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1: Der vergessene Gott
Die Welt war verkommen. Seit Äonen, seit Beginn vom Ende des einstigen Zeitalters der Wunder, verfiel sie fortwährend in eine Art Trance, Nebel sich auf diese legend und verwischend alles Lichte und Helle, zurücklassend bloßes Grau und Leere und Fehlen von Lebendigkeit, die Lebendigen zu Alten und die Alten zu Toten. Die Götter, die einst waren, ließen der Welt dieses Schicksal nicht ergehen, doch starb der Letzte auch von ihnen, und die Unlebenden kamen dahergetrottet unter Kommando des damaligen Eulenkönigs, zu verändern beabsichtigt die bereits vorherbestimmte Zukunft, unaufhaltsam mittlerweile, verdammend die Welt zum allmählichen Ende in seiner gänzlichen Form.
Quakhardt war eine Ente wie sie eine jede war damals, ordinär bis zum Kern, besonders nicht, und doch von einer Art Übermacht oder einem bloßen Witz des Universums selbst determiniert worden dazu, zu erwecken das, was nicht grundlos in endlos gedachten Schlummer versetzt wurde, eines der einstigen Gottwesen, wie es sie in den zahlreichen Mythen gab, den fantastischen Erzählungen, zurückreichend zur Zeit, als die Welt noch in ihrer Blütezeit war, von Quakhardt stets als bloße Geschichten betitelt worden, nicht mehr als dies.
Der Himmel war öde wie auch das Land, Regen prasselnd herunter von den abervielen Wolken auf den sterbenden Grund, wandernd auf ihm der spätadoleszente Quakhardt, ungewiss sich seines Zieles, wandernd dennoch umher auf Suche nach etwas, das er selbst hatte noch nicht begriffen. »Dort hinten«, dachte er sich, blickend zum Horizont, »da seien die Wälder.« Jene waren es, wo er vor fast zwei Dekaden herangezogen wurde, er seine Seele eingeflößt bekam, sollte diese tatsächlich sein überhaupt. Nichtsdestotrotz, besagter Ort war von äußerster Bedeutung für ihn, anlockend ihn wie der Mond die Motten, womöglich in ihm liegend die Antworten nach den Fragen, die noch nicht einmal gestellt worden waren.
Alsbald begann die Erde zu tosen, bebend unter seinen Füßen, so als trete er auf ein schwaches und altes Tier, nicht mehr sich aufzurappeln vermögend, üblich, denn das alle Leben nahte dem ultimativen Ende, Zeit wurde es nämlich langsam, aber sicher, unabweichlich. Der Boden öffnete seinen Schlot unter Quakhardt und ließ ertönen einen grauenvollen Schrei, ein Kreischen in Schmerzen und Furcht vor dem Unabwendbaren, welches kommen mochte, den Entenburschen vertilgend und fallen lassend in gefühlte Unendlichkeit, das Dunkel ihn umhüllend wie eine Decke aus Samt, das Gefühl seiner Selbst ihn kurzzeitig verlassend und mitgerissen von der Leere, die unter der Oberfläche hauste, die überraschende Wärme dort war fremd der Welt jenseits, doch wurde er aus den Gedanken gerissen, als er schließlich aufkam schwer auf dem Boden. Lebendig fühlte er sich noch an, weichlich. Quakhardt erhob sich wankend und folgte dem Ruf, dem er seit Beginn seiner sinnlos geglaubten Reise folgte, ein Puls aus blendendem Licht kam ihm entgegen, er ging ihm nach, langsam zum Quell hin, Flüstern von überall zu hören, das Schwarz sich umkehrend zu Bildern, die sie es nicht hätte geben dürfen, zeigend das verbotene Wissen aus alten Tagen, dem Zeitalter der Gottwesen.
