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Augen auf, 4 Uhr. Wieder so früh. Erinnert er sich zum Glück nicht an seine Träume, aber ist er schweißgebadet. Er lehnt sich gegen die Wand, führt die kühle Glasflasche über seine Haut. Tut das gut. Er seufzt, nimmt sich seinen Laptop und hört sich Musik an, etwas schreibend noch, irgendwann er wieder einschlafend, um etwas nach 8 wieder aufwachend. Er schreibt der Kannibalengöttin ein »Guten Morgen, werte ________. Hoffe, du hast ausreichend und gut geschlafen«, holt sich seine Tabletten und neues Wasser. Ab heute oder gestern sollte er eigentlich 10 Milligramm Aripiprazol kriegen, bekommen hat er aber nur 5. Er steht wieder auf, geht noch einmal zu den Betreuern, um sich seine zweite Tablette zu holen, kehrt in sein Zimmer zurück, lässt sich aufs Bett fallen, Kopfhörer auf. Oh. Die Musik ist weitergegangen. Jetzt spielt wer anders. »Chairlift«, so nennt sich wohl die Band. Es überrascht ihn, dass er die Musik mag, in der Regel hasst er nämlich circa 99% aller Musik. Den Rest des Vormittags und Mittags verbringt er
damit, die restlichen Lieder durchzuhören. Irgendwas stört ihn
zwar, aber ist er sich unsicher, was es genau ist. Es klingt nur irgendwie etwas … komisch? Ungewohnt zumindest. Er muss zur
Toilette, geht, und als er zurückkommt, fragt der Betreuer im
Dienst ihn, wie es bezüglich der Stimmen stehe. »Überraschend gut«, so antwortet er. Folglich wird er gefragt, ob er sich denn vorstellen könne, wieder unter Menschen zu gehen, in etwa um einzukaufen. Er hat etwas Angst. Er zuckt mit den Achseln, wird zurück in sein Zimmer gelassen.

Er hört noch eine Weile weiter seine neu entdeckten Edelsteine, da bemerkt er, dass sein Handybildschirm an ist. Mutter
vielleicht? Kann sein, dass sie sich wegen des FanfictionWettbewerbs erkundigen möchte. Auch schon eine fünf Tage her, dass die letzten vorgelesen worden sind. Hingegen denkt er, am Wochenende würde das fortgesetzt werden. Wie auch immer. Er bezweifelt, gewinnen zu werden. Sicher, in den Top 5 könnte er vielleicht landen, nicht aber auf den drei ersten Plätzen. Wie auch immer. Es ist die Kannibalengöttin, die ihm geschrieben hat. »Ja, und du?«, am Ende noch irgendein Emoji mit Herzchen.

Klingt gut, glaubt er.
»Schön, zu hören. Ich leider nur etwa vier Stunden geschlafen.«

»Oh, das tut mir leid.«

»Nah, nicht schlimm.« Mittlerweile hat er sich dran gewöhnt.

»Doch! Echt blöd.« Huh. »Kannst du mir eventuell einen Gefallen
tun?«

Sie will Geld. Zu 100%. »Äh, kommt drauf an, was für einen.«

»Kannst du mir vielleicht 5 bis 10 Euro überweisen?« Natürlich kommt sie wieder mit so etwas an. Es ist immer noch die Kannibalengöttin. Sie hat sich in der Hinsicht nicht verändert. Er ist enttäuscht. »Damit würde ich meinen Katzen Futter kaufen. Musste Rechnungen zahlen und hab jetzt kein Geld mehr. Hab es nicht überdacht«, gefolgt von einem Bild mit zwei schwarzen Miezen, beide mit weißen Flecken und grünen Augen.

»Nur dieses eine Mal aber. Schick mir deine Bankverbindung, dann kriegst du was.«

Sie zeigt ihm ein Foto von ihrem Kontostand. 78 Cent. Wow. »Danke dir! Bist echt eine Hilfe. Scheiß drauf, ob ich was zu essen habe, aber Hauptsache, meine Katzen haben was. Musste Handyvertrag, Strom, Klarna-Rechnung (210,22€), 40€ Deutsche Bahn und WLAN zahlen.«

Er ist etwas besorgt. »Yikes, das ist viel. Wie lange noch, bis du neues Geld bekommst?

»Kein Plan, aber Hauptsache, meine Katzen haben was.« Er ist sich unsicher, ob das wirklich ihre Katzen sind oder die von wem andern. So was in der Art ist schon mal vorgekommen, dass sie ihn belügt, um aus Mitleid oder so was Geld von ihm abzuzapfen.

»So ist das halt, wenn man komplett alleine wohnt. Bin auch dezent
überfordert, weil ich noch nicht einkaufen war. Wollte kein Inkasso kriegen. Und habe ja am 14. Geburtstag. Könnte echt kotzen. Dann noch die Scheiße mit meinem Arm …«

»Du tust mir echt leid.«

Sie will sicherlich mehr. Aber sie zögert noch, nach viel zu fragen. So ist es früher auch gewesen. »Wohne erst seit drei Monaten alleine. Weiß ja gar nicht, wie das alles läuft.«

Egal. »Ich schau mal, ob ich schon neues Geld habe, sonst kriegst du den Rest vom letzten Monat.«

»Ich danke dir … Ich überweise es dir Anfang nächsten Monat zurück, brauche dann nur deine Bankverbindung.« Sie will die jetzt schon? Egal. Er vertraut ihr. Er glaubt, dass sie sich in den letzten zwei Jahren gemacht hat. Er macht schnell ein Foto und schickt es ihr.

