Zeit ein Zeichen zu setzen

Liam hatte sich nie für seine Gedankenwelt interessiert. Warum auch? Ein stolzer Mann von Welt war er und kein zurückgezogener Gelehrte mit moralischen Verpflichtungen. Er war zwar kein Dummkopf, dafür aber ein waschechter Hitzkopf. Er dachte nicht lange nach und hatte es nicht nötig in sich zu gehen, wie die Weichherzigen dieser Welt. Außerdem war die Gedankenwelt etwas für Wesen mit einer Seele. Hatte er zumindest gedacht. In all seiner Lebenszeit, hätte er nicht gedacht das er diese Einstellung einmal bereuen würde.

Eine leere Gedankenwelt war beunruhigend. Nie hätte er gedacht, zu verstehen was die Menschen als Furcht bezeichneten, aber in diesem Moment kam er der Lösung des Rätsels schon näher.

Diese ekelhafte, dunkle Suppe um ihn herum wollte ihn verschlingen, als wäre er nicht Sohn des Teufels. Obwohl, das würde er höchstwahrscheinlich nicht mehr lange sein, falls sich das Ergebnis des Kampfes herumsprach. Adrian konnte es immer noch nicht fassen. Der Kampf mit dieser Lichtgestalt war der schwierigste in seiner Existenz gewesen. Und er existierte schon sehr lange. Nicht einmal der Ritualkampf mit dem Teufel, als er zu seinem Sohn ernannt worden war, war so Kräftezehrend gewesen. Und die Niederlage war nicht halb so demütigend gewesen.

Er überlegte. Vielleicht war die Wahrung seines Gesichts, doch nicht so schwer. Er würde ein paar Gerüchte streuen und den Kampf noch spektakulärer inszenieren, als er sowieso schon war. Verloren hatte er zwar trotzdem, aber mit ein wenig Geschick konnte er seine Niederlage herunterspielen und sich sogar als Held dastehen lassen. Wie damals, als er die Legende der Frau im Eis erschuf. Alle hatten es geglaubt und bis heute zweifelte keiner an seiner Version der Geschehnisse. Und so sollte es besser auch bleiben.

Leider konnte er sich nicht selbst belügen. Er knirschte mit den Zähnen. Es wurmte ihn, das er diesen Lichtball unterschätzt hatte. Er war ja eitel und von sich eingenommen. Es gefiel ihm auch so. Aber noch nie hatte er sich so überrumpeln lassen. Er musste widerwillig gestehen, dass dieser Kampf und seine Folgen ihm sehr lange in Erinnerung bleiben würde. Zudem hatte er noch nie von solchen Wesen wie dieser Lichtgestalt gehört, geschweige den eines gesehen. Wie konnte das sein? Gab es einfach zu wenige, als das seine Kundschafter auf sie aufmerksam geworden wären? Nein, seine Späher waren zu gut in dem, was sie taten.

Oder gab es sie etwa nur in der Gedankenwelt? Wütend schüttelte er den Kopf. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, aber jemand würde für diese Schmach leiden müssen. Und er hatte sicherlich nicht vor derjenige zu sein.

Aber jetzt hieß es erstmal die Füße still halten. Er hatte genug Zeit, um in Selbstmitleid zu schwelgen, denn so schnell würde er diesen Ort nicht verlassen können. Marlene würde schon dafür sorgen. Er seufzte und versuchte das Nichts um ihn herum zu verdrängen, indem er sich zurücklehnte und darüber nachsann, wie er der Kugel das Licht auspusten konnte.

Als Mavis die Augen langsam aufschlug, erblickte sie als Erstes die Zerstörung. Sie war überzeugt gewesen, das der Garten Eden nicht noch mehr zerstört werden konnte, aber sie hatte sich wohl getäuscht. Die Erde war aufgewühlt und riesige Schleifspuren zogen sich durch den verbrannten Boden. Es sah aus, als hätte ein zweijähriges Kind versucht einen Acker zu bepflanzen und mittendrin das Handtuch geworfen.

Sie hatte länger an diesem Garten gearbeitet, als es die Menschheit gab. All die Jahre harter Arbeit, welche sie gebraucht hatte um diesen Ort zu erbauen, all ihre Mühen, einfach zunichtegemacht.

