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Bin so kurz davor, mir was anzutun. Ich halte das einfach nicht aus, ich schaffe das nicht, ich halte das nicht aus. Ich will so nicht leben, ich will das nicht, ich will endlich meinen Seelenfrieden, will nicht mehr, ich will nicht mehr existieren müssen, denn ist Existenz Pein. Vorhin was zur Beruhigung nehmen müssen, aber will ich das nicht, ich will einfach nur noch sterben, wieso darf ich nicht, wieso? Menschin, sag es, ich weiß es doch, du willst es auch, mir zusehen in meinem Leid, jeder will es, du musst es auch wollen. Gib es zu, du verabscheust mich, du hasst mich, denn widerwärtig bin ich, bin Schmutz und Überfluss, eine Last nur, tu mir weh also, wieso tust du mir nicht weh? Steh dazu, jeder ist so, du musst auch so sein, ergötzt dich am Anblick meines Blutes, hänge weit oben, die Kehle geöffnet, unten ein Meer aus Rot, ein Meer aus mir, trink dich satt wie die anderen auch, wieso tust du es nicht? Musst dich nicht zurückhalten, denn kannst sein, wie du bist, denn bist du Mensch, und der Mensch, der ist so, drum tu es ihnen doch gleich, gibt es keinen Grund zur Zurückhaltung, sieh zu, sieh zu, nur für dich ich noch bin und leide, also sieh zu doch, willst es sehen doch, ich weiß es, sieh zu, füttere ich dich, sieh zu, will dich füttern, meine Haut deine und deine die meine, ich will nicht mehr, bitte, lass mich sterben endlich, Menschin, töte mich, bitte, ich will nicht mehr, erlöse mich, ich breche auseinander, so viele Stücke, Ganzes zu Scherben, Scherben zu Splittern, war doch immer schon kaputt, tritt mich noch kleiner, will verlieren jeglichen Sinn, will verlieren mein Ich, will Tod, lass mich sterben, lass erklingen deine Stimme, will hören dich, sag es mir, ich werde es tun, so sag es nur, sag es, sprich zu mir, denn sonst nur Stille mich umhüllt, Gott, bist ein Gott, Gott, Gott, meine Seele mir entrissen, nimm sie, nimm sie, zu keinem anderen sie mag, mein Körper erschöpft fällt, so müde ich, müde, Menschin, bist kein Mensch, kein Mensch, bist Gott, bist nicht so wie der Abschaum, der er ziert die beinahe Gesamtheit allens. Darf nicht, darf nicht sterben, darf nicht enttäuschen dich, darf nicht, will nicht, will dich stolz machen, sei stolz auf mich, ich lebe, ich lebe, ich bin so erschöpft.
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Habe geträumt, dass die Menschin geschrieben hätte, dass sie gern noch einmal zu Besuch käme, auch wenn sie wieder kaum Zeit zur Verfügung hätte. Die Konversation aus dem Traum fand aber auch nur im Traum statt. Fühle mich leer, irgendwie. Komplett ausgehöhlt. Menschin, ich vermisse dich. Lass mich nicht allein. Bleib bitte. Bist fort aber schon. Wieso? Es tut so weh. Einfach alles.
