221-230
221: Jehova, der zweite Gott
Jehova war der zweite Gott, der vom Schöpfer selbst auserkoren wurde, ein Menschenkind, noch im Bauch seiner Mutter, da bekam er seine goldene Feder. Tatsächlich offenbarte sich Jehova als die nahezu perfekte Wahl, denn schnell verstand er die Natur der Göttlichkeit und tat seinen Teil, mehr und mehr von ihr zu akkumulieren. Auch war er der erste, der um die Weltzyklen wusste und sogar um die Zyklen der Weltzyklen. Er mengte stetig mehr der Essenz Gottes an und schien diesem zu gefallen, sodass er ihm einen Teil seines Himmels zur Verfügung stellte, wo er dann zu hausen begann. Des weiteren erhielt er Seraphim und weitere niedere Engel als Diener, um ihm dabei zu helfen, mehr Göttlichkeit zu sammeln. Auch wurde Javamoul auf Empfehlung Jehovas von Schöpfergott Jonathan zu einem Gott gekürt. Er war die einflussreichste Person auf Erden und in den hohen Himmeln, das konnte man nicht leugnen. So war dies zumindest, bis schließlich Ente Jehova den Krieg erklärte, denn es könne nur einen Gott geben, und dieser jemand wäre er selbst. Nach der überraschenden Niederlage Jehovas verschwand seine Göttlichkeit in der des Entenlords. Doch wusste Ente noch nicht, dass Jehova nicht der Gott war, sondern nur einer unter der Hand des Schöpfers, dies würde er erst später herausfinden, nachdem Javamoul die Rolle Quakhardts eingenommen hatte und sowohl er als auch sein Meister mehr über die Natur der Göttlichkeit herausgefunden hatten.
222: Ulumpudulumpu und Ulumpudumpulu
Still war es im Schloss der Menschenfressenden. Der Mensch war jagen, die Menschenfressende war mit Quakhardt auf einem Spaziergang, der Entenlord war alleine im Keller, da hörte er von oben, wie stark gegen die sperrige Tür geklopft wurde. »Wer wagt es, meine Meditation zu unterbrechen!«, quakte Ente sauer und stürmte die Treppe hinauf, riss die Tür auf und entdeckte eine schmächtige Ente. »Wer bist du denn bitte, eh?«, besah der Lord sein Gegenüber.
»Seid Ihr Lord Ente?«
»Wer will das wissen?«
»Oh, verzeiht, ich habe mich vorzustellen vergessen. Mein Name ist Ulumpudulumpu, ich habe gehört, man würde Eure Lordschaft hier im Dorf der Falschmenschen finden können.«
»Da hast richtig gehört, doch was willst du?« Kaum verließen die Worte den Schnabel des Entenherrn, da kamen die Menschenfressende und Quakhardt zurück.
Quakhardt beäugte den Fremden. »Ulumpudulumpu?«
»Ihr kennt euch?«, wunderte sich Ente.
»Wir waren Kindheitsfreunde, o Lord.«
Ulumpudulumpu schien verwirrt. »Waren wir das?«
Ente schloss seine Augen. »Jedenfalls, was willst du von uns, der du den Weg hierher hast angetreten?«
»Ich benötige Eure göttliche Hilfe.«
»Geht es um irgendeinen anderen Gott?«
»N-nein. Es geht um meinen Bruder, er -«
»Kein Interesse«, winkte der Lord scharf ab.
Quakhardts Backen färbten sich rot. »Wir sollten ihn wenigstens ausreden lassen, Herr.«
Entes Gesicht verzog sich. »Mach’s knapp.«
»Es geht um meinen Bruder«, begann Ulumpudulumpu, »Ulumpudumpulu. Er ist schwer krank. Er hat die Entengrippe.«
»Die Entengrippe, eh? Quakhardt, willst du dich darum kümmern? Ich habe wenig Lust dazu. Hier, nimm etwas von meiner Göttlichkeit mit.«
Hastig nickte der Entendiener. »Wie Ihr wollt, Herr!«
Ulumpudulumpu und Quakhardt waren unterwegs durch den dichten Wald. »Sagt, woher kanntet Ihr meinen Namen, Quakhardt?«
Der Diener grinste. »Ich bin’s, Javamoul.«
Erschrocken öffnete der Enterich seinen Schnabel. »Aber warst du nicht gestorben, damals?«
»Ich bin ein Gott, weißt du?«
»Aber – Nein, das wusste ich nicht.«
Bedrückende Stille.Quakhardt beschloss, sie zu brechen. »Seit wann ist Ulumpudumpulu schon krank?«
»Schon eine Weile. Wir haben nicht genug Geld, um Ärzte zu bezahlen, weißt du? Neulich habe ich ein Gerücht gehört, dass sich hier ein Gott verstecke, aber ich hatte nie damit gerechnet, dich hier zu finden. Es ist schön, zu sehen, dass du wohlauf bist, Java.«
»Dasselbe kann ich nur erwidern. Sag, Freund … Weißt du von den Weltzyklen?«
»Den was?« Verwirrt sah Ulumpudulumpu Quakhardt an.
Dieser grinste. »Hier.« Er zog etwas Schwarzes aus seinem Mund. »Meine Göttlichkeit ist das. Schluck sie hinunter, dann wirst du wissen, was ich meine.«
Achselzuckend tat er, wie ihm gesagt. Er blieb stehen, legte die schwarze Substanz in seinen Schnabel und schluckte hinunter, schrie sogleich laut auf, »Was hast du mit mir gemacht?!«
»Beruhige dich.«
»Ah … ah … Was zur Hölle! Ich … O Gott, ich verstehe … Ich sehe es klar vor meinen Augen!« Ulumpudulumpu hechelte nach Luft.
