Alte und Neue Bekanntschaften

Der Wanderer sah nicht aus wie die meisten Wanderer dieser Zeit, sondern war gut gekleidet und bewegte sich mit der Eleganz eines Edelmannes. Die Menschen auf der Straße grüßten ihn, die Damen klimperten mit den Wimpern und die Männer hoben ihre Hüte zum Gruß. Die Jungspunde sahen ihm neidisch nach, aufgrund seines guten Aussehens und der Statur eines Mannes, mit dem nicht zu spaßen war.

Er fragte nach einer Herberge und ihm wurden zwei Adressen genannt, welche exquisit waren und seinem Geschmack bestimmt entsprachen. Zudem lagen sie in der Nähe. Er suchte das näher gelegene der Herbergen auf und klopfte. Zufälligerweise war es die Herberge, in der die Hexe sich eingerichtet hatte. Nun, eigentlich kein Zufall, wie wir bald erfahren werden. Mittlerweile war es später Abend und alles schlief. Nicht aber so die Hexe. Aus alter Gewohnheit war sie noch wach und schaute gerade aus dem Fenster. Da sah sie den Mann draußen stehen. Um diese Zeit war das Personal nach Hause gegangen und da es angefangen hatte zu regnen, eilte sie nach unten um ihn hereinzulassen. Als sie öffnete, sah sie direkt auf die breite Brust des Mannes und trat ein paar Schritte zurück, um ihm in die Augen sehen zu können. In seine roten Augen. Ein dumpfer Schmerz begleitete sie in die Ohnmacht und sie war längst bewusstlos, als der Mann sie auffing und leise mit ihr das Haus betrat. Die Tür schloss er hinter sich.

Am Morgen kam die frühere Gehilfin der Hexe und wunderte sich das die Hexe nirgends zu finden war. Sie hatte sich in der Herberge eingerichtet, um morgens nach dem rechten zu sehen, obwohl sie eigentlich nicht mehr arbeitete. Ihr Zimmer war auch abgeschlossen. Vielleicht macht sie Besorgungen, sagte das Mädchen sich. Also das Tagesgeschäft zu besorgen. Mittlerweile hatte sie selbst eine Gehilfin zugelegt, damit beide Herbergen gut versorgt waren. Sie grüßte ihre Köchin und lief die Treppe hoch, in ihr Arbeitszimmer. Es gab noch einiges zu erledigen.

Abends erreichte ein anderer Wanderer unser Städtchen. Er entsprach mehr dem Bild eines Wanderers. Schmutzige Kleidung hing ihm in Fetzen vom Leibe, ein grober Sack hing ihm über der breiten Schulter und seine Füße waren staubig und verschorft. Auch er fragte nach einer Herberge, aber niemand wollte mit ihm sprechen. Jeder wechselte die Straßenseite und sah ihn abschätzig an. Auch die Wachen behielten ihn im Auge und waren gerade im Begriff ihn in Gewahrsam zu nehmen, als eine ältere Frau, mit freundlichem Gesicht ihm entgegentrat. Sie fragte, ob er einen Platz zum Schlafen brauchte. Die wies ihm den Weg zur Herberge und riet ihm dort nachzufragen. Der Wanderer bedankte sich, sprach einen Segen aus und lief in die angewiesene Richtung. Er brauchte eine Zeit um die Herberge zu finden und als er ankam, war die Besitzerin gerade dabei abzuschließen. Sie drehte sich um und sah den Wanderer, schäbig gekleidet, mit einem ungepflegten Bart und müden Augen. Er hielt Abstand und sah zu Boden. Flehend bat er um einen Platz zum Schlafen, er habe auch ein paar Münzen zum Bezahlen. Das Mädchen seufzte, aber sie hatte Mitleid mit dem Mann, der ihr nur wenig älter war als sie, schloss die Tür auf und bat ihn herein.

Der Wanderer dankte und betrat zögerlich das Gebäude. Das Mädchen ging die Treppe hinauf, den Mann im Schlepptau, welcher sehr von seiner Umgebung eingeschüchtert war. Sie wies ihm einer der besten Zimmer zu. Der Wanderer war bestürzt.

Werte Dame, solch ein Zimmer kann ich unmöglich bezahlen. Wenn es ihnen recht ist, ich würde gerne im Stall schlafen. Solch eine Umgebung bin ich nicht gewohnt.

