Irrgarten der Gefühle

Tag 2

Adrian schlug langsam die Augen auf. Im Stall ging es schon ziemlich geschäftig zu, es musste später Mittag sein. Sein Kopf pochte und Sterne tanzten vor seinen Augen, als er versuchte sich aufzusetzen. Nach ein paar Sekunden konnte er wieder klar sehen und ignorierte das Pochen in seinem Schädel, als er sich umsah. Er lag in der hintersten Box, dort wo er sich gestern mit der Hilfe von Mavis hingeschleppt hatte. Er erinnerte sich noch, wie sie ihm einen Trank eingeflößt hatte und ihm dann, als er immer mehr entglitt, einen Kuss auf die Stirn pflanzte und ging. Die Erinnerung ließ das pochen schwächer werden und er lächelte.
Als Stimmen laut wurden, drehte er den Kopf um zi sehen wer da ankam.
„Was machst du denn hier?", fragte eine barsche Stimme. Ein sehr beleibter Mann, über und über mit Gold und Geschmeide behangen, sah auf ihn herab, ein angeekelter Ausdruck auf seinem feisten Gesicht.
„Hörst du nicht recht, mein Mann hat dich etwas gefragt."
Eine große, jung aussehende Frau erschien hinter dem pummeligen Mann, ihr schönes Gesicht durch Wut verzerrt. Auch sie war über und über mit Geschmeide behangen.

„Sieh dir seine Kleidung an. Pfui. Er kann sich nicht einmal eine modische Jacke oder Schuhe kaufen. Oder wenigstens Schmuck."

Sie trat schnell nach ihm und als er ebenso schnell auswich, spuckte sie nach ihm und traf ihn ins Gesicht.
„Gesindel wie du gehört auf die Straße. Und selbst das ist zu gut für euch. Na los, troll dich, bevor ich mir überlege, wie dein Kopf auf einem Pfahl aussieht! "

Adrian schaute die beiden verwirrt an und wischte sich den Rotz aus dem Gesicht.
„Es ist nicht so, wie es aussieht... ", versuchte er zu erklären.

„Wachen! Hol jemand die Wachen!"
Die junge Frau fing an zu schreien und zu toben. Der Mann begnügte sich damit finstern zu gucken.
Eine Menschentraube bildete sich langsam im Stall und das Gedränge wurde groß.
„Was ist hier los", donnerte eine Stimme durch den Raum.

Es wurde fast sofort still und es gab nur noch
vereinzelte, geflüsterte Worte, als Mavis sich einen Weg durch die Menge bahnte.
Bei Adrian angekommen, blickte sie sich herausfordernd um und stellte ihre Frage nochmals.
Betretenes Schweigen war die Antwort. Nur die Frau des dicken Mannes sah nicht so aus, als wäre sie auch nur im mindesten Eingeschüchtert.

Als niemand das Wort ergriff, fing sie an so schnell zu sprechen, das sie kaum zu verstehen war:„Diesermannistungeheuerlichsolchevagabundesolltenwegsperrtwerdenwirhabenunsbestimmtetwaseingefangensicherlichhateretwasgeklautichfühlemichnichtsicherwirkommenniewiederhierhinpfuinichtwahrheribert!"

Heribert hatte nur die Hälfte, dessen was seine Frau gesagt hatte verstanden, aber er war klug genug brav zu nicken und zu beteuern, dass er ihr vollkommen zustimme.
Mavis hörte ruhig zu, aber aus ihren grünen Augen sprühten Funken, sprangen auf ihn über und entfachten ein Feuer in seinem Herzen. Sie war wunderschön, selbst wenn sie wütend war.

„Was eine Frau", murmelte er vor sich hin. Nachdem das Mädchen mit seiner Triade zu einem Ende gekommen war, strich Mavis sich das Haar aus dem Gesicht und sah sich um. Es blieb totenstill, als sie sich umsah und jedem einzelnen mit stahlharten Augen in sein Gesicht blickte. Viele zuckten zusammen, zogen den Kopf ein oder schauten zu Boden wie gescholtene Kinder. Als ihre Augen bei Adrian ankamen verweilten sie dort. Ihr Blick wurde weicher, der Ausdruck in ihren Augen weichte ein wenig auf.