»Komm, wir gehen jetzt zu deinem Bruder.«
223: Quakhardt, Lord der Gefiederten
Nach dem Ende des Unterjochers der Gefiederten zerfiel die Welt, auf dass Lord Ente das letzte übrige Etwas war, abgesehen vom Meer aus Blut, das die Welt bedeckte, und so nahm er die Rolle des Schöpfers ein und zerstörte das Wenige, was noch war, nur um eine komplett neue Welt zu kreieren, ein Replikat jedoch nur. In diesem Moment war es, dass er eine Art Subzyklus erschaffen hatte, in der er der Schöpfergott war und die Hauptrolle seinem Diener Quakhardt gehörte. Während der Entenlord still und stumm in seinem Gefängnis unter dem Grund ruhte, begann Quakhardt seine Existenz als Entenlord, er nahm sich Lehm und formte daraus einen Menschen, und er nahm sich Körperteile verschiedenster Wesen und schuf daraus eine Chimäre, die Kannibalengöttin. Jahre sind vergangen.
»Quaki?« Die Kannibalengöttin blieb stehen. Der Entenlord drehte sich um. Er und seine zwei Diener waren auf dem Weg, um einen weiteren Gott zu exterminieren. Ehrlich, Quakhardt war es müde und er hatte großen Respekt für seinen einstigen Meister.
»Was ist?« Er klang erschöpft.
»Wie weit ist es noch?«
Der Lehmmensch meldete sich. »Wir sind gerade erst losgelaufen, Kannibalengöttin. Beruhigt Euch.«
Quakhardt seufzte. Es war einfach nicht dasselbe wie damals. »Lehmmensch, gib mir etwas Wasser aus deinem Rucksack.«
Nickend tat er das.
»Danke«, sagte er, da fiel er plötzlich durch den Boden, hinunter durch des Grundes Schlund, nur um schwer aufzukommen und sich verwirrt umzublicken, nur um zu sehen, dass er allein war in völliger Schwärze, da hörte er einen Tropfen und Licht erschien aus dem Nichts, beleuchtete einen Pfad durch enge Wände, wirre Schriftzeichen waren darin eingraviert und strahlten bläulich auf. Treppen taten sich auf, er wandelte durch die Luft, und ein bedrohliches Brummen stieß ihm entgegen. Während der Weg vor ihm sich ihm langsam gab und der hinter ihm langsam verschwand, und da war er, lag reglos dort, Ente.
»Lord?«
»Ah«, gähnte Ente, festgekettet an all seinen Gliedmaßen, reichend bis weit aus seinem Blickfeld, »wer stört mich und meinen Schlaf, eh?«
»Lord«, räusperte Quakhardt sich, »ich bin es.«
»Quakhardt … Komm, lös meine Fesseln.«
»Ja doch, o Lord.« Quakhardt kam näher, da begann der Körper Entes zu strahlen, heller und heller, dass Quakhardt seine Augen zukneifen musste, und als das Licht fort war, da war auch Ente fort.
Verwirrt blickte er drein, da verschwand der Boden, und Quakhardt fiel in schier unendliche Tiefe, um letztlich doch schweißgebadet aufzuwachen, keuchend und ächzend. »Lord …«
Realität und Traum vermischten sich für ihn, er konnte beide nicht mehr voneinander trennen, doch wusste er, dass er im Schloss der Menschenfressenden war, er rannte hinab in den Keller, nur um ihn zu sehen, den Entenlord, wie er still vor sich hindöste, doch auf Quakhardts gewaltsames Aufstoßen der Tür erwachte er.
»Was soll das, Quakhardt, hm? Wehe, es ist wieder was Unwichtiges, aye.«
»Lord! Ihr seid in Ordnung!«
»Weshalb sollte ich das nicht sein?«
»Ich habe geträumt, Ihr wärt fort gewesen, eingesperrt unter der Erde, festgekettet.«
Der Lord beäugte ihn sich. »Woher weißt du das, Javamoul?«
»Mein Name …« Quakhardt wurde schlecht, da begann die Welt, sich zu drehen, wirbelte er umher, fiel abermals durch den Boden, hinab in die Urtiefe, da sah er sich selbst, wie er vom Entenlord einen Teil seiner Göttlichkeit bekam, wie er regierte über das Menschenreich, wie er in antiken Tagen, da gab es bereits keine Geier mehr, gegen den Schöpfergott gekämpft hatte mit seinen vier Waffen, er einem jeden seiner drei engsten Kumpanen jeweils eine gegeben hatte, nur um letztlich unterlegen zu sein und verdammt zu werden zu ewigem Leben, ewigem Leid.
224: Das Ende Entonios
Von Untier verzehrt worden, Gansmann im Gebiss eines Wesens, das nur einem Albtraum entspringen hätte können. Schwarzes Gewebe, bebend mit Augen und Zähnen, sah es aus wie ein einziges Teratom, ein fleischiges Gebilde aus Schrecken, etlose Arme aus dem Wesen ragten und um sich griffen, Gansmann in einen der Münder zerrten, Zähne sich in sein Gefieder bohrten, lautes Schnattern, das nur übertönt wurde von den grausigen Lauten, die das Monster von sich gab.
Der Lord und Entonio erreichten den Gott beim Anbruch der Nacht. Von weitem hatten sie sein Schreien gehört, seinen Hunger nach Göttlichem. Die Kreatur war gerade auf seinem Weg durch das Reich der Schwäne, um Unheil anzurichten, und so kamen die beiden an, überall um sie herum heulende Schwäne in Panik, still stehend, unsicher, wohin sie nur fliehen könnten, denn alles, was sich bewegte, wurde von den Tentakeln des Wesens ergriffen und in eines seiner Mäuler verfrachtet.
Ente trat vor. Entonio versteckte sich hinter ihm und lugte mit dem Kopf hervor. »Ente, was zur Hölle ist das?«
»Das, werter Entonio, ist ein Gott.«
»So wie du?«, zitterte er.
