Kapitel 2 - Alte und neue Bekanntschaften
~Sebastian! Sag bloß, du bist erfreut, mich zu sehen?~, fragte Magnus mit vor Sarkasmus triefender Stimme,~Ich hätte nämlich gern noch länger auf deine hässliche Visage verzichten können. Schwarz macht deinen Teint übrigens nur noch blasser, falls es dir bisher nicht aufgefallen sein sollte, mein liebster Feind.~
Sein Ton klang unbeschwert, als ob er mit einem alten Freund plaudere, doch seine Augen sprachen eine andere Sprache. Sie schienen förmlich Blitze Richtung Sebastian zu schießen, die ihn durchbohren würden, wären sie echt.
Schweistropfen rannen ihm über die Schläfen und er schien auch etwas blasser geworden zu sein, wahrscheinlich wegen des Blutverlusts. Dennoch war seine Stimme klar und schneidend wie ein frisch gewetztes Messer.
~Immernoch zu Scherzen aufgelegt, Bane? Ich hatte ja gehofft, nach unserer letzten Begegnung wärst du gestorben.~
~Es braucht wesentlich mehr, als eine einfache Kugel, um mich umzubringen.~, widersprach er mit einem kalten Grinsen.
~Jetzt habe ich ja noch einen dritten Versuch. Bringt ihn in mein Büro. Ohne ärztliche Versorgung, wie sich versteht. Solche Bastarde verdienen keine Hilfe.~, befahl er und maschierte davon.
~Ich kann ihn runterbringen.~, bot Alec schnell an, wofür er nicht wenige verwirrte Blicke erntete. Wahrscheinlich sahen ihn viele gerade zum ersten Mal, weil er sonst stets mit dem Hintergrund zu verschmelzen schien.
Aber er wollte Magnus wirklich nach unten bringen und dabei vielleicht noch ein paar Worte mit dem mysteriösen Mann wechseln.
Da sich niemand freiwillig meldete, nickte Aldertree, nach Sebastian der oberste Offizier, nur kurz. Also half er Magnus auf und stützte ihn, während sie die Treppen hinabstiegen.
Sobald sie in das diffuse Licht eingetaucht waren, sodass sie niemand mehr sehen konnte, schlug Alec einen anderen Weg ein.
~Ich will mich ja nicht beschweren, aber zum Büro von Bleichgesicht geht es in die andere Richtung.~, meinte er in einem bemüht beschwingten Tonfall, der allerdings von einem Keuchen unterbrochen wurde.
~Ich weiß, aber wir gehen ja auch ins Krankenzimmer.~
~Du setzt dich über die Befehle deines Vorgesetzten hinweg? Interessant~, sinnierte er,~Wie heißt du, mein Hübscher?~
~Alec.~, antwortete er errötend. Er war es nicht gewohnt, hübsch genannt zu werden.
~Ist das zufällig die Abkürzung für Alexander?~
~Ja, aber niemand nennt mich so.~
~Dann bin ich wohl der erste Alexander.~, stellte er lächelnd fest und dieses Mal war es ein ehrliches Lächeln, welches seine Augen erreichte.
Bald kamen sie bei der Krankenstation des Schiffs an, welche vorne am Bug lag.
Alec drückte die Tür auf und atmete erleichtert durch.
Er ist noch da.
Das, was dann allerdings geschah, überraschte ihn.
Magnus' Miene hellte sich auf, als er den Heilkundigen mit der blassen Haut und den tiefschwarzen Haaren mit der silbernen Strähne sah.
~James! Du lebst?~
Der Heilkundige, der vor allem unter dem Namen Bruder Zachariah bekannt war, sah von einem dicken Buch auf und lächelte sie freundlich an, auch wenn seine Miene etwas ungläubiges hatte.
~Ich hätte nicht gedacht, dich noch einmal zu sehen, Magnus. Was machst du hier?~
~Ihr kennt euch?~, fragte Alec verwirrt.
~Wir kennen uns von früher, bevor ich zur Marine gelangt bin.~, erklärte er mit einem sanften Lächeln, während er auf eine Liege deutete.
Dankbar stützte Alec Magnus noch bis dorthin, wo er sich dann leise zischend niederließ.
Bruder Zachariah kam näher und begutachtete Magnus' Verletzung, die, obwohl der Pfeil noch immer darinsteckte, heftig blutete.
~Deine Affinität zu Schussverletzungen ist erschreckend, mein Freund.~, stellte er fest, während er begann, die Wunde zu versorgen, indem er erst den Pfeil herauszog und dann die Blutung rasch mit ein paar Heilkräutern stillte.
Da Alec sich gerade irgendwie überflüssig fühlte, setzte er sich einfach auf die andere Seite der Liege und hörte den beiden still bei ihrem Gespräch zu.
~Ach komm, als ob es dir und Cat nicht gefallen würde, meine komplizierten Verletzungen zu versorgen und mich währenddessen wegen meiner Risikobereitschaft zur Schnecke zu machen!.~
~Wie geht es Tessa?~
~War ja klar, dass das deine einzige Sorge ist, aber ihr geht es wieder gut. Sie hat dir lange nachgetrauert und tut es noch immer ... wie wir alle.~, schob Magnus mit einem wehmütigen Lächeln nach, bevor er wieder leise aufkeuchte, als James die Wunde versehentlich streifte.
