43.
Das Problem bei Bissen von Werwölfen ist nicht nur die Übertragung von Mondwahn, sondern auch, dass solche Wunden sich ohne Magie so gut wie nie schließen.
Träge sehe ich auf den so kleinen Schnitt an meinen rechten Daumen hinab.
Es ist nur ein Kratzer, gerade tief genug, um überhaupt zu bluten.
Mittlerweile hat sich das dunkle Moos des Baumes rot verfärbt.
Ich kann nichts tun, außer still dazusitzen, zu beobachten, wie Tropfen für Tropfen auf den Boden fällt.
Mittlerweile bin ich mir sehr sicher, dass sowohl Remus als auch ich immer wieder das Bewusstsein verlieren.
Und außerdem wird es kalt.
Die Sommernächte sind mittlerweile eigentlich eher mild, aber trotzdem kriecht eine unangenehme Kälte in meine Knochen.
Remus hat sich kein Stück bewegt, harrt noch immer in meinen Schoß aus.
Erschöpft lehne ich meinen Kopf gegen den Baumstamm hinter mir.
Ich weiß nicht, wie lange wir schon hier sitzen, ich weiß nur, dass ich nicht mehr allzu viel Zeit habe.
Selbst die Luft riecht nach Blut.
Beunruhig hebe ich meinen Blick in den Himmel.
Der Mond sinkt, aber scheint noch hell.
Ausgelaugt schließe ich meine Augen.
Die Ruhe, die Wärme der Bewusstlosigkeit scheint mir inzwischen beinahe als willkommen, der einzige Ausweg.
Das nächste Mal, als meine Sicht aufklart, bewegt Remus sich.
Beinahe fahrig erhebt er sich, der dürre Körper zittert, mehr als einmal fällt er beinahe zu Boden.
Er tut mir leid.
Und gerade jetzt ist die Zeit, dass er wieder in seine menschliche Form zurückkehrt.
Tief durchatmen.
Verwandlungen sind körperlich extrem anstrengend, ich will mir gar nicht vorstellen, wie sein sowieso schon geschundener Körper dabei leiden muss.
Als die schreie anfangen, muss ich wegsehen.
Es ist zu grausam, als dass ich damit klarkommen könnte, zu schmerzhaft zu wissen, wie sehr Remus seiner Krankheit ausgeliefert ist.
Mit zusammengekniffenden Augen höre ich dieses unmenschliche, scjmerzerfüllte Heulen, das durch den Wald und mein Herz schneidet, ich höre, wie sein Körper sich verändert.
Dann ist es still.
Schwer atmend wage ich es, einen Blick auf die Lichtung zu werfen.
Remus liegt beinahe verloren auf den Boden, zusammengekrümmt, schwer atmend.
Sofort rappel ich mich auf.
Meine Sicht verschwimmt und ich merke, dass der schwarze Schleier sich wieder über mich legen will.
Konzentriert blinzel ich einige Male.
Es ist fast geschafft.
Die Nacht ist vorbei.
Doch ein wenig wackelig auf den Beinen stauchel ich auf die helle Gestalt zu, ein unangenehmen reißen im rechten Knöchel erinnert mich am gestern Abend.
"Remus?", eilig ziehe ich mir meinen Umhang von den Schultern, lege ihn über seinen Körper.
Seine Augen sind nur halb geöffnet, sehen aber ins Leere.
Mir wird flau im Magen.
Wenn ich nicht sehen würde, dass sich seine Brust stetig hebt und senkt, hätte ich ihn für Tor gehalten.
Behutsam schüttel ich ihn an seiner Schulter.
"Steh auf! Wir müssen weg."
Er blinzelt.
Sein Blick klärt sich ein wenig, doch als er sich aufsetzen will, verzieht er schmerzerfüllt das Gesicht und lässt sich zurück auf den Boden fallen.
Seine Haare und Haut sind starr von Dreck und geronnenen Blut, Blutvergießen schimmern im Schwachen Licht auf seiner Haut.
Geschlagen lasse ich meine Stirn auf seiner Schuler ruhen.
Alles dreht sich.
Mit einem Mal bin ich mir nicht mehr allzu sicher, ob alles gut wird.
Weder er noch ich sind gerade in der Lage, nach Hogwarts zu gelangen, ein Todesurteil, verletzt, geschwächt und unbewaffnet im verbotenen Wald.
