Urentenbibel: 20-21

Das Ende des Unterjochers der Gefiederten
»Unterjocher der Gefiederten!«, rief der Falsche Lord, Ente, in die Dunkelheit. »Zeigt Euch mir!«

Ein Schatten kam hinter einer der Säulen hervor, die sie in die Höhe ragten und kreisförmig angesiedelt waren. »Ich bin überrascht, dass du noch lebst, Falscher.« Seine Stimme klang fremd, kalt und doch so brennend voll von Hass. »Gut gemacht.«

Ente nahm aus den Augenwinkeln seine Umgebung wahr. Von den Säulen abgesehen, war alles leer, ein dunkler Ton bedeckte Boden und Himmel.

»Was willst du nun tun, wo du es schon so weit geschafft hast, Falscher?« Der Unterjocher der Gefiederten, der Lord, trat näher, sein Körper glich in einigen Punkten dem des Königs des Abgrunds, bloß war der des Lords bei weitem furchteinflößender und mehr wie der eines Monsters.

»Ich werde Euch töten und die Welt zu einem besseren Ort machen!«, schrie Ente ihm entgegen.

Der Lord erhob seine Arme, als wolle er den gesamten Raum erfassen. Eine wabernde Kuppel erbaute sich und sperrte sowohl ihn selbst, als auch Ente ein. »Ich lasse dich anfangen, Falscher.«

»Wie Ihr wünscht.« Innerhalb von Sekunden war der Falsche am anderen Ende der Arena und schlug mit voller Wucht gegen die Hülle des Unterjochers, die verblüffenderweise standhielt, den Arm von Ente packte, der daraufhin eine kleine Explosion auslöste und ihn zu Boden riss.

Mit aufgerissenen Augen starrte Ente seinen Arm an. »Wieso wächst er nicht nach? Was habt Ihr getan verdammt?!«

Der Schlitz formte ein breites Lächeln. Im nächsten Augenblick hing seine Hand am Hals des Falschen und drückte kräftig zu. Wild strampelte er um sich, in ihm die Hoffnung, sich aus dem Todesgriff befreien zu können. Die Welt wurde grau und verschwommen, das Gelächter wurde ferner. Als jeder Hinblick auf Leben aufgegeben war, ließ der Lord ihn jedoch los.

Der Entenmensch rammte mit Anlauf die Klinge seines Messers in den Rücken des Unterjochers, der nach vorne taumelte, das Messer aus ihm herauszog und es schmelzen ließ.

»Mensch!«, zischte er zornentbrannt. Er reagierte kaum. Pause. Dann hielt der Unterjocher ein Lachen inne. »Ich befehle dir: Töte den Falschen!«

Der Entenmensch gehorchte nicht. Ente bemerkte schnell, dass er sich die Ohren hatte verstümmelt. »Töte ihn gefälligst!« Der Lord zitterte vor Wut. »Tö–«

Die Hand des Entenmenschen raste auf seinen Hals zu und ließ den abgetrennten Kopf zu Boden fallen.

»Mir ist es gleichgültig, ob ich dich auch töte oder nicht, Mensch«, lachte er und ließ Schemen an seinem Haupt nachwachsen und ein neuen Schädel formen.

Der Entenmensch packte den abgehackten Arm des Falschen, der daraufhin verpuffte und an seiner ursprünglichen Position wieder auftauchte.

»Danke … Oh, stimmt ja.« Ente sprang auf und ging wieder in Kampfhaltung.

»Wie ihr allesamt doch wollt scheinbar!« Der Unterjocher schnipste, am Himmel tat sich ein Loch auf, die Hülle der Menschenfressenden Göttin fiel hinunter. »Menschenfressende! Ich befehle dir: Töte diese Unwürdigen, die es wagen, mich aufhalten zu wollen gar!«

»Jawohl, o Lord.« Die Menschenfressende richtete sich auf, kam mit ihren Klingenfingern herangeschossen und schnitt den Falschen beinahe in zwei Hälften, hätte er sich nicht rechtzeitig geduckt und sie mit einem Tritt zu Boden geschleudert. Sie machte Halt und schlug um.

Der Entenmensch konzentrierte sich währenddessen auf den Unterjocher selbst. Mit der bloßen Hand schnitt er ihm die Gliedmaßen ab, die allerdings augenblicklich wieder nachwuchsen, und lieferte mit ihm einen Kampf, der einem Zuschauer wie ein Tanz aussehen mochte.