Dann wurde er umso härter als sie sich wieder Heribert und seiner Frau zuwand. Heribert war sichtlich unwohl, aber seine Frau wollte Mavis wohl Paroli bieten. Trotzig schaute sie ihr direkt in die Augen. Und schreckte so sehr zurück das sie stolperte. Sie legte Halt suchend eine Hand auf Heriberts fleischige Schulter. Der Trotz war komplett verflogen. Angst, blanke Angst spiegelte sich in den Augen der jungen Frau. Ihren Mann mit sich ziehend, verließ sie rückwärts gehend die Scheune, begleitet, nein verfolgt von Mavis, welche einen langsamen aber stetigen Schritt aufgenommen hatte. Die Menge teilte sich als das Ehepaar sie erreichte und Mavis blieb stehen, den Blick fest auf das flüchtende Mädchen und ihren verwirrten Begleiter geheftet. Erst als sie den Stall verlassen hatten, ließ ihr Blick von ihnen ab.

Die Menge zerstreute sich hastig, schockiert ob des dargebotenen Schauspiels und Mavis wandte sich Adrian zu.
Er wich ein wenig zurück, als sie auf ihn zu kam, raffte sich aber auf und stand stramm bis sie vor ihm stand. Er überragte sie sie um ein ganzes Stück, obwohl sie selbst nicht klein war. Sie legte ihm den Zeigefinger auf die Brust und pikte ihn damit. Ganz ernst sah sie in sein Gesicht, ganz klar eine Herausforderung. Aber Adrian gedachte nicht über die Vorkommnisse zu reden. Er hatte selbst ein paar Skelette im Schrank und würde sich hüten ihr eine Gelegenheit zu geben sie hervor zu kramen. Dann grinste sie und säuselte: „Stimmt etwas nicht Heribert".

Er lachte und sie schloss sich an. Es war eine ulkige Szenerie und die Pferde schnaubten und wieherten, als hätten sie den Witz verstanden.
„Und sie hieß ganz sicher Victoria Eliza Mirrabella von zu Hochnäsig die Dritte".
„Das würde auch ihr Verhalten erklären."

Plötzlich wurde Mavis wieder ernst.
„Es tut mir leid, dass sie dich so überfallen und beschimpft haben. Ich werde mich beim Polizeichef über die beiden beschweren. Ich kann mir nur vorstellen was passiert wäre wenn ich nicht gekommen wäre. Ich hätte es mir nicht verzeihen können, falls dir etwas passiert wäre."
Den letzten Satz hatte sie mit hochrotem Kopf, laufenden Tränen und in den Händen verborgenem Kopf geschluchzt.

Der plötzliche Stimmungswechsel überraschte Adrian vollkommen und er handelte instinktiv.
Er umarmte sie und sie klammerte sich sofort an ihm fest und weinte sich die Seele aus dem Leib.
Adrian tätschelte ihren Rücken und flüsterte ihr gut zu. Irgendwann beruhigte sie sich wieder und trat sanft, aber bestimmt von ihm weg.
„Es tut mir leid, dass ich mich so aufgeführt habe. Ich mag dich nun mal."

Unsicher sah sie ihn an, eine Hand herabhängen und von der anderen festgehalten.
Adrian kratzte sich am Kopf. „Nun ich, ich mag dich auch."
Was war er, ein Dummkopf? Dort stand die Frau seiner Träume, gestand dass ihr etwas an ihm lag und er stammelte und brabbelte vor sich hin. Das konnte er besser.

Er straffte die Schultern und öffnete den Mund, jedoch zu spät den Mavis hatte sich schon ganz fest an ihn geschmiegt und er würde diesen Moment ganz bestimmt nicht zerstören. Er umschloss ihren Körper mit seinem und so standen sie da und genossen die Nähe des anderen.

Irgendwann jedoch unterbrachen sie laute und schnelle Schritte vor der Tür und diese sprang fast aus den Angeln, als ein Bote sie aufstieß und verkündete, dass ein Mann mit äußerst beunruhigenden Nachrichten angekommen sei und sie besser anwesend sein sollten. Dann verschwand er so schnell und stürmisch wie er gekommen war. Die beiden lösten sich voneinander, völlig überrumpelt und mit hochrotem Gesicht.

„Wenn sie einen Boten schicken ist es wahrscheinlich wirklich wichtig. Ich muss hingehen. Begleitest du mich?"
Adrian deutete eine Verbeugung an und hielt ihr den Arm hin.
„Aber natürlich holde Maid."
Sie lachte und schlug spielerisch nach ihm, nahm den Arm aber doch. Gemeinsam gingen sie hinaus. Der Himmel war dunkel aber klar, die Sonne verschwand gerade am Horizont. Zusammen genossen sie die letzten Sonnenstrahlen und erfreuten sich des anderen. Hätten sie gewusst das sie einander nach den kommenden Ereignissen lange nicht wiedersehen würden, so hätten sie ihre Zeit mehr geschätzt.


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