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11: Gans und Mensch

Entonios Verstand sammelte sich langsam und gewann an Kontrolle über seinen Körper zurück. Er hatte gekostet vom Fleisch der Menschin, die sie nun vor ihm stand, das Ei in ihren Klauen haltend und herabblickend auf ihn wie auch die Ente, die neben ihm lag. Sie öffnete ihr Maul, entblößend eine klaffende Leere im Inneren, sie sich offenbarend als bloße Hülle nur. Entonios Augen weiteten sich. Sie zerbrach das Ei, sog auf den roten und matschigen Inhalt, sie letztlich zu Boden fallend, als sie fertig war. Er hielt inne und versuchte, zu verstehen. »Was hast du da bitte getan?«

Anstelle von Antwort kam jedoch ein ohrenbetäubendes Kreischen, sie wälzte sich am Grund, so als würde sie brennen, und die ihre Haut begann sich zu lösen von dem, was darunter lag, eine Figur aus purstem Schwarz, die Oberfläche wabernd, sich schließlich zusammenziehend zu einer Art Sphäre, die sie einfach dort schwebte inmitten der Luft. Verzerrte Wälle aus Stimmen entflossen der Kugel, da taten sich auf die Schemen einer Feder, sie klarer und klarer werdend, Form annehmend, bis sie plötzlich in grellem Gold erstrahlte und die gesamte Höhle erfüllte in hungrigem Licht, einen letzten Schatten austreibend, die Feder dann letztlich doch verzehrt werdend von der Sphäre aus perfektem Dunkel, bis schließlich Entonio ohnmächtig wurde, sein Verständnis der Welt gesprengt worden vor seinen Augen direkt durch dieses Ding, sich verkleidend als Schöpfung der Gänse.

Der Kopf brummte, erwachte Entonio wieder in der Höhle. Er richtete sich auf und stützte seinen Schädel, atmete tief. Sein Blick wanderte zur Seite. Da lag die Ente noch immer neben ihm, ganz stumm, reglos. Er blinzelte, schüttelte den Kopf. »Was tust du dort am Boden?«

Die Ente schien sogleich lebendig. »Ah, ich überlege nur.«

»Am Boden liegend?«

»Jawohl.«

Pause. »Wer ist das?«, fragte Entonio nach einer Weile Stille. »Die Menschin, meine ich.«

»Ah. Sie ist ein Gottwesen.«

»Ein … Gottwesen?«

»Teilweise aber nur. Sie wird den Tyrannengott in den Himmeln fern oben eines Tages niederstrecken, das sei ihre Aufgabe als Mensch, und dafür braucht sie Göttereier, um letztlich ein wahres Gottwesen zu werden.« Eine unangenehm lange Pause. »Das mit deiner Familie, das tut mir übrigens leid zu hören. Ich weiß, wie schmerzvoll es ist, wen zu verlieren.«

»Gelogen war das eigentlich von mir gewesen«, gab Entonio zu, fühlte sich schlecht jetzt darum.

»Oh.« Die Ente wurde still. Er stand auf, sah die Ente an, die noch immer einfach nur da lag. »Wie heißt du eigentlich? Ich bin Entonio.«

»Ente«, kam es zurück.

»Oh.« Er hielt einige Augenblicke inne, sah sich schließlich um. »Ist die Menschin gerade fort?«

Ente nickte. »Das ist sie, jawohl. Essen holt sie uns allen. Geh am besten nicht hinterher, denn es ist Nacht und hier treibt sich so manch gefährliches Getier herum.«

Entonio setzte sich wieder zu Ente. Er begann auch damit, nachzudenken. Ein Götterei wurde ihm anvertraut damals, und es würde hervorbringen das Ende der Eulen, so wurde ihm versprochen. Und so war er nun hier, es verzehrt worden von der Menschin, die sie den Schöpfergott in den weiten Himmeln zu erschlagen beabsichtigte. Ob alles Zufall nur gewesen war oder er hergeführt wurde etwa von einer größeren Kraft als Gott selbst? Die Göttereier würden folgen dem ihnen zugeteilten Pfad. Wenn die Menschin selbst den Schöpfergott erschlagen könnte, dann auch eine jede Eule, die zu existieren vermochte. Mit seiner neugefundenen Sicherheit sprang er auf. »Ich habe mich dazu entschieden, euch zu begleiten und zu helfen bei eurem Plan!«

12: Götterei
Die Funken wirbelten und die Schreie kaum zu hören, von den rasenden Winden verschluckt, die wüteten über das Land der Gänse. Geister aus Glut tanzten durch den sonst unbelichteten Himmel und strahlten warm, doch brachten sie Botschaft vom Untergang, sie alsbald erloschen und verweht wurden vom heiligen Platz. Ein einzelnes Gebäude stand fest im Grund noch, ganz einsam, und streckte sich. Die Bäume drum herum wurden aus ihren Fugen gerissen und fortgeschleudert, weit weg, dass sich das Gotteshaus nicht verstecken mochte mehr, das es gewidmet war einem anderen als jenem, der er als Schöpfer allens bekannt war, damals. Das Land wurde leergefegt und zur Einöde verwandelt, schlimmer noch als eine jede Wüste, hostil vollkommen.