»Danke dir! Gott segne dich, ehrlich.«

»Nur bloß keine Überweisungen mit gefälschter Unterschrift tätigen, ja?« Ist ihm schon mal vorgekommen. Nur nicht mit der Kannibalengöttin, sondern mit wem, der ihm noch Geld geschuldet hat, als er noch in der Wohngruppe gelebt hat. »Bist du wahnsinnig?«

Er lacht. »Ja.«

»Mache das per Online-Banking.«

»Okay.«

»Kann da nicht mit deiner Unterschrift unterschreiben.«

»Gehe gleich zur Bank los. Bräuchte nur noch deine Verbindung.« Einfall. Er geht nochmal zum Bild ihres Kontostandes hoch. Da steht die Nummer ja. »Oh. Bild. Da ist die drin.«

»Schreib bitte als Verwendungszweck ›Für die PlayStation‹ oder so wegen dem Jobcenter dazu, die wollen immer Kontoauszüge.«

»Wird gemacht.«

»Ich danke! Hab ja neu im __________ angefangen, und die wollen für Mai und Juni noch die Kontoauszüge haben.«

Er hat das vermisst. »Kein Grund, ich bin dir schließlich liebend gern von Nutzen.«

»Was heißt das denn, haha?«

»Das, was es eben heißt.« Was ist da genau unklar?

»Erklärung, bitte.«

»Ich mag es, wenn ich nützlich bin, da ich mich dann nicht so wertlos fühle. Und insbesondere mag ich es, dir zu helfen, weil ich dich eben mag.« Na ja, liebe eher. »Da hast du die Erklärung.«

»Ach nein …«

»Wie meinst du?«

»Du bist nicht wertlos!« Witzig, so was von ihr zu hören. Damals hat sie ihn oft genug als wertlos oder dergleichen betitelt.

»Fühlt sich halt nur so an, da kann man einem zwar sagen, dass es nicht so ist, das Gefühl aber geht dadurch nicht weg.«

»Nein, Quatsch.«

»Wie auch immer. Gehe nun zur Bank.« Er sperrt sein Handy, packt es sich in die Tasche. Okay. Also zur Bank, schauen, ob schon sein neues Taschengeld drauf ist. Falls ja, wie viel überweist er ihr? 5 bis 10 Euro, bräuchte sie, hat sie gemeint. Sie weiß, wie er ist. Sie erwartet mehr. 20? Er will, dass sie sich schlecht fühlt. Aber du musst noch mitspielen, Jonathan. Noch. 25. Gib ihr ein gutes Gefühl. Und dann vernichtest du sie.

Er überlegt. Wenn er schon draußen wäre, könnte er doch auch schnell noch Haargummis kaufen gehen. Sein Haar ist etwa in der Länge für welche. Also zur Bank und dann nach DM. Er packt sich seinen Rucksack, zieht Straßenkleidung und Sandalen an, meldet sich bei den Betreuern ab, geht los. Der Himmel bewölkt, und dennoch ist es recht warm. Ekliges Wetter. Recht wenig Leute draußen. Gut so. Er beeilt sich, um noch weniger fremde Gedanken wahrzunehmen als ohnehin schon. Angekommen in der Bank, alle Automaten voll, wartet er, es im Inneren noch wärmer als draußen, schwitzt er. Endlich ist er dran, schaut nach, ob schon neues Geld da ist. Uuund das ist es. Gut. Er überweist 25 Euro an die Kannibalengöttin. Huh. Vielleicht noch was an Cardmarket, damit, wenn am 19. Mai das neue Yugiohset rauskommt, er sich die neuen Karten für sein Deck kaufen kann. Gut. Dreißig Euro dafür noch. Hat er noch 90 Euro. Auf also nach DM, bezahlt er mit seinem Klimpergeld. Er mag es in der Regel dort nicht. Zu viele Leute, und wenn er sich irgendwas genauer ansehen muss, weil er keine Ahnung, hat was es ist, so hat er stets das Gefühl, die anderen verhöhnen ihn deswegen.

Er geht schnellen Schrittes durch die Gänge, ehe er die Abteilung mit den Haarklammern, -bürsten und -gummis findet. Recht große Auswahl. Und, äh … Er nimmt die schwarzen. Zur Kasse, zurück nach Hause, er das Gefühl habend, von allen beobachtet zu werden, die ihm begegnen, von allen verurteilt zu werden, die er sieht. Zurück zuhause, wäscht er sich sein Gesicht, kommt ihm der Betreuer entgegen, ihn fragend, wie es denn so gewesen sei. Eigentlich nicht so gut gerade. Im Vergleich zu anderen Malen aber gut. »Gut«, gibt er also als Antwort, wird wieder in sein Zimmer gelassen. »Bin zurück«, er der Kannibalengöttin schreibt.

