Urentenbibel: 24-26
Gottes Wiederkehr
Müde schlurfte der Entenmensch die endlos scheinenden Gänge des Schlosses entlang. Durch die großen Mosaikfenster schien der Mond hinein und spiegelte sich in der Blutspur wieder, die hinter dem Entenmenschen herführte. Mit letzter Kraft stieß er eine dicke Doppeltür auf und kroch den edlen Teppich entlang zum Altar, der das Zentrum des Raums zu sein schien.
»Herr ... Erhöret mein Flehen ...«
Der Raum wurde in fließendes Gold gehüllt, es blendete den Verwundeten. Die Zeit schien stillzustehen. Atemlos starrte der Entenmensch das wunderschöne Etwas an, das vor ihm schwebte. »Ich möge dir helfen, aus deinem Leid. Doch bitte ich dich um etwas, heile ich denn deine Wunden. So entscheide dich.« Der Engel schloss die Augen und wartete auf eine Antwort.
»J-ja, Herr! Was auch immer Ihr verlanget, das werde ich Euch erfüllen!«
»Deiner Entscheidung bin ich dankbar«, sagte der Engel und berührte die Stirn des Entenmenschen. Das Licht erlosch, und mit ihm verheilte der Körper des Gefiederten.
Das Klappern von Besteck. Lord Ente klimperte aufgeregt mit Messer und Gabel. Er wartete gespannt darauf, dass Quakhardt, der entische Diener, mit dem riesigen Tablett ankam, das die wahrhaftige Speise der Götter auf sich trug - die Schokolade.
Und da kam er ja! Quakhardt kam mit einem Haufen an Tafeln Schokolade her und entlud das Essen auf dem langen Tisch. Sabbernd dankte der Lord dem Diener und stopfte Tafel nach Tafel in sich rein, als wären sie nichts als Luft. Zufrieden rülpste er und lehnte sich zurück. »Das war lecker, Quakhardt. Aber da fehlt noch dieses ... dieses gewisse Etwas, verstehst du?«
»N-nein, Meister, offenbar verstehe ich n-nicht.« Angst lag in seiner Stimme.
»Schon gut, dummer Quakhardt«, sagte er nett. Plötzlich schlug sein Ton gewaltig um. »UND JETZT BRING MIR MEHR SCHOKOLADE!«
»J-ja doch, Meister!«, krächzte Quakhardt und rannte sich duckend in die Küche, um nicht vom Besteck aufgespießt zu werden. Laut atmete er aus und drückte den Rücken gegen die Wand. »Oh. Hallo, Menschenfressende. Was macht Ihr denn hier?« Vor einem großen Schrank mit geöffneter Tür stand die Menschenfressende Göttin und schaute konzentriert dessen Inhalt an. »Menschenfressende?«
»Oh! Quakhardt, du bist das nur ...«
»›Nur‹?«, fragte er mit zugekniffenen Augen. »Wie auch immer ... Ihr scheint unbeschäftigt zu sein. Lust, mir beim Zubereiten der Speise der Götter zu helfen?«
Kurz nahm die Menschenfressende ihren Blick von dem Schrank voll Süßem. »Ich soll dir Dreck dabei helfen, den Herrn zu beruhigen, ich göttliches Wesen?!«, schrie sie ihm zornentbrannt entgegen. »Okay, wieso nicht. Was muss ich machen?«
Zur selben Zeit kam der Entenmensch zurück von seiner Jagd. Er schlich sich durch das Tor hindurch und schmiss den Beutel voll Seelen zum Lord hin.
»Mensch, du bist wohl auch wieder zurück! Schön! Ja. Schön ... Quakhardt!«
Hastig lugte der Kopf der Ente aus der Küchentür hervor. »Jawohl, Meister?«
»BEEIL DICH, DU!«
»J- Natürlich, ja!« Der Lord räusperte sich und wandte sich wieder dem Entenmenschen zu. »Also, Mensch ... Irgendwas Ungewöhnliches unter den Seelen jener, die dein Messer zu spüren bekamen?«
»Nein«, sagte der Entenmensch knapp. »Hauptsächlich niedere Götter, ich habe sie gereinigt und ihren Seelen den Himmel vorenthalten.«
»Sehr gut, Mensch. Sehr gut. WAS DAUERT DAS SO LANGE, QUAKHARDT?!«
Mit Schweiß im Gesicht kam Quakhardt mit einer weiteren Fuhre Schokolade heran und stellte sie ab, bevor er sich wieder hastig verzog.