Die Gänse seit langem als das Volk bekannt, das sich zuerst erhoben hatte gegen den Schöpfer, kämpfend für die ihre Eigenbestimmung und Souveränität, die Unabhängigkeit von ihm, all dies eine jede Gans ausmachend. Durch Eingriff des Schöpfergottes von etlosen Plagen befallen wieder und wieder, die fraßen all die Nahrung, die verunreinigten all das Trinkwasser, die unfruchtbar machten das Land und die Kreaturen selbst, die töteten die Neugeborenen, doch die Gänse vermochten all das zu überstehen gemeinsam, und ein jedes Opfer würde nie vergessen werden, den Zorn nur anfeuernd, der gehegt wurde gegen den Tyrann in den Himmeln auf seinem Thron, der er ist aus Knochen und Fleisch gebaut, aus Tränen und Tod.

So kam es schließlich, dass die Gänse beabsichtigten, selbst zu Gottwesen hinaufzusteigen, indem sie fragwürdige Experimente abhielten und versuchten, einem Sterblichen die göttlichen Federn aus Gold zu geben, dass daraus ein wahrer Gott werden würde. Doch Erfolg war nicht zu sehen und die Zeit war begrenzt, und sie so schufen die Menschen, ursprünglich als bloßer Misserfolg gesehen, doch kam Hoffnung auf, denn mochten sie es sein, die den Schöpfergott selbst bezwingen mochten, selbst wenn all die Gänse bis dahin schon verlebt wären, denn die Niederstreckung des Tyrannen in den Himmeln war wichtiger als das ihre Leben, als die ihre Existenz, und gaben sie alle sich auf dafür, schufen Menschen über Menschen, erbauten Fabriken und Farmen.

Doch der Schöpfergott war erzürnt, brach nieder alles und brachte Tod über Gans. Wütend hatte er sie ausgelöscht, die sie ihm undankbar gewesen waren für so lange und einfach nicht verstehen mochten, was ihr Zweck war, denn ihn zu vergöttern, das tat keiner von ihnen mehr. Wusste er allerdings nicht, dass er übersehen hatte einige, die sie sich hatten zu gut versteckt vor ihm oder flohen, bevor das Unheil letztlich hereinbrach. Und erst recht wusste er nicht um die Menschen, denn sei selbst er mit seinen tausend blinden Augen lange nicht allsehend, und so bauten diese aus den Trümmern ihr eigenes Paradies, nahmen gefangen alle übrigen Gänse, die sie finden mochten, und zwangen sie unter unaussprechlichen Konditionen weiter zu forschen an den goldenen Federn, erschlagend eine jede, die sich weigern würde, die Gänse so schließlich werdend zu den ihrer Kinder eigenen Sklaven. Zwar war es das oberste Ziel der Gänse gewesen, den Schöpfergott zu entthronen, doch hatte ihr Plan eine grausige Richtung eingeschlagen, die viele von ihnen zerbrechen würde.

13: Das Reich der Schwäne
Gansmann kam an im Reich der Schwäne. Es war ein prächtiger Ort voll und ganz, die Architektur etwas schlichtweg Beeindruckendes mit diversen Schlössern, die selbst der Ärmste dort besaß, wo eine einzelne Stadt dort das gesamte Land ausmachte, sie lediglich aufgeteilt in verschiedene Teile, dass leichter es sei, Kontrolle auszuüben über sonst zu großem, denn nicht einmal der Schöpfergott in den Himmeln fern sein Auge über allem zu haben vermochte. Einig war sich dort, dass ein jeder dort abstammte von den beiden Urschwänen, sie das heilige Blut tragend in sich, und so sei ein jeder andere Schwan gleich in jener Hinsicht, sie sich offenbarend allesamt als eine stolze Familie.

War dies ja auch schön und gut, doch war verbunden damit eine ungesunde Abscheu gegenüber Nicht-Schwänen, beinahe schon Hass, die Wesen der Eitelkeit waren, die Einbildung personifizierend, und ein jedes andere Federwesen sogleich minderwertig ihnen erschien im Gegensatz.

Die Schwäne waren nicht besonders bekannt dafür, Kriege oder dergleichen zu treiben, und tatsächlich kam es noch nie zu einem mit ihnen, doch bekannt war, dass, sollte man als Außenseiter versuchen, ins Reich der Schwäne zu gelangen, man ein Leben führen würde so miserabel wie nirgends sonst, wenngleich auch oberstes Reichtum in jedem Stück Land dort herrschte und die Schwäne ohne König oder dergleichen waren, sie sich selbst regierend als einziges Volk, die letzte Meinung noch gültig war, gegeben, dass es die eines Schwanes sein mochte.