»Genau wie ich, ja. Nun denn.« Ente wühlte im Sack, der an seiner Hüfte hing. Heraus nahm er das Flammenschwert, das niemals darin hätte passen können. »Im Namen des Entenlords, deine Erlösung mag ich sein, Retter der Gefiederten, Herrscher der Enten.« Mit Kriegsgeschnattere rannte Ente dem Untier entgegen, das daraufhin mit einem seiner Arme nach ihm schlug, nur um mit einem Zischen lichterloh aufzuleuchten, schräges Gekreische ertönte und die Gliedmaßen zogen sich zusammen, da hörte man ein lautes Knacken und aus dem Mund des Lords riss eine riesige Pranke hervor, die gewaltsam gegen den Kern des Untiers schmetterte, da nahm es die Form einer kleinen schwarzen Kugel an und schwebte ominös in der Luft.
»Das ist die Natur von Göttlichkeit, Entonio«, sagte Ente, sich sein Gefieder zurechtstutzend. »Ohne Kontrolle darüber zu haben, versteht sich. Selbstbeherrschung ist der Schlüssel. Verliert man sie, so degeneriert man zu einem dieser Dinger.«
Entonio schluckte. »Das klingt gefährlich.«
»Ist es ja auch. Dennoch, die Vorteile überwiegen die potentiellen Nachteile. Die Kraft, die einem innewohnt …« Ente streckte sich und verschluckt die Kugel. »Komm, wir gehen zurück. Die Menschin wartet sicherlich bereits.«
»Die Menschenfressende Göttin«, korrigierte Entonio. Seitdem sie selbst zu einem Gott geworden war, wollte sie ausschließlich so genannt werden. Sie wollte, dass jeder wusste, was sie getan hatte, um dorthin zu gelangen, wo sie nun war, und so hatte sie sich selbst diesen Titel auferlegt.
Zurück im Schloss, das sie sich selbst hatte erbauen lassen von ihren Handlangern, den falschen Menschen, die sie aus Erde hatte geformt, in jedem von ihnen ein Teil ihrer Selbst innewohnte.
»Willkommen zurück«, grüßte die Menschenfressende. »Habt ihr es gefunden?« Sie meinte ein Götterei.
Ente schüttelte den Kopf. »Wir sind zu spät gewesen.«
Die Menschenfressende zog ihren Mund zusammen. Entonio versuchte, sich zu entschuldigen.
Kopfschüttelnd verneinte sie, dass er sich dafür entschuldigen müsste, »Nicht doch, nicht doch«, da packte sie sich Entonio und verschlang ihn in einem Happen.
Ente blinzelte. »Du hast gerade meinen Diener gegessen.«
»Das habe ich. Wir mochten ihn beide nicht, also, wem macht es was aus?«
»Auch wieder wahr«, zuckte er mit den Achseln. »Komm, wir suchen uns einen besseren.«
225: Konversation IV
Ente saß gelangweilt auf seinem Thron im Himmel. Der Schöpfergott hockte neben ihm auf dem Boden und summte irgendeine Melodie, gänzlich zur Verärgerung des Lords. »Oi, Jonathan, sei still.«
»Stört es dich etwa?«, kam es zurück.
»Sonst würde ich es nicht ansprechen, du.«
Der Schöpfergott zuckte mit den Achseln. »Insgeheim genießt du meine Anwesenheit, darum weiß ich genau.«
Ente verzog sein Gesicht. »Jedenfalls«, begann er, »wir müssen noch Löcher in der Handlung füllen, ehe wir die Entenbibel abschließen können.«
»Ich weigere mich, die Entenbibel nochmal ganz durchzulesen«, sagte Jonathan schlicht. »Das ist viel zu viel.«
Ente seufzte. »Erinnerst du dich an den Teufel?«
»Hatte der nicht irgendwas mit der Menschenfressenden und mit Jehova zu tun gehabt?«
»Jap. Deren Geschichte haben wir nie zu Ende erzählt, oder doch?«
»Nicht, dass ich wüsste. Wir haben mittendrin aufgehört, glaube ich.«
»Komm, wir lesen uns ein paar der alten Seiten durch und schließen mit dem Handlungsstrang auch ab«, schlug Ente vor.
Der Schöpfergott nickte.
»Okay«, gähnte Ente. Lesestunde. »Ich hab das nochmal nachgelesen, der Teufel verschwindet einfach, nachdem er mir von den vier Waffen der Göttertöter erzählt hat.«
»Bei den Göttern, was hast du da nur für einen Dreck geschrieben, Gott sei der Gott?«
Ente hob verteidigend seine Hände. »Da wusste ich noch nichts von dir, Kerl. Er hatte einen eigenen Teil im Himmel, eigene Engel, davon der Teufel selbst einer war, er war der erste, der genug Göttlichkeit beisammen hatte, um aufzusteigen.«
Jonathan schloss die Augen. »Okay, das müssen wir jedenfalls nicht noch mit Inhalt füllen, oder?«
»Vielleicht sollten wir noch erklären, woher die Menschin und der Teufel sich kennen.«
»Urgh, können wir nicht einfach sagen, dass die beiden sich zufällig über den Weg gelaufen sind?«
»Das könnten wir«, begann Ente, »aber das wäre faul von uns, und die Inkarnation von Trägheit ist bereits fort.«
»Wen kümmert es schon? Es ist nicht so, als wäre der Entenpart der Entenbibel ernst gemeint. Niemanden interessieren ein paar Plotlöcher, aye.«
»Trotzdem, ich will, dass die Entenbibel perfekt ist, wenn sie denn endlich bald die 500. Seite erreicht hat und sie damit endlich ihr Ende findet.«
Der Schöpfergott nickte. »Gut, wie du willst. Sagen wir einfach, die Menschenfressende hat den Teufel getroffen, als ihr in der Gehenna gewesen seid. Von da an haben sie sich öfter und öfter gesehen, im Geheimen, so versteht sich, und irgendwie kam es dazu, dass die Menschenfressende romantisches Interesse für ihn zu entwickeln begann. Akzeptabel?«