»Noch was? Ist wer dem Netz entflohen?«, fragte er und nahm einen großen Bissen.
»Ja, Herr. Es war ein Entenmensch. Ich habe ihn attackiert und bis zu seinem Schloss verfolgt. Als ich ihn schließlich eingekesselt habe, da hat er gebetet zu wem. Dann holte ich zum Todesstoß aus, doch ich wurde weggestoßen, umhüllt in Geheiligtes. So kam ich wieder zu mir und habe ihn verloren.«
»Selbst seine Fährte?«
»Selbst seine Fährte.«
»Höchst seltsam, höchst seltsam ...«, murmelte der Lord und verschlang nebenbei die zahlreichen Seelen. Stark erschrak er, als die Menschenfressende seinen simplen Gedankengang unterbrach. »Gott im Himmel!« Klick machte es im Kopf des Lords. »Gott im Himmel ... Könnte es denn sein, dass ... Quakhardt! QUAKHARDT!«
»Zu Euren Diensten, Meister!«, hechelte die Ente, die mit einem weiteren Berg Essen hereingesprintet kam.
»Nein, Quakhardt. Lass das Essen gefälligst Essen sein.« Ein Räuspern. »So trage ich dir auf, ehrenvoller Diener des Unsterblichen Gottes, befolge meine Befehle!« Quakhardt ging in die Knie. »Ich befehle dir: Durchforste die Heilige Bibliothek nach Berichten über den Kampf gegen Gott!«
Die Ente schien weggetreten zu sein. »Jawohl, Meister.« Er erhob sich und verließ den Speisesaal.
»Menschenfressende, du hilfst Quakhardt. Mensch, du erinnerst dich doch sicher an den Ort, wo du diesen Entenmenschen angetroffen hast, nicht?«
Mit unterdrücktem Schmollen fügte die Menschenfressende sich und folgte zur Bibliothek. Der Entenmensch tastete nach seinem Kinn und machte ein langes »Hmmmm ...«
»Du erinnerst dich nicht?«
»Doch, doch. Nur beschäftigt mich etwas anderes zur Zeit. Den Entenmenschen habe ich jedenfalls in den Wäldern des ehemaligen Menschenreichs gefunden. Als er verschwunden war, da befanden wir uns in einem Schloss, das umringt von Bergen und Bäumen war.
»Interessant! Okay, eigentlich nicht. Wie auch immer ...« Der Lord nahm sich eine Tafel Schokolade und schluckte sie in einem Stück hinunter. »Sag, hast du eigentlich schon eine Erklärung für diesen ... Zwischenfall? Kann man das so nennen? Egal.«
»Da ich ihn betend aufgefunden habe, deutet es darauf hin, dass Gott im Spiel ist. Gegen diese Theorie spricht bislang nichts, doch die Chancen, dass Gott, den Ihr getötet habt, noch lebt, sind gänzlich unwahrscheinlich.« Der Lord gähnte und schob noch eine Tafel in seinen Rachen, da kamen Quakhardt und die Menschenfressende zurück. »Das ging ja schnell«, meinte der Lord und applaudierte, sofern seine Hände nicht mit dem Packen der Speisen beschäftigt waren.
»O Meister, verzeiht, doch dies ist alles, was gefunden wurde ...« Quakhardt hielt ein kleines Lederbüchlein in den Händen.
Ohne zu fragen schnappte der Lord das Buch und blätterte durch. »Der Großteil davon ist ja leer!«
»Das stimmt, Meister ...«
»Schon gut, schon gut ...«, sagte er mit leiser werdendem Ton. »Also habe ich Gott in den Wald geschleudert. Da könnte er doch irgendwie eine Art Trugbild seiner Selbst erscheinen lassen habend, sodass er fliehen konnte. Ja, das klingt möglich. So ist es doch auch beim Nebelkönig gewesen, nicht?«
Der Entenmensch stimmte nickend zu.
