Urentenbibel: 16-19

Das Wiederauferstehen der Armee des Unsterblichen Lords
Es war wieder einer dieser Tage – das Tal der Anbeter der Menschenfressenden Göttin war in dichte Dunstschwaden gehüllt, genauso wie alles andere im Entenreich.

Lord Ente stand auf der Spitze des großen Entenbergs und schaute auf die Nebeldecke hinab, die über dem gesamten Land lag. Er gähnte lange und stürzte sich dann in die Tiefen, ehe er seine winzigen Entenmenschenflügelchen zu gigantischen Adlerschwingen werden ließ und zum Schloss glitt. Er trat die stets lose Tür ein, welche wie von Zauberhand zurück auf ihren Platz flog, und ging die Treppen zum Keller hinab, der zur Hälfte mit Leichen gefüllt war. Er breitete eine davon auf dem Boden aus und schlug sich mit der Hand ein Loch durch den Bauch, sein Inneres war hohl und dunkel, bloß eine kleine Kugel schwebte da, wo das Herz hätte sein sollen. Er holte sie heraus und ließ sie dann in der Luft, wo sie sich dann zur tausendfachen Größe ausbreitete.

Ein winziges Stück davon schnitt er sich mit dem Messer des Menschen ab und drückte es dem Toten in den Rachen. Anschließend sog er die Kugel wieder ein, die sich wie Wackelpudding dabei verformte.

Der tote Entenmensch auf dem Boden zuckte. Der Lord legte sich neben ihm hin und öffnete seinen Schnabel, dann schien er bewusstlos. Der Entenmensch schlug die Augen auf und stieg gezielt in den Schnabel des Lords, wo er sich schließlich runterschluckten ließ.

Finsternis herrschte um ihn herum, er befand sich im freien Fall. Doch plötzlich – kam er auf festem Grund auf. Er blickte sich um. Er war in einer düsteren Landschaft, der Himmel bestand aus dunklen Rottönen. In der Ferne ragte die Silhouette eines Gebäudes auf, aus ihm strömte helles Licht, gehörte es eindeutig nicht her. Bei näherem Betrachten ließ sich das Gebäude vielmehr als Gefäß identifizieren. Es war randvoll mit dunstigen, weiß schimmernden, durchsichtigen Lichtkügelchen, die sich bewegten wie Fische im Netz.

Am Rand hing eine Leiter, die zum urgroßen Deckel hinaufführte. Der Entenmensch vollführte eine elegante Drehung, das Gefäß öffnete sich von allein. Er atmete einmal kräftig ein und sprang kopfüber in die unzähligen Kugeln. Nach einer Minute kam er wieder nach oben und warf eine besonders große Kugel mit pulsierendem Blauton, der an das klare Meerwasser an einem sanften und ruhigen Tag erinnerte, über den Rand. Wie ein Flummi hüpfte sie durch die leere Gegend und kam irgendwann zum Stillstand.

Anschließend tauchte er noch einmal ab und kam mit einer weiteren Seele nach oben, sie sah eher mickrig und schwach, ihr Leuchten war unmerklich. Durchnässt von einer silbernen Flüssigkeit sprang der Entenmensch das Glas hinunter, das es schloss sich selbst. Nachdem er die andere Kugel auch gepackt hatte, schloss er die Augen.

Als er sie wieder öffnete, war er wieder im Keller, zwei Seelen haltend neben dem Lord. Er legte die Kugeln vorsichtig zu Boden, riss sich das winzige Stück Göttlichkeit aus seinem Körper und ließ es in den Mund des Lords fallen, bevor er umkippte und das Leben wieder aus ihm herausfloss.

Der Lord regte sich wieder. Er wankte zu den Seelen und steckte sie in zwei verschiedene Entenmenschenleichen. Auch sie begannen, sich wieder zu regen.

Ein grelles Licht durchstach den Keller, der linke Körper begann sich zu verändern, Als es erneut dunkel geworden war, saß auf dem Boden die Menschenfressende Göttin, verwirrt dreinblickend und sich den Kopf vor Schmerzen haltend.

