48: Wahres Glück
Lebt er mit einer Leere in sich, doch würde diese schon bald verschwinden. Vor einiger Zeit hat er mal Gedichte geschrieben, diese wo hochgeladen, auf eine Art Forum, wo verschiedene Menschenaffen das Zeug von einander durchlesen und kommentieren. Scheint wer seine Werke zu mögen, ein Weibchen sogar ist es, auch noch im selben Alter. Liest er sich einiges von ihr durch, Qualität eher niedrig, viel auf ein eher beschwertes Leben hindeutend, will er doch nicht unhöflich sein, schreibt ihr was Nettes dazu, sie antwortend, Unterhaltung beginnend, sie dieselben Interessen und Hobbys habend, ähnlich denkend, fast schon Klone voneinander, gibt sie ihm nach einer Weile ihre Telefonnummer. Überrascht er. Fahren sie zu schreiben fort dann, bloß mit einem anderen Mittel. Sie scheint ihn zu mögen recht sehr, und er scheint es nur erwidern zu können. Gäbe es einen Schöpfer, dann meine er es gut mit ihm, zeigen einander Fotos von sich selbst, sie ein schickes Wesen. Holt er sich eine neue SIM-Karte, telefonieren beide miteinander, fährt er zu Mutter an den Wochenenden, um dort das gute Netz abzuzapfen, um nicht unnötig Guthaben ausgeben zu müssen, diese inzwischen eine Therapie durchgemacht hat, nun trocken ist, in den paar Wochen dort sich wen gefunden hat, der als Feuerwehrmann tätig und mal als Soldat wo eingesetzt worden sei, er sich dabei eine posttraumatische Belastungsstörung eingefangen habend, im Alkohol eine Zuflucht gefunden, hat es ihm nur seine Ehe gekostet. Für Ente ist kein Nutzen mehr. Er selbst ist nun ein Gott. Wird angepriesen von ihr, preist er sie sich auch an, sie die seine Göttin seiend. Lernt er stets mehr über sie und ihr Leben, sie habe einen jüngeren Bruder, der Fußball spielt, darum von den Eltern geschätzt wird, sie hingegen von ihnen eher verachtet, nimmt sie ein die Rolle des Boxsacks, an dem sie all ihre Wut auslassen, beschimpfen sie bei jeder Opportunität, schreien sie an, zwingen sie dazu, für sich selbst und den Rest der Familie zu arbeiten, das ganze Haus zu schmeißen, und wehe, wenn nicht, er selbst am Hörer vieles davon persönlich mitbekommen, damals sie auch vom Vater körperlich misshandelt worden, habe es nur aufgehört, weil sie eines Tages von der Schule nicht zurück nach Hause wollte, zu große Angst habend vor den seinen Drohungen, was er ihr denn antäte, wenn sie erst zurück sei, sie vor einigen Monaten von jemandem von ihrer Arbeit und noch wem abgefüllt und vergewaltigt worden, sie verabscheuend sich selbst bis zum Kern und hassend einen jeden Menschen. Sie habe niemanden, dem sie irgendwas anvertrauen könne, außer ihn nun, wo er jetzt ja da ist, und ist er es gerne für sie, sie ihn überschüttend mit all der angestauten Liebe, und er es ihr gleichtuend, einander heilend, verstehend, pausenlos miteinander Zeit verbringend, sie ablenkend von all den Horrorn der Welt, verdient sie es nämlich nicht, ließe es nicht zu, dass es ihr schlecht ginge, tut sie es ihm gleich. Kauft er sich eine Konsole, um gemeinsam Sachen spielen zu können, reden von gemeinsamer Zukunft.