»Hmmm ... Menschenfressende?«
»Jawohl, Herr!«
»Sagt«, begann er und ließ mit einem Schnipsen ein Glas voll Wasser vor sich erscheinen, um das Kratzen im Hals zu beseitigen, »seid Ihr sicher, dass es wirklich Gott war, den Ihr getötet habt? Habt Ihr auch seine Göttlichkeit vernichtet?«
Die Menschenfressende begann, zu grübeln. »Ich ... glaube, das habe ich nicht getan ... Erinnere ich mich recht, so habe ich nur ... Ich habe nur seine Hülle zerstört, nicht ihn selbst!«
»Somit steht also fest, dass Gott etwas hiermit zu tun hat.« Der Lord gab Quakhardt ein unmerkliches Zeichen, in die Küche zu verschwinden. Hastig watschelte die Ente weg.
»Und jetzt?«, fragte die Menschenfressende.
»Jetzt ... warten wir erst einmal ab«, gähnte er und lehnte sich zurück.
»Aber das ist doch irrwitzig, in solch einer Situation nicht zu handeln!«
»Närrische Kreatur!« Der Entenmensch kam zu Wort. »Versteht Ihr denn nicht den Gedankengang des Herrn? Er möchte, dass Gott stärker wird, dass er ein scheinbar Unbesiegbarer ist, ein Feind auf Lebenszeit, eine echte Bedrohung wie es sie sonst nur selten gab!«
»Besser hätte ich es nicht ausdrücken können, Mensch«, lobte der Lord. »Alles, was wir tun sollten, ist abzuwarten. Irgendwann schon wird Gott versuchen, mich zu töten, dann realisieren, dass seine Kraft noch nicht ausreicht, woraufhin er sich zurückziehen und es in einem halben Jahr erneut versuchen wird.«
Laut krachte es. In der äußeren Wand des Speisesaals klaffte ein riesiges Loch. »Etwas zu spät bist du. Ich hatte dich eigentlich einige Sekunden früher erwartet, sodass du meine Rede unterbrochen hättest. Tja, was soll man schon tun ...«, grüßte der Lord.
Ein Entenmensch trat aus dem Schutt hervor. »Das ist eben jener, der mir entwischt ist«, informierte der Entenmensch den Lord.
»Seid Ihr Lord Ente?«, fragte der mehr oder weniger ungebetene Besucher.
»Aye.« Vergnügt richtete er sich auf.
»Dann habt Ihr zu sterben!« Mit einem Hechtsprung kam der Entenmensch über den Tisch herangezischt, zog eine lange Klinge hervor und stach mehrmals nach dem Lord, der aber jedes Mal zur Seite auswich.
»Wie unfreundlich!«, grinste er, duckte sich unter einem weiteren Stich und schlug dem Eindringling das Kinn nach oben.
»Weiter so, Meister!«, jubelte Quakhardt, der gerade wieder mit dem Essen hereinkam und den es kaum überraschte, dass sein Herr plötzlich mit einem Fremden kämpfte, der er ein geheiligtes Schwert zu haben schien.
Lachend wartete der Lord, darauf, dass sein Gegner sich wieder erheben würde. »War's das schon? Das war ja ein Witz!«
Doch keine Reaktion. Der Entenmensch lag reglos am Boden, immer noch das Schwert umklammernd. Gelangweilt ließ der Lord sich eine Tafel zuschmeißen und biss hinein, als -
»Sterbt!«, lachte der Entenmensch voll Freude zum Lords, der nun aufgespießt vom Geheiligtem dastand, erfroren zu Eis.
»Mehr nicht? Das war alles, was du zu bieten hast?«, höhnte es von der Decke. Am Kronleuchter hing der Lord und sah auf den Schwertkämpfer hinab, dessen Waffe eine bloße Hülle zerbröselte.
Hass spiegelte sich in den Augen des Entenmenschen, in den Augen Gottes.
Der Urmensch
»Morgen ...«, brummte Lord Ente müde zu seinem Diener Quakhardt, der mit einem Silbertablett voll Schokolade in den Speisesaal kam.
»Hallo, Meister«, grüßte die Ente und schmiss sich neben ihn auf einen Stuhl.
»Morgen ist es Zeit ...«
»Hö?«
Der Lord verstummte und schlang ausdruckslos sein Frühstück hinunter. Bereits, nachdem er gegessen hatte, ging er wieder in den Keller und schlief ein.