»Wie geht es dir?«

»Ich denke, überdurchschnittlich gut.«

»Wie meinst du?«, gefolgt von einem Bild ihres Online-Bankings, noch immer denselben Kontostand zeigend. »Kam noch nichts.«

So schnell funktioniert das in der Regel nicht. »Entweder wegen den Medikamenten, dass die eben zu wirken beginnen, weil die Stimmen leiser und weniger werden, oder weil ich endlich wieder mit einem Menschen offen sprechen kann, was ich seit meinem Verweis im Dezember nicht mehr wirklich gemacht habe, insbesondere noch, weil du es bist.«

»Ist doch gut!«, danach: »Hast du keine Echtzeit gemacht?«

Echtzeit? Wie das? Beim Automaten hat es keine solche Option gegeben. »Hab kein Online-Banking.«

»Ach sooo.« Und schon geht sie wieder offline. Wie putzig. Mach es nur noch offensichtlicher. Hmmm … Na ja, vielleicht sind die Katzen doch echt. Keine Ahnung. Auf dem Foto ist sie nicht zu sehen gewesen. Google Images, Reverse Image Search. Keine Ergebnisse. Gut. Vielleicht lügt sie nicht. Immerhin hat sie nicht mal einen Euro auf dem Konto, und meist wird Gehalt ja entweder zum Monatsanfang oder zur Mitte des Monats ausgezahlt. Muss die Kannibalengöttin also noch etwa zehn Tage durchhalten. Sollte sie schaffen. Zudem sie ja dann noch Geburtstag hat und da ja auch einiges bekommen wird. Hach, er ist müde von alldem. Er schreibt noch etwas, sowohl als er selbst als auch als Entes Haut, und hört weiter Musik, spielt mehr Yugioh, irgendwann schließlich einschlafend, davor er der Kannibalengöttin noch eine angenehme Nacht wünschend.

8
Erwacht er erneut um 4 Uhr 30. Nun, wo er so darüber nachdenkt, ist das eigentlich gut, so früh aufzustehen. Wenn er in drei Monaten seine Ausbildung beginnt, müsste er auch schon früh wach sein. Wahrscheinlich ist Unterrichtsbeginn um 8 Uhr, die Fahrt allein dauert etwa eine halbe Stunde, zudem er um 7:34 Uhr ankäme, so er also schon um 6 losgehen müssend. Zudem er noch duschen und warten müsste, bis sein Haar getrocknet ist. Dauert schon gut eine Stunde. Um 5 also müsste er spätestens wach sein. Halb 5 ist da also gar keine so schlechte Zeit, um aufzustehen. Die Zwischenzeit verschwendet er mit dem Yugiohspielen. Er empfindet wieder etwas Spaß dabei. Danke, Aripiprazol.

6:30 Uhr. Er wünscht der Kannibalengöttin erneut einen guten Morgen, und solle das Geld bei ihr angekommen sein, so solle sie es ihm gerne mitteilen. Wird sie früh lesen, aber erst antworten, wenn es wirklich angekommen ist, dann wahrscheinlich am nächsten Tag nach noch mehr fragend. Er ist sich ziemlich sicher, dass sie noch immer Drogen konsumiert. Wahrscheinlich geht dafür das Geld drauf. Nicht für »ihre« Katzen. Erinnert er sich recht, so hat sie ihm mal gesagt gehabt, sie sei gegen Tierhaare allergisch. Gut, er weiß nicht, wie schwer sich diese Allergie auslebt, aber dennoch. Wenn ich schon so finanzielle Schwierigkeiten mit dem Alleinleben habe, da hol ich mir doch nicht noch zwei Haustiere. Das wäre doch logisch, oder? Hingegen muss er zugeben, dass die Kannibalengöttin keineswegs ein logisches Wesen ist. Im Gegenteil eher. Er erinnert sich an das eine Mal, als sie Tipp-Ex gegessen hat und deswegen ins Krankenhaus musste. Warum auch immer man so etwas tun sollte, er weiß es nicht. Die Stimmen sind merklich weniger. Es fühlt sich gut an. Er beschießt, jetzt bereits mit dem Schreiben anzufangen, dabei noch etwas an die Kannibalengöttin denkend. Er will, dass sie sich ihm anvertraut. Dass sie ihm ihre Seele ihm anvertraut. Er will sie brechen. Sie enttäuschen. Ihr antun, was sie ihm hat angetan, wenn auch niemals er ihr so wehtun würde können wie sie ihm hat wehgetan. Jetzt, wo seine Liebe zur Einstigen vollends erstickt ist, gilt es nur noch, die Zuneigung zu ihr zu ersticken, den Docht mit den Fingern zu zerquetschen, davor noch der sterbenden Flamme in ihrem Leid zusehend, sich daran erfreuend, Zeuge ihres Falls zu sein.

7:20 Uhr. Es klopft an seinem Zimmer. »Ja?«, fragt er. Er versteht die Antwort durch die Tür nicht, geht hin, öffnet. Der Betreuer. »Du musst jetzt schon deine Tabletten nehmen.« Oh.

»Okay. Und wieso?«

»Ich muss um 8 Uhr bei der Schule vom ______ sein, haben einen Termin mit der Lehrerin.« Wirr.

