen, zwei Brote, zeigte,~Nimm die da in die Hand.~

Blondie zog eine Augenbraue nach oben.
~Wieso?~
~Wirst du schon sehen und jetzt mach es einfach.~

Während der Blonde die beiden Brotstücke in den Händen hielt, zog er seine beiden versilberten, unterarmlangen Dolche hervor, die er zufällig hier wiedergefunden hatte.
Es waren erstaunlich leichte Zwillingsdolche mit einer nach oben gebogenen Klinge, in denen, am Übergang von Klinge zu Heft, seine Initialen eingraviert waren.

Er hatte sie zu seinem ersten Geburtstag an Bord der Warlock von der gesamten Crew geschenkt bekommen. Er erinnerte sich mit einem kleinen Lächeln an die misslungene Torte von Cat und Tessa, die so schlecht war, dass sie selbst die Fische nicht essen wollten.

~Neu?~
~Was?~, fragte er verwundert, da er gedanklich noch immer bei seinem fünfzehnjährigen Ich gewesen war, bevor er begriff,~Achso, nein. Nur in den Gemächern meiner Ex wiedergefunden. Ideal zum Spalten von Schädeln, Essen von Steak und Knacken von Schlössern. Das beste Geschenk nach der Kobra, die ich meiner Ex zu einem unserer Jahrestage geschenkt habe.~

Dann machte er sich daran, das altmodische Schloss der Zelle zu knacken.

~Nicht alles an den Vampiren ist schlecht. Ihr Einrichtungsstil ist fantastisch. Besonders, da sie so hochmütig sind, dass sie noch nicht einmal auf den Gedanken kommen, jemand könnte sie bestehlen. Diese Sache haben sie mit euch Schattenjägern gemein. Dementsprechend ist das Knacken jeglicher Schlösser hier ein reines Kinderspiel. Voilà.~, erzählte er grinsend und drückte die Tür auf.

Blondie hatte ihm schweigend zugehört, noch immer mit den Broten in der Hand.
Na dann hat er doch immerhin eine Sache, die er beherrscht, außer nerven.

Schweigend nahm er ihm die Brote ab und bog den nun etwas weicheren Teig zu zwei länglichen Stangen, bevor er diese auf den Boden fallen ließ.
Auf den fragenden Blick des Blonden hin, erläuterte er seufzend~Eine weitere Gemeinsamkeit von Vampiren und Schattenjägern ist, dass ihr euer Zellenbrot scheinbar bei demselben Großhändler kauft. Es ist nämlich gleich hart und trocken. Man könnte mit viel Geschick sogar Schlösser damit knacken. Und jetzt komm, bevor uns noch jemand entdeckt.~

Mit diesen Worten steckte er die Dolche in ihre jeweiligen Lederscheiden und verließ den Zellentrakt. An den schleppenden Schritten hinter sich erkannte er, dass ihm Blondie folgte.

Oder hieß er vielleicht Space oder so?
Er wusste es nicht mehr und eigentlich war es ihm auch herzlich egal.

Er hatte sich schon Hoffnungen auf eine kooperative Zusammenarbeit gemacht, doch diese machte Blondie zunichte, als er plötzlich von hinten seine Arme um ihn schlang, ihn an sich zog und seinen Unterarm auf Magnus' Kehle presste, um ihm die Luft abzuschnüren.
Instinktiv umklammerten seine Hände Trace' Unterarm, um den Griff zu lockern, ohne nennenswerten Erfolg.
Der andere Arm schlang sich um seinen Bauch und ein Bein schob sich zwischen Magnus', sodass er sich kaum rühren konnte

Sie standen bereits an Deck und die kühle Nachtluft ließ ihn leicht frösteln, denn er trug keinen Mantel, sonder nur ein Hemd, dessen dünner Stoff alles andere als wärmend war.

Da er keine Zeit für seine Frisur gehabt hatte, trug er lediglich einen Hut, der seine Haare verdeckte und auch beim Eyeliner hatte er aus Zeitgründen gespart.
Er musste schließlich später wieder unbemerkt ins Bett huschen, wenn er denn diese Todesumklammerung von Trace überstand.

Dieser Kerl stank einfach höllisch!

