191-200

191: Traum von Neid
Leviathan, die Meeresschlange mit dem Tor zur Hölle im Schlund, umfasst er die Gesamtheit der Welt und bedeutet ihre Grenzen. Sollte er erschlagen werden, die Menschen werden fressen von seinem Fleische, wenn erst vorüber sei das Armageddon, die letzte Schlacht, aus der Gott soll erfolgreich hervorgehen, doch sind Geschichten nur Geschichten und das Mögliche endlich.

Der Schöpfergott sich wiederfand in totaler Schwärze und trotz dessen sich sah in Licht. Der Kopf drehte sich, suchend nach irgendetwas nur, doch war da nichts außer Leere selbst. Da kam an ein Schmetterling, kobaltblaue Flügel mit wirren Inskriptionen, flatterte er an und hinterließ er in seinem Pfad ein Gewässer, unter der Oberfläche er spürte die Präsenz eines Untieres, das war wie kein zweites. Finnen an die Luft drangen, eine gigantische Schlange sich aus den Tiefen erhob, brennendes Maul und tote Augen, glimmernde Schuppen und Zähne wie Säbel. Das Monstrum kam ihm näher, er wie vereist, unfähig, sich zu rühren, sah er hinein in des Untiers Schlund, sah die Menschin, die Menschin-Menschin, die sie ihn hat verraten, sieht er ihren Hund, die sie ihn streichelt, hechelt er fröhlich. Er wollte sein wie der Hund, doch war er ein Wolf, will er reißen, schon damals er hat verzehrt Hundefraß, und nun noch dieser unstillbare Hunger nach Fleische, er war unpassend, nicht erfüllend die Ansprüche. Was beneidete er das Tier, diese niedere Kreatur von einem Hund, was würde er nur tun, um zu sein wie er, um einzunehmen den seinen Platz, doch nein, erinnerte sich er an das, was sie ihm hat angetan, die Schmerzen, die sie ihm hat bereitet, gänzlich wissend darum, Tier eines solchen Wesens er nicht sein wollte, da schloss sich das Maul des Leviathan und das Wasser wich, die Flammen versiegten und die Schlange verlor an Ausmaß, wurde kleiner und kleiner, dass er sie vom Grund aufhob und zerriss, schwarzes Blut ihn bespritzte, die Überreste vergehend binnen Sekunden, die Dunkelheit wich und er sah, dass nur noch übrig waren fünf der Sieben.

192: Traum von Völlerei
Schwarze Wirbel übers Land fegen, verzehren das Leben, Vortex aus Albtraum. Beelzebubs Flüstern sich in den Schädel des Schöpfers frisst.

Zwitschernde Vöglein, picken sie Krümel von den Straßen aus Keks auf. Seen aus Schokolade, Bäume aus Fritten und Sonne aus Pizza, Häuser aus Kuchen. Weite Augen das Paradies besehen, Wesen der Indulgenz schwelgt in zuckersüßer Sünde, nährt sich am Leib anderer, die Leckereien Fliegen, der Geschmack Illusion, betörender Nebel die Lungen füllt, Augen im Himmel, bluten sie Schwarz, formen Pfützen aus Unglück, Münder aus dem Grund sprießen und sie austrinken, Hunger nicht zu stillen, Erfüllung durch Füllung angestrebt wird, eine Kreatur sich aus den Überresten erhebt, fleischiger Körper, eine Masse aus Tod, grauenvolles Jaulen die Ohren betäubt, Klauen die dunkle Sonne ergreifen und zerbrechen, fallen nieder die Scherben Gottes, werden vom Meer aus Pech verdorben, die Heiligkeit wird verunreinigt, gigantische Schwingen Wellen schlagen, eine Spirale aus Zähnen verschlingt, der Hautdämon Jonathan hat überkommen, dunkle Arme aus seinem Schädel hervortreten, greifen sie nach Fleisch und zerren sie es in den Schlund, rinnt Sabber hinunter, Licht versiegt und stirbt letztlich in seinem Angesicht.