»Okay.« Er nimmt sich seine vier Tabletten, schließt die Tür wieder, weg mit zweien davon, runter mit den anderen. Sein Bauch schmerzt. Die letzte Woche hat er ausschließlich Chips gegessen gehabt. Ugh, sein Magen teilt ihm ebendies mit. Vielleicht sollte er auch duschen gehen. Dabei womöglich auch schauen, ob er zugenommen hat. Zwar ist es eine recht seltene Nebenwirkung vom Aripiprazol im Vergleich zu anderen Neuroleptika, aber dennoch. Was für ein Tag ist heute? Freitag. Ja, dann würde er heute duschen gehen, morgen dann zu Mutter und am Sonntag zurück. Sollte so klappen. Er wüsste nichts, was ihm dazwischenfunken würde. Er steht vom Bett auf und macht sich auf den Weg zum Bad, sich ausziehend und auf die Waage stellend. 63 Kilo. Zu beachten ist, dass die Waage etwa sechs oder sieben Kilo vom eigentlichen Gewicht abzieht, weil die Nadel ohne Gewicht nicht beim Nullpunkt ist, sondern weiter links. Etwa 70 Kilo also. Er nimmt weder zu, noch nimmt er ab. Schon Monate ist das jetzt so. Vielleicht noch so 5 Kilo weniger wären schick. So wie früher. Er duscht, geht zurück in sein Zimmer, und so spielt er weiter Yugioh, genauer noch Speed Duel. Es fühlt sich erfrischend an, denn das normale Spiel ist gerade so etwas von öde, da jedes Deck gefühlt mit denselben Karten auf dem Feld seinen Zug beendet, und missfällt ihm dies eben sehr, hoffend, dass bald schon eine neue Bannliste rauskommen mag.

Er gähnt. 11 Uhr schon. Hat die Kannibalengöttin schon geschrieben? Er schaut auf sein Handy. Nee, aber gelesen hat sie es vor einer Stunde. Sie wird antworten, wenn das Geld da ist. Bis dahin wird sie wahrscheinlich alle paar Minuten nachsehen. Er weiß, wie sie ist. Oh, was auch witzig gewesen wäre, wenn er ihr überhaupt nichts überwiesen hätte. Nein, noch nicht gemein zu ihr sein. Noch nicht. Das muss noch warten. Du willst ihr richtig wehtun. Nicht nur ein bisschen. Er lächelt. Ich werde dich in tiefste Verzweiflung treiben, so wie du mich in welche hast getrieben damals. Leide so, wie du mich einst hast leiden lassen.

Hm. Er hat Hunger. Er schaut in seinen Chipskarton. Noch acht Tüten übrig. Er würde schon recht gern wieder mal eine Pizza essen. Leisten kann er es sich ja. Geld muss er den Monat ja für nichts anderes mehr ausgeben außer Essen, und der Kannibalengöttin wird er keinen Cent mehr geben, so hat er es ihr selbst angekündigt. Hmmm … Es sei denn, sie bettelt drum. Das wäre lustig, mitanzusehen, dieses Vieh, das ihn jahrelang tormentiert hat, ihm zeigend ihre Schwäche, zeigt sie ihm ihren Hals, fahren seine spitzen Zähne tief in ihr Fleisch, so hungrig er nach Mensch, so hungrig er nach ihr. Er will ihre Haut. Er will sie. Zehren will er an ihr, will er sie fressen lebendig, ihr abreißen ihren Mantel, dass sie ihm zeigt ihr wirkliches Wesen endlich, will er sie sehen, wie sie wirklich ist, wie sie wirklich ist, wie sie wirklich ist, will er sie sehen, er will sie sehen ohne ihre Fassaden. Beruhige dich. Du sabberst schon. Selbstbeherrschung. Alles zu seiner Zeit. Wirklich alles. Gut. Gott, ich bin echt noch eine Fremdgefährdung.

Also. Du hungerst nach Pizza. Bestellst du dir welche? Oder lässt du dich aushungern? Na ja, ich hab Chips, also würde ich nicht wirklich aushungern. Die Stimme ist weg. Wie auch immer. Verwirrend recht. Soll er aber? Ein Münzwurf. Okay. Bei Zahl bestellt er, beim Symbol nicht. Er wirft, uuund … Zahl. Er ist sich dennoch unsicher. Will er wirklich? Für das Geld könnte er 40 Packungen Salzstangen kaufen, das wären 10 Kilo! Hmmm. Argh, okay.

Das letzte Mal, als er bestellt hat, da ist die Pizza völlig trocken und hart angekommen, das ist grausig gewesen. Und das bei seiner Stammpizzeria, die in der Regel die beste Pizza in der Gegend hat. Er tippt auf seinem Handy rum, gibt seine Daten ein, uuund bestellt. So. Etwa eine Stunde soll es dauern. Hoffentlich ist die Pizza dieses Mal gut. Er hofft es wirklich, seine Speicheldrüsen bereits am Vorproduzieren. Noch hat die Kannibalengöttin nicht geantwortet.