Letztlich blickte Quakhardt herab auf den Boden, der nicht mehr sichtbar schien, in der Luft vermochte er zu laufen, dem Pfad entlang gehend, der ihm vorgelegt wurde von sonst einem Wesen, doch kümmerte ihn das nicht. Da kam er zu einem Halt, vor ihm schien eine fremde und doch bekannte Gestalt zu sitzen, befestigt an Ketten, die weit aus dem Blickfeld reichten, eine Ente, so meinte er und sah sie an, diese zurück. »Sagt, seid Ihr von oben?«, kam es, Quakhardt nickend als Antwort. »Sagt, könnt Ihr mich um jene Fesseln hier erleichtern?« Quakhardt zögerte kurz, trat daraufhin vor und langte nach den Schlingen, sie zerbrechend bereits bei der bloßen Berührung.
Die Ente schien erfreut. »Ich danke Euch. Sagt, wie heißt Ihr?«
»Quakhardt«, wurde geantwortet.
Eine Pause. »Natürlich doch …« Die Ente erhob sich, beinahe gackernd: »Ich bin der einstige Herr der Gefiederten, Bezwinger der alten Welt und all ihrer Übel, Lord Ente.«
2: Erwachen
Wahrlich wundersam schien es, fernab vom einst glorreichen Entenreich, weit von Sinn und Logik, brach er zusammen, der Himmel dort, trübe Splitter herunterkrachend zum Boden, offenbarend das, was jenseits lag, hungerndes Schwarz hereinbrechend in die Welt und verschlingend ein jedes Vieh, sich ausbreitend wie zähflüssige Klumpen aus Pech, überwältigend alles, was im Wege stand, sich allmählich um die Welt legend wie ein Mantel gar.
Damals, vor zahllosen Jahren, weit entfernt vom Verständnis der jetzigen Zeitrechnung, als die Götter es noch gab, da fraß einer von jenen den Himmelsmond, die Welt in Finsternis tauchend und die Kreaturen der Träume schöpfend, fabelhafte Wesen aus der seinen eigenen Imagination selbst, er schlummernd und gebärend die Brut der Nacht, die sie herumtänzelte auf der Plane oben, die sie dann dienten als neues Licht im Dunkeln. Doch ist nichts wahrlich ewig, und die Kadaver häuften sich, Krankheit umherreichend und letztlich erweckend den träumenden Gott, er in Schock vor dem, was er hatte kreiert und bezweckt, er, der er das Herz war der albtraumhaften Masse nun, Grund des finsteren Himmelszeltes und nunmehr noch des Einbruchs jenes. Seine Kinder erstreckten sich über das verdammte Land, gottlos wie es zu sein vermochte, wo sie alle fort waren seit jeher, es aufgebend, sodass es nicht mehr heilig war wie damals einst vor so langer Zeit doch.
Quakhardt beäugte die Ente vor ihm. »Seid Ihr ein Gott?«, fragte er.
Die Ente nickte, »Bei meinem Namen bin ich dies, Gottwesen, einer jener obersten Götter, wie es sie einst gab auf jener Erde hier.« Ente trat Quakhardt näher und legte die staubigen Federn auf seinen Schädel, schließlich den Flügel zurückziehend und nach oben blickend zur müden Sonne. »Folge mir, Diener.« Kaum verließen jene Worte den Schnabel des scheinbaren Gottes, da begann der seine Körper zu zittern, lautes Knacken umherhallend, unter der Haut sich Hügel auftuend und alsgleich wieder einsackend als spielten sich Explosionen darunter ab, die Gestalt des Gottes sich verändernd, er sich erhebend und sich fortgehend verwandelnd in ein Wesen wie es Quakhardt fremd war völligst, Flügel fort, stattdessen mit jeweils fünf Fingern am Ende besetzt, Beine lang und mit Gelenken offenbar, menschlich er werdend zum Teil, Gefieder und Füße und Kopf doch unverändert. Die schimmernden Bilder um sie herum erloschen, heulend ihre Wege findend zum Entenmenschen.
3: Quakhardt, Diener des Entenherrn
Als Himmel noch hell gewesen war und Boden noch fruchtbar, das Land noch voller Hoffnungen und die auf ihm wandelnden Wesen lebendig, da war Ente, baldiger Held der Federvölker, begleitet worden von zweien seiner Diener auf dem Wege zur Heimat der menschenfressenden Gottheit, gewillt diese zu bekehren, sich ihnen anzuschließen im Kampfe gegen die Übel der Welt, die sie näher rückten mit jedem vergehenden Tag, jedem Augenblick nur.