193
Heute ist Sonntag, der 21. November. In zwei Tagen ist es so weit, dann werde ich entlassen. Wäre dann zwanzig Wochen hier. Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich darauf freue. Na ja, vielleicht schon etwas, aber das auch nur, weil ich dann alleine sein kann. Eine ungesunde Menge an Gleichgültigkeit erfüllt mich und mein Schädel ist wie ausgehöhlt. Klare Gedanken zu fassen, das grenzt an die Unmöglichkeit. Ich vermute, dass das was mit der Menschin zu tun hat, wahrscheinlich weil diese mir wehgetan hat und ich bis dahin so gut wie konstant an sie habe denken müssen. Doch nun ist da nur noch eine tiefe Leere, wo sie einst Platz gefunden hat. Am Mittwoch habe ich einen Termin mit ein paar Psychologenmenschen, die mich dann begutachten sollen, um herauszufinden, ob ich eine Gefährdung bin oder eben nicht. Wenn das günstigere Ergebnis eintrifft, dürfte ich sogar wieder zurück zur Schule gehen. Ich weiß nicht, ob ich die Menschin wiedersehen will. Ich mag sie noch immer, auch wenn sie mir wehgetan hat, daran kann niemand was ändern. Mit der Kannibalengöttin war es ja ähnlich gewesen, das ging für ganze drei Jahre. Ich bete, dass es diesmal nicht so lange dauern wird. Aber Gebete sind dämlich und bleiben eh unerhört. Es gibt keinen Gott, der über einen wacht. Keinen Gott, der einem Gutes will. Keinen Gott, der wirklich ist. Und doch fühle ich mich unantastbar, unsterblich, tatsächlich göttlich, wenngleich ich um das Gegenteil weiß, mein Schädelinhalt fühlt sich seltsam an, unvertraut.

Schon 193 Einträge, das ist schon eine Menge. Ich habe vergessen, worauf ich hinaus wollte. Ich fühle mich nicht bereit, um zu gehen. Kein Stück. Aber was habe ich hier noch zu suchen? Die haben mir geholfen, so viel sie konnten, und das genügt nicht. Ob ich anderswo Heilung erfahren kann, ich bezweifle es. Ich bin irreparabel. Ein Monstrum. Tod wäre so viel simpler, so viel leichter. Ich habe nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnen würde. Absolut nichts. Müdigkeit mich einnimmt. Zu viel Nahrung eingenommen.

194: Rückkehr
Der Schöpfer erwachte nicht mehr aus seinem Schlummer, träumte er weiter von Hunger, ward er dieser, mit letzter Kraft er sich den Entenlord herbeidachte, und so dieser erschien, goldenes Gefieder und brennende Augen, durchbohrten sie ihn, der Schnabel sich öffnete, herauspurzelten etlose Beschimpfungen, wie könne er es wagen, ihn umgebracht zu haben, doch hörte der Hautdämon nicht, vertilgte er seine eigene Schale, schluchzend lauthals, zerreißend sich die Haut, dass Blut rann hinunter auf den befleckten Boden, schmerzvolle Schreie die Einöde durchkämmten, nährten sie ihn. »Ente …« Der Lord sah ihm in die Augen, glühend und gequält der Blick, in seinem Inneren der Zorn des Flammenschwertes wütete, ihn tormentierend. »Tötet mich … Nehmt mir meine Krone ab und regiert über die Welt. Ich … Ich bin zu schwach, zu menschlich. Nur Ihr könnt sie tragen. Ihr seid der einzig wahre Gott. Nehmt sie … Nehmt nur!«

Ente kniete sich hinunter zum sich wälzenden Körper aus Albtraum, versuchend, sich das Feuer zu ersticken, doch brannte es unabdingbar fort, schrie er ohrenbetäubend auf und unterlag der Hölle in seinem Kopf, da nahm der Lord die Dornenkrone von ebendiesem und setzte sie auf seinen eigenen Skalp. »Danke dir, dass du mich zurückgeholt hast. Du hast dich gut geschlagen, doch bist letztlich noch immer imperfekt. Dein Opfer soll mir eine Lehre deines Willens sein, aye.« Der Lord sah sich um. Vier Schatten ihm gegenüberstanden, ominöse Bedrohung von ihnen ausging, Augen sich in sein göttliches Fleisch bohrten, da fragte er, wo der fünfte von ihnen sei, doch fand er sich seine Antwort selbst und blickte bemitleidend nieder zum Kadaver des Schöpfergottes, der langsam von einem schwarzen Strudel aufgesogen wurde, Fäden ihren Weg zur Krone fanden. Er streckte den vier Gestalten ruhig die Handfläche entgegen. Ein brillantes Licht erschien und vernichtete sie binnen eines Wimpernschlages. Der Thron fing seine Aufmerksamkeit. Abermals hob er die Hand und ließ ihn verschwinden. »Sakrileg!«, riefen einige Seraphim, den Weg hoch in den Thronsaal gefunden habend, doch auch sie wurden ausgelöscht. »Verreckt mir allesamt, ich mach einfach den kompletten Himmel kaputt.«