Er fragt sich, was sie wohl den ganzen Tag über so macht. Ob sie ihn wegen des Armes angelogen hat? Nein. Über so etwas lügt sie nicht, das weiß er. Er erinnert sich an das eine Mal, als sie pfeiffersches Drüsenfieber gehabt hat und folglich im Krankenhaus gelandet ist. Hm. Thrombosen hat sie gehabt, wieso also ist die jetzt nicht auch im Krankenhaus? So was ist schon etwas recht Schweres, oder etwa nicht? Oder ist sie doch dort gewesen, aber schon entlassen worden? Ah, er ist verwirrt, so verwirrt. Und hungrig. Beides. Gut, jetzt muss er warten, bis das Essen ankommt. Was soll er in der Zwischenzeit machen? Yugioh spielen? Schreiben? Schreiben und Yugioh spielen. Klingt wie ein Plan. Eine Stunde später, er hört das Auto des Lieferanten auffahren. Nimmt er sich seine sieben 2-Euro-Münzen, springt er vom Bett auf, geht zur Tür, öffnet, ehe der Pizzamann klingeln kann, zwingt er sich zu einem netten »Hallo!« Er kennt den alten Mann. Er lächelt ihn an, nimmt den Deckel von seiner Thermobox, hält sie in beiden Händen, ihn anweisend, die Pizza selbst rauszunehmen, legt er den Münzenstapel auf dieser ab, hebt den Karton aus der Box, fällt der Stapel um, sodass zwei Münzen auf dem Boden landen. Oh Gott. Oh Gott. Das ist ungut. Er hat ihm unnötige Schwierigkeiten bereitet. Ah, er will sterben, die Gedanken des Mannes in seinen Kopf strömen, hört er seine Stimme zweifach, die eine »Kein Problem« sagend, die andere wiederum »Verreck mir, Drecksblag.« Er legt die Pizza ab und hilft beim Aufheben, sich schließlich verabschiedend mit einem »Tschüss«, im Inneren wieder fast zu weinen beginnend, geht er ins Badezimmer, spritzt sich kaltes Wasser ins Gesicht und versucht, sich zu beruhigen. Das schaffst du. Die Betreuer sind draußen im Garten, die eklige Wärme »genießen«, wie auch immer das gehen soll. Zurück ins Zimmer, öffnet er den Pizzakarton, uuund … nicht trocken oder hart! Er ist entlastet. Er nimmt sich eines der vierundzwanzig Stücke und probiert. Ah, die ist gut. Erleichtert atmet er aus. Und so fährt er damit fort, zwölf weitere Stücke zu verzehren, ehe er von Müdigkeit übernommen wird, er den Rest beiseite legt und eindöst, glücklich seiend. 19 Uhr, wacht er auf. Er hat … wie lange geschlafen genau? Drei Stunden sicherlich, vielleicht mehr. Wann hat er die Pizza bestellt gehabt? Er schaut nach. Um 2 hat er bestellt gehabt, angekommen ist die Pizza um 3, gegessen hat er vielleicht noch eine Stunde lang, Um 3 also? Halb 4? Etwa drei oder vier Stunden Schlaf. Ah, das fühlt er auch. Er fühlt sich gut. Auch wegen der Pizza. Er schaut, ob die Kannibalengöttin geschrieben hat, nimmt sich sein Handy, aber nein. »Schon angekommen?«, fragt er.

»Jap, gerade nachgeschaut«, antwortet sie beinahe sofort.

»Puh, gut.«

»Danke!«

»Kein Ding. Wird aber nicht zur Gewohnheit, ja?«

»Ja!«

»Und ansonsten, wie geht es dir gerade?« Sie schickt ihm ein Bild ihres Armes, irgendwo draußen unterwegs seiend. Vielleicht zum Einkaufen? »Ganz okay.«

»Tut der Arm eigentlich weh?« Er nimmt es an.

»Si.«

»Nimmst du Schmerzmittel? Kein Grund, sich da durchquälen zu müssen.« Er hofft, sie nimmt keine. Genieß deine Schmerzen, Kannibalengöttin. Er würde ihr bald ein Vielfaches davon antun. Wiege dich sicher in deinem jetzigen Leiden.

»Jaaa, Novalgin.«

»Oh, das hast du sogar schon erwähnt gehabt, glaub ich.« Das hat sie sogar, aber hat er keine Ahnung gehabt, dass Novalgin ein Schmerzmittel ist, und hat er auch nicht nachgesehen gehabt, weil es ihn auch nicht wirklich interessiert.

»Jap.«

»Na ja, ich hoffe jedenfalls dass es dir schnell besser gehen wird.« Er lächelt. Er will sie zum kompletten Bruch bringen. Sie soll leiden. Diese Gelegenheit, dass sie seine Nummer hat herausgefunden und nun mit ihm schreibt, die hat er nur einmal. Bevor er alles riskiert, muss er sichergehen, wieder ein fester Teil ihres Lebens zu werden. Er wird sie vernichten, wenn sie ihm erst anvertraut ihr wahres Wesen.

