13.

Selbst das Butterbier schmeckt noch genauso.
Anscheinend haben sie das Rezept nie verändert, warum auch?
Es schmeckt ja gut.

"So.", Remus setzt seinen Becher ab. "Was ist los?"

Unwillig senken ich meinen Blick, verschränke meine Finger ineinander.

Wie viel kann ich erzählen?
Ich bin immerhin Clarissa, nicht Jasmin.

"Es ist so...", gebe ich einen kläglich Ansatz, breche dann aber ab.
Tief und langsam atmen.
Alles ist gut.
Es ist immerhin Remus.

"Das letzte Mal als ich vor vierzehn Jahren hier war, habe ich jemanden kennengelernt.", klingt das normal? So, als wäre ich eine normale, junge Hexe gewesen? "Er hat für mich alles gegeben. Und dann ist er gestorben."

Es breitet sich eine Stille zwischen uns aus, selbst das geplapper der anderen Gäste verschwimmt im Hintergrund.

"Verstehe..."
Seine Augen sehen stumpf ins Nichts, in Gedanken versunken.

"Können wir vielleicht über was anderes reden?"
Warum habe ich es ihm erzählt?
Ich soll doch nicht Jasmin sein.
Und außerdem sollte ich niemanden zu nahe an mich lassen.

"Klar."
Sein Blick wird wieder klarer, er schenkt mir sogar ein kleines liebes Lächeln.

Mittlerweile Klopfen dicke Regentropfen gegen die Fensterscheiben.
Ein richtiges Scheißwetter.

Auch er sieht grummelnd aus den Fenster.
"Wenn das schon so losgeht, will ich gar nicht erst den Spätherbst erleben."

Ich schmiege meine Hände um das warme Bier.
Es ist solange Gemütlich, wie man im trockenen sitzt.

Nur mit aller Willenskraft schaffe ich es, nicht auf den leeren Tisch zu starren.

Es ist doch alles gut.

"Ach, ich wollte dir noch etwas zurückgeben.", fällt ihm ein.

Was wohl?
Hm...
Da muss ich nicht wirklich lange überlegen.

Schief lächelnd sehe ich zu ihm.

Beinahe fahrig durchwühlt er seine Manteltasche.
"Ist das deiner?", triumphierend schiebt er mir das vergilbte Pergament zu. "Sehr interessanter Aufsatz übrigens. Sind wir vielseitig interessiert?"

"Wir alle sind Idioten, aber du definitiv der größte.", grinsend nippe ich an meinen Butterbier, nehme das Schreiben an mich, verstaue es sicher in meiner Tasche.

Genau das richtige für den stürmisch- regnerischen Herbst, der uns bevorsteht.

Remus lächelt nur müde. "Wenn du das sagst wird es wohl stimmen."

"Du hast es verstanden. War es wenigstens informativ?"

Lachend schüttelt er den Kopf, seine hellen Haare fallen ihm ins Gesicht.
"Wenn ich jemals ein Rattenproblem habe, komme ich zu dir."

Ich will mir gar nicht ausmalen, was er gedacht haben muss, als er den Aufsatz gelesen hat.

Ausgerechnet Ratten.
Konnte es nicht irgendein spannenderes Thema sein?

"Wieso hast du es dir überhaupt eingesteckt?"

Unschuldig zuckt er mit den Schultern, sieht mich mit einen Blick an, der mich beinahe zum Schmelzen bringt.
"Keine Ahnung. Das Blatt muss mir irgendwie in meine Tasche geweht worden sein."

Gabriel war genau so. Immer hat er dumme Scherze gemacht, nur um selbst am lautesten über sie zu lachen und sich die dunklen Haare hinters Ohr zu streichen.

Allein bei dem Gedanken an ihn, schnürrt sich meine Kehle zu.

"Sorry, ich...", tief atme ich durch.
Nicht nur die Kneipe ist die selbe, sondern auch mein Gegenüber. Lustig, offen, nett. "Ich fühle mich nicht wohl hier. Können wir gehen?"

"Ja, klar. Kein Ding."