Bald sind Herbstferien, schmieden sie Pläne, dass er zu ihr fahren würde, leben sie gute sechs bis sieben Stunden mit dem Zug voneinander entfernt und erlauben ihre Eltern es ihr nicht, dass sie zu ihm fahre, sonst käme sie noch mit »dickem Bauch« zurück, so fährt er eben zu ihr, bucht für ein paar Tage ein Zimmer wo, er darin dann nächtigend, denn sei es ihm bei ihren Eltern untersagt. Fährt am frühen Morgen los, eingeplant zwischen den einzelnen Zügen stets mindestens eine halbe Stunde, falls sich was verspäten würde, die Umgebung zieht vorüber, Berge ragen auf, sieht es stetig mehr abgelegen aus, die Landschaft schön. Kommt er an wo. Noch einen Bus müsste er nehmen, der Preis dafür sei nicht im Ticket für die Züge miteingeschlossen gewesen. Dauert es vierzig Minuten, dann kommt der Bus, verlangt für eine Fahrt beinahe sechs Euro, erschreckt es ihn, zuhause es bloß 2,70 gekostet hat, der Fahrer mit schwerem Dialekt redend, er Schwierigkeiten habend, ein einziges Wort nur zu verstehen. Setzt sich hin. Es wäre gleich so weit. Endhaltestelle, steigt aus, sieht sich um, eine schicke Kleinstadt, mitten im Herzen davon er seiend, recht viele Menschen er sehend, schaut er sich auf die Uhr, hält die Augen offen, sucht nach ihr, sich so offen wie nur möglich hinstellend, dass sie ihn bloß nicht übersehen könnte. Sieht er sie auf ihn zukommen. Körper erstarrt. Sagen beide einander ein zögerliches »Hallo«, führt sie ihn zum Auto ihrer Mutter, sie zu seinem Übernachtungsort fahrend, Schlüssel abholend, Gepäck ablegend, direkt danach gehe es zu einer Pizzeria, würden ein Blech holen und damit dann zu ihr fahren, dort dann speisend. Ihre Mutter geht unterdessen einkaufen, lässt sie alleine, warten sie beide, bis das Essen fertig wäre. Stille. Nimmt er vorsichtig ihre Hand, sträubt sich nicht. Herzpochen, reden sie miteinander, sie freue sich darüber, dass er hier sei, er natürlich ebenso, auch wenn es schon recht teuer gewesen sei und er die Monate zuvor strikt seine Ausgaben kontrollieren musste. Lehnt sie sich an seine Schulter, angenehm dieses Gefühl, warm und weich. Stehen beide auf, holen ab die nun fertige Pizza und tragen den großen Karton gemeinsam zurück zum Auto. Reicht sie ihm auf der Fahrt ihre Hand, legt seine auf die ihre. Gehen sie auf ihr Zimmer, essen gemeinsam, sie ihm ihr Stück hinhaltend, er nach kurzem Überlegen davon abbeißend, dasselbe bei ihr dann wiederholend. Schauen gemeinsam irgendeine schicke Serie, schlafen sie beinahe in den Armen voneinander ein, küsst sie ihn, erschreckt er, seltsam es sich anfühlend, lässt er es aber zu, umarmt er sie fest. Glücklich. Wird er kurz vor Mitternacht zurückgefahren, drücken beide sich noch einmal, sie weiter miteinander telefonierend, bis sie eingeschlafen sind. Laufen sie am nächsten Tag gemeinsam zum ZOB, würden zu einer größeren Stadt in der Nähe fahren, dort den Tag verbringen. Will sie ihm einen Laden zeigen, der Sammelkarten verkauft, Manga, Poster, dergleichen halt. Holen sie sich beide was, dass er ihr später zu spielen beibringen könnte. Bummeln sie noch etwas umher, finden sich was zum Zusammenbauen, eine Art Panda aus schwarzen und weißen Dreiecken mitsamt Bindeteilen und einer Lichterkette, um ihn leuchten zu lassen, wenn er erst denn ganz sei. Essen sie gemeinsam was in irgendeinem Fastfood-Restaurant, sein Magen ohne Boden, verzehrt er gefühlte Berge, sie ihm abgebend von sich, spielen sie mit den Füßen, laufen noch etwas durch die Gegend, bis sie letztlich wieder zurückgehen, gerade noch den Bus erwischen, kuschelnd auf der Rückfahrt, Arme verhakt. Bauen sie in ihrem Zimmer den Panda zusammen, packen die Karten aus und spielen miteinander, lässt er sie gewinnen, decken sich zu, schauen einen leicht zu vergessenden Film, sind wie Menschen sie, beißt er sich in ihren Hals, krallt sie seinen Rücken auf. Der letzte Tag. Verbringen sie ihn nur bei ihr, stürzen sich tiefer in Menschlichkeit. Morgen, verabschieden sie sich voneinander. Versucht er, sie zu trösten, hoffend, dass es nicht nur beim Versuch bleibt.
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