»Hmmm«, machte Ente. »Gut, nur wie verpacken wir das Ganze in die Geschichte?«
»Das müssen wir nicht einmal, weißt du? Unsere jetzige Konversation wird gerade in die Entenbibel eingetragen, bedeutet, dass wir uns keine Geschichte dazu ausdenken müssen, weil es bereits zur Lore gehört, denn haben wir es soeben ja so beschlossen.«
Ente zuckte mit den Achseln. »Wenn du meinst, dass das in Ordnung ist.«
»Das meine ich. Okay, noch irgendwelche Löcher, die wir noch stopfen müssen?«
»Mir würde spontan nichts mehr einfallen, dir wahrscheinlich auch nicht, oder?«
»Nah.« Der Schöpfergott reckte sich. »Gut, dass wir das geklärt hätten.«
»Wie geht es dir eigentlich?«, fragte Ente. »Denkst du, du kannst mir endlich diese lästige Dornenkrone abnehmen?«
»Ah, nett, dass du fragst, Ente. Mir geht es ziemlich gut.«
»Das war recht knapp. Irgendwie traue ich deinen Worten aber nicht.«
»Gut, mir geht es nicht gut.«
»Das war schnell zugegeben«, gähnte Ente. »Aber du willst nicht noch einmal zurück dorthin, nicht wahr?«
»Eher würde ich sterben. Obwohl, nein, das ist zu übertrieben. Ich würde dennoch nur äußerst ungerne zurück. Ich genieße meine Zeit, die ich so verbringen kann wie auch immer ich es mir wünsche. Das dürfte ich in der Psychiatrie nicht. Ich dürfte nicht einmal nach draußen gehen, weißt du?«
»Ich weiß, denn letztlich war ich ja mit dir da drin.«
»Jedenfalls geht es mir gut genug, nicht zurück zu wollen.«
»Was auch immer das bedeuten soll.« Der Schöpfergott lächelte.
»Ich weiß es doch auch nicht. Gib mir noch einen Monat. Bis dahin sollte ich wieder stark genug sein, dir die Dornenkrone abzunehmen.«
»Und dann würde ich sterben.«
»Danach sehnst du dich sicherlich, nicht?«
»Und wie ich mich danach sehne. Ich lebe schon viel zu lange. Es ist an der Zeit, dass du auch ohne mich leben kannst. Notfalls erschaffst du mich einfach neu, es sollte dich daran nichts hindern.«
Jonathan nickte. »Ich werde dich nicht enttäuschen.«
226: Konversation V
»Eh, Ente.«
Der Schöpfergott sah auf. »Was willst du schon wieder? Es ist nicht so, als würde ich deine Gesellschaft nicht wertschätzen, aber brauche ich auch mal Zeit alleine, weißt du?«
»Tu nicht so, als würdest du die Einsamkeit genießen, ich weiß, wie sehr sie an dir zehrt, letztlich sind wir beide ein Ganzes.«
»Gut. Was wolltest du also?« Ente seufzte.
»Nichts.«
»Wow. Okay.«
»Keine Lust wohl auf Gespräche, hm, Ente?«
»Du solltest es selbst wissen. Wir haben nichts mehr, um die letzten zehn Seiten noch zu füllen. Plotlöcher sind uns auch keine mehr bekannt, was also haben wir sonst noch zu machen außer rumzusitzen und das wirkliche Ende der Welt abzuwarten?«
»Wir könnten mehr zum Unterjocher der Gefiederten schreiben«, schlug der Schöpfergott vor.
»Haben wir das nicht letztens erst gemacht?«
»Haben wir, doch könnten wir noch mehr elaborieren.«
Ente war sich unsicher.
»Also, was wissen wir bereits über ihn? Bevor du ein Gott wurdest, warst du imperfekt, unvollständig. Dann kamst du in Kontakt mit Göttlichkeit, weil ich dir eine meiner Federn gegeben habe, und du hast verzehrt deine Artgenossen, wodurch du nur noch mehr Göttlichkeit akkumuliert hast. Dabei entstand dein Alter ego. Bevor du ein Gott wurdest, warst du nicht in der Lage, gemein zu sein. Du warst ein liebes Wesen, voll und ganz. Oder war es andersherum? Wie auch immer. Auch wenn man das nicht wirklich hätte wissen können, denn wurdest du bereits zu einem Gott, als du noch in deinem Ei gewesen bist. Deine sadistische Art gehörte voll und ganz dem Unterjocher, und so entwickelte er sich weiter, sammelte mehr Göttlichkeit, verzehrte und zerbrach, zerstörte und fraß.«
»Soweit ist das alles schon bekannt, glaub ich«, meinte Ente.
»Und als genügend Göttlichkeit beisammen war, da warst du bereits kurz vorm Platzen, so göttlich warst du, da hat sich dein Schatten von dir getrennt und begann damit, alle Federvölker zu versklaven.«
»Ja, darüber haben wir noch nicht wirklich viel geschrieben. Das könnten wir also noch tun.«
Der Schöpfergott nickte. »Also los.«
Die Himmel waren düster, der Boden voll von abgemagerten Sklaven des Lords, die zu erbauen hatten eine Statue der seiner aus Gold und Prunk, wer nur daran dachte, zu stehlen, der vermochte kein Morgen mehr zu erleben, denn war der Lord ihr Gott und Herrscher mit drei Augen bestückt und sah hinein in die Herzen seiner Untergebenen, sah ihre Verzweiflung, sah ihre Angst, und es nährte ihn, der er verzehrte die negativen Emotionen jener, die er versklavt hatte, jener, deren Leben er in seiner Hand hielt, über deren Existenz er zu urteilen hatte. Widersprachen sie seinem Willen, so wurden sie von ihren eigenen Brüdern und Schwestern, Eltern und Kindern auseinandergenommen, auf brutalste Art getötet, sie wurden lebendig gefressen wie Wolf ein Wild würde reißen, so rissen sie einander, denn fürchteten sie den Tod mehr als alles andere.
