49: Bruch
Scheint alles doch so gut. Wünsche wirken wie Realität. Genießt er es, sieht ihr stolz zu, wie sie wächst, sich Flügel sprießen lässt. Vergeht Zeit, kommt der Februar herbei. Hat er ihr zu Weihnachten ein Kuscheltier gehäkelt und noch ein paar andere Sachen geschenkt, spart sie seitdem für sein Geschenk, schickt es ab, stehe kurz nach seinem Geburtstag etwas an, wegen dem sie vier Wochen wegbliebe, ihre Eltern sie wo eingeschrieben habend, um abzunehmen, denn sei dies ein bei ihren Eltern beliebter Kritikpunkt, machen sie nieder, sagen sich selbst, dass das aber in Ordnung sei, weil sie sonst nicht mehr durch die Tür passen würde und Dreck dergleichen, der Vater selbst ein überfettes Schwein ohne Bewegung, die Mutter ein von Fitness besessenes Wesen, geht sie täglich ins Fitnessstudio, macht Stunden Sport, ernährt sich ausdrücklich gesund, streiten sich die beiden oftmals, der Vater sie teilweise für Monate ignorierend, bis diese sich bei ihm für sein eigenes Fehlverhalten entschuldigt hätte, ein Narzisst, ihr Vater, und bringt er seine Ehepartnerin dazu, sich sein Verhalten abzuschauen. Verschwindet sie nun, begrenzt nur beide miteinander interagieren könnend, Verbindung wird lose, verlierend einander, langt er nach ihr, kein Gegenüber, planen beide, dass er sie nach ihrer Rückkehr wieder besuchen käme. Schon lange sie nicht mehr geredet haben, nagt die Leere an ihm. Freut er sich schon darauf, dass sie bald wieder zurück ist, sie ihm ab und an erzählend, wie es ihr dort ergeht, hat sie sich Freunde gefunden, kein wirkliches Netz oder Empfang dort. Haben beide ähnliches jedoch schon einmal überlebt, da musste er mit der Wohngruppe in den Ferien für eine Woche wohin, die Unterkunft dort ohne jegliches Netz. Bald schon ist es so weit. Fragt sie ihn, ob er sie liebe, er bejahend, fragend er sie dasselbe, sie seine Worte wiederholend. Fühlt sich schlecht, dass sie Zweifel hegt. Sie redet über die anstehende Fahrt, ob beide es nicht auf ein andermal verschieben sollen. Nun, beide können sich nur zu bestimmten Zeitpunkten treffen, beide nun in die elfte Klasse gehend, Ferien sich selten überschneiden, leben sie nämlich in verschiedenen Bundesländern. Sagt sie ihm, dass er mit ihren Eltern reden sollte, wie genau die das haben möchten, bieten diese ihm diesmal auch die dortige Übernachtung an, nachdem sie lange drauf bestanden hat, er dabei eine gute Summe sparen würde.
Es sei so weit endlich, der Tag sei gekommen nun, dass sie wieder nach Hause käme, dann endlich sie ihm nennend, für wann er die Fahrkarten kaufen sollte, denn wollen die Eltern es mit ihr nochmal persönlich besprechen, zuvor noch auf Wunsch der Eltern um zwei Wochen auf insgesamt sechs verlängert worden, was auch das Maximum gewesen wäre, das man dort verbringen dürfte. Wartet er gespannt auf ihre Heimkehr, all die Zeit geduldig gewesen. Können sie gleich schon wieder so wie immer sein. Abends sie ankommend, erstmal meidend die Konversation mit ihm, sie müsse erst einmal ankommen, akzeptiert er das, schreibt sie ihm kurz danach, dass er die Tickets noch nicht buchen soll. Fragt er sie, weshalb, kommt zurück, dass sie sich ihrer Gefühle unsicher sei. Trifft es ihn. Schlägt sie vor, eine Beziehungspause einzulegen, es stünde in ihrem Interesse, so meint sie, will er ihr kein schlechter Mensch sein, kein schlechter Freund, nimmt es hin, wenn sie sich umentscheiden sollte, so müsse sie es nur sagen, tut sie es nicht. Risse. Zeigt ihm später ein Bild von einer Art Andenken, die anderen, die dort gewesen sind, allesamt was für sie hingeschrieben habend darauf. Das Trinken habe Spaß gemacht, so steht es da. Alkohol? Sie habe die zwei Vortage mit den anderen getrunken, sie dabei am meisten, so sagt sie, sie könne nicht aufhören, zu weinen, habe dort erstmals Freunde gehabt, will nicht wieder in ihr altes Drecksleben zurück, konnte sie dort alle Sorgen vergessen, und sei sie nun eben nicht mehr dort.
Abend, etwa um Neun. Schickt sie ihm eine Sprachnachricht von sechzehnminütiger Dauer. Spielt er sie ab. Heult sie, sagend, dass es ihr leid täte. Sie habe sich dort in wen andern verliebt und empfinde für ihn nun nichts mehr, kein Stück mehr. Hat er Schwierigkeiten, ihren Worten zu glauben, erzählt sie, wie die Gefühle erwidert wurden, beide dort körperlich auch geworden, angefangen es hat mit Händchenhalten, geführt habend zu Küssen, immer weiter es gehend, sie diesen Menschen dann irgendwann auch nicht mehr mögend, sie noch wen andern gefunden habend, in der Trunkenheit ihm beichtend das ihre Verliebtheit ihm gegenüber, sei es beidseitig, fühle sie sich grausig darum, wird von noch einem Mädchen dort gemocht. Zerbröckelt seine Welt, hält er sie mühselig beisammen, sich sagend, dass das doch nicht schlimm sei, dass es noch zu retten wäre, aber stimmt das? Will ihr keine Vorwürfe machen, sagt ihr, dass er sie dennoch liebe, sie nicht reagierend darauf wie früher, scheint sie ihm wie wer Fremdes, sagt ihm, dass es Jahre dauern würde, bis man wen anders lieben könne, seien beide erst elf Monate zusammen gewesen, meint er, dass es nicht so sei, dass es eben keine Jahre dafür brauche. So ist das nicht, nicht bei ihm zumindest. Splittert. Fühlt sich verletzt, benutzt, dann weggeworfen, als sich ihr die erstbessere Wahl gegeben hat. Ist erfüllt von tiefster Trauer, Enttäuschung, Hohlheit. Sein Gottwesen verschwunden, sein ganzes Fundament eingekracht, alles runter mit sich reißend. Alltag komplett leer, er diesen zuvor ausschließlich nur mit ihr verbracht habend, doch nun … Was bleibt ihm? Was hat er davor gemacht? Lacht er. Nichts. Hatte stets nur gehofft, dass die Kannibalengöttin sich mit ihm unterhalten wollen würde, die Existenz ihm nur darum lebenswert gewesen, er sich ihr verschrieben hat, sie zu seinem Sinn gemacht. Kommt der Entenlord zurück, wird benötigt womöglich mehr als je zuvor, dokumentiert er sich seinen Zerfall. Sein Glück ihm entronnen.
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