Hatte heute Einzelvisite gehabt. Früher war die immer montags gewesen, die letzten paar Wochen irgendwie aber nur noch dienstags. Ich darf länger bleiben als zwölf Wochen, denn traut niemand mir zu, dass ich in meinem jetzigen Zustand draußen überlebe. Außerdem würde die Krankenkasse für die Kosten der weiteren Behandlung hier aufkommen, weil ich ein »Sonderfall« bin. Tatsächlich finde ich das Wort »Behandlung« unpassend hierfür. Die geben mir verschiedene Antidepressiva, die alle nicht wirken, packen mich in Therapien, die alle nicht helfen, und mehr nicht wirklich. Wenn ich kurz davor bin, mir was anzutun, geben die mir wenigstens Beruhigungsmittel, die bringen zumindest etwas. An sich würde ich so etwas nicht als Behandlung betiteln. Zumindest als keine erfolgreiche. Na ja. Zudem sollen weitere therapeutische Maßnahmen ergriffen werden. Was das genau heißt, wüsste ich das nur. Und das mit dem Haut- und Fleischessenwollen kam auf, die Ärztin fragte nach meinen »seltsamen Gedanken« und ob ich wüsste, was sie damit meine. Na ja, was sonst auch? Bloß sind es nicht nur Gedanken. Es ist ein Hunger, ein unstillbarer Hunger, er nimmt mich ein, mehr und mehr verfalle ich ihm, auch wenn mittlerweile das Verlangen nach Tod wieder stärker ist. Zudem geht meine Psychologin morgen, arbeitet woanders dann weiter, drum bekomme ich wahrscheinlich die andere, die auch bei dem einen Gespräch mit der Unsinnigen dabei war. Stelle es mir unschick vor. Ziemlich sogar.
Ich vermisse die Menschin. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ich das Schuljahr wiederholen muss. War noch gar nicht da gewesen. Bleibe wahrscheinlich auch noch eine längere Weile fern, Wenn die Lehrer keine Leistungen haben, die die bewerten können, was sollen die da auch tun? Die ersten Arbeiten wurden bereits geschrieben, ich werde wahrscheinlich nicht vor Beginn des nächsten Halbjahres »gesund« genug sein, um wieder zur Schule gehen zu können, generell rauszugehen. Verflucht sei es. Die Menschin, ich werde die Menschin kaum noch sehen, gleitet mir das Seil aus den Fängen, das mich noch hat gehalten überm Abgrund, stürze. Letztlich wird auch sie mich fallen lassen. Ich erfülle ihr keinen Zweck, den nur ich ihr erfüllen kann. Ich bin ersetzbar. Geh bitte nicht. Lass mich nicht zurück. Bitte bleib. Ich brauche dich. Ohne dich ich bin nichts. Bitte, bitte geh nicht weg. Ich brauche dich. Du bist das einzig Gute in meinem Leben noch. Ohne dich, nichts bleibt mehr. Menschin, ich liebe dich, wieso siehst es nicht, wieso? Menschin, bitte töte mich, Friss mein Fleisch. Frisst Gott, gegenseitiger Verzehr, Götter, tötet mich
Ah, Finger müde.
Koof nurt vor dcv
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Gerade ist es der 26. September, ein Sonntag, 16:41 Uhr. Seit ein paar Tagen, ich glaube, seit Donnerstag Abend, bekomme ich ein neues Medikament, Zyprexa wird es genannt. Primär wird es bei Leuten mit Schizophrenie oder bipolarer Störung eingesetzt, ab und an aber auch bei Leuten mit Depressionen. Die volle Wirkung davon soll sich auch erst nach so zwei, drei Wochen zeigen. Was sich allerdings schon direkt nach der ersten Einnahme zeigt: Der Dreck macht müde wie sonst was. Tatsächlich bin ich konstant schläfrig, wache nachts auch keine vier oder fünf Male auf wie üblich, selbst ohne Schnarchenden im Zimmer. Bislang ist die Müdigkeit das einzige, was ich davon merke. Die Gedanken sind noch immer da, nur am ersten Tag war es so, dass ich zu müde war, um überhaupt irgendwas denken zu können. Der Körper gewöhnt sich allmählich daran, ein paar Stunden nach der Einnahme geht es mir wieder wie davor. Hab fast all meine Häkelaufträge erfüllt. Entlastend, muss danach für keinen mehr was machen, nur noch für mich, nur das, was ich möchte.