Als der Lord Hand über sein schwächeres Ich, namentlich Ente, gewann, da machte er es sich zur Aufgabe, der größte Gott aller Zeiten zu werden. Er verzehrte, wurden ihm dargebracht lebende Opfergaben, von Männern ihre Früchte und von den Frauen ihre Kinder, und so verzehrte er sie alle, so als stünde er vor einem Fließband, er hatte sich erfolgreich von seiner schwächeren Seite getrennt, und so stand ihm nichts mehr im Wege, zum Schöpfergott selbst aufzusteigen, der neue Tyrannengott zu werden, den alten von seinem Thron zu stoßen und zu regieren über Leben und Tod, Alt und Jung, über alles Existierende. Er lebte seinen Traum, und so sah er sich das kahle Land an und die ausgehungerten Arbeiter, die kurz davor waren, zusammenzubrechen, um nie wieder aufzustehen. Es wäre gelogen, würde der Lord nicht meinen, es vollends zu genießen, die Szenerie. All der Hass, der Zorn, die Abscheu, der Ekel, der Lord verkörperte all dies. All diese Emotionen, sie hatten Überhand gewonnen, und so teilte sich der Lord von Ente und würde sich selbst einen neuen Namen geben, um nicht verwechselt zu werden mit seiner anderen, minderwertigen Hälfte, dem Entenherrn. Nein, er würde sich selbst den Unterjocher nennen, der er versklavt hatte alle Federvölker und regierte über alles Leben, der er war ein Gott unter Göttern, der er war der Gott, der er Diktator war und alleiniger Regent.
Ente und der Mensch waren im Schloss der Menschenfressenden. Unterdessen war diese im Kampf gegen den Unterjocher, im Kampf gegen den Tyrannengott.
Seitdem der Unterjocher sich von Ente getrennt hatte, blieb diesem kein Stück Göttlichkeit mehr über, er hatte seinen Titel als Gott verloren, und so war er kein Lord mehr, er war nur noch Ente, ein Sterblicher, ein falscher Lord.
»Mensch«, meinte Ente, »wir können ihn nicht mehr aufhalten. Die Menschin kämpft gerade gegen ihn. Ich bezweifle, dass sie siegreich sein wird. Sie wird sterben …«
Der Entenmensch an Entes Seite schüttelte den Kopf. »Sie würde niemals sterben. Und selbst wenn sie nicht siegen wird, wir haben noch immer einen Teil ihrer Göttlichkeit hier, demnach kann sie gar nicht erst sterben.«
»Mensch, dir scheint nicht bewusst zu sein das Ausmaß, das die Situation angenommen hat. Er wird alles vernichten … alles, ausnahmslos alles!«
»Das werden wir nicht zulassen. Ich habe einen Plan, Lord.« Der Entenmensch sah sich Ente genau an. »Ihr habt die Macht, Euch ihm zu widersetzen, glaubt mir. Wir flößen Euch neue Göttlichkeit ein, Ihr werdet ein neuer Gott, und so werdet Ihr ihn bezwingen, ich bin mir ganz sicher, dass Ihr das schafft. Letztlich seid Ihr kein Normalsterblicher, auch wenn Ihr Euch gerade wie einer fühlen solltet. Ihr seid mein Meister, mein Herrscher und Dirigent. Ihr
habt die Macht, ihn zu stürzen und seine Schreckensherrschaft zu beenden, ein für alle Male! Also, fresst Euch satt an den Leichen im Keller. Das sollte ein guter Anfang sein. Die Menschenfressende und ich werden Euch mit gefallenen Sklaven vom Schlachtfeld dort draußen versorgen. Wir werden Euch zu neuer Göttlichkeit verhelfen.«
»Ah, gefällt mir, Jonathan.«
»Natürlich gefällt es dir, Ente.«
»Seit wann duzt du mich überhaupt?«
»Soll ich damit aufhören?«
»Nein, schon in Ordnung.« Ente streckte sich. »Mir eigentlich auch egal. Na ja. Weißt du noch, als du mir dein Federkleid gegeben hast, um gegen den Möchtegern-Tyrannengott anzutreten?«
»Ja, daran erinnere ich mich klar. Wie der Mensch geguckt hat, als ich aufgetaucht bin. So habe ich ihn noch nie gesehen.«
»Er hat schließlich ja auch nicht geglaubt, dass du überhaupt existierst.«
»Auch wahr. Dennoch, sein Gesichtsausdruck war einfach herrlich.« Er pausierte. »Noch acht Seiten, dann ist die Entenbibel beendet. Hah … Ich werde noch richtig sentimental. Grundgütiger. Fast fünf Jahre Arbeit stecken hier drin. Kaum zu glauben, dass es das war.«
Der Schöpfergott lächelte. »Ich weiß. Genießen wir noch die Zeit, die wie miteinander verbringen. Am 3. März bekommst du meine Krone, und damit schwinde ich aus der Existenz. Es hat Spaß gemacht, muss ich zugeben. Wirklich. Aber hör dann bloß nicht mit dem Schreiben auf, klar? Du hast noch die Newheaven-Reihe, die es noch zu beenden gilt, ja?«
»Die hab ich ja beinahe vergessen, so lange hab ich schon nicht mehr dran gearbeitet. Die ganzen Charaktere, sie sind mir wirklich ans Herz gewachsen. Ich versuche mein Bestes, um der Reihe ein gerechtes und verdientes Ende zu geben. Okay, genug geschrieben fürs Erste. Bis zum 3. ist noch etwas Zeit. Genießen wir sie.«
227: Konversation VI
»Mir wirkt die Zeitlinie ein wenig verwirrend«, sagte Ente. »Erinnerst du dich noch an den Anfang von prä-edlesh, ›Narrengott Ente sammelt Anhängerschaft‹?«
»Tu ich, schließlich ist es auch immer das erste, was angezeigt wird, wenn ich das Worddokument öffne.«
»Jedenfalls ist da die Rede von Gänsen und dem Gänsekönig, aber sollten die nicht ausgelöscht sein, weil sie gegen den Schöpfer vorgegangen sind?«
»Hm, ich sehe das Problem.« Jonathan brummte. »Vielleicht spielt das ja einfach vor dem Untergang der Gänse.