»Wieso kämpft Ihr für einen, der absolut alles vernichten will?« Der Falsche wurde von der Menschenfressenden aufgespießt. »Seid keine Närrin!«

Sie hielt inne und begann wacklige Knie zu bekommen. Ente ballte seine Hand zur Faust und drückte sie auf den Bauch der erstarrten Göttin. Ihre Hülle wurde zerfetzt und legte ihre Göttlichkeit frei.

»Verzeiht mir«, flüsterte er und verschlang das, was sie vollkommen zum Gott machte, absorbierte es.

Laut schrie der Entenmensch auf. Der Unterjocher der Gefiederten drückte auf seinen Schädel ein, während die Todesschmerzen ihm die Sicht schwummrig machten.

Der Lord war so davon abgelenkt, ihm Leid zuzufügen nur, dass er Ente nicht bemerkte, der er mit Klingenklauen angesprungen kam und große Kratzer durch sein Fleisch zog.

Vom Entenmenschen wurde er losgelassen, rollte sich zur Seite und griff nach dem geschmolzenen Messer, das bei der ersten Berührung seiner Hand wieder seine normale Form annahm. »Das macht ja Spaß, merke ich!«, grinste der Lord und verfiel einem weiteren Lachanfall.

Die Kuppel zerbrach und gab Sicht auf einen düsteren Wald frei, die Bäume ominös. Vor dem Unterjocher leuchtete ein Symbol des Abgrunds auf.

»Un-unmöglich …«, stammelte der Falsche, als sich der Schatten vom König des Abgrunds erhob und er seine Diener heraufbeschwor. Eine Schar an Rotäugigen rannte waghalsig auf Ente zu und zerfleischten ihn, bevor sie selbst verpufften und zu Staub zerfielen.

»Los, Gruem! Räche dich an Ente für all das, was er dir angetan hat!« Der Schatten vom König des Abgrunds schien zu wachsen, er verformte sich zu einem gigantischen Wolf. Ein betäubendes Brüllen. Wie wild kam er herangesprintet, schlug die Bäume aus dem Grund und warf sich dem Falschen entgegen, mit zerzaustem Fell, das Maul weit geöffnet.

Ente wich aus und schnitt den Hund in der Mitte durch, so dass dessen Körper auf den Boden aufklatschte und zerfiel. Aus den Überresten erhob sich eine scharlachrote Schlange, halb so groß wie der Wolf, aber dafür doppelt so lang. Zischend schlängelte sie sich heran und schlug den Falschen gegen den Entenmenschen, der sich nicht mehr bewegte.

»Mensch?!« Er war voll von Panik. »O Gott …«

»Pass lieber auf, Falscher!« Ein weiteres tiefes Kreischen. Die Riesenschlange biss zu und verschlang den Falschen Lord mit einem Happen.

Finsternis. Wo war er? Ah ja, Gruem hatte ihn gegessen. Ente wurde still. Was war dieses Gefühl? Nicht Trauer, sondern … Könnte es Wut gewesen sein? Wut … zog mit der Hand einen Strich durch die Schlange, ihre Haut löste sich auf und gab ihm einen Ausgang frei. Er kletterte aus dem sterbenden Fleischbrocken und schaute ausdruckslos zum Unterjocher der Gefiederten. »Was ist denn nun los mit dir? Hah, versuchst du mich zu töten mit deinem Blick etw-«

Der Falsche erhob beschwichtigend die Hand. Aus dem Mund des Unterjochers drang kein weiteres Wort mehr. Verblüfft starrte er sein Gegenüber an.

Ente lachte nun. Um ihn herum erschienen etliche Silhouetten von jenen, deren Tod er verursacht hatte. Hunderte Götter, die er beim Turnier vor Jahren damals gefressen hatte, und noch mehr, darunter der legendäre

Gott KeaS; der Führer des Schwertes Hackscalibur; der wortwörtliche Gott; der letzte Dunkle; das Sternenkind und sogar die gänsische Soldatin, die sie als einzige den Entisch-Gänsischen Krieg überlebt hatte.

Der Unterjocher starrte geschockt auf das Heer, das der Falsche sich heraufbeschworen hatte. Er fing sich wieder und lachte selbst. Der Brennende Vogel kam aus einer sich selbst entzündenden, schwarzen Flamme zum Vorschein, der Schatten des Menschen baute sich auf, hinter ihm der des Salzkönigs. Als er merkte, dass mehr nicht hervorkamen, ließ sich ein verzweifelter Ausdruck auf seinem Gesicht finden.