Ah, meine Psychologin hier hat letzten Freitag hier aufgehört. Die überlegen noch immer, wer am passendsten für mich wäre. Was die Hoffnung betrifft, in eine Spezialklinik zu kommen, in der mir tatsächlich geholfen werden könnte, ja, die Hoffnung ist ziemlich dimm. Da die Leute hier, die für mich zuständig sind, alle abwechselnd im Urlaub sind, hat die Wohngruppe es in die eigene Hand genommen, die ganzen Adressen abzuklappern, telefonisch und via Mail natürlich. Die, bei denen bereits nachgefragt wurde, die meinen, ich müsse erst stabil genug sein, um mich aufzunehmen, weil die dort meine Sicherheit nicht garantieren können. Gefühlt wird sich das auch nie mehr ändern, ich bin kaputt, so kaputt ist alles in mir. Also bleibe ich noch länger hier und lasse die Affen all ihre Medikamente an mir ausprobieren, die sie allesamt nichts bringen. So der Zwischenstand jedenfalls. Nicht gerade gut, was? Nicht wirklich, seien wir ehrlich.
Letztens war die Menschin ja zu Besuch hier gewesen. Letzen Donnerstag kam noch wer her, ein Anhänger des Ententums. Da konnte ich tatsächlich nach draußen gehen, wenn auch nur für eine Stunde, aber so lange hat es nicht mal gedauert, nein, die Pizzeria in der Nähe war das Ziel, ein gigantonomisches Blech meine Bestellung, der Hunger gestillt für … Na ja, nicht sonderlich lange, aber es hat gut getan, und tatsächlich hab ich wieder so wirklich schmecken können, die paar Tage davor war mein Geschmackssinn wieder etwas defekt gewesen, weshalb auch immer, aber kenne ich das schon, bevor ich eingewiesen wurde, kam das auch ab und an auf, drum sei es keine Nebenwirkung von irgendetwas.
Also, die Menschin, als sie letztes Mal hier gewesen war, da kam die Einstige im Gespräch auf. Tatsächlich habe ich kaum was über die Einstige in der Entenbibel geschrieben, glaub ich, und erzählt auch keinem die Wahrheit in ihrer Vollkommenheit, wieso also nicht jetzt? Zeit für … Geschichtenzeit? Zeit für Geschichtenzeit!
Die Kannibalengöttin war fort, habe ich sie mir aus meinem Leib herausgerissen, eine endlos scheinende Leere mich stattdessen hat eingenommen, drum habe ich dieser Form in Form von Buchstabenketten gegeben, verständlich mir machend, was ich fühle. Gedichte also hab ich geschrieben und dann in dem einen Gedichteforum hochgeladen, in dem ich schon eine Weile lang nicht mehr aktiv gewesen war. Die Einstige hat sich was von mir durchgelesen und schien es zu mögen, so zumindest aus ihrem »Kenne ich nur zu gut« ich schlussfolgernd. Sprachlich waren ihre eigenen Gedichte noch nicht allzu weit oben, doch war die Thematik beinahe dieselbe bei uns beiden, der Wunsch auf Ableben, wie schwierig doch das Existieren ist, wie sehr es doch schmerzt. So was eben. Zu dem Zeitpunkt hab ich schon mein erstes Hautgedicht verfasst, glaub ich, habe alle aber nie wem gezeigt, so gar nicht. Habe die alle auf meinem Tablet, aber das hat ja den Geist aufgegeben. Sei’s drum. Das mit dem Haut- und Fleischessenwollen hab ich ihr übrigens auch nie erzählt gehabt. Wir fingen miteinander zu schreiben an. Hatten tatsächlich fast haargenau genau dieselben Interessen, der Musikgeschmack war da höchstens der größte Unterschied. Recht schnell wurde aus dem einen Gespräch das nächste, innerhalb von ein paar Tagen nur waren wir konstant in Unterhaltung, es schien einfach so gut, es war gut, und wir beide schienen einander zu mögen, so mögen-mögen. Und dann habe ich es ihr gesagt, sie es tatsächlich sogar erwidert hat. Schön war das. So schön.