»Macht wenig Sinn, denn gibt es da bereits wieder Menschen, bedeutet, dass die Gänse bereits von den Menschen unterjocht wurden.«
»Wir könnten es umschreiben und aus der Gans eine Eule machen«, kam es als Vorschlag vom Schöpfergott.
»Schon, und so wie es scheint, bleibt uns auch gar nichts anderes mehr übrig. Die Geschichte vom Untergang der Gänse würde ich nur ungerne entfernen lassen.«
»Also machen wir daraus einfach Eulen. In Ordnung.«
»Okay, aus Sir Gänserich von Daher ist nun Sir Eulrich von Daher geworden«, gähnte der Schöpfergott. »Und aus dem Entisch-Gänsischen Krieg ist jetzt der Entisch-Eulische Krieg geworden. Jetzt sollte alles wieder Sinn ergeben, nicht?«
»Soweit ich weiß, ja.«
»Klingt mir immer noch ein Stückchen zu unsicher. Ich weiß, dass ich in edlesh1 noch irgendwas mit dem Eulenkönig gemacht hatte, bin mir da nur unsicher, was genau. Habe auch darüber nachgedacht, deswegen aus der Gans einen Schwan zu machen, aber das würde auch keinen Sinn machen, weil die ja keinen König haben und generell auch keine Kriege führen. Lass mich schnell noch einmal edlesh1 durchlesen. Wenn das widersprüchlich ist, hab ich keine Ahnung, wie das noch zu retten ist. Vielleicht mach ich aus dem Entisch-Eulischen Krieg einfach einen entischen Bürgerkrieg. Aber erst muss ich das nochmal nachlesen.«
»Okay, das mit den Eulen würde klappen. Würde es erst nach der Schreckensherrschaft des Unterjochers der Gefiederten spielen, würde es weniger Sinn machen. Hingegen muss man jetzt die Pferde erklären, die darin vorkommen.« Der Schöpfergott sah Ente vielversprechend an. »Ideen?«
»Wir könnten die zu Reitenten machen, oder? Sollte funktionieren, schließlich gibt es in der Abgrund-Arc ja auch Reitenten.«
»Dann machen wir das so, Ente.« »Geschafft, jawohl«, stieß der Schöpfergott müde aus. »Gott, bin ich hungrig.«
»Beim Lesen ist mir noch etwas aufgefallen, Jonathan.«
Der Schöpfergott winkelte seinen Kopf an. »Ah ja? Was denn?«
»Die Existenz von Entenmenschen beziehungsweise Menschenten muss noch erklärt werden.«
»Das können wir auch jetzt ganz einfach erklären, oder?«
Ente nickte. »Vor dem Unterjocher hab ich meine Federn genommen und aus jeweils einer und einem Haufen Erde humanoide Wesen geformt, beinahe so wie die Menschenfressende es mit ihren falschen Menschen gemacht hat. Sie sind das, was Gott am nächsten kommt, körperlich gesehen sind sie ideal.«
»Nur sind meine Federn nur auf dem Kopf, bei ihnen ist der ganze Körper voller Gefieder. Man könnte beinahe sagen, sie sind mir überlegen.«
»Okay, noch ein Plotloch gefüllt. Langsam fällt mir wirklich nichts mehr ein, das noch zu verbessern gilt. Und dir?«
»Mir ebenso wenig.« Der Schöpfergott lehnte sich zurück. »Hm, noch viereinhalb Seiten. Dann war es das. Endgültig. Ich könnte weinen, wirklich. Das ist das Ende.«
»Mein Ende, nicht aber deines. Du wirst weiterleben, weiter leiden. Ich hingegen werde mich auflösen, doch dich immer begleiten wie ein Geist. Ich werte wachen über dich. Und solltest du erneut gebrochen sein, so werde ich deinen Körper wieder zusammensetzen, wieder und wieder, bis du dein natürliches Ende erlebst, im hohen Alter stirbst an deiner Schwäche, der du lange hast durchgehalten. Der du so viel Schlechtes erlebt hast. Und noch immer stehst du hier vor mir, na ja, sitzt vor mir, du lebst noch immer. Du bist unsterblich. Ein wahrhaftiger Gott.«
228
Gestern habe ich ganze drei Stunden mit der Einstigen telefoniert. Größtenteils ging es um ihren Freund, der mehr Spaß mit anderen hat als mit ihr und der absolut nicht auf ihre Bedürfnisse hört, sich ständig entschuldigt, aber nichts tut, um überhaupt vorzubeugen, sich entschuldigen zu müssen. Zudem stört sie, dass er sich oft so kindisch verhält, nur ist der halt jünger als sie. Es hat irgendwie gutgetan, zu hören, dass es ihr nicht so gut geht wie früher, makabererweise. Auch wenn ich mir wünsche, dass es ihr gutgeht. Sie würde sich gerne trennen, nur droht der Kerl damit, sich dann umzubringen, und sie will nicht riskieren, dass der das tatsächlich auch durchzieht.
Meiner Meinung nach ist der Kerl ein Stück Dreck, so was abzuziehen. Dass der sich überhaupt erst traut, mit so schmutzigen Mitteln zu kämpfen. Manche Leute gehören lieber tot, sage ich. Aber so Viecher wie der krallen sich ans Leben, haben zu große Angst davor, ihre Worte in Realität umzusetzen, das weiß ich. Wenn du damit drohst, dich umzubringen, wenn etwas nicht nach deinem Weg geht, dann bist du nicht stark genug, um dir dein eigenes Leben zu nehmen. So ist das nun mal. Der hat Freunde, nicht mal wenige, der hat Spaß, kann Freude noch empfinden. Der ist noch nicht so weit unten gewesen wie ich es war, der hat noch nie wahrer Verzweiflung ins Angesicht blicken müssen. Leute wie der sollen erstmal lernen, was es bedeutet, Suizid wirklich in Betracht zu ziehen, wahrlich bereit zu sein, seine Existenz zu beenden, sich selbst zu zerstören.