~Nenn mir einen Grund, warum ich dich nicht umbringen soll, Pirat.~, hauchte ihm Blondie bedrohlich ruhig ins Ohr.

Leider vermutete Magnus, dass er nicht bluffte, dazu war sein Griff zu professionell, seine Stimme zu ernst.

Aber da war noch etwas anderes. Es war ganz schwach, da die Panik in ihm überwog.

Dieser Griff und seine damit verbundene Hilflosigkeit erinnerten ihn nämlich an seine Kindheit, denn oft hatte ihm sein Vater so die Luft abgedrückt, bis er grün und blau geschlagen das Bewusstsein verlor.

Er versuchte, sich seine Panik nicht anmerken zu lassen und seinen galoppierenden Herzschlag zu ignorieren. Das Blut rauschte hinter seinen Ohren und schien lauter zu sein als die See an ihren stressigsten Tagen, aber dennoch musste er sich konzentrieren. Nur so konnte er nämlich dem Hauch der Ahnung, die sich in seine Gedanken geschlichen hatte, nachgehen.
Irgendetwas an der Art, wie Trace Pirat aussprach, mit so einem Hass, machte ihn stutzig.

Auf gut Glück sagte er gepresst~Es ist schwer, einen wichtigen Menschen zu verlieren, selbst wenn ihn nur das Alter hinweggerraft haben sollte. Wenn er aber auch noch getötet wurde, ist es beinahe noch schlimmer. All die Wut, was dieser geliebte Mensch noch alles hätte erleben können, projiziert man auf diejenigen, die man für das Leid, das man verspürt, verantwortlich macht. Man will an ihnen seinen Schmerz auslassen. Aber Mord ist keine Lösung, sondern reißt einen nur tiefer in die Miesere hinein. Nur die Liebe oder eine innige Freundschaft hat die Kraft, einen aus diesem Loch des Hass' und der Hilflosigkeit zu ziehen. Du kannst mich nicht umbringen, weil dir das keine Befriedigung schenken wird und weil du zurück zu deiner Liebsten und deinem Ungeborenen willst. Zum Schwimmen ist es zu weit und du brauchst meine Hilfe, um ein Ruderboot klar zu machen. Lass mich bitte los, du bist nämlich überhaupt nicht mein Typ.~

Tatsächlich gab Trace ihn frei und er konnte erleichtert nach Luft schnappen.

~Woher weißt du von meinen Eltern und Clary?~

Magnus war ehrlich überrascht, dass Trace seine Eltern verloren hatte, denn dies hatten sie dann auch gemeinsam. Sie waren beide gebrochene Männer ohne Eltern, die es jedoch mit der Liebe geschafft hatten, wieder einigermaßen an Kraft zu gewinnen. Der Unterschied war nur, dass Trace seine Liebe schon gefunden hatte und Magnus ... noch dabei war, sie zu entdecken, denn er war nicht mehr auf der Suche.

~Ersteres habe ich geraten und Alexander hat mir von deiner Frau erzählt.~
~Du bist sein Liebhaber, oder?~, fragte ihn Trace, während sie beide das Ruderboot bereit machten und ins Wasser ließen.

~Freund. Wir sind schon lange über eine Affäre hinaus. Sonst würde ich dir wohl kaum helfen.~
~Und ich war so gemein zu ihm.~
~Warst du wirklich.~

Blondie sah ihn lange an~Richte ihm aus, dass es mir leid tut. Ich war unfair zu ihm.~
~Gerne.~
~Mach ihn glücklich. Er hat's verdient.~
~Ich versuche es.~

Dann zog er ihn überraschend in eine feste Umarmung, die Magnus nach der ersten Schrecksekunde erwiederte.

~In circa einer Stunde bist du auf Idris.~
~Lebwohl.~
~Lebwohl, Trace. Für uns beide hoffe ich, dass wir uns nie wieder sehen werden.~
~Ich auch und mein Name ist Jace.~

Magnus schlug sich theatralisch die Hand an die Stirn.

~Stimmt, da war ja was!~
Jace' Lachen war das letzte, das er hörte, bevor er kehrt machte, um wieder in die Wärme von Alexanders Armen zu flüchten.

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