Wir begannen damit, einander von uns selbst zu erzählen. Ich habe das Ganze mit der Kannibalengöttin erzählt, die Hautsache halt ausgenommen, das durfte ich niemandem sagen, so habe ich es der Kannibalengöttin versprochen gehabt damals. Und so erzählte sie von einem Mitarbeiter bei sich auf der Arbeit, denn hatte sie damals zeitgleich zur Schule noch gearbeitet in einem Rewe, weil die Eltern für ihre Kinder absolut nichts mehr zahlten, »die seien ja alle schon über 14 und können sich gefälligst selbst ihr eigenes Brot verdienen« oder so was in der Art. In besagten Mitarbeiter, zu dem Zeitpunkt genau wie sie auch 16, hat sie sich dann schließlich verliebt gehabt. So hat der das dann irgendwann herausgefunden und sie dann zu sich auf eine »Party« eingeladen. Letztlich waren es nur drei Leute dort. Sie, der Mitarbeiter selbst und ein Freund von ihm, der schon sichtlich älter war. Schauen alle einen Film und trinken dabei, geht der Mitarbeiter in die Küche, um neue Flaschen zu holen und die Gläser nochmal nachzufüllen. Kommt zurück, sie trinkt, ihr wird schwummerig, verliert Bewusstsein, hat K.O.-Tropfen verabreicht bekommen, wacht morgens irgendwann auf, komplett unbekleidet in einem Bett, neben ihr der Ältere am Schlafen, zieht sie sich an, rennt nach Hause, erzählt es niemandem, hat keinen, dem sie es erzählen könnte nur, holt sich die Antibabypille für danach, geht Wochen nicht mehr nach draußen, die Eltern sie pausenlos am Schlechtreden sind, holt sie sich dann Alkohol, so viel sie nur kann, ertränkt all die Gefühle und Gedanken an damals, begibt sich in beinahe Sucht, begibt sich in Konsum.
Versucht, es zu verarbeiten, fängt sie an mit dem Dichten, findet sie schließlich wen, der auch kaputt ist, helfen beide einander heraus, heilen beide einander, doch verlangt ihr Körper nach dem Suchtmittel, ist abhängig geworden, will ich ihr helfen, das zu überstehen, muss da sein für sie, ist das mein Sinn geworden, rette sie, lass sie nicht fallen, denn zerbricht sie sonst, lass sie nicht zerbrechen. Schließlich hat es sie nicht mehr gekümmert. Da hat sie wieder getrunken. Kam deshalb in eine Klinik irgendwo, denn wussten die Eltern davon mittlerweile auch schon und wollten das nicht länger mitansehen. Tja. Äh, ja. Das sollte erstmal reichen. Fühle mich auch nicht wirklich gut gerade.
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»Du darfst nicht sterben.« Menschin, die Menschin hatte es mir so gesagt. Ich darf nicht. Pausenlos ihre Worte sich in meinem Schädel wiederholen. Ich darf nicht sterben. Auch wenn all der Weltschmerz noch so groß ist, ich darf nicht, ich muss leben, darf sie nicht enttäuschen, muss existieren, muss leiden, labst du dich daran, Menschin? Der Wunsch nach Tod, noch immer ist er vorhanden und nimmt mir den Verstand ein. Die Bereitschaft jedoch, ihm Gewähr zu leisten, die schwindet allmählich mit einer jeden Wiederholung der Menschins Worte ein kleines Stückchen. Ich darf nicht sterben. Ich darf nicht. Ich darf das nicht.