Leider teilt die Einstige diese Ansichtsweise nicht und fürchtet, dass dieses Schwein sich doch selbst umbringen würde, sollte sie ihn verlassen, und das will sie, so hat sie es mir selbst gesagt. Sich selbst als Geisel zu nehmen, ich finde es so dermaßen abartig, widerlich, verwerflich. Und es ist nicht mal so, als hätte er niemanden, würde sie ihn verlassen. Er hat ein soziales Netz, das ihn auffangen würde. Das Witzigste daran ist aber, dass sie früher auch wusste, dass ich suizidal war, dass ich mich gerne selbstverletzt habe, meinen Tod romantisiert. Und dennoch ist sie fremdgegangen, das sogar mit zwei verschiedenen Kerlen und einem Mädchen, die allesamt nichts getan haben, außer ihr wehzutun. Ihr geht es schlecht, sie ist kurz davor, sich zu ritzen, ruft ihren Freund an, der legt gleich wieder auf, weil der keine Lust auf so was hat, spielt lieber mit seinen Freunden Spiele statt sich um sie zu kümmern, und genauso ist es dieses Mal auch, der Dreck kümmert sich nicht um sie, und so heult sie sich bei mir aus, weil ihr »Freund« keine Lust auf sie hat. Ich verachte so was. Gemeinsam haben wir gestern bei Psychiatern in ihrer Nähe angerufen und Mails geschrieben, um zu fragen, ob die noch Plätze frei hätten, weil sie unbedingt neue Medikamente braucht, weil die alten nicht wirken, es nie haben, aber war ihre alte Psychiaterin ein Stück Dreck, das meinte, das Mittel müsse wirken, weil es bei anderen auch schon gewirkt hätte. Zudem geht sie heute noch zum Arzt, weil sie Schmerzen im linken Handgelenk hat. Mal sehen, was dabei rumkommt. Diese Hilflosigkeit von ihr ist so was von ausgeprägt, das mag man nicht glauben. Jedenfalls hat sie an gar nichts mehr Spaß, ich hoffe, dass heute ein paar Rückrufe von den Psychiatern kommen, weil die meisten gestern schon zu hatten oder nicht rangegangen sind, d.h. eigentlich alle, denn hatten wir das Drei-Stunden-Gespräch gegen 20 Uhr begonnen. Es ist schön, wen zu haben, um den man sich kümmern muss. Deswegen mochte ich sie damals sicherlich auch beziehungsweise mag sie noch immer. Wie dem auch sei, ich hoffe wirklich, dass sie den Drecksaffen verlässt. Viecher wie der drohen nur mit Suizid, führen ihn aber niemals aus. Dazu ist er zu feige.
Davon aber mal abgesehen, gestern ist noch was Angenehmes geschehen. Auf Empfehlung der Einstigen habe ich mir ja vor ein paar Wochen Tinder installiert. Überraschenderweise habe ich mit einem Mit-Weeb gematcht, und so kam es zu einem Date in Animal Crossing. Habe eine meiner vielen Goldrosen weggegeben, aber habe ich ohnehin genug davon, so auch überschüssige DIY-Anleitungen, mein gesamter Strand ist voll davon. Hoffentlich wird daraus was. Aber kann ich nur abwarten und hoffen, dass ich interessant genug erscheine. Noch zweieinhalb Seiten bis zum Ende der Entenbibel.
229
Es überrascht mich nicht einmal mehr, dass Leute kein Interesse an mir haben. Bin ich wirklich so langweilig? Bin ich zu zurückhaltend? Bin ich zu unbegabt in menschlicher Interaktion? Eines davon muss es sein, wohl das letzte. Ich werde nicht verstanden, von keinem, und versucht man, mich zu verstehen, so wird man abgeschreckt, da ich mich als scheußliches Untier offenbare. Vielleicht soll es auch einfach nicht sein. Vielleicht bin ich zu Einsamkeit verurteilt, bin verbannt aus der lichten Welt der Freuden, in der so viele andere doch wandeln. Ich verachte die Natur des Menschen. Ich hasse sie. So unfassbar sehr, dass mein Herz brennt, pumpt es, nur um zu sehen das Leid anderer, um mich daran satt zu sehen, um mich selbst besser zu fühlen, denn bin ich nicht der einzige, der leiden muss. Ich wiederhole mich. So will ich die Entenbibel nicht zu Ende gehen lassen, nein. Ich werde mich erneut melden, wenn es tatsächlich etwas zu berichten gibt. Oder wenn ich seine Dornenkrone auf mein eigenes Haupt nehme, was auch immer als erstes eintreten mag.