»Unterjocher der Gefiederten!«, rief der Falsche Lord. »Ergebt Euch!«

Der Unterjocher der Gefiederten trat zurück. »Greift diesen widerwärtigen Dreck an, lasst keinen davon lebend zurück! Ich möchte, dass ihr sie allesamt auslöscht!«

Der Phönix vergrößerte sich, sodass er einem brennenden Adler glich, der Mensch zückte sein Messer und verfestigte seinen Griff, der Salzkönig positionierte sich wie eine Raubkatze, die jeden Augenblick auf ihr Ziel zuspringen würde.

»Tötet sie, tötet ihn!« Der Lord senkte schlagartig seine erhobene Hand, gleichzeitig stürmten seine drei letzten Diener auf die gegnerischen Truppen los.

Der Mensch schnitt die vorderen Götter auf, die mit seiner Agilität nicht mithalten konnten, der Phönix verkohlte die größeren Gruppen, der Salzkönig hatte nur den Falschen Lord im Visier. Er sprang über Köpfe hinweg und rollte sich am Boden ab, schlug mit der Hand in Entes Brust, dessen Hülle infolgedessen zerfiel, während sein eigener Arm sich jedoch auch nekrotisch färbte.

Erschrocken ließ der Salzkönig ab und schnitt sich die Gliedmaße ab. Zu spät jedoch, sein restlicher Körper war ebenfalls schon am Absterben. Er sackte zusammen, aus seinem Mund stieg eine Wolke empor und ließ jeden verwelken, der sie auch nur berührte. Der Kriegsveteran zischte an dem Vogel vorbei und durchstach den Menschen, der zu Staub zerfiel. KeaS flog in die Höhe und hielt seine Hand dem Himmel entgegen. Die Schatten schlugen auf und ließen ein warmes Licht auf sie niederscheinen, die verwundeten Krieger des Falschen Lords standen wieder auf und kämpften weiter gegen den Phönix und den Unterjocher. Die Überreste des Menschen wurden weggeweht und setzten sich hinter dem Falschen wieder zusammen, er holte aus, die Klinge wurde vom heiligen Schwert Hackscalibur pariert, die Gänsesoldatin riss ihm die Innereien raus, Ente beendete die Existenz des Menschen ein für alle Male. Gott stieg ebenfalls zu KeaS hoch. Er wirbelte die Hand umher, Engel kamen herabgestürzt und zielten den Unterjocher an, der sie grimmig aus der Luft pustete. Der Dunkle warf wie verrückt mit wandelnden Albträumen um sich, bombardierte damit den Echten.

Unzählige Falsche Lords tauchten auf und lachten ihn aus. Das Sternenkind irrte durch die unzähligen Toten auf den Unterjocher zu, der Brennende Vogel stürzte hinab und schlug seine Klauen in das geheiligte Fleisch. Die Flammen des Phönix glühten blau auf, Schmerzen überkamen ihn, er erlosch. Aus seiner Asche kam ein winziges Ding heraus, eine einzige Feder blieb lodernd übrig.

Ente hob die Hand, die Feder flog zu ihm hin, landete in seinem Griff. »Wie schön! Ich sollte mir das Viech lebendig halten und aus seinen Federn eine Hülle machen wie die Menschenfressende es einst immer mit ihren Menschenimitaten getan hat. Die Menschenfressende …« Trauriges Seufzen. Die Schatten seiner Armee wurde schwächer. »Ich sollte mich beeilen.« Auf Entes Rücken sprossen prächtig große Schwingen, er verschaffte sich einen kurzen Überblick und landete direkt vor dem Unterjocher der Gefiederten, der ängstlich und panisch nun in alle Richtungen blickte.

Immer und immer mehr Falsche Lords umringten ihn und verhöhnten ihn, er hatte sich inzwischen die Ohren mit Erde zugestopft, doch immer noch hallte das unaufhörliche Gelächter in seinem Kopf wieder und wieder. Plötzlich kam ein weiterer Falscher Lord vom Himmel herab. Der lachte jedoch nicht, sondern sah ihn bemitleidend an.

Die wandelnden Albträume schienen unsichtbar. Die Beine des Unterjochers wurden weggerissen, er blickte um sich. Er war eingekesselt. Jede Chance auf ein Überleben war endgültig entschwunden. »So endet es also, hm?« Ente trat näher an den Lord und legte seine Hand an die Stirn seines Doppelgängers. »So endet es, in der Tat.«

»Ich wollte doch nur –« Sein Kopf zersprang in tausend Stücke und legte seine Göttlichkeit frei.

Ente überlegte, ob er sie essen sollte, entschloss sich aber dagegen und ließ sie platzen wie eine Blase.

Die Schatten der Toten verblichen im goldenen Licht der untergehenden Sonne. Der Entenlord stand auf und betrachtete die Massen an Blut am Boden. »Dreck.«

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