»Lord?«, begann sie, wurde aber durch ein weiteres Aufleuchten abgeschnitten. Der Entenmensch neben der Menschenfressenden richtete sich auf und starrte auf sich hinab.

»Willkommen zurück im Reich der Nicht-Toten!«, grüßte der Lord sie herzlich.

»Wir waren tot?!«, entfuhr es der Menschenfressenden vor Schreck.

»Mehr oder weniger. Ihr seid doch sicher hungrig und durstig, nicht?« Der Lord schnipste, zwei Tische mit Kerzen, Stühlen und jeweils einem gigantischen Festmahl drauf erschienen vor dem Entenmenschen und der Menschenfressenden. »Nur zu.«

Wie wild stopfte sich die Göttin voll und aß den ganzen Essensberg innerhalb einer halben Minute nur.

Der Entenmensch allerdings fasste nichts an, sondern verblieb starr und wartete darauf, dass der Lord zu erzählen begann. Das tat er dann auch. »Ihr erinnert euch, woran ihr gestorben seid, nicht?«

Ein zögerndes Kopfschütteln der Menschenfressenden. »Ihr, werte Menschenfressende, seid vom König des Abgrunds verschlungen worden und wurdet einer seiner Diener!«

Unsicher lächelte sie. »Das … glaube ich Euch nicht, Lord.«

»Das ist aber so«, sagte der Entenmensch kalt. »Und du, Mensch … Du bist von der lieben Menschenfressenden mit deinem eigenen Messer abgestochen worden!«

Der Entenmensch zuckte leicht. »Es würde mich nie …« Er schwieg.

»Noch Fragen? Nein? Gut, dann kommt mit nach oben.« Die Menschenfressende setzte zum Reden an, der Lord allerdings bedeutete mit der Hand, dass genauere Fragen später beantwortet werden würden.

Der Lord schob sie die Treppen hinauf zum zweitgrößten Turm, Quakhardt lag eingehüllt in einer Decke in seinem Bett und blickte ausdruckslos an die Decke. »Oh. Ihr seid es, Menschenfressende«, sagte er, ohne den Ton zu wechseln. »Ich muss Euch echt danken. Ohne Euch wäre ich wohl noch in der Lage, meine Beine zu benutzen. Ein Glück, dass Ihr sie mir weggerissen habt, sodass ich bloß nicht den Keller verlassen könnte.« Er lachte bitter und legte seine Augen wieder nach oben.

»Menschenfressende«, flüsterte der Lord. »Ihr solltet Euch wenigstens entschuldigen.«

»Nein«, gab sie trotzig zurück. »Ich habe nichts getan, was Ihr mir verboten habt!«

»Nun gut …«, meinte er verschwörerisch. »Dann muss ich Euch wohl dazu zwingen, befehle -«

»Schon gut, schon gut. Ich mach's ja schon …« Sie trat zum blassen Quakhardt. »Entschuldigung.«

Quakhardt blickte sie hasserfüllt an und holte zum Schlag aus. Ohne jegliche Wucht traf sein Flügel die Backe der Menschenfressenden. Er fiel kraftlos zurück. »Mensch«, herrschte der Lord den Entenmenschen an.

Dieser stieß die Menschenfressende beiseite und zog die Bettdecke vom Enterich weg, sodass die Stummel, an denen einst Beine gewesen waren, zum Vorschein kamen. »Du bist kein Gott, oder?«

Quakhardt hielt inne und schüttelte etwas nervös den Kopf.

Er legte seine Hände an die Wunden und wartete einen Moment. Ein goldenes Leuchten durchschien den Raum, Quakhardt schrie in Pein auf. Als sich das Licht gelegt hatte, war Quakhardt wieder mit Beinen.