230: Ende, aber wirklich
»Ente, gib mir deine Krone.«
»Jetzt schon?«
»Ich will mir selbst beweisen, dass ich stärker bin als damals. Gib sie mir.«
»Was aber, wenn du nicht gewachsen bist seit damals, was dann, Jonathan?«
»Sei still und gib sie mir. Ich habe mich verändert. Ich bin kein hautfressendes Ungetüm mehr wie früher. Ich bin stabil.«
»Man ist, was man erlebt hat, und du -«
»Sei still.«
Und still war er. Ente sah sein Gegenüber wehleidig an. »Ich fühle, dass du noch nicht bereit bist, all die Last, die auf meinem Haupt liegt, auf dein eigenes Haupt zu legen.«
»Gib mir deine Krone endlich.« Ente schloss die Augen. »Du wirst es bereuen.« Da nahm er sie ab und hielt sie ihm hin. Sein Körper begann, sich aufzulösen, kleine Fäden wurden in die Länge gezogen, und so fiel die Dornenkrone zu Boden, zu Füßen des Schöpfergottes, während Ente ins Nichts verschwand und seine letzten Worte von sich gab: »Wen hast du, der dir die Last abnimmt, sie dir lindert? Du bist allein, warst immer schon allein gewesen. Du bist noch immer dieselben Person wie früher. Unreif und einsam.«
Der Schöpfergott sah ihm nach, wie er verschwand und nur seine eigenen Erinnerungen bedeuteten, dass er jemals existiert hatte. »Ich bin anders. Ich bin jetzt ich. Ich habe mich geändert.«
Da strömte wirres Gewispere her, huschte es in seinen Kopf und brachte Unordnung in seinen Schädel. »Stirb, lass los, verfall deinem Wahn, lass dich treiben, folge meinen Anweisungen, lass das schwarze Blut fließen, reiße am Fleisch, zerfetze es, lass los, lass los, lass endlich los. Deine Krone, lass sie liegen, sei du selbst, sei ein Tier, verhalte dich wie eines, du hungerst, geh auf die Jagd, all jene, die dir wehgetan haben, such sie heim und tu ihnen das Leid an, das sie dir haben angetan, töte, foltere friss …«
»Seid still! Ich bin anders als früher. Ich stehe darüber, Rache ausüben zu wollen. Ich bin ich, und ich bin ein guter Mensch, ich bin kein Tier, ich bin ich, und ich bin kein Tier!«
»Dein Hunger unstillbar, so lange du musst gieren nach Erfüllung, lass los und tu, was richtig ist. Wer Falsches begeht, der gehört bestraft. Sei ein Racheengel, sei ein Gabriel, nimm dein flammendes Schwert der Vergeltung und zerstöre, vernichte, lösche aus, exterminiere, töte, friss, friss, friss! So viele haben dir Ungerechtigkeit angetan, sorge dafür, dass die Sünder ihre Untaten niemals vergessen, gebrandmarkte Kreaturen, dein Messer führt dich, lass dich führen, schlitz sie auf, dass ihr schwarzes Blut fließt, lass es fließen!«
»Seid endlich still! Ich bin anders. Ich bin nicht mehr euer Spielzeug, also lasst mich in Frieden! Nicht länger gehöre ich euch, nicht länger höre ich auf euch, nicht länger, nein, nie wieder!«
Bahnt sich eine andere Stimme an, klarer als die anderen, keine Amalgamation aus verschiedensten Klängen. Die Menschin. »Du wirst alleine sterben. Du bist alleine geboren worden und wirst alleine sterben. Du warst immer schon alleine. Nie hattest du wahre Freunde. Erinnerst du dich? Du wurdest stets ausgenutzt, und so habe ich dich auch benutzt wie ein Werkzeug, ich hatte Mitleid mit dir, so arm du mir vorgekommen warst … Schwäche wird ergriffen, Stärke wird gefürchtet. Du bist schwach ... Ich musste lachen, als du meintest, du würdest in mich verliebt sein. Du Dreck hattest echt Mumm dazu, es mir zu sagen und zu hoffen, dass es alles gut ausgehen wird. Nie aber ist etwas für dich gut ausgegangen, und so wird es auch weitergehen. Du –«
»Du bist nicht sie. Du bist nur ein Gespenst, dass seinen Zorn an mir auslässt, das mich heimsucht, der ich hohl bin, in der Hoffnung, du würdest meinen Körper übernehmen, Kontrolle über mich gewinnen. Ich lasse euch nicht mehr zu.« Er schluckte, nahm die Krone zu seinen Füßen auf und setzte sie auf sein Haupt. »Ich bin kein Spielzeug. Ich bin eine Person. Ich habe Gefühle. Ich bin Mensch. Ich habe Freunde. Leute, die sich um mich scheren. Leute, denen mein Tod Leid antun würde, und selbst wenn ich ausgenutzt werde, solange ich einen Sinn habe, kümmert mich das einen Dreck!«
Nebel legten sich um ihn und zeigten ihm das Gesicht der Einstigen. »Ich habe dich nie geliebt.«
Jonathan ballte seine Hand zur Faust und riss mit der ihr durch ihr Abbild. »Das ist mir egal. Eines Tages werde ich jemanden finden, der mich lieben wird.«
»Hey, Jonathan.« Die Stimme der Kannibalengöttin. »Du interessierst keinen. Niemand wird das hier lesen außer dir, weißt du?«
»Sei still, Michelle.« Er hatte ihren Namen genannt. Wild kreischte ihre Stimme auf. »Ich werde euch alle nicht länger tolerieren. Ich habe genug von euch allen. Er setzte sich auf den leeren Thron. »Ich bin jetzt in der Kontrolle über mein Leben, nicht mehr ihr. Ich werde glücklich sein, und daran kann keiner von euch noch etwas ändern. Ich werde mein Glück finden, und wenn es Jahre dauert. Ich werde dafür sorgen, dass all mein Leid nicht umsonst gewesen ist. Ich werde leben!«
Jetzt hab ich noch ein paar Teile ausgeschnitten, und nun sind es keine 500 Seiten mehr. Ich glaube, ich belasse es dennoch dabei. Nur um dich zu triggern, denn ich weiß, dass du auch willst, dass es perfekte 500 Seiten sind. Wobei tatsächliche Bücher vor dem Beginn der eigentlichen Handlung bereits Seiten haben, somit wäre die Entenbibel vielleicht doch bei über 500 Seiten. Zumindest wenn sie denn einen wirklichen Druck erhalten sollte. Was ich bezweifle. Doch mag man hoffen. Vielleicht finde ich ja einen Verleger für dieses Werk. Auch wenn sicherlich niemand es verlegen will. Wie auch immer. Zeit, dieses Projekt zu beenden. Bye. Ende!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top