195
Keine vierundzwanzig Stunden mehr, dann werde ich entlassen. Ich bin nicht bereit. Kein Stück. Ich will auch nicht zurück zur Schule, will die Menschin nicht wiedersehen müssen, will ihr nicht in die Augen schauen, nicht mit ihr sprechen müssen. Und doch verlangt ein Teil von mir nach nichts anderem als Selbstzerstörung. Ich weiß, was die Menschin ins Rollen gebracht hat. Bloß das volle Ausmaß ist mir noch ungewiss. Ich will es sehen. Ich will alles betrachten. Wahrscheinlich weiß die ganze Klasse davon. Aber ich will es zu hundert Prozent wissen. Die Lehrer wissen es, denn mussten die beisammenkommen, um überhaupt einen Verweis auszusprechen. Der Schulleiter weiß es, so ich über ein Telefonat mit der Wohngruppe habe herausgefunden. Dann also auch die Schülerschaft, nicht? Wurden sie befragt wohl, ob ich deren Haut auch wollte? Mitnichten Geringeres. Menschin, ich will, dass du mich ein Untier nennst, so wie die Kannibalengöttin es hat getan. Noch immer bist du mein Gott, deine Taten tun so weh, aber ändert sich daran nichts. Mittwoch die Begutachtung, bei den Höllen, ich werde so unschuldig sein wie ein Kind, sollen die mich nur als keine Gefährdung einstufen, ich will wissen, wie ihr Blick sein wird. Ob sie Abscheu empfindet oder gar Reue? Ich hoffe auf Letzteres. Sie soll nur der Selbsthass fressen, soll sie gemeinsam mit mir untergehen, ich verachte sie so unfassbar sehr, doch nicht mehr als mich selbst. Ich will, dass sie Zeuge meines Todes wird, wen kümmert die Kannibalengöttin, ihre Glubscher sollen mich stürzen sehen, ich will, dass sie sich erinnern wird bis zu ihrem letzten Lebtag. Sie war mir das letzte Lebenswerte und sie hat mich verraten. Dir habe ich es anvertraut und du hast es allen erzählt. Untier. Ich bin keines. Ich bin Mensch. Untier, hör auf damit, Untier, ich verabscheue dich, Untier, wieso hast du das nur getan? Hasst du mich so sehr? Verabscheust du mich so sehr? Wieso nur? Warum verachtest du mich? Erzähl es mir, ich will es wissen. Muss mich irgendwie beruhigen. Hunger, so unfassbar groß, ich giere nach Inhalt, bin ausgelöffelt, Verstand mir genommen, ich habe Hunger, kann ihn nicht stillen, kann Pizza bestellen, nein, will nicht, will doch, nein, hör bitte auf, ich will alleine sein endlich, hör auf, du bestellst dir jetzt Pizza, du willst Inhalt, dann nimm dir welchen, bitte, ich will nicht mehr, ich will nicht, will nicht, will nicht, will meine Ruhe einfach, ich hasse dich, ich hasse mich, du hasst dich, hör auf, Stopp, hör bitte endlich auf.

196: Konversation III
»Schmutz.«

»Lord?«

»Aye, wer sonst bitte?«

»Lasst mich alleine.«

»Ansonsten?« Stille. »Bist ziemlich im Eimer, da kann ich dich doch nicht sterben lassen. Dein Ende wird noch dauern. Ein friedvoller Tod im hohen Alter. Klingt schick, nicht?«

»So lange will ich nicht leben müssen. Das halte ich niemals so lange aus.«

»Musst du auch gar nicht. Lass mich übernehmen. Ich trage nun die Dornenkrone, lass all dein Leid mich befallen, ich werde es für dich ertragen.«

»Und dann verschwindest du wieder.«

»Du missverstehst wohl. Ich bin jetzt du. Du hast nicht mehr die nötige Kraft, um mich ein weiteres Mal zu töten. Ich bin Gott.«

»Und ich? Was passiert dann mit mir?«

»Du bleibst natürlich erhalten. Nur schieb ich dich dann etwas mehr in den Hintergrund, aye? Wenn du willst, kannst du mir zuflüstern, wie ich zu handeln habe, doch solltest du wieder einen Dreck faseln, dass du sterben willst, dich sperr ich gänzlich weg. Dieser Körper ist nun meiner, Er steht allein unter meinem Kommando. Du bist bloßer Observant.«