»Dankeschön«, schreibt sie, geht offline. Gut. Die Vorstellung der Rache geilt ihn auf. Auf nicht sexuelle Weise, versteht sich. Ihr wisst schon. Dennoch, er kann kaum warten, ihr Kreischen und Heulen zu hören, bettelnd sie um Vergebung. Aber alles zu seiner Zeit. Nicht wahr, Entes Haut? »Lass sie ausbluten.« Und wie er das vorhat. Metaphorisch. Er lächelt. Durstig. Kein Wasser mehr. Das Lächeln vergeht. Er seufzt, holt sich neues. Er überlegt. Oh. Hat er sich seine Mittagstablette geholt gehabt? Ja, doch, direkt auf dem Rückweg vom Duschen. Er steht auf, nimmt sich seine zwei Flaschen mit, bekommt zwei neue, die eine in etwa zehn Minuten bereits ausgetrunken habend. Er gähnt. Schon wieder schlafen? Nah, noch nicht. Vielleicht wird heute Teil 3 des FanfictionWettbewerbs abgehalten. Den will er schließlich nicht verpassen. Er schläft trotzdem noch eine halbe Stunde, wacht auf. Der Wettbewerb wird heute wahrscheinlich nicht mehr fortgeführt werden. Morgen wohl. Sein Körper ist warm. Er hat das Gefühl, zu schmelzen. Wie Schokolade. Er nimmt sich die Wasserflaschen und drückt sie gegen sein Gesicht. So unfassbar angenehm, die Kühle. Zu schnell zu viel gegessen.

Er trinkt den Rest des Wassers und holt sich neues. So durstig. Ist er immer nach dem Pizzaessen. Sein Schädelinhalt tut ihm weh. Er ächzt. Verflucht, was ist das bitte? Nur selten hat er so schlimme Kopfschmerzen gehabt. Ihm wird schwindelig. Die Musik, die er hört, wird dumpf. Seine Sicht wird schwummrig. Oh Flüche. Er glaubt, gleich ohnmächtig zu werden, nur um umzukippen, doch noch bei Bewusstsein ist er, fühlt er sich wie bei einer seiner Schlafparalysen, nur dass er nicht träumt, sonder völlig wach ist, selbst wenn er sich so fühlt, jeden Moment ausgeknockt werden zu können, nur um dies wenige Zeit später zu werden. Zumindest erinnert er sich an recht wenig von davor, wacht auf um 23 Uhr, sein Körper sich noch immer grausig anfühlend, lässt er Entes Haut übernehmen, sich unterhaltend mit Menschenviechern, irgendwann einschlafend.

9
Vier Uhr, wacht er erneut auf. Seine Glieder fühlen sich so an, als wäre er den gesamten gestrigen Tag nur hin- und hergerannt. Muskelkater? Wovon bitte? Was auch immer. Er setzt sich auf, drückt seine Hand gegen die Stirn. Recht warm. Fieber? Covid? Er versucht, sich zu erinnern, wo er sich potentiell damit hätte anstecken können. Wenn es denn überhaupt Covid ist. Von den Betreuern. Die tragen seit einer Weile keine Masken mehr im Dienst. Hingegen müssten andere auch schon Symptome zeigen, also eher unwahrscheinlich. Neulich, als er bei der Bank gewesen ist? Nee, das ist keine zwei Tage her. Er weiß, dass es maximal zwei Wochen dauert, bis so Dinge wie trockener Husten oder Fieber auftreten. Und mindestens? Er schüttelt den Kopf. Das kommt vom Pizzaessen gestern. Mach dir keine unnötigen Sorgen. Hat er sich überfressen? Eine schnelle Suche im Internet. Die Temperatur kommt vom vielen Essen, da der Körper sich offenbar darauf konzentriert, die ganze Nahrung zu verdauen. Wusste er nicht. Er schaut die restliche Pizza an und schiebt sie weiter zum Bettrand. Später vielleicht, wenn er nicht mehr förmlich brennt.

Er hört etwas Musik, und ehe er sich versieht, so ist es bereits 7:20 Uhr. Sollte er der Kannibalengöttin schreiben? Sie wird wahrscheinlich nicht antworten. Auf keinen Fall. Wenn sie keinen Sinn in Interaktion sieht, wird sie keine Konversation mit einem abhalten. Wenn sie nach Geld fragen will oder so, dann ist das natürlich was anderes. Zudem weiß sie, dass er sich um sie »sorgt«, und fühlt sie sich schuldig darum, so ist es damals auch gewesen. Nur darum hat sie mit ihm noch nach der Ankunft des Geldes geschrieben. Weil er ihr leidtut. Na ja, und weil sie irgendwann in der Zukunft nochmal nach Geld fragen wird und deswegen eine gute Beziehung zu ihm aufbauen will, damit es unwahrscheinlicher ist, dass er ablehnt. Menschen ändern sich nicht zum Guten. Insbesondere nicht sie. Aber mag er das an ihr. Dass sie denkt, sie wäre irgendein Genie, dass sie denkt, er wäre irgendein dahergelaufener Narr, der sie liebt. Aber dem ist nicht so, Kannibalengöttin. Er wird sein Bestes dafür tun, sich richtig mit ihr anzufreunden. Und dann zerstört er sie. Die Vorfreude lässt ihn fett grinsen. Sie wird weinen wie selten zuvor. Er erinnert sich an früher. Sie haben Elternsprechtag gehabt. Er ist direkt nach ihr dran gewesen, statt von Mutter oder Vater von einem Betreuer er begleitet worden ist. Sie ist aus dem Klassenzimmer rausgekommen, Tränen ihr Gesicht runterlaufend, dieses unfassbar rot, ihre Augen zugekniffen, und dieser Klang, dieser süße Klang, er kann ihn einfach nicht vergessen … Er sabbert schon wieder. Zieht er sich zurück aus seiner Vorstellung, wischt sich den Mund ab. Die Stimmen zwar sind beinahe gänzlich fort, die Gedanken aber noch immer recht »wirr«, wie die Leute in der Psychiatrie gesagt hätten. Die haben es sich nicht mal getraut, seine Kannibalismusfantasien direkt anzusprechen, diese stattdessen einfach nur »wirre Gedanken« nennend. Aber darüber ist er hinweg. Er will gerade niemanden mehr verzehren. Er will emotional zerstören. Das will er, ja. Das wird er, ja. Er hofft wirklich, der Einstigen geht es dreckig. Nach seinem acht Seiten langen Brief an sie hat sie ihn direkt geblockt. Er wünscht sich echt, dass sie sich wieder zu ritzen begonnen hat. Leider lebt sie noch, das sieht er auf Discord, dass sie ab und an online ist. Eine Schande eigentlich, sie hätte sich ruhig umbringen können. Gestört hätte es niemanden. Diese widerwärtige Kreatur, die nichts von Treue oder nur Anstand weiß. Er kann es noch immer nicht glauben, dass sie sich in einen Haufen Dreck verwandelt hat, als sie in der Reha gewesen ist. Hat sie sich aber. So etwas wie sie hat nicht verdient, zu leben. Er beruhigt sich wieder und beginnt, zu schreiben.

