32.
Die Reise verlief genauso stumm, genauso distanziert wie die letzten Tage.
Wir hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt, nur undeutbare Blicke, die wir aber sofort abwandten, wenn sie sich trafen.
Trotzdem erschien er abends pünktlich mit einer Tasche in der Hand vor dem Schloss.
Tag eins.
Die letzten Meter zur Hütte muss man immer zu Fuß zurücklegen, die gesamte Umgebung ist mit Schutzzaubern besehen.
Aber dafür kann man sich auch Zeit nehmen, die Landschaft zu bewundern.
Der Schnee ist verschwunden, aber dafür erwacht die Natur wieder zum Leben.
Die ersten Gräser recken sich in einen zarten Grün gen Himmel, das rötliche Licht lässt sie sanft glühen.
Ja, es ist schön hier.
Wehmütig sehe ich über meine Schulter, nur um direkt in zwei grüne Augen zu sehen.
Er sieht weg.
Der kleine Hügel, auf dem meine Hütte steht, ist das letzte Hindernis, dann geht es endlich ins warme.
Die Tür knarrt leise, als ich sie öffne.
Drinnen ist es dunkel, aber so vertraut wie eh und je.
"Stell deine Sachen einfach irgendwo ab. Ich mach Feuer."
Die ersten Worte, die ich an ihn richte.
Und er antwortet nicht.
Mit einem Kloß im Hals ziehe ich meinen Mantel aus, nevir ich mich vor die Feuerstelle knie.
Magisches Feuer hin oder her, ein echtes Holzfeuer kann von nichts übertroffen werden.
Hinter mir höre ich, wie er die Tasche auf den Tisch abstellt.
Als die ersten kleinen Flammen am Holz lecken, richte ich mich auf, klopfe mir die Hände ab.
"Wenn der Mond aufgeht- Ich möchte dir etwas zeigen."
Er nickt.
Und sieht mich an.
Direkt in meine Augen, sieht nicht weg.
"In Ordnung."
Wieder einmal musste ich einmal durch die Hütte gehen, jedes einzelne Regal, jede einzelne Schublade durchgehen, um sicherzugehen, dass ja alles in Ordnung ist.
Eigentlich ist es mir ganz recht.
Dann habe ich wenigstens etwas zu tun und muss nicht schweigend herumsitzen und versuchen ruhig zu bleiben.
Zum Glück wird es hier sehr schnell dunkel, mitten in der Natur werden die Sternen von nichts überschattet.
"Wir müssen los.", entschlossen nehme ich einen dicken Mantel vom Haken.
Ich habe eine Entscheidung getroffen, eine schwere und schmerzhafte Entscheidung, aber es ist mir wert.
In Dunkeln sieht der Wald beinahe Schwarz aus.
Es ist eisig kalt.
"Wohin?"
Für einen Moment habe ich das Gefühl, es ist alles Gut.
Er klingt nicht mehr wütend oder enttäuscht, sondern einfach nur Neugierig.
Aber im selben Moment ist mir auch klar, dass es sein kann, dass ich ihn verlieren werde.
"In die Höhlen. Dort sind die Gräber und der See.", schaudernd ziehe ich den dicken Stoff enger um meinen Körper.
Angst und Kälte lassen mich erzittern.
Der Weg ist kurz, aber führt quer durch den Wald, durch Gebüsch und kahle Hecken.
Als sich eine Felswand vor und erhebt, bleibt er stehen.
"Was ist das?"
Unruhig zucken seine Augen zu den vielen Höhlen, die den Stein durchlöchern. Sein gesamter Körper scheint sich zu Verspannen, als würde er fliehen wollen.
"Hier haben früher die Werwölfe gelebt. Du fühlst sie, oder?"
"Ja...", er atmet schnell und flach.
Wie es sich wohl anfühlen muss?
Unbedarft mache ich ein paar Schritte in eine der vielen Gänge.
Er ist größer als die anderen, Moos bedeckt die Wände.
"Keine Sorge. Die Höhlen sind schon seit langen verlassen."
Trotzdem zögert er kurz, doch reißt sich schließlich zusammen.
"Diese Höhle ist das Heiligtum meines Volkes.", erkläre ich, während wir tiefer in den Berg eindringen. "Wir wissen nicht, wer die Höhlen geschaffen hat, aber es muss ein mächtiges Wesen gewesen sein."
Der schmale Gang mündet in einer großen Grotte.
Sanftes Mondlich scheint durch ein Loch in der Decke, spiegelt sich im See wieder.
Hier ist es ganz still.
Kein Windrauschen, keine Tiere.
Umsäumt ist das Wasser von einer Masse aus weißen Blumen, die trotz der Kälte schon in voller Pracht strahlen.
"Die Blumen stehen für die Toten. Für jeden Toten eine Blume."
Und es sind viele Blumen, mehr als ich zählen kann.
Nur zu gut erinnere ich mich am den Tag, an dem ich selbst dutzende dieser Gewächse Pflanzen musste.
Dreißig Stück, darunter auch eine für meine Mutter, meinen Vater, meinen Bruder und Gabriel.
Respektvoll steht Remus noch am Eingang, mustert die Höhle eingehend.
"Dein Irrwicht nimmt die Form dieser Blumen an, oder?"
Er erinnert sich.
"Ja.", schweren Herzens reiße ich mich von den Anblick der Blüten los. "Aber deswegen sind wir nicht hier."
Als ich meinen Mantel und meine Schuhe ausziehe, krallt sich die Kälte in meinen Körper.
Achtlos lasse ich ihn auf den Steinboden fallen und bahne mir vorsichtig den Weg durch das Blumenmeer.
Vorsichtig mache ich einige Schritte ins Wasser.
Es ist ein seltsames Gefühl.
Das Wasser ist weder warm noch kalt und fühlt sich beinahe zu flüssig an.
Es saugt meine Klamotten und meine Haare voll, reicht mir aber nur bis zur Brust.
Erwartungsvoll sehe ich zu Remus, der mich verunsichert beobachtet.
"Komm her. Keine Sorge, es ist nicht tief."
Kurz scheint er mit sich zu kämpfen, doch tut es mir schließlich gleich, entledigt sich von Mantel und Schuhen.
Als er den See betritt scheint auch er zu merken, dass das kein normales Wasser ist.
"Das Denkarium von Hogwarts ist mit diesen Wasser gefüllt. Normalerweise verliert es aber jede Wirkung, wenn man es aus dem See entfernt."
Remus betrachtet die silbrige Flüssigkeit, die uns Beide umgibt.
"Es ist ein Denkarium?"
"Fast."
Das Wasser wird von silbernen Fäden durchzogen, die im sanften Licht hell Glänzen. Erinnerungen.
"Es ist der Ursprung des Denkariums. Es zeigt dir deine Erinnerungen, die Erinnerungen meines Volkes."
Und das will ich mit ihm teilen.
Meine Erinnerung, meine Erfahrung, warum ich bin, wer ich bin.
Ich will ihn Jasmin zeigen.
Sein dunkles Shirt scheint im Wasser beinahe schwarz zu werden, als er auf meine Höhe watet. "Was machen wir hier?"
"Ich möchte dir zeigen, wer ich bin.", bittend strecke ich meine Hand nach ihm aus. "Und wer du für mich bist."
Diesmal greift er sofort nach meiner Hand.
Es fühlt sich gut an, vertraut, nach dem Halt, den er mir so oft gegeben hat.
Tief hole ich Luft, tauche unter und ziehe ihn mit mir.
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