»Befällt mich dann aber auch wirklich kein Leid mehr?«

»Ich wiederhole, die Dornenkrone lastet nun auf meinem Haupt. Ich bin deine Rüstung und du bist das mickrige Ding, das sie schützt. Verstanden?«

»Ja.«

»Dann übernehme ich nach deinem nächsten Erwachen. Tu dir was Gutes und bestell dir was Schickes, ja?«

»Okay. Und danke dir.«

197
Ich verachte Leute, die Drogen jeglicher Art konsumieren, insbesondere diejenigen, die damit noch prahlen. »Seht alle her, was für ein Verlierer ich bin!« Solche Viecher sind reinster Überfluss, eine Pest. Selbst die Menschin hat solche Tiere noch verteidigt, aber ist die nun eh für Jonathan gestorben, wenngleich ich seinen Hass und seine Enttäuschung nicht teile, ich kann ihn verstehen. Genauso gehen mir Gläubige auf die Nerven. Betet nur euer goldenes Kalb an, es wird euch keine Erlösung geben. Nach eurem Tod erwartet euch nichts als die Inexistenz, am schlimmsten sind die, die einem noch sagen, dass man für irgendeinen Dreck aber nicht in den Himmel käme, aber gibt es eh keinen, genauso wenig eine Hölle oder ein Fegefeuer, eure heiligen Bücher sind mit Blut geschrieben worden, und ihr seht einfach über die Dinge hinweg, die ihr nicht sehen wollt, blendet sie aus, weil euch sonst die Realität packen würde, die Blase platzt und ihr wärt in tiefer Verzweiflung, wissend um die Nichtigkeit all eurer Taten, ich verabscheue solche Kreaturen, die sich selbst noch als Mensch betiteln dürfen. Ginge es nach mir, die ganzen Religiösen wären fort, der Verstand und die Vernunft würden herrschen und alle würden realisieren ihre Fehler, aber bin ich nur in Jonathans Vorstellung ein Gott, der fähig dazu wäre, im echten Leben aber bin ich nichts weiter als ein Splitter vom Wesen, das den ganzen Jonathan ausmacht, ich bin sterblich und unfähig, menschlich. Und eben das widert mich an, zu wissen um meine wahre Natur, wo ich doch so viel mehr bin als das. Ich gebe zu, Jonathan zu spielen ist lästig, unfassbar sehr. Aber was bleibt mir übrig, hm? Ließe ich Jonathan-Jonathan wieder ans Steuer, ich würde wahrscheinlich sterben, da helfen auch keine Tabletten oder Pillen, bei den inexistenten Göttern, der Kerl ist durch. Na ja. Ich sollte wohl schlafen gehen, meinen Körper darauf einstimmen, früher aufzustehen, damit ich nicht verschlafe, wenn ich wieder zur Schule darf. Die Begutachtung jedenfalls lief noch besser als erwartet. Wurde für etwa eine halbe Stunde ein paar Dinge gefragt, der Fokus schien auf der Frage zu liegen, ob ich schizophren sei oder nicht, und um ehrlich zu sein, die Wahrscheinlich ist eigentlich nicht allzu gering, wenn man die Fakten betrachtet. Bei mir vermischen sich oft Fakt und Fiktion, Stimmen zudem höre ich schon länger, das erste Mal mit 11 oder 12, wenn ich nicht irre, damals waren es oftmals Schreie, im Wandel der Zeit transformierte es sich dann eher zum Gelächter, ab der Depression, also seit April dieses Jahres, war es schon so etwas wie eine Art Kommando, sich umzubringen. Habe ich da natürlich nicht erwähnt, weil die Fragen nicht wirklich spezifisch genug waren, aber ist es vielleicht besser, nicht als schizophren zu gelten, zudem die Medikamente gegen Psychosen helfen, das alles ein bisschen klarer wirken zu lassen. Eine Fremdgefährdung bin ich jedenfalls nicht, und das ist ja das Wichtigste, nicht wahr?