Um 8 Uhr geht er kurz raus, um zu sehen, ob bereits ein Betreuer wach ist, doch scheint dem nicht so zu sein. Kann er also noch nicht seine Tabletten nehmen. Schade drum. Oh. Bemerkt er, dass seine Temperatur gesunken ist. Schnieke. Beginnt er also mit dem weiteren Verzehr der überlebenden Pizzastücken. Als er fertig ist, schaut er nochmal nach, ob wer wach ist, doch vergeblich, nein. Grummelig geht er zurück. Er hasst das.

Musik bringt ihn bis 10:15 Uhr. Noch immer keiner wach? Was zur Hölle soll das? Drecksaffen, ja.

Eine Nachricht. Die Kannibalengöttin? Nein. Seine Mutter. »Morgen. Kommst du heute?«

Hm. »Wahrscheinlich, ja. Könnte um etwa 2 oder 3 los, da seiend um etwa 4 oder 5.«

»Alles klar. Haben die deine Geschichte vorgelesen? Ist ja eher was für ab 18 wegen dem Ende. Gefällt mir aber, deine Geschichte.« Sie hat wohl seine Nachrichten von vorher nicht gelesen gehabt.

»Vorgelesen wurden die. Die restlichen kommen wahrscheinlich heute oder morgen Nachmittag/Abend dran.«

»Okay«, geht sie offline, tut er es ihr gleich. 10:40 Uhr, klopft es an seiner Tür. Öffnet er, der Betreuer. Gibt er ihm zwei volle Flaschen und seine Tablettendosen für heute und morgen, fragend, wann er denn vorhabe, loszugehen.

»Wahrscheinlich so um 2«, antwortet er, wird allein gelassen. Tür zu, Milnacipran und die Vitamintabletten rausholend und in den Müll werfend. Das Zeug wird ihm nicht helfen, nein. Er geht zurück auf sein Bett. Plötzlich überkommt ihn eine Erinnerung an seine Zeit in der Psychiatrie. Auf dem Viererzimmer. Sein Bettnachbar hat von ihm einen Teddy verlangt. Er hat ihm einen gemacht. Am Ende hätte er ihn lieber behalten wollen. Er ist stolz auf seine Kreation gewesen. Und dann hat dieses Schwein sie ihm genommen. Der Kerl hat ihm sogar seine Schokolade geklaut gehabt. Er kennt noch seinen Namen. Sollte er ihn suchen? Er überlegt. Nein. Das ist es nicht mehr wert. Nicht mehr. Der Teddy ist mittlerweile bestimmt komplett versifft. Ekelerregend. Ihm wird schlecht. Wortwörtlich. Zudem sollte er eher an die Einstige denken. Sie hat seine handgemachten Puppen noch immer bei sich. Er will sie wieder. Sie hat kein Recht, irgendetwas nur von ihm zu besitzen. Beruhige dich. Beruhige dich. Ihre Stunde wird auch noch kommen, und seine Vergeltung wird schwere Wellen schlagen in ihrer Existenz. Sie hat den Falschen wie Dreck behandelt, und dafür wird sie büßen. Doch alles zu seiner Zeit. Zuerst ist die Kannibalengöttin dran. Und dann, wenn sein erster Rachefeldzug vollendet ist, wenn die Einstige sich kaum mehr an ihn erinnern kann, dann schlägt er zu, vernichtet sie, zerstört ihr Leben. Solch Schmutz verdient nicht weniger. Solch Schmutz sollte nicht leben. Solch Schmutz sollte einfach sterben. Er will sie dazu führen, sich das Leben zu nehmen. Er wird ihr den Weg auspflastern, und sie wird ihn begehen. Er lächelt. Sie wird sterben. Sterben für seinen Seelenfrieden.