So fand Gansmann sich dort wieder im Schwanenreich. Seine Intentionen? Selbst der Schöpfergott vermochte es nicht zu wissen, dann insbesondere auch nicht Gansmann selbst. Er schämte sich, Gans zu sein. Hasste seine Brüder und Schwestern mit seinem gesamten Etwas, alles, was die Gänse hatten jemals nur getan, um zu rebellieren gegen ihn in den Himmeln und folglich zu zerfallen wie Staub. Sein Leben war ihm wichtiger als alles andere. Und hätten sie nicht angefangen damit, Freiheit von ihm anzustreben, so wären sie noch alle. Trug er jedoch das Stigma des Ketzervolkes, wurde gebrandmarkt als solcher wie auch jede andere Gans, ganz unrelatiert, ob wahrlich der Fall überhaupt oder nicht. Letztlich wurden die Gänse allesamt verabscheut vom Schöpfergott. Fern vermochte er bereits die Umrisse der Stadt auszumachen. Bis dahin bestand die Landschaft bloß aus Ackern, aufziehend reiche Köstlichkeiten mit unglaublicher Diversität. Hungrig war er, das musste er feststellen. Er hielt kurz inne, blickte sich um, Ausschau nach irgendwem haltend, der ihn sehen könnte, und so nahm er sich eine Kartoffel aus dem Boden, nie zuvor er eine verzehrt habend, wischte die Erde von ihr ab und biss ab ein Stück davon, sein Schnabel auf etwas Hartes stoßend jedoch. Er beäugte es genauer. Ein Ei?

14: Schale
Die Nacht endete, die ersten Sonnenstrahlen läuteten den neuen Tag ein. Noch immer erwarteten Entonio und Ente die Rückkunft der Menschin, scheinbar doch vergebens. »Seltsam ist das«, meinte Ente besorgt, noch immer am Boden zusammengekauert. »Unüblich ist es, dass sie so lange fortbleibt, de facto ist es das erste Mal.«

Entonio beäugte ihn. »Mag dem so sein? Sicherlich wird nichts Schlimmes passiert sein, denn letztlich ist sie es, die den Schöpfergott ablösen wird und auch mir mein einziges Ziel erfüllen mag auf dem Wege dahin.«

Ente nickte zustimmend, wenn auch zögernd erst.

Da kam sie plötzlich her, als sei sie herbeibeschworen worden, ließ müde sich in die Höhle fallen, sowohl atmend wie auch blutend schwer, Haut zerfetzt und Haar zerzaust, Finger in verzerrten Formen, wie sie gar nicht hätten sein dürfen, alles gepflastert mit zahlreichen offenen Wunden, klaffend diese. Der Körper war verloren. Die beiden starrten bloß mit weit aufgerissenen Augen, betäubt und paralysiert. »Menschin!«, riefen sie dann schließlich beinahe synchron, hastig aufspringend und sich zu ihr bahnend, sie mit dem Gesicht nach oben drehend und ihr zurufend diverse ermutigende Dinge, doch vermochten ihre Ohren nicht mehr zu hören, der Blick trist allmählich, sie einfrierend, stumm, still, reglos. Die beiden vermochten keinen Laut zu machen, sahen sie bloß an, die sie unlebendig nun war, nie mehr es nicht mehr sein würde. Doch war dem nicht so, natürlich. Der Körper verlor an Farbe, nicht aber in etwa wie ein Toter bleich werden würde. Die gesamte Farbe wurde entzogen, wurde aufgesogen, zurücklassend bloß einen Schatten, sich dieser jedoch bewegend wie ein Meer, sich formend zu einer Kugel, eine Stimme in ihren Köpfen hallend, ohne dass tatsächlich gesprochen wurde. »Ein neues Gefäß. Bringet mir eines. Sofort.« Die Enten nickten, krabbelten an die Oberfläche mit der Absicht, ein Opfer zu erbringen für ihr baldiges Gottwesen. So schafften sie es, zu fangen ein niederes Federwesen ohne Verstand oder dergleichen nur, austauschend kein einziges Wort nur, zurücktragend die Beute, stolz wenig nur, das Tier ihr zeigend. »Tötet es. Sonst vermag ich es nicht in mich aufnehmen zu können, wenn es denn lebendig sei, nein.« Ente schien zu zittern, so nahm Entonio das Federwesen und hielt es danach der Sphäre hin, aus ihr kleine Fangarme reichend, die sie langten danach und verschluckten schließlich. Pulsierte das Schwarz, Form es annehmend in Gestalt jenes Federwesens, Farbe zurückkehrend und mit ihr die Menschin, mehr oder weniger Mensch jedoch gerade zumindest.