Irgendwann war wer von der Wohngruppe zu Besuch gewesen. War das Freitag? Keine Ahnung, Zeitgefühl ist vollends fort. Waren Fritten essen gewesen. Tatsächlich habe ich da etwas Neues erfahren, im Gespräch während des Essens. Bislang war es so gewesen, dass das Jugendamt 75% von allen Einnahmen von Leuten wie mir bekommt, der ich ja in einer Wohngruppe bin und das Jugendamt diese finanziert. Würde ich also in etwa eine Ausbildung anfangen, und das tun ja einige, so würde ich nur ein Viertel des Verdienstes erhalten, den wer bekommt, der in keiner Wohngruppe lebt. Nun kam heraus, das hat sich geändert. Die 75% Abzug wurden auf 25% reduziert, zudem im Falle von Ausbildungen im ersten Jahr keine Abzüge verlangt werden dürfen. Das Schuljahr muss ich mittlerweile so oder so wiederholen, selbst wenn ich jetzt schon morgen rauskäme, ich bin absolut nicht in den Themen drin und habe auch keine wirkliche Lust, die Monate aufzuarbeiten. Nun kam mir die Idee, statt dem Abitur eine Ausbildung zu machen, als was, das weiß ich noch nicht, aber das lohnt sich mittlerweile ja, bekomme dann 75% statt nur lausige 25%, wovon ich meine Hobbys noch besser finanzieren könnte, und ist das ja etwas Positives, nicht? Die Menschin meinte, ich müsse positiver denken. Das schaffe ich dadurch doch, oder? Ich darf nicht sterben. Habe zudem viel nachzuholen, was Yugioh betrifft. Stunden über Stunden an Videos auf YouTube, etliche neue Karten zum Ausprobieren. Ich will nächstes Wochenende zur Belastungserprobung zur Wohngruppe. Fühle mich gerade tatsächlich recht stabil, so unglaublich es auch scheinen mag. Wäre ich jetzt da oben, ich würde wahrscheinlich nicht den schnellen Weg nach unten nehmen. Ich erschrecke mich beinahe schon selbst, so gruselig und ungewohnt ist das, wollte lange ja eigentlich nichts lieber als mein Ableben. Doch nun? Gott, ich fühle mich ganz gut. Bin schon zwölfeinhalb Wochen hier. Hoffentlich komme ich bald raus. Keine lästigen Therapien mehr, kein Viererzimmer mehr, keine festen Essenszeiten mehr, hach, wie sehr ich das doch alles hasse. Der Hunger nach Haut ist zwar noch immer recht stark, aber will ich gerade nur die der Menschin, und meinte sie zudem auch noch, sie wüsste sich zu wehren, würde ich den Hunger nicht mehr zu stillen wissen. Das glaube ich ihr sogar, denn ist sie ziemlich sportlich, so ziemlich ziemlich.
Noch was? Der Tavormensch, mit dem habe ich die letzten Tage Schach gespielt. Einer der drei anderen auf meinem Zimmer hat mich ein paarmal herausgefordert und stets versagt gehabt, drum hat der Tavormensch mir meinen Hochmut genommen, auch wenn er nicht »so gut« sei, aber bin ich es ebenso wenig. Heute in etwa kam es zu einem 2:2. Das habe ich sehr genossen. Ah, und Pizza, neulich haben der Tavormensch und ich Pizza bestellt gehabt, hoffend, dass der Filmschauraum frei wäre, dass wir »Angriff der Killerdonuts« schauen könnten, doch besetzt war der bereits und die Pizza war kleiner als erhofft ausgefallen, doch schick war es dennoch. Habe mir am Donnerstag einen Hefeteig gemacht. Wofür? Um selbst Pizza herzustellen. Hat insgesamt acht Stunden ruhen müssen. Am Folgetag kam das schicke Ding dann mit Tomatensoße und Mozzarella in den Ofen, das Ergebnis sah abgöttisch gut aus, jawohl. Habe heute nochmal einen Teig gemacht, die doppelte Menge vom Donnerstag. Morgen wird der dann belegt und gebacken. Und dann dem Tavormenschen gegeben, denn ist dieser der Schiedsrichter im Kampf um den besseren Teig bzw. die bessere Pizza, ich gegen eine Mitpatientin, aber werde ich so oder so gewinnen, da sorge ich mich nicht drum. Auch bekommt er nur ein bisschen, nicht alles von der Pizza. Hauptsächlich wird sie mich sättigen. Gut, noch irgendwas? Kopf schwummerig, Schlaf mich gleich überkommt. Aber Schnarchen. Wieso nur? Wieso muss es immer einer tun?