Besagte Gottheit, hausend im tiefsten Eulenwald, eine unfassbare Menge Göttlichkeit innetragend, die Essenz alles Übernatürlichen, Bruchstücke der Weltenwahrheit, das Auftreten hervorgerufen durch schandhafteste Sünde. Bezweckt die Antwort auf eine jede Frage zu erkennen, Ente und seine Handlanger Quakhardt wie auch der letzte übrige Mensch näherten sich dem Dorfe der Scheinmenschen, bloße Puppen ohne wirkliches Leben, in echt doch bloß Erde und Lehm seiend, sie angetrieben durch die Gottheit und dienend ihr als Nahrung, Opfer sie stets zum Neumond verlangend, sie sich transformierend zu einer blutrünstigen Bestie bis zum Anbruch der Morgenröte, zurückkehrend dann in ihre Hülle, hohl im Inneren mit Ausnahme der Göttlichkeit selbst, verstand sich.
So gelangten sie ins Dorf, die Scheinmenschen sie grüßend und die Gottheit durch sie zu ihnen sprechend, »Was wollet Ihr, Fremde?«
Ente wies Quakhardt an, vorzutreten zu ihr, sie seinen kleinen Kopf ergreifend und nach einer kurzen Stille verstehend nickend. »Vermag ich mich Euch anzuschließen, so hoffe ich, ja.« So gingen sie mit erfülltem Ziel zurück zum Ort, den sie ihr Zuhause nannten, Quakhardt, der Mensch und der Entenherr, die Zuflucht im endlosen Holz im Reich der Eulen, weit am anderen Ende des gigantischen Waldes.
Die Gedanken wurden unterbrochen. Quakhardt, der jetzige Quakhardt, rang nach Luft, der Blick hektisch umherzischend, der Entenherr vor ihm direkt im Schneidersitz, ihn seltsamerweise beruhigend in bloßen Momenten nur. »Was ist dies für ein Ort?«, fragend und umschauend sich, sie sich befindend in einer Art Hütte, heimlich aussehend, fern vertraut, eine ungewohnte Art der Nostalgie auslösend in seinem Inneren, mit dieser allerdings nichts anzufangen wissend.
»Die Welt ist jung erneut«, sagte Ente und deutete mit dem Finger auf einen Krug neben ihm. »Trinket nur und kommet erneut zu Sinnen.« Pausierte er schließlich und wartete ab. »Ich habe zurückgedreht die Zahnräder, die sie die Welt befehligen, das Ende zwar kommen mag bald, unausweichlich, doch habe ich die absolute Wahrheit allens noch nicht erkannt, erst dann ich erlaubend den endgültigen Untergang, so lange bereits drohend er, auszulöschen alles, was war und ist und sein wird, Zeit ist es bald.«
Quakhardt starrte nieder, »Jene Bilder, die Ihr mich habt sehen lassen …«
Nickend Antwort gebend, gackerte Ente, »Du dies einst warst im Zeitalter der Gottwesen, doch seist dahergesiecht und letztlich eingegangen unter jenem Einfluss, ich dir teilhaben lassend ein Stück meiner Selbst.«
Ihn überwältigend urplötzlich, ungewillt fallend in tiefen Schlaf, weitere Bilder von einst sich ihm offenbarend, Bilder von ihm selbst und dem Entenherrn und dem Menschen und auch der menschenfressenden Gottheit, sie reisend durch das Land und bezwingend wie auch vertilgend andere Götter, die deren Sündenlast auf sich nehmend, zu wahren Gottwesen aufsteigend, schöpfend die alten Mythen und Legenden, die als Märchen Quakhardt hätte noch abgestempelt, hätte er nicht gesehen, was nun gesehen wurde.