15: Inexistenz
Fest verankert in der Welt, Ente blickte auf, sah nieder auf die zerfallende Welt, Horror sich in ihm breit machend, seinen Geist auseinanderreißend, die Splitter so viele, bedeckten sie das, was noch übrig war von ihr. Schreie in bloßer Agonie, finstere Nebel, sterbendes Licht, ganz alleine. Fäden hielten Augen offen, ein Etwas, weit höher als nur der höchste Gott, verdammte zu Qualen, bespaßt davon, dem Versuch bereits nur, das längst Verlorene wiederherzustellen, eine einzige Niederlage, eine Schande, nicht mehr als das. Was hätte sein können, das vermochte nichts zu ändern. Die Welt brach auseinander, so auch der Zeitlauf, vermischte er sich, etlose Versionen seiner Selbst flossen ineinander, rangen nach Luft und nach Leben, fürchtend die Inexistenz, die kommen würde mit dem natürlichen Ende aller Dinge. Er zerbarst und versuchte, zu flüchten, sich selbst ewiges Leid auferlegend, unwissend er letztlich schlüpfend in die Rolle einer anderen, sodass er hätte einen weiteren Versuch, um alles richtig zu machen, nicht einzugehen inmitten des Weges, wie er es hatte getan und er tun würde noch unzählige Male, er sich vollkommen verlierend bis hin selbst zum Kern.

Ente wachte auf, schweißgebadet, ein selten zuvor erlebter Terror hatte sich in sein Fleisch gefressen, hartnäckig festklammernd, nicht loslassen wollend, selbst als er sich hatte aufgesetzt und festgestellt, dass er in absoluter Sicherheit war. Etwas hing an ihm, etwas Schweres, dessen Gewicht nicht zu stemmen war, doch war da nichts. Seine Augen suchten nach irgendetwas, irgendwem, aber vergeblich, er war auf kaltem Stein, dem Sonnenlicht fremd geworden, leblos. Hier war keiner, nur er. Rief er nach Entonio, der Menschin, es kam keine Antwort. Erhob er sich und kroch nach oben. Rief er nach Quakhardt, nach dem Menschen, der Menschenfressenden, es kam keine Antwort. Stand er unter leerem Himmel, kahl die Landschaft und öde, tot, verloren. Rief er nach der Kannibalengöttin, irgendwem nur, es kam keine Antwort. So viele Hoffnungen im Herzen getragen, sie allesamt verwelkt.

Die Augen schließend, hoffend auf Ende, fern applaudierend die Wesen außerhalb allens, jubelnd, die sie so kurz davor waren, vor dem Ende der Aufführung, pfeifend, rufend, lange gewartet auf jenen Augenblick, in dem die Welt ein letztes Mal sterben würde. Die Sinne unbeansprucht, umhüllt von purem Nichts, Ruhe, Stille. Und wurde er zurückgerissen ins Sein, er kauernd am Boden, neben ihm Entonio und die Menschin schlafend, er heulend ganz stumm.

16: Widerwart
Inmitten des Meeres aus bloßem Schwarz, aus unerdenklicher Tiefe dröhnte es, die Tore öffneten sich, ließen los weitere Verzweiflung. Fand er sich letztlich wieder am Ende erneut, erschöpft und müde von allem, sehnend sich nach Ruhe, einem Stillstand, der er doch nie kommen mochte. Wollte er in die Vergessenheit selbst, doch ummantelte sie ihn bloß, fraß an ihm und dem, was ihm nah war. Fühlte er sich defekt, etwas fehlte, das es von größter Bedeutsamkeit war für ihn, lange verschollen, verloren gegangen auf seinen endlosen Reisen durch Qualen. Säulen aus Basalt krochen aus den unlichten Wassern, formten sie Warnungen an den Schöpfergott in den Himmeln, doch war dieser lange fort schon, von ihm verbannt worden und sterblich gemacht, hatte er den seinen Platz eingenommen in bloßem Hohn, fallend in wirres Gelächter, die Winde beißend, ihn erinnernd. Sei es nicht auszuhalten mehr.

Nacht kam. Ente war bereits wach gewesen, merkte Entonio noch müde. Die Menschin ruhte noch. Hatte sie noch gestern gesagt, dass sie sich auf den Weg machen müssten, um weitere Federn zu erlangen und endgültig die Tyrannei zu einem Einhalt zu bringen. Entonios Kopf brummte. Er hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmen mochte, etwas falsch einfach war, doch vermochte er es nicht zu identifizieren. Er seufzte, die Menschin schien auch nun wach zu sein, so machten sie sich auf und ließen hinter sich die Höhle inmitten des Waldes, wanderten sie leise durch das Dunkel, die Menschin Ausschau nach Gefahren haltend und die beiden Entenwesen sie so gut wie möglich dabei unterstützend, was nicht sonderlich viel ausgemacht hatte letztendlich, aber zählte ja die Geste alleine schon, nicht?