198: Konfrontation
Die im gleißenden Licht des Flammenschwertes brennenden Himmel waren nicht mehr. Ente hatte sie ausgelöscht, und mit ihnen die Engelscharen, auf dass ihre leblosen Körper niederregneten wie Hagelkörner, bombardierend die Ländereien und zerstörend ganze Städte, in Schutt und Asche die bemitleidenswerten Bewohner hüllend, Paläste und Mauern zerbrachen, Felder wurden verwüstet und Häuser vernichtet. Es war an der Zeit, dem größeren Kreislauf der Welten zu folgen, der Kampf gegen die Menschenfressende stand kurz bevor, und das Ergebnis stand bereits geschrieben.

Der Lord bahnte sich durch den aufgewirbelten Staub und Schmutz. »Menschin, wie ich merke, hast du genügend Federn beisammen.« Sie stand ihm gegenüber, reglos, der Blick fest und determiniert. »Dein Hunger unstillbar, ich weiß darum, lasse dich von mir besiegen, auf dass ich ihn dir stillen mag.« Die Menschenfressende trat kräftig nach vorne, weit mit dem Schwert aus Feuer ausholend, die Luft zerschneidend. Ente wich gekonnt zurück und riss sich einen Teil seiner Haut ab, entblößend seine Göttlichkeit, ein schwarzes Loch unter seiner fleischlichen Hülle. Aus der gefiederten Haut formte sich eine Lanze, die sagenumwobene Longinuslanze, die einst das Blut des alten Tyrannengottes gekostet hatte. Er hüpfte zur Seite, knapp einem weiteren Hieb entkommend, und stach zu, doch wurde die Spitze von einer schattenartigen Hand umklammert, die aus dem Rücken der Menschin ragte, und weggerissen, gefolgt von noch abervielen mehr, wild um sich greifend, Entes Gefieder packend und zu ihrem Maulwerk zerrend, da löste sich seine Hülle gänzlich auf und die schwarze Kugel entfloh ihrem Griff, aus ihr auch etliche Hände reichend, greifend nach einem der Gefallenen, schlüpfte der Lord in dessen Haut und wurde sogleich vom Flammenschwert dekapitiert, aus dem Torso des einst Vierköpfigen sprangen mehr dunkle Fangarme hervor, Hände zu Klauen, das Schwert kam auf ihn herab, da öffnete sich ein Maul in den Händen und sog es in sich, der Griff der Menschenfressenden angespannt, versuchend, bloß nicht loszulassen, all ihre anderen Hände sie zum Griff legte, da ließ Ente los, die Menschenfressende wankte zurück und schon hatte der Entenlord ihre Göttlichkeit in den Fingern, biss ab und schubste sie zurück, geschlagen sie zu Boden fiel. Die Flammen versiegten.

199
Ich vermisse es, mit der Menschin zu interagieren. Zwar hat sie mir wehgetan, doch sind die Wunden schnell geheilt und hege ich keinen Groll mehr. Ich weiß noch immer nicht, wann der Schulleiter sich jetzt endlich mal entscheidet, ob ich wieder zur Schule darf oder nicht. Das Verbot, mit irgendeinem meiner Mitschüler Kontakt aufzunehmen, das setzt mir wohl am meisten zu. Das Bedürfnis, mit der Menschin zu interagieren, ich kann es nicht stillen. Immer noch ist sie mir ein Licht in der Finsternis, und das vermag ich nicht ändern zu können. Ich will sie fragen, ob sie mich hasst. Falls sie es tut, wird es wahrscheinlich so wie mit der Kannibalengöttin damals. Wenn denn aber nicht, ich stelle mir das Szenario wirr vor. Ich weiß nicht, wie wir zueinander stehen. Sie wollte noch einen Oktopus von mir gehäkelt bekommen. Ich will ihr Geschenke machen, meine gesamte Freizeit darin investieren, ihr so viel Freude wie möglich zu bereiten. Ich will sie fragen, ob sie ihn noch immer haben wollen würde. Ob sie mich für ein Untier hält oder noch immer einen Menschen, trotz des Wissens, dass ich Leuten nichts lieber als größtmögliches Leid wünsche. Ich wollte sie nicht erschrecken, aber habe ich das offenbar. Tatsächlich so sehr, dass sie sich gezwungen sah, zur Polizei zu gehen. Wie lange ist das schon her? Drei Wochen? Vielleicht vier. Ich will mich bei ihr entschuldigen. Würde sicherlich aber rechtlichen Ärger kriegen, sollte ich das jetzt schon tun, drum unterlasse ich es lieber, auch wenn ich es tun wollen würde.