Ich drohe wieder in die Bewusstlosigkeit zu fallen, als zwei eiskalte Finger meine Schläfe berühren, meine hellen Haare aus meinem Gesicht schieben.
"Geht es... dir gut?"
Seine Stimme klingt genauso schwach, wie es sein Zustand vermuten lässt und doch bin ich froh, sie zu hören.
Ich bringe nur ein Kopfschütteln zustande.
Gerade ist es nicht an der Zeit, den Helden zu spielen.
Dann setzt er sich auf, mein Kopf gleitet von seiner Schulter, sackt hilflos nach unten.
Es kostet mich beinahe zu viel Kraft, überhaupt aufrecht knien zu können.
Wie soll ich zurück ins Schloss.
"Sieh mich an.", zwei Wache, Helle Augen schieben sich in mein Sichtfeld, das linke ist mit einen Veilchen umrahmt.
Ich bin auf eine seltsame Weise sehr Glücklich, dass ich hier sein kann, so elendig unsere Situation auch sein mag.
"Kannst du laufen?"
"Kannst du?", erwiedere ich.
Ein schiefes Grinsen erscheint auf seinen Gesicht.
Es tut gut, ihn lächeln zu sehen, auch wenn ich mir sicher bin, dass er nur lächelt, damit ich mir nicht so viele Sorgen um ihm mache.
"Keine Sorge, gib mir ein paar Minuten, dann schaffe ich es schon.", schwer atmend schüttelt er den Kopf. "Mir ging es schon schlechter."
Ich nicke nur Stumm, kämpfe gegen das Verlangen zu Kotzen und mich einfach in den Dreck zu legen an.
Ein paar Minuten, dann... dann wird vielleicht wirklich alles gut.
"Hey.", mit einem Mal ist die angenehme Leichtigkeit aus seiner Stimme verschlossen. "Was ist los?"
Wieder kann ich nur mit dem Kopf schütteln, aus Angst, dass ich ihm sobald ich meinen Mund öffne vor die Füße kotze.
"Rede mit mir.", mit einem Mal ist er auf den Beinen.
Vielleicht lässt ihn Adrenalin die Schmerzen, die Schwäche vergessen, Putscht ihn in diesen Moment auf.
Zwei Hände halten mich an den Schultern, als ich drohe nach vorne zu sacken.
So wie es ihm von Sekunde zu Sekunde besser geht, geht es mir immer schlechter.
"Ich-", Zwänge ich hervor. "Ich wurde gebissen."
Man kann beinahe zusehen, wie ihm alle Farbe aus dem Gesicht weicht.
Remus weiß besser als jeder andere, was dad zu bedeuten hat.
"Wo?"
Jetzt kann auch ich eine leise Angst in seiner Stimme heraushören.
"Finger. Rechts.", als ich meinen Hand hebe, kommt sie mir sehr schwer vor.
Im ersten Licht windet sich eine glänzende Blutspur meine Hand hinunter.
"Wir müssen sofort in Schloss."
"Nein."
Es bringt nichts.
Die Realität sieht anders aus.
Im Moment kann ich den Weg nicht alleine gehen, er kann mich nicht tragen, dazu ist er noch zu schwach.
"Du musst jemanden holen."
Er ist klug genug um zu wissen, dass es die beste und wahrscheinlich einzige Möglichkeit für uns beide ist, trotzdem behagt ihm der Gedanke nicht, mich alleine im Wald zu lassen.
"Remus.", ermutigend lege ich meine Hand über seine. "Wir schaffen das."
Hin und hergerissen senkt der Mann seinen Blick.
"Ich weiß."
Seufzend schüttelt er den Kopf.
Ich löse mich von seinen Griff, schiebe mich die paar Schritte zurück, bis das Holz des Baumes wieder in mein Rücken ruht.
Alleine diese Aktion lässt mich Sterne sehen. "Los jetzt."
Ergeben stemmt er sich hoch, macht ein paar unsichere Schritte auf mich zu, stützt sich am Stamm ab.
"Ich beeil mich."
Der Kuss schmeckt nach Blut und doch erfüllt er mich mit Wärme.
Ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann.
Als er sich löst, schenke ich ihm ein aufmunterndes Lächeln.
Damit er sich nicht so Sorgen macht.
Einmal noch berühren seine Lippen meine Schläfe, bevor er stauchelnd aus meinem Sichtfeld verschwindet.
Mit einer seltsamen Zufriedenheit schließe ich endlich meine Augen.
Vielleicht...
Vielleicht wird alles gut.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top