~Warum habt ihr nicht nach mir gesucht?~
~Das haben wir, aber als wir deine alte Kleidung in der See haben treiben sehen, haben wir die Hoffnung aufgegeben. Wir dachten, du wärst tot~, erklärte er,~Zum Glück bist du es nicht.~
~Ich war zu wertvoll, um zu sterben. Die Soldaten hier brauchen schließlich jemanden, der ihre Wunden versorgt.~
~Wenn sie sich nicht ständig mit uns anlegen würden, müsstest du das überhaupt nicht tun.~, warf Magnus ein und nun war etwas wie Verbitterung in seiner Stimme zu hören.
~Und ihr seid natürlich immer die Opfer.~, meinte er mit einem friedlichen Lächeln.
~Schön, dass du das auch so siehst.~, antwortete er mit einem selbstzufrieden Grinsen, welches sich schnell in ein Lachen verwandelte.
Das Lachen löste irgendwas in Alec aus, brachte irgendeine Saite in seiner Seele zum Schwingen, die er zuvor noch nicht gekannt hatte. Dennoch klang es schön. Sein Lachen war schön, erreichte seine Augen und brachte sie zum Leuchten.
Er sollte viel öfter lachen, überlegte Alec verträumt, bis er sich gedanklich selbst schlug. Was dachte er sich bloß dabei? Magnus war ein Pirat, sein Feind! Wegen seiner Existenz mussten seine Eltern sterben!
Eine kalte Hand umschloss Alecs Herz und hinderte es daran, weiterhin so schnell und befreit zu schlagen. Seine unterschwellige Freude fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus und hinterließ eine gähnende Leere in seinem Inneren, sodass der zarte Ton, den Magnus' Lachen in ihm angeschlagen hatte, erstarb.
So bekam er nur am Rande mit, wie James Magnus' Bein verband und währenddessen mit ihm über alte Zeiten sprach. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich dieser alles verschlingenden Leere zu stellen, die drohte ihn wieder in den Abgrund der Trauer zu ziehen. Man sollte meinen, er sei langsam über den Tod seiner Eltern hinweg, doch das war er nicht, war er nie. Solche Wunden verheilten nicht, sie wurden zu Narben und schmerzten auf ewig.
Eine warme Hand auf seiner Schulter zog ihn langsam aus der schwarzen Leere und zurück in die Realität. Magnus betrachtete ihn freundlich, aber vor allem besorgt.
Sein Mund bewegte sich, doch erst nach einer Weile verstand Alec, was er sagte.
~Alles in Ordnung?~
~Klar~, log er schwach,~Können wir dann weiter?~
Magnus nickte nur und er konnte in seinen Augen sehen, dass er wusste, dass Alec log. Er war allerdings so freundlich, nicht weiter nachzubohren, sondern ließ sich protestlos von Alec aus der Krankenstation ziehen.
Er humpelte zwar noch immer, aber er schien nun weniger Schmerzen zu haben als auf dem Hinweg, denn sein Gang hatte wieder etwas von seiner Geschmeidigkeit zurück.
Obwohl es eigentlich nicht mehr notwendig war, hatte Alec seinen Arm um seine Taille geschlungen, um ihn zu stützen. Er redete sich ein, dass er diesen Körperkontakt nur aus Pflichtgefühl akzeptierte und nicht weil ihn Magnus' Nähe und sein Geruch beruhigten und ihm Sicherheit gaben. Er roch leicht nach Meer, aber der Geruch nach Sandelholz dominierte.
~Warum hilfst du mir eigentlich?~, riss ihn Magnus' samtige Stimme aus seinen verwirrenden Gedanken in die noch verwirrendere Realität.
~Ich weiß nicht. Es kommt mir richtig vor.~
~Richtig?~
~Ja. Ich finde es nicht gut, dass andere leiden müssen, nicht, wenn ich das verhindern kann.~
~Auch wenn du dafür Ärger bekommst?~
~Willst du mir jetzt ausreden, anderen zu helfen, oder was?~, fragte Alec und war selbst überrascht darüber, wie genervt er klang.
Das schien auch Magnus aufzufallen, denn kurz sah er zur Seite, um unschlüssig auf seiner vollen Unterlippe herumzukauen.
Dann drehte er seine braunen Augen wieder zu Alec.
~Nein, ganz und gar nicht. Ich bewundere dich für diese Stärke. Es ist selten, dass ein Soldat so ein großes und friedfertiges Herz hat.~
~Danke.~, meinte Alec und betete, dass das diffuse Licht des Gangs seine offensichtliche Röte vor Magnus verbarg.
~Dafür musst du dich doch nicht bedanken, mein Hübscher.~
~Wir sind da.~, sagte Alec, um sowohl vom Thema als auch von seiner Verlegenheit abzulenken, die Magnus natürlich sofort bemerkt hatte.
Sie standen vor einer schwarzen Holztür, die nicht ganz so marrode aussah wie der Rest des Schiffes.
~Da wären wir also.~, stimmte ihm Magnus zu und plötzlich wirkte er nicht mehr ganz so selbstsicher, sondern ziemlich nervös. Die Tupfer in seinen Augen schienen ängstlich zu flackern, wie eine Kerze im Wind.
Das regte in Alec das Bedürfnis, ihn von dieser Tür wegzuziehen und irgendwo zu verstecken, wo es sicher war. Er wollte ihn beschützen, aus welchen Gründen auch immer, aber er hatte eine Pflicht zu erfüllen.
Also warf er Magnus noch einen mitfühlenden Blick zu, bevor er an der Tür klopfte, sie öffnete und ihn sachte hineinschob. Dann schloss er die Tür wieder und ging davon.
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