Sie schloss die Augen und seufzte laut auf. Plötzlich hörte sie ein leises, helles Klingeln, wie von einem Glockenspiel. Kurz darauf schwebte Luminus über ihr. Die kleine Lichtkugel pulsierte vor Aufregung rosa. Im Rhythmus des schnellen pulsierens expandierte und kontraktierte sie sich, fast wie ein menschlicher Herzschlag. Ohne die Augen zu öffnen, strich sie mit den Fingern über Luminus Erscheinung. Obwohl er keinen materiellen Körper hatte, konnte Luminus sie spüren und beruhigte sich langsam wieder, wobei auch seine Farbe wieder normal wurde.

Marlene spürte die Wärme, welche von Luminus ausging. Fast wie früher, bevor er zu einem Lichtelementar geworden war. Bevor sie ihn zu einem Lichtelementar gemacht hatte. Sie öffnete die Augen und sah ihn besorgt an.

Luminus, du musst gehen. Du weißt, wie eitel Liam ist. Er wird nicht eher ruhen, bis er dich hat. Bitte, du musst gehen.

Sie sah dem Blinken zu und seufzte. Tränen wollten sich ihr aufdrängen, aber sie brauchte ihre betäubende Wirkung nicht. Diese sparte sie sich für später auf.

Nein, du hast nichts falsch gemacht mein Liebster. Ich werde dich immer lieben. Aber ich möchte dich nicht in Gefahr bringen. Es könnte dir und mir sehr schlecht gehen, falls Liam herausfindet was wirklich passiert ist. Falls Diabol herausfindet was passiert ist. Ihre Stimme erzitterte bei der Erwähnung seines Namens. Es gab wenig Wesen, sowohl in der spirituellen als auch in der körperlichen Welt, welche sie tatsächlich fürchtete. Aber Diabol, Herr der Unterwelt und sowohl eines der schönsten, als auch der bösartigen Wesen des Universums, stand auf ihrer Liste ganz oben.

Er war das erste Geschöpf des Allmächtigen gewesen, aber er hatte diesen verraten und war gegen ihn in den Krieg gezogen. Dafür war er bestraft worden. Sehr schwer bestraft.

Marlene hatte ihn noch nie gesehen, aber es wurden Geschichten und Legenden geflüstert und sie waren allesamt schrecklich. Sie verstand nicht, warum er die Erde terrorisieren durfte und niemand einschritt. Seine Bösartigkeit war mit Worten nicht zu beschreiben und stand seiner Schönheit in nichts nach. Diese beiden Eigenschaften wetteiferten um die Aufmerksamkeit jedes Geschöpfs, das ihm jemals unter die Augen getreten war. Was eine entsetzlich effektive Kombination. Und obendrein war er nicht auf den Kopf gefallen. Wie sollte sie ihn nur aufhalten?

Diese Frage stellte sich ihr schon seit Jahrzehnten und trotzdem machte sie weiter, denn niemand sonst tat etwas dagegen. Diese Last wog schwer auf ihren Schultern und manchmal zog die sich in ihre Gedankenwelt zurück, um Luminus ihr Leid zu klagen. Er war wahrhaftig ihr Licht in der Dunkelheit und ihre Mine lichtete sich in seiner Nähe immer auf. Bei ihm konnte sie so sein, wie sie war und ihre künstliche, harte Schale abwerfen.

Zwar konnte sie sich nicht mehr an seine breite Brust schmiegen, aber es würde nicht mehr lange dauern und sie würde ihn wieder menschlich machen können. Zärtlich streichelte sein Licht ihre Wange und entfachte in ihr ein Feuer des Verlangens. So lange war es her, das sie sich in seine Arme fallen und von ihm umwerben lassen hatte. Jede Nacht träumte sie von ihm und seiner starken Umarmung. Das stetige Klopfen seines riesigen Herzens, immer im Takt mit ihrem. Sie seufzte.

Der Fall auf die Erde hatte sie verändert. Früher hätte sie nie so gedacht. Sie war schwach geworden. Aber sie würde es wieder tun, wenn sie es könnte. Jederzeit.

Mühsam stand die auf. Sie gähnte und streckte sich. Und das sah sie es. Auf ihrem Arm, knapp unter ihrem kurzen Ärmel, prangte ein schwarzer Fleck. Er sah aus wie ein Muttermal, aber dazu war er zu groß. Sie zog das Hemd hoch und zu ihrem Schrecken sah sie, das er sich auch über ihren Brustkorb zog. Ungleichmäßig, wie ein Fluss bei der Flut, aber er nahm einen großen Teil ihres Oberkörpers ein.

Und da erinnerte sie sich an Liam Biss.

Du gehörst mir, hatte er gesagt.

Und es zu verdeutlichen hatte er sie gebrandmarkt. Für immer und ewig.

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