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Haut, will Haut, so sehr, Hunger mich nimmt ein, will zehren an Wesen, will verschlingen die Hüllen der Hohlen, will Blut schmecken, will baden darin, färben alles rot. Einzelvisite heute gewesen war, ich sei ein Sonderfall, so der Chefarzt, und wäre keiner wie ich zuvor hier gewesen. Psychotisches Verhalten hätte ich, doch eine Psychose selbst, die würde er mir nicht auf die Stirn schreiben. Ah, will kreisen mich, mich drehen, wirre Welt, der Kopf, er will zerbersten, los, zerberste, zeig mir deinen Inhalt, will ihn sehen und schmecken, gib mir Erfüllung, denn keine Erfüllung ich anderswo würde finden, nicht die Menschin mal wird retten mich noch können, bin leblos, bin Rabe ohne Gefieder, trage über mir die Haut des Entenlords noch immer, friss sie nicht, denn unter der Berührung zerfällt, gib ab mir was, Menschin, zu viel Haut, gib sie mir, will Haut, gib sie mir, Haut, Haut, will Haut, so hungrig, bin voller Leere, fülle sie mir mit deiner Haut, reiß daran, so auch ich mir an meiner reiße, Ströme fließen, fange ich sie auf, Erfüllung, willst, bekommst, so ich dir Haut gebe die meine, die Götter zusehen, die Götter im Zerfall, lösen sich auf wie Hefe in Wasser, Widerwart, zerbrich du, lass mich zusammensetzen dich mit Teilen meiner, Gott, Menschin, bist Gott, geh nicht fort, doch bist, sickert heraus mein Schädelinneres, Verstand sich verliert, Plus, heiliges Plus, geheiligt ist es, sei es verkehrt herum, Gott ich bin defekt, deine Worte ich nicht befolgen kann, werde brechen mein Gelübde, Tod mir so lieb geworden, gewinnt die eine Seite nun, bin verloren, Ende der Ausweg, denn ohne es kein Ende wird geben.
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Wieso? Schmutz, der schnarcht, so häufig wohl? Fleisch dreckig, muss nicht kosten, um zu wissen, zum Schlafen die Nacht, der Tag zur Unruhe, hör zu nächtigen auf am helllichten Tage, hör zu atmen auf, Schmutz, wenn nicht von alleine, so werde ich nachhelfen. Ein Kopfhörer ist kaputt. Die rechte Seite gibt keinen Ton mehr. Habe die seitdem ich die Kannibalengöttin im Krankenhaus besucht habe. Will sie nicht entsorgen. Erinnerungen sie sind an damals, und bin verwurzelt ich in Vergangenem. Haut. Sie hat mir wieder ihre Haut gegeben, bei meinem zweiten Besuch im Krankenhaus, das hat sie getan, ja. Giere nach der Haut der Menschin. Speicheldrüsen schütten aus, ich hungere so sehr, nur zu stillen er durch den Verzehr, doch weiß, dass mehr noch will als nur die Haut, will Fleisch, es sicherlich schön aussehend, Atem wird schwerer, der Hunger mich einnimmt vollends, dass ich bin wie ein Tier, der ich eines bin letztlich auch, und Tiere handeln nach ihrem Instinkt, meiner mir zuflüsternd, dass verzehren ich soll, will reißen und fressen, Blut befleckt, Schreie still, ihr geben meines, friss, friss, Menschin, sollst schmecken die meine Haut, das meine Blut, das meine Fleisch, verschling mich, verleibe mich dir ein, so auch ich mir dich einverleibe, friss mich, der ich auch dich fresse, Götter sind fort, ein keines Gebet sie wird erreichen, haben sie verlassen uns und den Rest der Menschheit, drum sei ich Gott und seist du Göttin, bist Menschin, bist Gottwesen, spürst nicht das Verlangen nach Erfüllung? Diener der Trägheit ich, Diener der Völlerei, lass verzehren einander, auf dass wahre Götter wir werden, herrschen über Leben und Tod, wir definieren ein jedes, wir sein ein jedes, schließe dich an meinem Wahn.
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Ich habe die Kannibalengöttin vorhin gesehen, glaube ich. War im Bus, habe rausgeschaut, da war sie, da bin ich mir sicher, ganz sicher, dass sie es war. Verspüre erneut Hunger, unstillbaren Hunger. Ich falle wieder, kaum ich oben war, ich stürze hinab in die Abgründe erneut, aus denen ich zu fliehen habe versucht so viele Male bereits. Ich will ihr Fleisch. Ich will ihre Haut. Es lief doch alles so gut. Nur wegen ihr bin ich so. Sie hat mich umgeformt, bin ihre Kreation, bin Untier. Aus der Raupe ein Schmetterling, aus mir ein Monstrum, die Metamorphose nicht rückgängig mehr zu machen. Irreparabel. Beschädigt. Erinnerungen suchen mich heim.