Quakhardt wirkte beunruhigt und leicht verwirrt. »Wisst Ihr, was mit dem Meister los ist?«, fragte er also die Menschenfressende und den Entenmenschen, die wieder irgendein Brettspiel miteinander spielten. Der Entenmensch schien eindeutig zu gewinnen.
»Was mit dem Herrn los ist?«, überlegte die Menschenfressende kurz. »Morgen geht er auf Reisen, oder war das nicht am Tag danach?«
Mit schwirrenden Gedanken im Kopf fraß Quakhardt eine Tafel Schokolade und verbrachte seine Zeit mit dem Machen weiterer.
Der nächste Tag brach an. Lord Ente hatte in der Nacht kein Auge zugemacht. Stattdessen hatte er vergeblich versucht, sich einzureden, dass das, was er tun wird, nicht nach hinten losgehen würde.
Der Entenhahn schnatterte. Die Sonne war aufgegangen. Der Lord schnitt sich seine Göttlichkeit heraus, nahm ein winziges Stück davon und packte es sicherheitshalber in eine der vielen Leichen. Falls etwas schiefgehen sollte.
Er zog mit der Hand einen senkrechten Strich durch die Luft. Ein widerliches Geräusch. Vor ihm breitete sich ein Riss aus, der ein schwaches, blaues Licht ausstrahlte, Nebel ausstieß und ein ungeheures Zischen von Wind durch ließ. Zögerlich steckte er seinen Arm durch den Weg in die andere Welt. Er tastete mit ihm. Etwas Kaltes, Festes. Er schluckte und ging mit dem Kopf durch den Riss.
Das Portal war unmittelbar über dem Boden. Es schien keine Sonne, die Sicht war kurz und unklar, etliche Böen schlugen unrhythmisch um ihn. Der Weg schloss sich. Zitternd watete der Lord über den kahlen Boden und kam irgendwann zu einer Art Höhleneingang.
Er pustete in seine Hand, die daraufhin Feuer fing, doch schien es ihm nichts auszumachen. Er tapste weiter, hinunter in die Tiefe. Wassertropfen fielen auf sein Gefieder. Er ging den unebenen Gang entlang und stieß auf eine Gabelung. Der Lord räusperte sich und rief in beide Richtungen: »Vergänglicher Mensch!« Der linke Gang zog ihn an.
Am Ende des Weges war ein menschlicher Körper, erstarrt, an dem kalten Gestein angelehnt und mit fester Willenskraft dazu entschlossen, den Gegenstand, der umschlossen von den Händen war, zu schützen - ein kleines Messerlein.
Der Lord starrte auf den Erfrorenen verächtlich hinab. Er trat das Messer aus dem lockeren Griff und nahm es auf, schwang damit umher, stach ein paar Male durch die Luft. Er verfestigte seinen Griff, die Klinge schwoll zur fünffachen Größe an, wog aber nicht mehr. Freudig steckte er die Waffe ein und schaute auf den Menschen. Er könnte doch vielleicht ...
»Mensch!«, quakte der Lord, als er wieder in seiner Welt war.
»Jawohl, o Herr?«, fragte der Entenmensch.
»Ich habe etwas Schönes gefunden, eine menschliche Hülle für dich.« Er würgte den Körper des Erfrorenen hoch.
Der Entenmensch starrte auf das Gesicht des Toten. »Herr ... Das ist doch der -«
»Der Urmensch, ja!«
»Der Urmensch?«, fragte Quakhardt, der sich lautlos angeschlichen hatte.
»Mensch? Wärst du so freundlich?«
»Natürlich, Herr.« Ein Räuspern. »Vor langer, langer Zeit schuf der Herr den Menschen. Zwei, um genau zu sein. Sie wurden geboren im Himmel, der ihnen ein Zuhause war. Der Herr gab ihnen Form, Seele ... Bevor er sich sicher war, dass er sie auf die Welt niederschicken könnte, erprobte er sie. Er gab den beiden Willen und ließ sie in einer künstlichen Welt ihren Freiraum für sieben Tage. Als er nach dieser Frist sie zurück geholt hatte, da war er schockiert. Sie waren tot, sie haben geschöpft Kinder, die Brut des Ungöttlichkeit. Sie haben sich dazu entschieden. Der Herr verbannte sie aus dem Reich, aus der Welt, aus dem Diessein.«
Eine Weile verging schweigend. »Das war's?«, fragte Quakhardt. »Das Ende hat sich irgendwie nicht angehört wie ein Ende.«
»Genau, Mensch«, stimmte der Lord seinem Diener zu. »Deine Geschichtenerzählerfähigkeiten haben echt nachgelassen.«
»Macht es besser, wenn Ihr könnt«, sagte der Entenmensch monoton.