4: Die Ursünde
Zu Beginn gab es nichts als die Welt, diese seither leer gewesen und fern von jeglicher Abweichung, ein jeder Teil davon so farblos und öde wie ein jeder andere, weder Tag noch Nacht, kalt noch warm. Doch kam das erste Gottwesen plötzlich daher, schlüpfend aus dem Weltenei, Idee und Form gebend dem Starren, er kreierend aus der bloßen Asche des Grundes und einem Stück seiner Selbst alles Leben, vor Zeit so lang vergessen, er sodurch einleitend das Ende der ersten Welt, die Ursünde begangen habend, Leben und Tod schaffend, Leid und Freude, das Lichte wie auch das Lichtverzehrende, er den Garten Eden vernichtet habend und alles verurteilt zum Zerfall, unabweichlich.
Das Land einst war besiedelt von den vier Federvölkern, den Eulen, Gänsen, Schwänen und natürlich den Enten, der Urschöpfer jener seit Äonen bereits vergangen zum Zeitpunkt des Auftretens von hoher Intelligenz in seinen Kindern, sie aufbauend zahllose Zivilisationen, viele zu scheitern jedoch verurteilt bereits seit Anfang an gewesen, womöglich bereits davor sogar. Jener, der bald Federherr werden würde, ward geboren in Gefangenschaft unter Auge der Menschen, sie die imperfekten Produkte von leicht göttlichen Wesen waren, der erste Versuch, zu schöpfen, was einst der Urvater aller hatte vollbracht, doch mangelte es an den Federn, darstellend den Fehlschlag. Doch kam es einst zum Aufstand, der Revolution der Ungefiederten, sie sich als gute Krieger offenbarend, davor als bloße Sklaven verwendet worden, sie erobernd und stehlend die Ungeborenen als Trophäen, diese verspeisend in Hoffnung, Federn zu erlangen.
Durch die grausigen Umstände des Hungerns getrieben zum Verzehr seiner Brüder und Schwestern, er Sünde begehend, einen Bruchteil der Weltenwahrheit erkennend, er zu verstehen lernte die Fasern von Realität zu kappen, die Kraft der verborgenen Göttlichkeit zu nutzen, die sie durch die Ursünde verbreitet wurde über das ganze Land hinweg, er sich so befreiend von den Ketten der Menschen und als Gottwesen wiedergeboren, determiniert zu erlangen mehr jener Wahrheit, sündigend und begreifend mehr und mehr von ihr, bald bereits er erschlagend andere Götter und aufnehmend ihre Teile der Wahrheit.
Und so kam es eines schicksalhaften Abends dazu, er angezogen von der Göttlichkeit, gelangend zu den Ruinen einer kleinen Siedlung im Entenreich, nahe des weiten Entenwaldes, vor ihm auf dem Weg stehend ein Federviech, beide sich musterten und es seine Hülle abstreifend, als wäre sie nicht mehr als dies, offen zeigend das, was darunter lag, konzentrierte Göttlichkeit, daraus langend zahlreiche Greifarme, herausstemmend den Rest, sich herausstellend als geflügeltes und rotierendes Rad mit etlichen Augen wie auch Gliedmaßen, sich weit ausdehnend und Kreischen aus den Händen strömend wie Sturm, faule Mäuler dort angebracht, sie sich ausstreckend zu Ente, seinen Körper kräftig packend, ihn wild durch die Luft schleudernd, vertilgend er ihn schließlich, um Augenblicke später aus der Existenz zu verblassen, Ente wohlauf auf dem Boden aufkommend, bemerkend das Quaken eines jungen Entleins, verschont worden wohl vom nun erlegten Gott, sich ihm nähernd und es mit sich nehmend, das es dort ansonsten den Tode mit den anderen gefunden hätte.
5: Weltentod
Wirbelnd umher der Verstand eines jeden, die Zeit sich biegend nach Willen des Entenherrn, Vorstellungskraft brechend und Erinnerungen fließend mit dem Strom des chaotischen Seins, schaffend Realitäten, die unwahr sein mochten, unsicher, wann überhaupt sie waren, herumgeschleudert durch das Konzept davon, verlierend sich und neu entdeckend eine andere Version der Selbst, weniger und weniger echt. Was tatsächlich real war, das vermochte selbst der Entenherr nicht deutlich sagen zu können, doch war er sich von seiner Klarheit überzeugt, festhaltend an seinem Ursprung, annehmend dies zumindest.