»N-nur so aus Interesse, Mensch … Was wäre passiert, wenn ich doch ein Gott gewesen wäre?« Er warf der Ente einen undeutsamen Blick zu. »Dann wärst du jetzt geheiligt und bereits tot.«

Verwirrt starrte Quakhardt auf seine alten Gehwerkzeuge. »Danke.«

»So, meine getreuen Diener«, rief der Lord breit grinsend. »Wie ich sehe, seid Ihr nun bereit, um mir bei dem nächsten Problem zu helfen, das dieses Land heimsucht! Ihr seht den zunehmenden Nebel dort draußen?«

Der sich immer noch wundernde Quakhardt schien in Gedanken versunken zu sein.

»Quakhardt? Eh, Quakhardt!«

»Hm?«, schreckte er auf.

»Es wandert ein neues Unwesen durch das Entenreich und sorgt für diesen unerträglichen Nebel! Laut … verlässlichen Quellen … ist es offenbar ein Gott! Neulich wurde er hier in der Nähe gesichtet, ich möchte ihn tot vor meinen Füßen liegen sehen! Fragen, irgendwer?«

Die Menschenfressende erhob ihre Hand. »Wieso wollt Ihr ihn töten, den Gott?«

»Wieso?«, äffte der Lord sie nach. »Er ist ein Gott und keiner von der Armee des Unsterblichen Gottes, er hat zu sterben! Noch was?«

Erneut die Menschenfressende. »Ist er stark, der Gott?«

»Gute Frage! Ich habe gehört, er sei mindestens halb so stark wie der König des Abgrunds. Was er aber alles kann oder nicht, das weiß ich nicht.«

Quakhardt meldete sich zu Wort. »Wann geht es los?«

»Jetzt sofort!«

Der neue Erzfeind des Unsterblichen Lords
Es war ein herrlicher Tag im Schloss der Menschenfressenden Göttin. Seitdem Lord Ente den Nebelkönig (siehe spätere Kapitel) brutal abgeschlachtet hatte, schien die Sonne so schön wie noch nie. Der Entenmensch las gemütlich in der Heiligen Schrift, als Quakhardt reingestürmt kam. »D-das gesamte Schwanenreich wurde vernichtet!«, schrie er und bedeutete ihm zu folgen. Willig legte er das Buch zurück, das sich selbst schrieb, und folgte ihm nach draußen, wo bereits der Lord und die Menschenfressenden Göttin auf sie warteten.

»Es sind also alle beisammen. Wisst ihr den Grund dieses Treffens?«

»Das gesamte Schwanenreich wurde zerstört, o Meister!«, beantwortete Quakhardt die Frage des Lords.

»Präzise. Offenbar hat eine einzige Person eines der größten Weltreiche ohne jegliche Hilfe zum Fall gebracht. Ist euch klar, was das bedeutet?«

»Wir müssen ihn töten?«, sagte die Menschenfressende unsicher.

»Nein!« Der Lord grinste breit. »Wir müssen besagte Person den Ewigen Schwur ablegen lassen!«

»Heil Lord Ente!«, hallten die Stimmen der Diener wieder. Der Lord blickte durch sein drittes Auge auf die Person, die das Schwanenreich ausgerottet hatte. »O du Heilige, neuntausend Entenmeter entfernt von uns, nähert sich rapide und zieht Zerstörung hinter sich her!«

»Jawohl, o Meister! Geschätzte Ankunft?«

»Vier … vier Minuten? Ich bin nicht so die Zahlenperson, Quakhardt, das weißt du.«

Quakhardt schluckte und ging zur Menschenfressenden Göttin rüber, die auf der flachen Wiese lag und ein Sonnenbad nahm. »Ihr solltet Euch lieber darauf vorbereiten, gegen einen Gott zu kämpfen!«

»Schnabel, Quakhardt. Bis der da ist, bin ich ja schon fertig.« Sie gähnte und erhob sich vom warmen Gras. »Siehst du?« Der Entenmensch stand angespannt da, sein Messer fest umklammernd. Er hatte das gesamte Menschenreich ausgelöscht, vielleicht würde er sich verstehen mit dem … dem … »Lord?«

