15.

Nachts ist es besonders kalt, selbst hier im Schloss.

Meine Hände tief in meinen Taschen vergraben lunse ich um die Ecke.

Nein, ich sollte nicht hier sein, aber wen kümmert es schon?

Remus Tür ist noch geschlossen, aber bald wird er aus dem Schloss verschwinden müssen.

Es ist Vollmond.

Mein Zauberstab liegt mir schwer in der Tasche, auch wenn ich ihn heute hoffentlich nicht gebraucht werde.

Das beihahe lautlose Klicken eines Schlosses lässt mich aufschrecken.

"Desullusio.", flüstere ich leise.

Ein Unsichtbatkeitszauber, nicht besonders effektiv, aber ausreichend, dass man mich nicht auf den ersten Blick sieht.

Remus sieht sich kurz um, schreitet dann schnellen Schrittes den menschenleeren Gang entlang.

Ich muss mich beeilen, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.

Er verlässt das Schloss, geht hinaus, ins Freie.
Sein Blick wandert zum Himmel, zu den dichten Wolken, die den Himmel verhängen.

Der Mond geht gleich auf.

Das Gras ist etwas rutschig vom Regen, als ich hinter ihm den Hang hinab eile.

Zum Glück achtet er nicht auf seine Umgebung, sonst hätte er mich schon längst gesehen.

Will er in den Wald?

Nur zögerlich folge ich ihm in das Gestrüpp.
Wo soll ich mich verstecken?

Mein Volk ist zum Glück immun gegen Lykanthropie, aber gebissen werden will ich trotzdem nicht.

Lupin kommt auf einer Lichtung zum Stillstand, ich bleibe im Schutz der kargen Bäume stehen.
Meine Hände streichen über die raue Rinde.
Tiefe Kratzer durchziehen das Holz, Zeichen des monatlichen Wahnsinns, den er ertragen muss.

Kurzerhand greife ich nach einem tief hängenden Ast, ziehe mich auf den Baum, klettern höher, immer höher.

Von hier oben kann ich genau auf die Lichtung sehen, auf den Mann, der alleine und abwartend in den Himmel sieht.

Wie es sich wohl anfühlen muss, auf die Verwandlung zu warten?

Als es uns noch gab, haben wir oft jungen Werwölfen ein Zuhause gegeben, damit sie zur Ruhe kommen.
Aber wir selbst haben nie die Schmerzen erfahren, die eine Verwandlung mit sich zieht.

Der Mond scheint.

Ein silbriger Strahl bricht durch die schwarzen Wolken, taucht den Wald in ein kaltes Licht.

Mein Blick ist starr auf Remus gerichtet.

Sein Körper versteift sich, die Arme hängen schlaff herab.
Wie ein Besessener starrt er in das Licht des Mondes.

Und dann beginnt es.

Ein leises, gequältes Stöhnen durchbricht die Stille.
Sein Gesicht zieht sich in die Lange, seine Arme und Beine werden dünner, die Fingernägel zu Krallen.

Und er kümmert sich vor Schmerzen.

In diesen Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher, als da unten bei ihm zu stehen, ihn zu halten, während Knochen brechen und wieder zusammenwachsen, Gelenke sich aus und wieder einrenken, seine Haut sich über die Knochen spannt.
Ich will ihn einfach nur halten, ihn beruhigen, auch wenn das seine Schmerzen nicht verschwinden lassen wird, soll er doch wenigstens nicht alleine sein.

Leise wimmernd steht ein Werwolf auf der Lichtung, winselnd, schwer atmend.

Das Licht des Mondes erleuchtet die gräuliche Haut unter dem dünnen Fell.

Einige Minuten bleibt er ganz still stehen, in sich verkrümmt.

Dann wirft er den Kopf in den Nacken.

Ein voller Gesang erfüllt die Nacht, lässt mir meine Haare zu Berge stehen.
Immer lauter heult er, bis er wieder den Kopf senkt.