Kamen von vorne Geräusche, klickend und klackend, schwirrten umher, umkreisten sie die drei, bevor sie allesamt innehielten. Nicht nur die Nachtwesen oder die Enten und die Menschin, die gesamte Welt verfiel in einen Stillstand. Ente vermochte noch seine Augen zu bewegen. Aus dem Blickwinkel kam Regung. Tänzelten die Schemen einer Person umher, die Gesichter verborgen, verspottend ihn, gewaltsam reißend zurück in die Realität, heraus aus dem Traum, dessen Verlauf er sich selbst hatte ausmalen können. Suchte er nach der Menschin, die sie die Menschenfressende bald werden würde, suchte er nach Entonio, dessen Leichnam er bald würde verzehren, niemand. Kein einziges Gottwesen, kein Federviech wie es war, nur Visionen, die sie nimmer wahr sein mochten, der Mensch zu schwach dazu. Sinn im Dasein keiner, die Existenz ein reiner Scherz in sich, im Delirium er sich befindend. Es bricht. Der Kopf bricht, der Verstand bricht, jegliche Möglichkeit auf Zukunft zerfällt, die Welt zerfällt und zerbricht und zersplittert und zerspringt und zerbröckelt und zerbröselt unumkehrbar mit betäubendem Knall, zurücklassend inmitten der Scherben nichts als einen Möchtegern.

Er sackt zusammen, atmet schwer, wurde er entfernt aus der idealen Welt, bebt sein Körper, lautes Heulen, machtlos er, sich nicht sein eigener Herr seiend, sondern bloßer Observant seiner deteriorierenden Selbst.

17: Gedanken
Welt zerbrochen, doch Fiebertraum anhaltend, ewig während wohl, die endlose Tortur, seinen Verstand deformierend und an jenem zehrend, verbrauchend ihn, konsumierend, bis das ganze Wesen schließlich nicht mehr sein mag. Die letzte Zuflucht eigenhändig niedergebrannt, sich sein eigener Untergang seiend, die gesamte Existenz doch ein einziges Übel in sich, zusehend gespannt bei seinem Zerfall, der er bald schon nicht mehr sein wird, er fürchtet die Inexistenz, das Nichtsein, den Tod, er will all das nicht, doch schlimmer sei es doch, bliebe er dort an jenem Ort, an dem man denn sein konnte.

Ente fehlt. Ohne Ente, den Lord, ist er unvollständig, der bessere Teil von ihm ist fort, entfernt. Statt Heulen kommt Stille nur, Ohren ohnehin nicht da, um zu hören. Hilfe, wirklich, ich brauche Hilfe, egal auf welche Weise, ich schaffe das nicht mehr lange, aber Augen auch nicht da, um zu sehen, gestikulieren, schreiben für leeres Publikum. Sinnfrei es, wo letztlich eh alles niedergehen mag, wozu dann trotzen dem Unvermeidlichen? Wozu Augenblicke von Freude, wo diese eh eben nur Augenblicke anhalten mögen und der Rest des Weges mit Varietät von Negativem gepflastert ist und sich dieser als einziger Pfad ergibt?

Ich sehe keinen Sinn in irgendetwas, wo alles letztlich irgendwann zu Ende gehen wird. Ich habe das Gefühl, dass ich zerbreche, immer mehr von mir selbst verliere und nicht mehr wiederfinde, dass ich nicht mehr ich bin, sondern nur noch ein bloßes Imitat meines alten Ichs. Ich sehe keine Zukunft für mich, absolut keine, denn bin ich nicht geschaffen, um in dieser Welt als Mensch zu existieren, ich nicht mal mich selbst würde betiteln noch als Mensch. Würde ich künftig noch sein, so mögen zweifelsohne die negativen Eindrücke einfach nicht aufhören, höchstens könnte ich sie wegzusperren versuchen, doch selbst dann mögen diese irgendwann einfach ausbrechen, komplett einnehmend den Verstand, so wie jetzt gerade wahrscheinlich auch, nur würden dann bald auch die von jetzt oder auch schon davor darunter sein, sich anhäufend pausenlos, bis die Kapazitäten einfach so dermaßen überlastet sind und alles zerberstet.