Der Lord drehte seinen Kopf nach hinten. »Hm?«

»Was ist es überhaupt, das das Schwanenreich leergefegt hat? Und wie heißt es?«

»Äääh …« Der Lord überlegte. »Wenn ich mich nicht irre, dann ist es eine -« Aus der Ferne kam eine Gans angesprintet, das Gras, welches ihre Füße berührte, verwelkte augenblicklich. »- Gans und wird von sich selbst als der Salzkönig betitelt.«

Keine fünf Sekunden später war der Salzkönig direkt vor der Gruppe, schlug aus, packte das Gesicht des Lords und drückte es mit gewaltiger Wucht in den Boden. Die Haut verfaulte, die Federn fielen aus, seine Hülle zerfiel zu Staub. Wie gebannt starrten die Menschenfressende, der Entenmensch und Quakhardt auf die Überreste des Unsterblichen Gottes.

Der Salzkönig ließ von dem Staubhaufen ab und drehte sich zu den erstarrten Dienern. Mit geweitetem Mund trat der Entenmensch hervor. »Ich -«

Die Gans griff nach dem Entenmenschen, der die Berührung jedoch knapp mit dem Messer verhindern konnte und ihn von sich stieß. »Ich bewundere Euch und Eure Taten!« Kurz hielt der Salzkönig inne, stieg in die Luft, visierte die Menschenfressende an, die mit den ausgestreckten Händen auf die Gliedmaßen der Gans zielte.

Die Beine des Salzkönigs wurden abgeschnitten, wurden zum Menschen geschleudert, er flog weiterhin auf sie zu, die sie ihre Zähne verformte und zum Biss ansetzte. Seine Beine waren nachgewachsen, er wirbelte umher, wich ihrem Maul aus und rollte zu Boden, bevor er zurück sprang und die Gegnerin feindselig beäugte, die Beine den Entenmenschen treffend.

Der Lord klatschte vergnügt. »Bravo. Bravo!«

Der Salzkönig fuhr herum und blickte kurz auf den Körper vom Lord, den er doch gerade eben getötet hatte, nicht?

»Ihr scheint kampferprobt zu sein, Salzkönig …« Wie wild schlug er nach dem Lord, die Menschenfressende fesselte ihn unterdessen mit der einen Hand, die andere am Entenmenschen. Schmerzerfüllt schrie er auf und spürte, wie seine Kräfte ihn verließen, in den Entenmenschen flossen.

»Nun, werter Salzkönig … Ich mache Euch ein Angebot. Nehmt Ihr an, so dürft Ihr leben. Falls nicht, so muss i–« Die Hülle des Lords zerbröselte und legte eine winzige Kugel Göttlichkeit frei.

Der Salzkönig lächelte und starrte nun hasserfüllt auf den seillangen Arm der Menschenfressenden, der trocken wurde und kurz danach schlaff zu Boden fiel. Die Gans löste sich vom toten Arm und trat zurück, während er seine Gegner misstrauisch in Augenschein nahm.

»Falls nicht, so muss ich Euch töten!« Die Hand des Lords durchbohrte den Salzkönig und riss dessen Göttlichkeit raus, die sich sofort weitete und so groß wie der Lord selbst wurde. Die durchlöcherte Hülle fiel zu den Füßen des Lords, der die freigesetzte Göttlichkeit anstupste. »Schade drum!«, er holte aus, doch -!

»Ich lasse nicht zu, dass Ihr ihn tötet!« Der Entenmensch hielt den Lord am Handgelenk fest und brach es beinahe.

»Hm? Mensch, was wird das, wenn's fertig ist?« Er starrte ihn verständnislos an. Seine Knochen knackten, Schmerz durchdrang ihn und raubte ihm die Sicht.

»Ich lasse ihn nicht von Euch umgebracht werden!«

»Auch gut«, sagte der Lord achselzuckend.