Er ist viel zu kontrolliert...

Wolfbanntrank.

Er wird dieses bittere Gemisch wohl eingenommen haben, ansonsten würde er wahrscheinlich durchdrehen.

Der Wolf macht einige Schritte auf der Lichtung, schnuppert an den Grashalmen.

Es fängt an zu regnen.

Dicke Tropfen durchnässen meinen Umhang, ein kalter Wind lässt mich zittern.

Aber ich kann und will jetzt nicht zurück.
Ich will ihn jetzt nicht alleine lassen.

Als die ersten Tropfen auf seinen Rücken treffen, heult er wieder erschrocken auf.

Ich weiß nicht, was der Regen in ihm ausgelöst hat, aber der Wolf nimmt überhand.

Schärfe Krallen schlagen sich in das Holz den Baumes, hinterlassen tiefe Narben.
Seine Zähne vergraben sich in der Rinde und zerren an den Baum, als wolle er ihn ausreißen.

Als es nicht klappt, richtet er seine Gewalt gegen sich selbst.

Seine Fänge kratzen über seine Haut, reißen sie auf und hinterlassen eine Blutspur.

Erschrocken greife ich nach meinen Zauberstab.
Hör auf, Remus!

Dich anscheinend hat der Schmerz ihn wieder zu Sinnen gebracht.

Leise Winselnd rollt er sich mitten auf der Lichtung zusammen, dunkles Blut quillt ihm aus der Wunde.

Von hier aus kann ich nicht erkennen, ob er die Augen offen hat oder nicht.

Seufzend lehne ich mich zurück, die Kälte kriecht mir in die Knochen.

Mein Blick wandert wieder zum Mond, der ganz unschuldig und doch so grausam am Himmel leuchtet.

Meine Augen schließen sich, als ich den Stimmen lausche, die uns umgeben.

Auch Remus bleibt ganz still am Boden liegen, nur der gleichmäßige Atem verrät, dass er noch am Leben ist.

Die Stimme des Mondes wird immer leiser, bis sie fast verstummt, dafür kündigt sich die Sonne an.

Ich sehe auf.

Der Wolf rappelt sich langsam auf.

Zeit, dass der Mond untergeht.

Auch die Verwandlung zurück in einen Menschen ist schmerzhaft.

Und er schreit wieder.

Nach wenigen Momenten voller Qual steht da der kränkliche Mann, hebt seinen Umhang auf, bedeckt sich.

Ein roter Fleck auf den Gras bleibt als Erinnerung an die Nacht.

Remus verzieht schmerzerfüllt sein Gesicht, als er mit seinen verletzen Bein auftritt.

Sein Gesicht ist fahl und die Augen blutunterlaufen, der Preis, den er jeden Monat zahlen muss.

Keuchend stützt er sich an einem Baum ab, ringt nach Atmen.

Wenn man doch etwas tun könnte...

Von meinem Baum herab betrachte ich seine schleppenden Bewegungen, das Humpeln und verschnaufen.

Kein Wunder, dass er nach jeder Verwandlung so fertig ist.

Gar nicht auszudenken, wie es ohne den Trank wäre.
Wahrscheinlich würde er sich selbst reißen.

Die Wunde platzt auf, Blut läuft ihm das Bein hinab.

Aber er bleibt nicht stehen.
Tapfer kämpft er sich weiter seinen Weg durch das Dickicht, bis das Schloss in Sichtweite kommt.

Die Lichter sind noch aus, die Schüler schlafen noch.

Leise folge ich Lupin, der sich mit letzter Kraft die Treppenstufen hochschleppt, in Richtung des Krankenflügels.

Richtig so.

Die Wunde muss versorgt werden.

Ich warte noch ab, bis er den Saal betritt, dann wende ich mich ab.

Morgen wird er ordentlich geschafft sein, der Arme.

Ich muss Husten.

Die Nacht draußen hat auch meinen Körper gekränkt.

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