»Die beiden Menschen wurden ausgeschlossen aus dem Paradies. Sie wurden bekannt gemacht als die Urmenschen, König und Königin der Ursünde. Warum auch immer man dies als Sünde sehen sollte, wobei es nun jedoch Teil eines jeden Lebens ist ... Jedenfalls wurden sie verbannt von, uh ... Mensch, sag, war der Herr etwa Gott, der das getan hat?«
»Das wart Ihr. Eure geistigen Fähigkeiten haben echt nachgelassen.«
»Ich war das sogar? Woah, das war ja überraschend!«, lachte der Lord und beendete den kleinen Vortrag zu den zwei Urmenschen: »Schließlich habe ich sie verbannt in eine unbekannte Welt. Uuund dies hier, meine Herren, ist der männliche Urmensch!« Er deutete unbeeindruckt auf den Leichnam.
»Meister, sagt, fühlt Ihr denn nichts, wo Ihr doch Eure eigenen Geschöpfe habt ausgesetzt?«
Quakhardt wirkte etwas schockiert. »Wieso sollte ich Mitleid mit diesem Gesindel haben? Es hat selbst versucht, mich zu stürzen!«
»Was?!«, hat -« schrie Quakhardt und zitterte. »Dieser Dreck...«
»Gut, Mensch, wenn du dich nun von mir töten lassen würdest ...«
Der Nebelkönig
Mit fettem Grinsen stiefelte Lord Ente durch den dichten Nebel, im Gepäck seine drei Diener.
»Spürt ihr das? Das ist die wunderschöne Ungewissheit!«, schwärmte der Lord und watete weiterhin geradeaus. »Und diese starke Ausstrahlung, die sich nähert! So lange ist's her, dass ich mich so toll gefühlt habe!«
»Verzeiht, Herr«, sagte die Menschenfressende Göttin leise, »aber wie lange waren wir ... tot?«
»Vielleicht einen Tag lang, mehr aber auch nicht«, antwortete er wieder vollkommen nüchtern.
»Und was war mit dem König des Ab-«
»Pah!«, machte der Lord. »Der ist Plankton im Vergleich zu diesem großen Fisch!«
Unsicher verzog sie ihren Mund und stolperte über eine unbemerkte Wurzel. »Wir sind ja in einem Wald!«
»Der Entenwald, etwa fünfhundert Entenmeter von Noobingen entfernt«, ergänzte der Entenmensch. »Also ist der Nebelkönig in Noobingen, nicht, Meister?« Quakhardt, der nach unten starrte, um nicht auch zu fallen, blickte vom Boden auf.
»Noobingen ...«, wiederholte der Lord nachdenklich. »Nein, glücklicherweise müssen wir nicht mehr so weit laufen.«
Ein Baum fiel vom weißen Himmel hinab auf den Lord. Lachend ließ dieser diesen komplett verbrennen, bevor er auch nur die Wärme davon zu spüren bekam.
Kalt wurde es. Der Nebel schien sich zu einem Fleck zu ziehen und zischte an ihnen vorbei.
Eine dürre und schattenähnliche Gestalt kam aus dem Nebelschleier.
»Da ist er ja«, bemerkte er rechtlich spät.
Der Nebelkönig schaute sein Gegenüber an und streckte seine Hand aus.
Schräg ging der Lord zu ihm und griff das kleine Schlüsselchen, das ihm gegeben wurde.
Der König nahm seine Hand zurück und ließ seine leeren Augen rot aufflammen. Sein Körper löste sich auf und verbreitete sich um die Kontrahenten. Der Lord grinste wie üblich, der Mensch zog sein geheiligtes Messer hervor und strich über seine Klinge, die Menschenfressende verflüssigte ihre Hände und ließ sie Form von Speerspitzen annehmen, Quakhardt machte sich klein und dokumentierte das Geschehen.