»Menschenfressende!« Mit nur noch einem funktionierendem Arm stürmte sie auf die große Kugel zu, die Finger als Säbel. Sie berührte die kalte und wabblige Oberfläche und schien erfroren zu sein. Im nächsten Augenblick zerfiel ihr gesamter Körper mitsamt ihrer Göttlichkeit.

»Nun, das war interessant mitanzusehen!«, lachte der Lord und schubste den Entenmenschen mit einem Zungenschnalzen von sich weg. Er wandte sich zur Richtung der Göttlichkeit vom Salzkönig zu. Sie war fort.

»Vielleicht wird's die nächsten Wochen ja doch nicht so langweilig wie erwartet.«

Das brennende Küken
Nachdem Lord Ente der Menschenfressenden Göttin eine neue Hülle gegeben, dieser einen aufgestauten Teil ihrer Selbst eingefügt hatte und der Entenmensch von dannen gezogen war, um nach dem Salzkönig zu suchen, kehrte wieder Ruhe ins Entenreich.

Quakhardt setzte geistesabwesend ein Puzzle zusammen, als der Lord durch die Tür kam. »Meister?«, fragte er überrascht.

»Nun, wo der Mensch fort ist, brauchen wir einen Ersatz. Wärst du bereit, mich zu begleiten, die Menschenfressende ist zu sehr damit beschäftigt, kleinere Götter zu jagen und zu fressen.« Der Lord hielt ihm die Hand hin.

»Es ist mir eine Ehre, Meister!« Quakhardt stand auf und lief zusammen mit dem Lord zu den Reitenten. »Wo geht es eigentlich hin?«

»In eines der neu entdeckten Reiche auf der anderen Seite des großen Teiches Tethys, sehr exotisch, musst du wissen.«

Ein Moment Stille. »Aber wie sollen wir über den Großen Teich? Und wozu dann die Reitenten?«

»Quakhardt. Du bist seit über einem Jahr in meinem Dienst und hast immer noch nicht bemerkt, dass ich alles kann? Sieh her.« Er schnipste, auf einmal waren sie auf einer ausgetrockneten Ebene. Noch mal schnipste er. Sie waren nun auf der Spitze des Entenbergs, das Schloss des Lords strahlte noch immer vor Heiligkeit.

»Ja, ja … Ich hab's verstanden, Meister.«

»Gut!« Er schnalzte mit der Zunge, sie kehrten zurück zum Stall. »Jedenfalls befindet sich unser Zielobjekt momentan auf der anderen Seite der Welt. Von dort aus suchen wir mit den Reitenten danach. Gut?«

»Ich schätze, schon«, sagte Quakhardt etwas unsicher.

»Na toll!«, grinste der Lord und schnipste laut. Mit sich drehendem Kopf erwachte Quakhardt am Boden einer wüstenartigen Landschaft mit einigen Dünen und vielen niederen Vögeln  am Himmel. Eines der Tiere kam geradewegs auf ihn hinabgestürzt, vor Schreck erstarrte er.

Keine zehn Meter trennten ihn mehr vom Vogelvieh, als es inmitten der Luft zersprang und das Blut überall verteilt wurde.

»Nichts geschehen, Quakhardt?«, grinste der Lord dämlich.

»N-nein. Mir geht's – Vorsicht!« Einr weitere Harpyie setzte zum Sturzflug an und wich den Tötungsversuchen des Lords gekonnt aus.

Der Lord öffnete seinen Schnabel. Quakhardt verstand sofort die Geste und ließ sich von ihm verschlingen.

Der Geier krallte sich im Fleisch des Lords fest und hackte wild auf seinen Kopf ein, ehe schließlich aber sein eigener Kopf zerdrückt wurde und der Lord die restlichen Geier mit einem Wisch zur Seite vom Himmel fegte.