Die Hütte im Entenwald, residierend darin Ente und sein neu gewonnener Diener Quakhardt, tief verankert im Gedächtnis, niemals verfärbend sicher, es an der Tür klopfte, eintretend ein Mensch. Groß war er, gar ein Hüne, und schmal wie ein Strich beinahe, hergerufen vom Schicksal selbst wohl, wiederholend sich das, was einst war, unabwendbar. So setzten beide Enten sich, und der Mensch tat es ihnen gleich, zu erzählen beginnend seine Geschichte.
»Kommt mit mir, Mensch, und ich werde Euch geben das, was Euch fehlt.« Die Hand wurde ausgestreckt, ergriffen, Ente ihn durch den Pakt zu einem seiner Diener werden lassend, bevor Raum und Zeit selbst wieder instabil wurden, Risse sich auftaten, aus ihnen ragend Teile von Hungerwesen des Jenseits, verblassend alles, sie sich wiederfindend in der großen Wüste zwischen all den Federreichen, die drei begleitet von der menschenfressenden Gottheit, reisend zu den vom Sand verschluckten Bauten aus Tagen lange her, Ente spürend, dass die Welt kurz vor ihren letzten Grenzen war und bald zu Ende gehen mochte, ein für alle Male, sie diesen Tag bereits lange ersehnt hatte. Unsicher sich Ente überhaupt, was zu bezwecken war durch seine Taten, knapp vor ihm wartend die Inexistenz, zu lange die Welt schon, er sich berauschen lassend durch das Wiedererleben alter Tage, weit fern, sich selbst in Nostalgie wälzend, sich selbst blendend, um nicht zu sehen das vor ihm, bald alles auslöschend, auf Ursünde selbst zurückzuführen, verwischend sein Ich letztlich, sich auflösend im Leeren.
Die Welt, alt und grau und leblos, Grund bebend und brechend, Himmel pechschwarz, ausgetrocknet der letzte Quell auch, sich alles selbst pulverisierend, so im Kern offenbarend sich das Weltenei, es sich rührend und aufsaugend alles, versammelnd ein jedes Etwas, sich vereinigend zu einem einzelnen Wesen, in ihm alles, das war und ist und sein mochte, die Schale alsbald Risse bildend, schlüpfend daraus eine neue Welt.
6: Begegnung im Dunkeln
Fluss begann erneut zu fließen, Ente sich wiederfindend im Entenwald, die Flucht aus der menschlichen Federforschungseinrichtung war geglückt, hechelnd nach Luft und sich bewusst werdend seines Unwissens bezüglich der Welt, seit seinem Anbeginn er festgehalten wurde, ungebunden jedoch nun wahrlich, befreit worden von den Gänsen, die sie die Menschen zu Tode gepickt hatten wie auch deren Leichen geschändigt, umherwandernd er auf der Suche nach überhaupt wem, nicht mal das Zirpen von Insekten hörend, still war es nämlich, die Sonne am Horizont sterbend, der Wald mitsamt allen Bewohnern trauernd um sie, bevor sie bald erneut zu neuer Kraft finden würde, strahlend im Stolz.
Dunkel wurde es stetig mehr, Furcht in Ente auslösend, und knackte ein Ast nahe, ihn einfrierend, er nicht wagend einen Laut von sich zu geben. Ungleichmäßige Schritte sich nähernd, er loswatschelnd in Panik, der er noch nie zuvor solche Angst verspürt hatte, um Hilfe quakend, umgeworfen jedoch, etwas seinen Schnabel zudrückend und ihn zu Boden pressend, er denkend, dass er jeden Moment zerbersten würde.
Das Ding knurrte, schnüffelte an ihm, danach eine kurze Pause. »Seist ein Mensch nicht.« Die Stimme klang kreidig.
»Eine Ente bin ich, kein Mensch, nein!«, stammelte er, Augen groß, Probleme in der Finsternis habend, das Gegenüber zu sehen.