Eine Hand schlug aus dem Nebel heraus auf den Entenmenschen zu, der mit seiner Waffe flink blockte. Plötzlich hagelte ein ungeheurer ... Hagel aus Schlägen auf den Lord nieder, so stark, dass der tote Boden unter ihm nachgab und er in die Erde gedrückt wurde. Die fehlende Reaktion deutete die Menschenfressende als Signal, selbst etwas Spaß haben zu dürfen. Sie sprang durch die Luft und schoss ihre Hände zur Quelle der Schläge.
Etwas packte ihre Arme fest. Das Ungewisse zog sich wieder zusammen zum Schatten eines Lebewesens. Aus dem verschwommenen Rücken ragten etliche Greifer, ein Paar davon hielt die Menschenfressende fest und hob sie in die Luft, bevor der Nebelkönig sie töten würde. Er riss an ihr, noch etwas, und sie wäre -
Der Entenmensch kappte die tentakelähnlichen Dinger, die ihre Form ebenso verändern konnten wie die der Menschenfressenden. Die Schatten glitten wie Staub.
Direkt wuchsen zwei neue Arme aus dem Nebelkönig heraus und sirrten durch die Luft. Seine Augen blitzten auf, der Entenmensch erstarrte.
»Mensch, du willst ihn doch nicht etwa töten!«, rief der Lord mit gespieltem Entsetzen. »Außerdem würde ich mir das genau überlegen mit dem Nutzen von Geheiligtem.« Er kroch aus dem Loch raus und gähnte laut. »Macht mal Platz, ich übernehme ab hier.«
Der Körper des Nebelkönigs drehte sich um.
»Na los.«
Der Schatten wurde wieder zu Unsicherheit. Der Lord vollführte mit der Hand eine Pirouette um sich selbst, der Nebel verflog und legte die pure Göttlichkeit frei, die dunkel vor ihm pulsierte. Der Entenmensch kam näher. »Erlaubt Ihr mir ...?« Der Lord sah ihn abschätzend an, zuckte schließlich mit den Achseln. Das geheiligte Messer traf die finstere Kugel, die golden anschwoll. Die Göttlichkeit zerplatzte zu etlichen Fetzen.
»Hat's denn Spaß gemacht?«, fragte der Lord den Entenmenschen, als er etwas bemerkte, dass sich aus den Überresten erhob. »Was zur -?!«
Ein farbloses Ungetüm baute sich vor ihnen auf. Es war durchsichtig, glibbrig, groß, hatte Augen wie bodenlose Gruben. Unmengen an Armen hingen am runden Körper und schlugen um sich.
Der Lord rollte sich zur Seite und schnipste. Eine wilde Feuersbrunst flammte auf, da wo das Ding stand. Unversehrt war es? Noch einmal wich der Lord einem der Schläge aus. Er ließ seine Hand durch die Luft sausen. Es war nicht in zwei Stücke geteilt.
Der Lord biss sich auf die Lippen, während er von dem Monster wegrannte, das die Bäume wie Spielzeugtürme umstieß. Dann machte er kehrt und flog mit seinen Schwingen nach oben, ehe er sie wieder verschwinden ließ und auf dem Boden aufkam. Er hechtete zu Quakhardt, verschlang ihn mit einem Happen. Der Großteil seiner Kraft gehörte wieder ihm. Das Monster kam herangeschlurft und holte aus, da drehte der Lord sich um und ließ seine erhobene Hand schwer zur Erde fallen.
Die Zeit schien zehnmal langsamer zu vergehen. Zerstörerisch grinste der Lord, während er zusah, wie das Ding, das in der Göttlichkeit des Nebelkönigs hauste, zerquetscht wurde. Doch nicht nur das. Der Lord drehte sich stilvoll nach hinten und schlug mit der Hand nach unten, so als trage er einen Hammer. Eine gewaltige Druckwelle. Der Körper des Wesens wurde von einer unsichtbaren Kraft geplättet. Der Boden brach. Die Bäume loderten. Ein greller Lichtblitz. Ohrenbetäubender Krach.
»Hm«, machte der Lord. Seine Umgebung war vollkommen vernichtet worden. Eine Halbkugel, unzählige Kilometer weit, klaffte im Himmel. Nichts war mehr übrig geblieben. Gelangweilt ging er nach Hause, um der Menschenfressenden und dem Menschen neue Körper zu geben. Und natürlich auch, um abzuwarten. Abzuwarten, dass jemand seinen Weg kreuzen würde, der so stark war wie er.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top