»Gott, wie nervig die sind!« Er sah sich kurz um. Dann wandte er sich Richtung Norden und blinzelte sich gemächlich weiter im 500-Entenmeter-Abstand, bis in der Ferne eine Silhouette auftauchte. »Da haben wir's ja!«

Er trat näher und erkannte nun deutlich, was es war – ein Podest mitten in der Wüste mit einer Schale voll Flüssigkeit darauf.

Der Lord hob sie leicht an und nahm einen kleinen Schluck, ehe die Welt sich um ihn herum verdunkelte und er auf den warmen Sand fiel. Er schlug die Augen auf und fand sich selbst in einem Labyrinth aus steinernen Wänden wieder, aus dem er aber leicht mithilfe seines dritten Auges den Ausgang fand. Er betrat eine große, kuppelförmige Kammer, im Zentrum ein weiteres Podest mit einem Ei drauf, das von einem Lichtstrahl beschienen wurde, der durch ein kleines Loch an der Decke durchgelassen wurde. Der Lord trat näher heran und streichelte das Ei sachte. Das Podest sank in den Boden, das Eingangstor fiel zu, Flammen brannten an den Wänden auf und formten Linien, die sich anschließend über den Boden in die Mitte schlängelten, wo dann eine gigantische Feuersäule aufloderte und um sich schlug.

Die Feuersbrunst legte sich wieder und gab Sicht auf einen komischen Vogel frei, wie ihn der Lord noch nie zuvor gesehen hatte. Er hatte brennende Federn und einen krächzenden und doch schönen Gesang, der von den Wänden widerhallte. »Wer wagt es, meinen Schlaf zu stören?«

»Man nennt mich den Unsterblichen Lord und ich ersuche Macht.«

Der Phönix breitete seine Flügel mit dem prächtigen Gefieder aus. »So soll es sein. Besiegt mich im Zweikampf und ich gewähre Euch Euren Wunsch.«

Der Lord verbeugte sich. »Sehr wohl.«

Gleichzeitig zischten sie aufeinander los, der Phönix wurde kleiner, eine Wand aus Flammen ragte vor dem Lord auf. Mit brennendem Gefieder versuchte er, den Vogel zu fassen, der jedoch ließ nichts dergleichen zu, er röstete den Lord erbarmungslos, bis seine kochendheiße Haut schwarz wurde und er reglos und zusammengezogen am Boden lag.

Der Vogel landete elegant am Boden und starrte stolz auf den Leichnam des Lords. Irgendetwas stimmte jedoch nicht. Der verkohlte Körper richtete sich auf und schlug wie eine Marionette um sich. Der Phönix schwang erneut in die Luft und drehte sich im Sturzflug wild wie ein Korkenzieher, ehe er die Hülle des Lords durchbarst wie Papier. Die Haut des Verkohlten schmolz, die Knochen ebenfalls, das Feuer breitete sich im gesamten Raum aus und fackelte wild umher.

Nach einer Weile erstarb es schließlich. Der Vogel war nun so klein wie die Flamme eines Teelichtes. Die Asche regte sich. Binnen Sekunden war da, wo vorher noch der Haufen gelegen hatte, der Lord, breit grinsend.

Er drückte seine Hand zusammen, der Phönix erlosch und wurde ebenfalls zu Asche. Aus der Asche kam ein brennendes Küken. »Ihr habt mich besiegt, Unsterblicher Lord. Ich werde nun einen Eurer Wünsche erfüllen. Sprecht diesen aus und ich werde ihn wirklich machen.«

»Sprecht mir nach.«

Der Vogel wartete.

Ich schenke Leib und Seele dem allmächtigen Lord Ente bis zum Ende der Ewigkeit!«

»Euer Wunsch sei mir Befehl. Ich schenke Leib und Seele dem allmächtigen Lord Ente bis zum Ende der Ewigkeit.«

»Ich befehle Euch, Brennender Vogel, werdet mein treuer Diener!« Er trat aus seinen Überresten hervor und verbeugte sich. »Jawohl, o Unsterblicher Lord.«

Wie verrückt begann der Lord zu lachen. »Hast du das gesehen, Quakhardt?« Er öffnete den Schnabel weit und ließ seinen entischen Diener herauskullern wie eine Murmel.