Das Mädchen hatte keine Einwände, war insgeheim aber beeindruckt von seiner Demut. Auch hatte er eine samtweiche Stimme, welche so gar nicht zu seinem sonnengebräunten Äußeren passen wollte. Als sie sich nach seinem Hunger erkundigte, entgegnete er, dass er sich einen Kanten Brot aufgehoben habe. Die Gehilfin war fasziniert von soviel Bescheidenheit. Demut war in dem ehemaligen Dorf, nämlich ein rares Gut. Sie begleitete ihn zu Stall, tat, als ginge sie andere Gäste bedienen, blieb aber hinter der Tür stehen, um den Wanderer zu beobachten. Der Wanderer legte seinen Mantel ab und entblößte seinen braungebrannten und Muskel durchzogenen Rücken. Seine Muskeln waren fast so prägnant und prächtig, wie die Narben und Striemen grässlich und erschreckend waren. Wenn hatte sie da eingelassen? Er zog ächzend die Schuhe aus, ging zum Trog in der Ecke und wusch sich mit dem Wasser darin das Gesicht und danach die Füße. Er seufzte und stöhnte als er mit den Händen seine geschundenen Füße massierte. Kurz legte er sich auf den Rücken und starrte die Decke an. Dann zog er ein abgenutztes Messer und stutzte seinen Bart damit. Das Wasser im Trog diente ihm als Spiegel. Die Haare packte er in einen kleinen Beutel, welchen er wieder fest verknotete. Dann kniete er sich hin, faltete die Hände und fing an zu beten.

Die Gehilfin hörte Danke für Unterkunft und segne die gute Frau heraus. Sie zog sich zurück und überließ ihn sich selbst. Als sie heraustrat, bildeten sich gerade dunkle Wolken am Himmel. Sie seufzte und ging zurück in die Herberge. Sie würde ihre Eltern wohl erst morgen besuchen können.

Über der Stadt fingen Wolken an sich zu verdichten und den Mond zu verdecken. Dieser jedoch wollte nicht ganz weichen und schien umso heller, je mehr Wolken sich vor ihn schoben. Die Sterne leisteten Unterstützung und strahlten emsig um die Wette. Es war ein Kampf der Naturgewalten. Die meisten Menschen schliefen schon. Die, welche nicht schliefen, wundertenschliefen, wunderten sich, ob dieses sonderbaren Schauspiels, gingen aber alsbald wieder ihren Geschäften nach. Nur 3 Menschen in der Stadt wussten, was vor sich ging. Aber bald würden alle die Auswirkungen spüren.

Marleneeee, aufwachen!

Sie drehte ihren Kopf zur Seite. Er schmerzte und das Pochen war fast unerträglich. Wieder rief die liebliche Stimme nach ihr. Langsam öffnete sie die Augen. Das Dunkel der Ohnmacht wich dem Dunkel des Kellers, in dem sie sich befand. Sie drehte den Kopf, um sich umzusehen, aber es war komplett dunkel. Nun, die roten Augen, welche knapp vor ihrem Gesicht schwebten, gaben genug Licht ab.

Schmerz durchzog sie und ihr Kopf pulsierte zum Rhythmus ihres schnellen Herzschlags. Da, ein leises Atmen, direkt vor ihr. Sie wollte noch nicht sprechen. Sie musste Zeit schinden, sehr viel Zeit. Also blieb sie still. Der andere auch. Die Stille war bedrückend, aber sie fürchtete sich davor, vor dem Ende.

Und noch bevor der andere das Wort ergriff, wusste sie, wer er war.

Die Vergangenheit kommt dich holen, wenn du es am wenigsten erwartest. Wenn du denkst, dass du in ein neues Leben startest, in Wahrheit aber verharrt es und der Teufel in Person wartet. Du hast mich nicht erwartet Nimhotep oder etwa doch?

Marlenes Herz zog sich zusammen, als ein kleines Licht erschien, schwarz aber doch sehr hell für seine Größe. Das Grinsen des Wanderers war abnormal breit, schon fast eine Fratze. Er wusste, dass sie es hasste. Genauso wie sie es hasste, Nimhotep genannt zu werden.

Der Name ist nicht mein, nie gewesen. Marlene, so heiße ich, das ist mein wahres Wesen!

Keine Lust auf Spielchen heute? Wie schade. Ich jedoch auch nicht, also fahr mir nicht in die Parade!