Der Schrank ist weit offen, klaffen etlose Wunden an seinem Wesen. Früher habe ich mich gerne in meinem Schrank versteckt. Es war dunkel und eng und angenehm, so ganz alleine zu sein darin. Ich erinnere mich, einmal da rausgezerrt worden zu sein, weil ich angeblich einen Glastisch kaputt gemacht habe, doch war es meine Schwester in Wahrheit gewesen, doch kümmerte es kein Stück. Der Schrank, der er für Sicherheit und Geborgenheit und Wärme stand, der bekam damals erste Risse, die sie mit dem Laufe der Zeit immer größer wurden. Die Kannibalengöttin war das erste Wesen, welches ich in den Schrank gepackt habe. Nicht wortwörtlich. Danach die Einstige. Und dann die Menschin. Ich habe neulich versucht, mit der Einstigen wieder Kontakt aufzubauen. Lief nicht so gut. Es hat wehgetan, so unfassbar sehr hat es geschmerzt. Das Wissen, dass sie mich nicht mehr mag. Dass ich nicht mehr ausreiche, nicht genug bin. Letztlich hat sie mich blockiert, nachdem ich sie zu sagen gebeten habe, dass ich mich umbringen soll. Hat sie leider nicht getan. Lief nicht so wirklich nach Plan, wenngleich ich nicht mal wirklich weiß, was ich dadurch zu beabsichtigen versucht habe. Na ja. Bin mir dennoch sicher, dass sie mich am liebsten tot sehen würde, die Einstige. Nur ist sie still deswegen. Ich kenne sie aber und weiß, was sie denkt und fühlt. Abscheu, Ekel, Hass. Der Schrank ist kaputt. Klammere mich nur noch an losen Fäden fest, oben die Menschin. Ich weiß nicht, wann auch die reißen, aber fühle ich es genau, sie werden es bald. Meine Admiration der Menschin gegenüber wächst exponentiell an, ebenso die Zuneigung zu ihr. Ich will es nochmal hören. Hören, wie sie mir zu leben befiehlt. Ohne sie, was wäre ich noch? Ich wäre nichts. Sie wird niemals etwas von meinen Gefühlen erwidern können. Das erst macht sie zu einem Gottwesen, so auch die Kannibalengöttin eines ist. Ich will ihr den Brief geben. Ich traue mich aber nicht. Ihre Reaktion zweifellos negativ sein wird. Druck, ich verspüre Druck, ihn ihr zu überreichen. Ich weiß einfach nicht weiter. Werde einen weiteren Brief schreiben. Der wird dann aber auch wirklich abgegeben.
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Ich hungere, ich hungere so sehr nach Haut, mein Verstand vollends eingenommen vom Verlangen danach, will Haut, gib mir wer Haut, will Haut. Denke, das ist gerade so, weil ich bis vorhin geschlafen habe und das Zyprexa bis gerade noch nicht genommen habe. Gott, will fressen, will fressen die Haut, aber sträubt sich ein Teil meiner, wieso, will doch nur vertilgen das, was mir zusteht, gib mir wer seine Haut her, ich will nicht mehr warten müssen, will einfach nur essen, bin so hungrig, das dauert noch etwas, dann wirkt es, dann schwindet das Verlangen wieder, noch etwa zwanzig Minuten, dann ist er wieder schwach, ich fühle mich schwach, fühle mich hohl, soll Haut mir Erfüllung geben, reiße daran, ziehe daran, die Haut auf meiner, bin Wesen fremd, Menschins Haut, was würde ich tun dafür, will ihr nicht wehtun, sollst aufhören, aber stell dir vor, wie sie schmeckt bloß, weiß ich, dass du auch willst fressen, bist auch Untier wie ich, vermagst es nicht zu leugnen, ich kenne dich, weiß es einfach, aufhören, sollst aufhören einfach, still sein, inexistent werden, denn du hast keine Existenzberechtigung, hör bitte einfach auf damit, ja? Höre ich auf, hörst auch du auf, weißt? Bin ich, bist ich, verstehst? Bist gebunden, stirbst, wenn auch ich sterbe, und dann bliebe ihm nichts mehr, willst das wohl? Ja, dann sieh zu, dass du dich fügst gefälligst. Friss mit mir, verleibe dir ein ihr Wesen mit mir gemeinsam, du willst es doch auch, Leugnen zwecklos, Lügen ebenso, drum friss einfach, will fressen, willst fressen, lass uns fressen. Aufhören, will nicht, will das alles nicht, sollst ruhig werden, ich bleibe hier, ich bleibe er, drum verschwinde einfach bitte.