»Wirklich beeindruckend, Meister! Aber …« Er deutete auf die Brände, die das Küken zierten.

»Keine Sorge, keine Sorge! Solange du ihn nicht berührst, ist alles gut …« Er lachte wieder laut und heftig. »Mit dem hier hält mich nichts mehr vor der Unterjochung der Welt auf!«

Der Unsterbliche Lord
Wieder im Schloss der Menschenfressenden erwartete sie ein gewaltiges Abendmahl, gekocht von keinem Geringeren als der Menschenfressenden persönlich.

»O Menschenfressende, was ist das für ein göttliches Mahl?«, lobte Lord Ente sie. »Schmeckt es Euch, Lord?«, lachte sie. »Ich habe es selbst kreiert. Ich glaube, ich nenne es Pizza, weil es der Pizzafrucht doch so ähnelt.«

»Mehr, bitte!« rief Quakhardt, dessen Teller leergefressen war. Sie wandte sich um und ging zur Küche. Dabei konnte sie nicht anders, als zum einstigen Stuhl des Menschens zu schauen, der nun vom brennenden Vogel besetzt war, als hätte der Mensch nie existiert.

Am darauffolgenden Morgen wachte Quakhardt früh auf. Er rieb sich die Augen und schaute nach draußen. Bis zum Sonnenaufgang würde es noch Stunden dauern. Er streckte sich und watschelte die leeren Gänge entlang. Doch plötzlich hörte er – Was war das? Er horchte genauer in die Dunkelheit. Gelächter? Zu dieser späten Stunde?

Quakhardt tapste verwirrt dreinblickend um die Ecke und spähte durch eine angeschobene Tür. Der Lord stand mitten im Raum, die Hände fest an den Schädel gepresst, um ihn lagen haufenweise Bücher, er lachte und lachte einfach ohne zu stoppen. Quakhardt trat einen Schritt zurück, der frisch geputzte Boden quietschte. Das Lachen erstarb abrupt. Hastige Schritte kamen näher. Er rannte.

Ein neuer Tag brach an. Die Menschenfressende kam mit zwei Menschenimitaten den Hügel hinauf und breitete sie auf dem Esstisch aus. Komisch, dachte sie. Normalerweise hätte Quakhardt den Lord schon längst geweckt. Sie zerstückelte die Körper und ging den großen Turm hinauf. »Quakhardt?« Kein Anzeichen des fröhlichen Enterichs. Sie ging die Treppen zum Keller runter. »Lord?« Er war offenbar auch weg. Vielleicht waren sie wieder fort, irgendwas machen, wie gestern auch. Eine andere Erklärung gab es für sie nicht. Achselzuckend aß sie einen ihrer Anbeter und legte sich in ihr Bett. »So langweilig hier ohne den Menschen doch …«

Der Salzkönig sah den urplötzlichen Angriff des Unsterblichen Lords nicht kommen, sein Körper wurde direkt in seinem Schlafgemach zerschmettert, durch die Wand geschleudert. Giftig starrte er den Lord an.

»Wo ist der Mensch?«

Die Gans verdrehte ihren Kopf.

»Ist er nicht hier?«

Die Gans schüttelte den Kopf.

»Du weißt wohl nichts …« Der Lord betrachtete ihn ausführlich. »Wenn ich schon mal hier bin.«

Die Menschenfressende Göttin wälzte sich umher. »Aaaaaah, so langweilig …« Sie stand auf und ging zum Fenster. »Eh, ist das nicht der Mensch?«

Der Entenmensch kam hastig durchs Tor reingerannt. »Menschenfressende!«

»Mensch?«, fragte sie verwirrt. »Wo warst du? Was -?«

»Leise!«, zischte er.

»Ich ver-«

»Leise! Der Lord hat den Verstand verloren. Sprecht noch lauter und er nimmt uns mit Sicherheit wahr.«

»Was meinst du, Mensch?«, flüsterte sie.