Eilig ziehe ich mir den groben Stoff meines Mantels über die Schultern.

Hier halte ich es nicht aus.

Gerade als ich ein paar Münzen auf den Tisch lege und aufstehe, fällt mein Blick wieder auf den einen Tisch.

Es ist ein junges Paar, um die siebzehn Jahre alt.

Sie lachen, halten Händchen.

Gabriel, sind wir das?

"Komm...", vorsichtig legt Remus mir eine Hand auf die Schulter, zieht mich aus der Wärme in den Regen.

Automatisch beschleunigen sich meine Schritte, der Pfad ist matschig geworden.

Er eilt mir nach, bis er auf meiner Höhe ist. "Ich hasse Regen."

Wir beeilen uns, wieder ins trockene des Schlosses zu gelangen.

Nur wenig später stehen wir beide bis auf die Knochen durchnässt in der Eingangshalle.

Der Schlamm an unseren Schuhen verteilt sich auf den Boden.

Filch wird sich freuen.
Würde mich nicht wundern, wenn er mich morgen den Boden wischen lässt.

Der Regen plätschert immernoch in Stömen auf die Erde, durchweicht das Gras.

Zum Glück.
Sonst würde es sterben.

"Wenn du willst, kannst du noch kurz zu mir.", bietet er an. Mit einen Verschwörerischen Lächeln fügt er hinzu: "In meinen Regalen habe ich noch ein Buch über Menschen, die sich in Ratten verwandeln gefunden."

Sofort hat er meine Aufmerksamkeit.
Genau das habe ich gesucht.
Ein weiteres Mal frage ich mich, ob er meine Gedanken lesen kann.

"Ratten? Bin dabei."

Lachend deutet er den Gang entlang. "Ich wohne direkt neben meinen Büro. Ach so, mach dir keine Gedanken, wegen den Zeug, das da herumsteht."

Natürlich machte ich mir Gedanken über das Zeug, das da rumsteht.

Schränke voller Totenköpfe und ausgestopfte Tiere.
Keine Ahnung, ob ich das cool oder gruselig finden soll.

Wenigstens das Bett und der Kleiderschrank scheinen normal.

Ich schließe die Tür hinter mir.

"So...", suchend geht er ein Regal durch.
"Hier."

Zur meiner Überraschung ist es ein dünnes, leichtes Handbuch, allzu viel Information wird es nicht enthalten.

"Danke."
Es ist in weiches Leder geschlagen, mit Gold gravieren Lettern.

Ratten und rattenartige Wesen als alternative menschliche Form

Wenigstens hört sich der Titel professionell an.

"Ich hoffe, es kann dir weiterhelfen."

Ich nicke.
Einige Momente sehe ich zu Boden, hebe dann wieder meinen Blick.
"Es tut mir übrigens leid. Ich wusste nicht, dass der Drei Besen immernoch... Naja... Du weißt schon. Dass es immernoch so schwer ist."

"Du brauchst dich für nichts entschuldigen.", versichert Remus mir.

Einige Haare kleben ihn feucht auf der Stirn.
In diesen Moment fühle ich das dingemde Bedürfnis, sie ihm aus den Gesicht zu streichen, aber ich halte mich zurück.

Verlier nicht dein Herz, Clarissa, Jasmin wird es nur kaputt machen.

"Ich hoffe, es hat dir trotzdem etwas Spaß gemacht.", seine Wimpern sind vom Regen ein wenig verklebt, Umrahmen diese unfassbar grünen Augen.

"Hat es."

Stumm zieht er mich an seine Brust, hält mich fest gegen ihn gedrückt.

Unwillkürlich lege auch ich meine Arme um ihn, genieße die Wärme die von ihn ausgeht.

"Und wenn du wen zum Reden brauchst... Jetzt weißt du, wo du mich findest."

Ich lache leise, löse mich von ihm. "Dann beschwer dich aber nicht, wenn ich dich nerve."

"Beschweren? Ich?", aufmunternd berührt er kurz meinen Ellenbogen.
"Keine Sorge. Ich werde es leise über mich ergehen lassen."

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