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Vorhin hab ich mich an früher erinnert, etwas nachdem die Kannibalengöttin die Schule abgebrochen hatte. Geschrieben hatten wir da kaum miteinander, das aber auch auf sie zurückzuführen, denn hatte sie es nicht so mit dem Antworten auf Sachen, die ich ihr geschrieben habe. Jedenfalls, ich habe sie gebeten, mir dabei zu helfen, mich in wen anders zu verlieben, wen auch immer, bloß dass ich sie nicht mehr so vergöttere, wenngleich es ihr manchmal Spaß zu machen schien, wenn ich ebendies tat.
»Wie wär’s mit [NAME]« kam als Antwort von ihr, daran erinnere ich mich, denn fehlte das Fragezeichen und das »wär’s« war fälschlicherweise »wärs« geschrieben worden. Danach meinte sie, ich könnte ihr doch was Nettes schreiben, von wegen »Ich liebe deine haselnussbraunen Augen oder so’n Zeug«, nur meinte ich zu ihr dann, dass ich so doch überhaupt nicht empfinde und ich doch nicht einfach lügen könne. Ein »Tja, dann halt nicht« kam von ihr zurück.
Am nächsten Tag war es, da musste ich während des Unterrichts zur Toilette, da kam mir wer hinterher, auch wer aus derselben Klasse wie ich, »Du liebst also [NAME], was?« »Hat [Name der Kannibalengöttin] dir das erzählt? Das stimmt so nicht.«
Hat er nicht abgekauft, weiß Gott, was die Kannibalengöttin dem eingetrichtert hatte, aber schien der besagtes Mädchen tatsächlich zu mögen, hat mich dann auf dem Klo zusammengeschlagen, zum Kichern war es, und als ich am Nachmittag wieder zuhause in der Wohngruppe war, da hat die Kannibalengöttin mich noch gefragt, warum ich mich nicht gewehrt habe. Wirre Welt, nicht wahr?
Da war die Wohngruppe bis 15 Uhr unbesetzt, weil wer krank gewesen war, bin tatsächlich schon mittags da gewesen, hab mir schnell aus der Klasse meinen Rucksack genommen und mich direkt danach heulend davon gemacht.
Rumgesprochen hat es sich dann in der Schule gehabt, dass ich in wen anders verliebt sei. In der Woche danach kam besagtes Mädchen dann zu mir hin, ihren Lippen entfloh ein »Du bist ekelhaft«, welch nettes Ding zu sagen.
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Aus Schlund dem meinen Vieh entflieht, und blaue Wässer treiben, Gehörntes mir entgegenblickt, während Insekten es entweiden, schmutzige Blüten welken bereits, Tod mag ewig währen, selbst Phönix bald von selbst erlischt, sein Kind wird ihn verzehren, und wo die Lebendigen versammeln sich, dort niederschlagen wird des Himmels Zorn, dass endlose Winter kommen, halb erfroren, und Erbsünde schwerer wiegt, schuldig ein jeder Wicht, an Strängen ich werde angehoben, sich die ganze Welt mir bietet, ein Ort der Schande, Ort des Schmutzes, lache ich verschoben.
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