Ich verabscheue einen jeden letzten Menschen, eingeschlossen mich selbst, zu interagieren mit diesen, das überfordert einfach zu viel, und insbesondere wenn ich älter sein werde, Arbeit vielleicht hätte, doch selbst wenn nicht, ich werde gezwungen sein, mit Menschen zu tun zu haben, sicherlich nicht nur einer Handvoll, wie selbst das schon zerrt an mir. Ich will mich nicht mehr ununterbrochen so fühlen wie Dreck, der nicht mal die Luft wert ist, die er atmet, aber das hört einfach nicht auf, was auch immer ich versuchen mag, höchstens kann ich es mir in den Hinterkopf drücken, aber letztlich frisst es sich wieder zurück, nimmt ein alle Gedanken und gackert auf Dauerschleife, wie schlecht es doch um mich stehe und wie doch ich eh enden werde in noch tieferer Verzweiflung, sollte ich weitermachen. Ich habe Angst vor der Inexistenz, ich fürchte mich unglaublich davor, alleine der Gedanke, Realität verzerrt oder anderweitig gemindert wahrzunehmen, induziert dieses Gefühl bereits, so möge man sich dies vorstellen, nur weiter skaliert, sodass das Ausmaß eben die gesamte Basis des Seins überspannt. Aber inexistent sei ich doch so oder so schließlich eines Tages, und eine keine meiner Taten möge irgendwann auch nur etwas bewegen, selbst künftig nicht, und so muss man letztlich sich doch stellen dem Unvermeidlichen, wieso also nicht bereits früher schon anstatt noch Dekaden zu warten, bis ich bis dahin vollkommen gebrochen bin, weit entfernt von möglicher Reparatur, wo auch diese dann schnell zunichte gemacht werden würden, sich mein ganzes Wesen doch auflösend. Ich halte das nicht mehr aus, was auch immer ich versuche, ich schaffe das nicht, ich kann es mir nicht einmal besser gehen lassen, indem ich mich zu lösen versuche von sonst etwas, das mich bindet an Vergangenem, so schmerzvoll doch, brennend und peinigend mich, stets mich dran erinnernd, wie sehr ich es doch zu existieren verabscheue.

Was bringt es einem, glücklich zu sein? Man vergisst höchstens all das Schlechte, das auf einen wartet, spottend zusieht dabei, wie man versucht, sich zu sträuben, loszureißen davon, aber hat es einen im Griff letztlich, man ist festgekettet daran, folgt es einem auf Schritt und Tritt, es einfach nicht aufhörend damit, zu verhöhnen einen und stets zu erinnern, dass es nicht lange anhalten wird, was auch immer Schönes man erfahren mag, denn ist ja was befestigt an einem und man wird es einfach nicht los. Ich will mich ausruhen einfach, ganz ohne irgendetwas sein, an irgendeinem friedlichen Ort nur ohne sonst wen, ohne Gedanken, wo bloß das Jetzt existiert und nichts davor so wie auch nichts danach, ein Ort, an dem ich so lange und so oft ich nur will verweilen kann, aber dergleichen gibt es nicht und wird es nimmer geben.

Das ist alles so unglaublich ermüdend, aber gibt es nichts zum Ausruhen, weder einen Platz dazu noch eine Zeit. Ich fühle mich defekt. Ich bezweifle, dass ich irgendwann wieder irgendwas Gutes erleben werde. Das schaffe ich nicht. Wenn es nicht so unglaublich schwer wäre, sicherlich. Es wäre schön.

Gefühlt wird es immer und immer schlimmer, hört damit einfach nicht auf, nicht einzudämmen ist durch keine Weise, zieht tiefer stetig in ein ganzes Meer aus bloßer Verzweiflung, kommt bereits kein Stück Licht mehr hier unten an, stiehlt Wahrnehmung, Perzeption. Luft wird mir knapp allmählich. Oben und unten seien nicht mehr zu differenzieren, schwebe ich reglos daher, doch weiter in die Tiefe gesogen werdend vom bloßen Höllentor dort, das es dort steht am Grund, nicht zu verzehren aufhört, der Hunger unstillbar, ich bereits zu nah dran als dass ich noch zu fliehen könnte versuchen nur. Hilfe. Bitte, ich brauche Hilfe. Hilfe. Trifft es doch auf taube Ohren, auch hier selbst.