Seine Speichel flog ihr ins Gesicht und sie fuhr mit dem Ärmel durch ihr Gesicht. Sie musste ihre Unschuld beteuern. Auch, wenn es nichts nützen würde.

Ich habe doch noch hundert Jahre, so war der Vertrag gemacht. Und in all den Jahren hab ich keinen Verrat gegen euch gewagt, sag wieso bin ich die, die du plagst?, rief Marlene aus.

Du Lügnerin, du alte. Schon immer gewesen. Das ist einfach Teil deines Wesens. Dieses Reimen ist es nicht, also lass es sein. Es war ja ganz unterhaltsam, aber ich bin nicht zum Vergnügen hier.

Was willst du überhaupt von mir, reimte Marlene unbeirrt weiter.

Er schlug ihr quer durch das Gesicht. Ihr Hals knackte, als er gewaltsam nach rechts gedreht wurde. Sie schüttelte den Schmerz ab und setzte sich wieder aufrecht hin, den Kopf hoch erhoben und vor Trotz strotzend. Er würde sie nicht zum Weinen bringen. Diese Zeiten waren vorbei.

Jetzt ich habe genug von dir. Ich werde dich deiner Aufgabe entledigen. Was das heißt, weißt du wohl selbst.

Sie wusste es. Marlene wusste, dass ihr schlimmster Alptraum wahr werden könnte. Sie kannte die Person vor ihr gut genug, um zu wissen, dass alles flehen und weinen nichts helfen würde. Also suchte sie einen Weg um die Situation herum. So verweilten beide in der Dunkelheit, die eine fieberhaft nachdenkend und vor Angst, der andere sich sichtlich an ihrer ausweglosen Situation erheiternd.

Die Wolken draußen verdichteten sich immer mehr und der Mond verlor den Kampf. Er wurde immer weiter zurückgedrängt. Die Städter verschanzten sich in ihren Häusern, unsicher was gerade im Gange war.

Das Mädchen konnte nicht aufhören, an den Mann im Stall zu denken. Sie entschied sich, bei ihm nach dem Rechten zu sehen. So ging sie hinunter, mit ein paar Decken eine kleine Platte mit Brötchen und Fleisch, sowie ein wenig Wasser. Dankbar nahm der Mann es an, betete dafür und nahm ein kleines Brötchen und verstaute den Rest in seinem Beutel. Die Gehilfin informierte ihn über das komische Wetter und sagte ihm, dass er besser in der Herberge bleiben solle, zur Sicherheit, falls ein Sturm aufkommen sollte. Er dankte für den Hinweis und informierte sie im Gegenzug darüber, dass er schon morgen früh wieder weg sein würde. Die Gehilfin bat ihn aber noch sieben Tage zu bleiben, sie bestehe darauf. Ohne Mantel sah sie nämlich, dass er, obwohl muskulös, mager aussah. Dennoch wirkte er ziemlich stark, sowohl körperlich, als auch mental.

Der Wanderer sah sie verwundert und dankbar an, machte eine Verbeugung und dankte für die Gastfreundschaft. Er versprach sich nützlich zu machen und für Kost und Logis zu arbeiten. Die Gehilfin war damit einverstanden und die Vereinbarung wurde mit Handschlag besiegelt.

Als er sich für die Nacht einrichtete und sie im Begriff war zu gehen, drehte er sich nochmal um und lächelte warm.

Adrian nennt man mich, sprach er freundlich, Wie heißt du? Sie erwiderte sein warmes Lächeln und sagte: Ich bin Mavis. Schön dich kennenzulernen. Und damit ließ sie ihn allein.

Als sie die Tür zu ihrem Zimmer schloss, schaute sie durch das Fenster in den Himmel. Der Mond hatte sich durch die Wolken gekämpft und schien sie gewaltsam zur Seite zu ziehen.

Kopfschüttelnd und verwirrt machte Mavis das sie ins Bett kam. Dabei dachte sie so sehr an Adrian, dass sie den Kampf erbitterten zwischen hell und dunkel nicht mitbekam.

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen. Bitte lasst Verbesserungsvorschläge und Ideen in den Kommentaren da. Über Votes würde ich mich natürlich auch mega freuen. Danke fürs Lesen und bis zum nächsten Mal.

P. S: Bitte eventuelle Rechtschreib- und Grammatikfehler in die Kommentare schreiben. Danke.

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