»Der Lord will die Welt auslöschen und eine neue an ihrer Stelle erschaffen!«

Sie entschied sich dafür, ihm einfach zu glauben. »Und was können wir dagegen tun?«

»Wir müssen ihn töten.«

Der Lord kehrte wieder zum Schloss zurück. Er schmiss sich ausgelaugt auf den Thron im Keller und schloss die Augen. Es fühlte sich wirr, übel.

In diesem Moment spürte er etwas ihn durchstechen. Es war ein gezielter Stoß mit einem Messer. Ein Messer. »Mensch?!« Er durchsuchte die Finsternis. Die Menschenfressende Göttin umklammerte das Messer des Entenmenschen fest mit beiden Händen und rammte es tief in sein Herz, der erschrocken seine Augen öffnete und sie voll von Schmerzen anblickte.

Sie riss das Messer zurück, eine kleine Kugel, die sich rasant vergrößerte, hing an der Spitze.

»Was soll das?« Sie holte zum entscheidenden Schlag aus, als ihr Körper sich so anfühlte, als würde er durch eine Walze gedrückt werden. Blut spuckend sackte sie zusammen. Vor ihr standen zwei Unsterbliche Lords. »Was zur-«

Ihr Oberkörper fiel nach hinten, sie wurde auseinandergerissen.

Der eine Lord drehte sich zum anderen, der auf dem Thron saß und das geheiligte Messer in seinem Bauch stecken hatte. »Wer zur Hölle bist du?«

Der eine grinste breit. »Ich bin der Unsterbliche Lord.«

Der andere hob seine Hand, was der eine jedoch verhinderte, indem er seine zuerst erhob und niederschlug. »Nicht so voreilig«, kicherte er.

»Menschenfressende? Steh auf! Menschenfressende!« Sie blieb reglos liegen am Boden.

»So wird das nichts, mein Lieber. Es geht so …« Der eine räusperte sich. »Menschenfressende? Steh auf! Menschenfressende!«, äffte er nach. Wie auf Kommando erhob sie sich und blieb starr stehen wie eine Marionette. »Siehst du?«

»Was bist du?!«

Das Lächeln auf dem Gesicht des einen verschwand binnen eines Augenblicks. »Was? Das habe ich dir doch schon gesagt, du Narr. Ich bin der Unsterbliche Lord!«

»Bist bist nicht du, sondern ich. Was willst du?«

Er lachte. »Ich will ein Schöpfergott sein. Und dazu muss ich dich loswerden und die deine Hälfte der Göttlichkeit in mich aufnehmen. Menschenfressende.«

Der andere wurde von unendlich vielen Speerchen durchbohrt, er spuckte Blut und kippte nach vorne.

Der eine ließ die Hülle des anderen aufbrechen und tastete nach dessen Göttlichkeit. Lachend stopfte er sie in sich hinein. »Nehmt es mir nicht übel.« Er sah noch einmal zum sterbenden Lord, zu Ente. »Schade, dass es dich gegeben hat.« Der eine schnalzte mit der Zunge, verschwand mit der Menschenfressenden.

Verzweifelt schnappte Ente nach Luft. Er war durchlöchert, blutete stark, war sterblich geworden. Tränen kamen ihm hoch. Wieso das alles?

Der Entenmensch kam hinunter und starrte Ente an. »Hilfe, M-Mensch …« Er stürmte zum Thron und besah sich den Schaden. Dann tippte er einmal gegen jede Wunde. Als er fertig war, schien er wie neugeboren.

»Wo ist der andere Lord? Die Menschenfressende?«

Ente weinte stumm. »Ich weiß es nicht … Er hat mir mir meine Göttlichkeit geraubt. Ich bin kein Lord mehr, kein Gottwesen.«

Der Entenmensch schien eine Antwort zu wissen. »Ihr seid ein Nebenprodukt gewesen.«

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