Er wurde losgelassen. »Wieso riechst du nach ihnen dann, wenn du nicht einer bist von ihnen?«
»Von den Menschen kam ich, jawohl, als Gefangener wurde ich von ihnen gehalten, doch bin ich nun frei!«
»Verschwinde.«
Und verschwunden er war, fortrennend tiefer in den Wald, Verzweiflung mit der zunehmend sich tiefer in sein Fleisch beißenden Kälte wachsend. Das Dunkel legte seine Augen auf ihn, abwartend bis zu seiner eventuellen Müdigkeit, zuschlagend bald und speisend von seinem dann leblosen Körper, Teil werdend von der Schwärze er.
Und bald schon die letzte Kraft ihn verließ, ein jeder Schritt Willenskraft kostend, die nicht mehr da war, Ente voll Furcht, doch zu erschöpft, um weiterzurennen, fahle Wesen sich ihm endlich nähernd und zu reißen beginnend am Fleische, ein Kreischen von etwas entfernt ertönend, die Nachtwesen zurückweichend und Ente observierend wie auch das Untier, das anrückte und schließlich an sich nahm den Körper, verschwindend im Dunkeln letztlich, hinter sich lassend die ausgehungerten Monstren.
7: Entonio
Augen geöffnet, sich umblickend fand Ente sich wieder im Halbdunkeln, steinige Wände und Grund uneben, spitz. Die Augen zukneifend versuchte er, seine Umgebung zu mustern, fuhr mit dem Blick über sie, sich vorsichtig erhebend und nach vorne tastend, Tröpfeln hallend durch die Höhle.
»Du«, kam es von hinten. Ente drehte sich um. Stand dort eine Menschin. »Hallo«, blinzelte er. Beide stehend, einander anschauend, schweigend. Ente wollte etwas sagen, ging jedoch, sie ihm folgend, in die Richtung des Lichtes, zur Oberwelt hin, die lodernde Morgensonne am Himmel, die Menschin in den Schatten jedoch bleibend unter der Erde, auf der Stelle wartend. »Danke«, sagte er.
Zur selben Zeit im Lande der Eulen, im Palast der eulischen Krone, im Herzen Eulenstadts direkt, der König im Sterben liegend, er zu sich rufend seine zwei Treusten, Entonio und Euleon, ihnen anvertrauend, dass er um seinen sehr baldigen Tode wisse, ihnen Instruktionen gebend, erzählend um die seine Vergiftung durch einen des Entenkönigreiches und ihnen als letzten Wunsch aufgebend, dass sie finden würden jenen, der ihn nun zum Fall gebracht hatte. Durch zahllose Kriege, viele davon verloren damals, das Land nun in tiefer Armut, Hunger ein Problem selbst im höheren Adel nun, sie sich einen weiteren Krieg nicht mehr leisten könnend, so dürfe niemand darum wissen außer ihnen. Und so wurden Entonio und Euleon ausgesandt zum Entenreich, Euleon jedoch nicht ahnen könnend, dass Entonio in Wahrheit eine Ente war und keine Eule und er selbst für die Eliminierung des Königs beauftragt wurde.
»Tragisch nur«, so dachte sich die als Eule verkleidete Ente, »dass er nicht weiß um mich und mich hat vergessen seit damals.«
Der Eulenkönig, von Eltern zur Geburt auch tatsächlich den Namen »Eulenkönig« verliehen bekommen, war ein von der Norm abweichendes Individuum. In seinen jungen Jahren noch als Herrscher sich entpuppend als ausgezeichneter Kriegstreiber, drum führend so viel wie keiner vor ihm addiert auch nur, das Eulenreich zu Ruhm führend und zur wohl größten Weltmacht werden lassend, doch verfiel der seine Traum allmählich, denn vermochte nichts ewig zu währen, das auf Zerstörung allein sein Fundament hatte stehen. So wuchs das Volk ungehorsam, mochte es nicht in den sicheren Untergang marschieren, als die Gänse neue ausgeklügelte Technologien im Kriege verwendeten, die der der Eulen mit Abständen waren überlegen, der König mit Arrest und Tode drohend jenen, die sich weigern mochten, hinrichtend einen guten Teil der Bevölkerung in Ungnade und einsperrend viele weitere in den üblich überfüllten Kriegsgefangenenlagern, in die Trophäen aus den Kriegen wurden hineingeschleppt und versklavt, doch wo viele von jenen nun durch die dortigen Lebensumstände waren tot, so wurde Platz frei für andere traurige Wesen, den Zyklus am Laufen haltend, der er Blut und Knochen verlangte.