Mangelnde Luft bringt Halluzinationen daher, kommen sie an und legen sich wie Schleier auf meine Augen, zeigen mir Dinge, die sie mich zum Selbsthass verführen, mich wirken lassend wie das Untier, das ich doch bin, fernab vom Menschsein, komme ich mir vor wie nur noch eine Maschine, die sie ausdrücklich zum Leben entworfen wurde und nichts anderem, erinnern sie mich an einen jeden meiner Fehler, einen jeden Fehlschlag, eine jede falsche Entscheidung, erinnern sie mich daran und wie grausig es mir doch geht nun, wo ich so viel bereits habe falsch gemacht, dass ich nicht weiter damit machen will, aufhören am liebsten einfach gänzlich, endlich zu einem Halt kommend, doch kommt dieser einfach nicht, denn das schwarze Loch am Boden des Meeres hat mich bereits fest im Griff, lässt mich einfach nicht los, wie sehr ich auch mich zu wehren versuche, lässt einfach keinen Halt mehr zu, es sei denn, ich werde von ihm verschluckt, würde verschwinden vollkommen, hinter mich lassen absolut alles, das mir je lieb gewesen sein mochte, doch was kümmere es nur irgendwen, denn sicherlich eben nichts. Das alles zu verhindern versuchen, es fühlt sich an, als würde ich es schlimmer bloß machen, ohne Sinn von Richtung fälschlicherweise tiefer schwimmen statt wieder zur Oberfläche hin, weit entfernt bereits, viel zu weit weg, dass ich sie nimmer erreichen mag, selbst würde ich ankämpfen dagegen und von fern doch noch ein Licht durchdringe, es ein Leuchtturm mir seiend, höchstens er spottend über mich, wo er nicht zu erreichen ist und es niemals werden mag, zusieht mir beim absoluten Zerfall nur, fixiert an einem Punkt weit oben, nicht beeinflusst vom Höllentor am Grund, das es immer stärker zerrt an mir, der Hunger einfach nicht zu stillen.

Das werde ich nicht schaffen.

18: Rückkehr
Weiß. Grell. Kneift er zu seine Augen, spürt nichts auf der Haut, kein Schatten sichtbar oder sonst was dergleichen, Raum ohne Wände, Boden oder Decke. Hebt er die Hand an, doch regt sie sich nicht. Der Blick starr, er schwebend durch die Leere bloß, eine wirre Art von Frieden empfindend. Wo ist er überhaupt? Surreal fühlt es sich an. Das Weiß beginnt, zu pulsieren in den verschiedensten Farben. Regenbögen zischen daher. Eine dunkle Präsenz macht sich breit. Dumpfes Dröhnen erschüttert den Körper. Verzerrte Bilder kommen auf, zeichnen Dinge ab schwächlich, doch wächst das eine mehr und mehr, gewinnt an Klarheit, offenbart es sich schließlich als göttliches Nahrungsmittel: Fritten.

Die Augen reißen auf, wird er geschmissen zurück in den Schrank, er sich mächtig fühlend wieder, zu alter Stärke zurückgefunden habend. Schlägt er die Tür auf, tritt heraus, zurück in die Welt der Lebendigen. Ente. Er ist Ente, Ente ist er. Mit Ente ist auch er gestorben. Nun, wo er Sinn hat wiedergefunden im Essen, ist auch Ente zurück, stärker als je zuvor, der er tief in den Abgrund geblickt hat und er ihn bezwungen. Ente, der Federherr, Gott von allem, er ist zurück!

Entonio lag am Boden, antwortete nicht. Die Menschin im Körper des niederen Federviechs rang um ihre Freiheit, fest im Griff der Nachtwesen, auch sie das Bewusstsein verlierend allmählich, die ihre Hülle wenig nur kompatibel mit den Federn der Götter. Ente stand auf, sah die Menschin, die Nachtviecher ihn nicht einmal beachtend, sie hungernd nur nach göttlichem Fleische, von ihm angezogen schließlich. Er öffnete einfach die Klauen und verschluckte es in einem Stück, die Viecher verwirrt. Göttlichkeit. Ein Gott war er wieder. Wildes Gegackere, schlug er um sich mit Pranken aus reiner Vorstellungskraft, verbannte er die einstigen Götter aus der Existenz, ein Stück seiner Selbst herausreißend und es reinschlagend in Entonios Brust. Kreischte Ente und würgte aus den zerquetschten Körper der Menschin, gab auch ihr ein Stück seiner Selbst, bis letztlich er umkippte, zu viel aufgebraucht auf einmal, wo der seine Körper das Göttliche nicht gewohnt war. Müde.

19: Vorfreude
Der Plan der Menschin war eher … nicht wirklich perfekt. Einfach umherwandern durch die verschiedenen Federreiche und hoffen, dass die Eier der Götter von sich aus zu ihr kämen. Da konnte man nur den Kopf schütteln, und ebendies tat auch Ente. Gerade eben war er aufgewacht, immer noch erschöpft schrecklich, keiner der beiden anderen war dies schon, und zum Glück war es noch dunkel. So vorzugehen, das würde zu viel Zeit beanspruchen, jawohl. Nun, wo er sich selbst hatte gemacht zu einem Gottwesen, vermochte auch er die Anziehungskräfte der Göttereier zu spüren, weit verstreut doch alle und reichlich viele zu finden es wären.