Er verschwendet seine restliche Zeit in der Wohngruppe damit, aus Jux einen Disstrack an einen alten Freund zu schreiben, den Text tatsächlich auch nach nur circa vierzig Minuten fertig habend. Noch eine Weile bis 2 Uhr. Zudem … Meh, er will eine Stunde später los, dann schafft er das hier noch. Seine Gewaltgedanken sind wieder zurück, seitdem das Aripiprazol wirkt. So ähnlich ist es beim Olanzapin auch gewesen. Fertig ist er mit den MP3-Dateien und dem Video mit dem Beat, muss er nur noch beide vermischen, uuund geschafft. Er hört sich das Produkt an. Hat insgesamt nur so zwei bis zweieinhalb Stunden gedauert, die meiste Zeit er nach einem guten Text-to-Speech-Programm suchend, ist seine Mikrofonqualität zu grottig, um damit tatsächlich zu rappen. Zudem, na ja, kann er das nicht. Und mag er Rap eigentlich auch nicht wirklich. Insbesondere Deutschrap. Wenn Leute davon reden, krass kriminell zu sein oder voll die fetten Autos zu haben. Verlierer, allesamt. Insofern sieht er darin die Opportunität, sich über dergleichen lustig zu machen. Er lädt das Ganze auf ungelistet YouTube hoch, schickt seinem Erzfeind Gruem, an den es auch gerichtet ist, den Link und postet diesen noch auf dem Entenbibel-Discordserver.

Zeit, gleich loszugehen. Kopfhörer auf, erzählt er der Kannibalengöttin von seinem Fortsein, er packt sich seine Sachen in den Rucksack, nimmt zwei alte Pizzakartons mit sich, und los, sich verabschiedend bei den Betreuern, er wäre morgen gegen vier wieder zurück, die Kartons in den Müll werfend, zum Busbahnhof laufend. Es überrascht ihn, keine fremden »Gedanken« mehr wahrzunehmen. So wirklich gar keine mehr. Bloß noch die Stimmen der Einstigen und der Kannibalengöttin spuken noch in seinem Bewusstsein herum, doch auch diese gedämpft, so dass sie keineswegs mehr ein großartiges Problem darstellen. Doch lässt ebendieser Mangel in ihm diese anderen Gedanken aufkommen, von Rache und Vergeltung er beinahe nur noch denken könnend, auslöschen wollend jene, die ihn so weit gebracht haben, Hass und Wut ihn einnehmend, sich wünschend, ihnen anzutun die schlimmsten Dinge … Ist es vielleicht doch besser, würde er die Neuroleptika nicht nehmen?

Er geht an einer kleinen Menschenmasse vorbei. Er sieht eine Hüpfburg, Leute in einfarbiger Kleidung, einen kleinen Stand mit dem Kürzel einer Partei. Da ist auch noch ein Kerl mit Rosen, der um sich blickt. Gut, dass er Kopfhörer aufhat. Er kann einfach so tun, als höre er ihn nicht. Gut. Der Bus kommt. Er steigt ein. Ziemlich leer, setzt er sich hinten hin, folgt ihm irgendein Mensch, setzt sich ihm gegenüber. Er verzieht sein Gesicht unter der Maske. Förmlich ist der ganze Bus frei. Wieso setzt du Dreck dich ausgerechnet hier hin? Sie fahren los. Die Person starrt ihn an. Er sieht zurück, sie nimmt sofortig ihren Blick von ihm, nur um ihn wieder anzusehen, wenn er erneut wegschaut. Er spürt Hände sich um ihn legen, reißen sie an seiner Haut. Nicht jetzt. Nicht jetzt, verdammt! Er schaut sein Gegenüber genervt an, dieses seinen Blick von ihm nehmend, sich woanders hinsetzend. Verfluchter Dreck, wieso nicht gleich so? Sie steigt aus. Gut. Musik ihn abhält, zusammenzubrechen, das Alleinsein tut ihm gut. Sie kommen am Busbahnhof einer anderen Stadt an. Steigt er aus, in fünf Minuten kommt der Anschlussbus. Ein Lied später, steigt er ein, In fünfzehn Minuten müsse er raus, und tut er dies. Auch dieser Bus auffällig leer gewesen. Ist heute irgendwas Besonderes? Keine Ahnung hat er, und interessiert es ihn eigentlich auch nicht.

Sein Kopf wird müde. Er will schlafen. Angekommen. Er steigt aus. Läuft er noch das letzte Stück. Er ist da. Sein Kopf ihm brummt. Isst er etwas, trinkt ordentlich, legt sich hin. Er kann nicht einschlafen. Dabei ist er doch so müde. Er schreibt etwas. Will eigentlich nicht mehr so früh noch schlafen gehen. Was, wenn die Menschenfressende mit dem Wettbewerb weitermacht? Und so bleibt er noch einige Stunden wach, Entes Haut auslassend, um sich wenigstens so etwas ausruhen zu können, doch nach ebenjenen Stunden überkommt ihn die Müdigkeit. Er geht zurück ins Bett und schläft beinahe augenblicklich ein.

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