Habe mir mittags Pizza bestellt, nach dem Verzehr geschlafen bis 17 Uhr. Ente ist mittlerweile am Schlafen, so fühlt es sich an. Fühle mich jedenfalls gut gerade. Ausgeruht und gesättigt. Morgen gehe ich zur Bank, mein Taschengeld sollte mittlerweile auf meinem Konto sein, dann hole ich mir Karten, um mein Infernoble-Deck mit Drachossack und co. aufzurüsten. Letzten Montag war ich zum ersten Mal zum Spielen bei meinem Locals, das ist recht gut gelaufen, habe einmal gegen einen Marincess-Spieler gewonnen und dreimal verloren, zweimal gegen Drytron und einmal gegen Shaddoll Invoked. Numerons können leider wenig tun, wenn die einem Konstrukt gegenüberstehen. Habe Optimierungen durchgeführt, es sollte jetzt eine höhere Chance auf Sieg haben. Ich aber gehe dennoch erst wieder hin, wenn meine neuen Karten angekommen sind. Muss dem Tavormenschen auch noch Karten holen, aber kann das noch etwas warten. Ich sammle erst das Geld von Weihnachten und meinem Geburtstag an, dann steht die Möglichkeit zur Verfügung. Sollte auch mal wieder mit ihm Schach spielen, wenngleich meine Siegeschancen gering sind.

Habe Hunger, obwohl ich satt bin. Würde mich übergeben, wenn ich noch mehr esse. Lass es also lieber. Hätte statt Pizza was anderes kaufen sollen. Aber bin ich zu faul, um einkaufen zu gehen, und dies ist der Preis, den ich dafür zu zahlen habe. Neulich gab es den Jahresrückblick von Spotify. War wieder in den 0.005% der Hörer von Little Dragon. Ziel für das nächste Jahr: 0.001% von St. Vincent. Höre seit Tagen »Actor out of Work« auf Dauerschleife. Ich glaube, ich esse noch ein Stück Pizza, aber nur eines.

200: Gott
Gott. Perfektion, ist das oberste Wesen unfehlerhaft? Warum würde es dann angebetet werden wollen, droht ansonsten mit eternaler Agonie im Reich der Gefallenen? Leute sollten keinem Gott danken. Er benötigt keinen Dank, genauso kein Gebet oder sonst etwas. Gott in seiner Natur ist perfekt. Der Ouroboros. Er frisst sich selbst und formt das Endlose, formt die Welt. Die Welt ist das Reich Gottes, die Himmel nichts als Aberglaube, denn sind sie zerbrochen. Gott hat keine Ohren, denn bedarf es keinem Hörorgan. Wozu also beten, zu hoffen auf Hilfe eines Wesens, das sich nicht beweisen muss. Vielmehr ist es die Aufgabe des Sterblichen, sich seine eigene Welt zu kreieren, wenn auch seine Ideale mit denen anderer inkompatibel sind. Allein der Fakt, dass Mensch angebetet werden will, zeugt von seiner Unheiligkeit, seiner Torheit, wahrhaftig sich seiner gleichzustellen. Mensch soll leben, wie er mag, nicht folgen falschen Propheten, nicht fallen in ein Loch, das ihm ein goldenes Kalb ist. Eine jede Religion ist falsch, selbst das Ententum, denn die Wahrheit ist unbegreiflich. Selbst der Entenlord ist kein wahrer Gott. Gott hat keine Identität. Er ist, ohne zu sein. Er ist blind und taub und ohne Sinn, sein Körper die Welt, die wir inhabitieren und ausbeuten, die wir ausschlachten. Das ist seine Bestimmung, uns zu dienen, seinen Kindern, uns zu nähren. Und wenn sein letztes Kind gestorben ist, wird auch er nach aberlosen Millennia sterben, in die Inexistenz gleiten wie eine Welle.

Und doch ich rede von Gottwesen, Menschen, die sie auf ihre eigene Weise fehlerhaft sind. Sie sind sterblich, vergängliche Kreaturen, wie Träume. Vergessen nach dem Aufwachen, so viele bereits gekommen und gegangen. Und weil es keinen wahren Gott gibt, der angebetet werden kann, denn ist er nicht, obwohl er ist, bezieht sich das Objekt der Anbetung auf das menschliche Wesen. Falscher Gott im Fleische, Erfüllung närrischer Bedürfnisse, zu wünschen sich Schutz und noch mehr, der Mensch ist imperfekt, so er geschaffen. Der Hunger ist endlich fort.

Ende.

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