Menschen, die sie von den Gänsen erschaffen wurden, konnten das Sonnenlicht nicht ab, die bloße Berührung der Haut mit einem einzigen Strahl nur würde den vollständigen Zerfall bereits auslösen, denn kamen die Menschen nicht einfach aus dem Nichts daher, vielmehr wurde etwas bereits Existierendes genommen und modifiziert: die Nachtwesen, einstige Götter, die sie doch vom Tyrannengott in den Himmeln aus diesen verbannt wurden, sterblich gemacht und bestohlen ihrer Göttlichkeit. Wilde Untiere ohne wirklichen Verstand, waren sie bloß leblose Hüllen, hungernd nach dem, was sie einst gemacht hatte vollkommen. So fingen die Gänse sich welche und begannen mit ihren Experimenten, schufen dabei den Menschen, der er auch ein Nachtwesen war, jedoch mit Verstand. Sie würden wiederherstellen die alte Götterrasse und die Welt zurückbefördern zu ihrem alten Zustand, als die Himmel noch brillant gestrahlt hatten und der selbsternannte Schöpfer und Tyrannengott noch einer von etlichen Göttern gewesen war, die sie sowohl wandelten auf Erden wie auch in den Himmeln fern oben, bevor die Ordnung zerstört wurde durch die niedersten Wünsche, die man nur hätte haben können.

Die Welt war in ihrer Essenz stets dieselbe, wenngleich auch eine jede sich von der nächsten unterschied. Wie viele Welten hatte er bereits miterlebt, wie oft wurde er letztlich gestürzt, wie wahrscheinlich war es wohl, dass er dieses Mal absolut siegreich sein würde? Ente zuckte mit den Achseln, was möge dies auch ausmachen schon? Schließlich würde er es wieder und wieder versuchen, ewig gefangen im Zyklus der Welt, ein Ende, das bereits den nächsten Anfang einläuten mochte. Eines Tages wäre es so weit, und dann wäre er endlich erfüllt. Und dafür allein war es zu existieren und zu kämpfen wert.

Die Nacht ging zu Ende, bemerkte er. Er nahm sich Entonio und die Menschin und schlich sich durch die Schatten der großen Bäume, bis er letztlich ein geeignetes Lager gefunden hatte, um sich dort bis zum nächsten Abend auszuruhen.

Wenn sein Kopf später wieder klarer sei, dann würde er sich aufmachen mit den beiden, um zu beanspruchen mehr Göttlichkeit.

20: Wiederkehr
Die Himmel waren gebrochen, aus den Rissen Blut rinnend, hüllend das Land in tiefes Schwarz, Krähen, wie sie zuvor bloß in alten Märchen beschrieben wurden, kamen dahergeflogen, krächzten laut ihre chaotischen Lieder im Missklang. Der Boden öffnete sich gewaltsam, ließ frei lang vergessene Wesen aus Äonen der Vergangenheit, wabernde, stöckige Gliedmaßen streckten sich aus, grabschten sie nach allem Greifbaren, zogen es in ihre etlichen Mäuler mit fauligen Zähnen, verschlangen sie die Welt. Ente war wieder hier. An diesem Ort. Warum war er bitte wieder hier? Es schien doch alles so gut zu laufen diesmal! Er verzweifelte, strengte sich an, konzentrierte sich, versuchte sich selbst so gut wie möglich zu vergessen, um wieder wach zu werden als anderer. Er schaffte es nicht, war gebunden an diesen Ort hier, kehrte wieder und wieder zurück, konnte nicht flüchten. Viele Welteneier hatte er gelegt bereits, und ein keines davon hatte ein gutes Ende für ihn beinhaltet. Fragte er sich, ob dergleichen möglich sei überhaupt, denn vermochte es dies wohl nicht zu sein. Wieso? Eines der gigantischen Urwesen ließ ein zittriges Kreischen erklingen, die in Ente eine Erinnerung auslöste von damals, kurz bevor er sich der etlosen Weltzyklen zum ersten Mal bewusst werden würde. Die Gehenna. Ein Ort der ewigen Buße inmitten des tobenden Infernos der großen Wüste.

Lord Ente gackerte lauthals. »Quakhardt«, sagte er, dem endenden Tag mit abgeschirmten Augen entgegenblickend, »siehst du dort fern die lodernden Flammen denn?«

Quakhardt, der treue Diener des Lords, hechelte, angeschlagen durch die intensive Sonnenbestrahlung, der sein schwächlicher Entenkörper ihr ausgesetzt war. »O Lord, ich – ich sehe nichts mehr. Können wir anhalten, bitte? Meine Augen sind ausgetrocknet und meine Beine sind bereits so weich wie das Gefieder von einem Neugeborenen.«

Der Mensch, der letzte Mensch, nahm den sterbenden Quakhardt und begann, ihn zu tragen. »Besser so? Hast du Durst?«

Schwach nickte der Enterich, presste ein leises »Ja« aus den Lungen. Die Menschenfressende warf dem Menschen eine kleine Tasche entgegen. Er nickte dankend, sie erwiderte. Lange her war es doch seitdem.

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