Die Gefangenen damals, oft noch Kinder und Frauen, Männer jedoch seltener, wurden zu den Spielzeugen der Nobilität, der Eulenkönig und andere sie aufsuchend und benutzend, ihnen versprechend die Freiheit, um ihnen in ihrer Verzweiflung zuzusehen, wenn sie wieder in das Höllenloch zurückgeschmissen werden würden. Ab und an vermochte manch einer die Flucht zu ergreifen, und wenige nur hatten Erfolg damit, denn waren die ihre Körper abgemagert und schwach, fragil oder alt, sodass selbst dann die Hoffnung nicht ausreichen würde, schlussendlich eingehend. Entonio war einer jener wenigen, denen die Flucht nicht missglückt war, er, wie es das Schicksal verlangte, findend sich einen Retter, ihn zu sich aufnehmend und pflegend zu erneuter Pracht wie einst, als sein Dorf noch von den Eulen unberührt lag.
Wo der Eulenkönig nun im eindeutigen Sterben lag und keine bekannte Medizin ihn retten mochte, galt nun nur noch die Zerstörung des restlichen Eulenreiches, und jene würde bald hereintreffen, so war er sich sicher.
8: Gottwesen im Jenseits
Schleier lagen über dem Lande der Gänse. Gansmann, so nannte sich ein tapferer junger Mann dort, er umherwandernd durch die Einöde, suchend nach Sinn, den er nicht hatte im Leben. Eine Gans im Gänsereich zu finden zu jener Zeit, war unüblich, so musste man verstehen. Das einst glorreiche Land nämlich war tief gefallen, nachdem sie die ersten Menschen erschaffen, schließlich schnell die Kontrolle über diese jedoch verloren hatten, sie die Gänse überrennend und erschaffend auf ihren Ruinen und Leichen das ihre eigene Reich.
Ente blickte die Menschin an. »Danke, dass du mich gerettet hast vor diesen Dingern.«
Sie schüttelte den Kopf. »Dafür nicht. Selbstverständlich seien die meinen Taten, somit nicht recht eines Audruckes der Dankbarkeit.«
»Seltsam redest du. Im Sinne von ›merkwürdig‹«, meinte er.
Sie winkelte den Kopf an. »Ach? Mag dem so sein?«
»Jawohl.« Er stand da so, und sie stand dort so. Er holte Luft, sein Bauch begann sich zu melden. Er lachte, fehl am Platz alles scheinend.
»Hungert Ihr?«, fragte sie, dem folgend ein zögerndes Nicken als würde man sich drum schämen. Sie verschwand im Dunkeln, kam zurück mit etwas in der Hand, sie diese ausstreckend zu ihm. Ente kniff die Augen zu, um besser zu sehen.
Der Himmel war leer, an einer einsamen Straße zum Entenreich stand Entonio, zu seinen Füßen lag Euleon, leblos. Entonio von Blut überströmt, in den Händen eine Klinge, herunter tropfend das Rot auf seine Watschler. Der Verstand verschwamm mit der Zeit, etwas riss ihn fort, weit weg zu einem fremden und dunklen Ort, dort wartend eine Entität, von sich gebend eine wirre Ausstrahlung. Entonio blickte ihm entgegen, dem Wesen, das es war mit etlichen Gesichtern und einem Körper aus Staub. Die Münder öffneten sich, entsprangen aus ihnen grelle Strahlen des Lichts, Heulen durch die Luft vibrierend, Sturm sich auftuend, hereinbrechend und fortwischend alles in einer Sintflut, er sich wiederfindend im Jetzt, neben Euleon im toten Gras liegend und hektisch nach Luft schnappend, sich übergebend und versuchend, sich zu beruhigen.
Zeit schwirrte vorüber, als wäre sie ein Schwarm von Vögeln. Ein Schwarm von Enten. Ein Schwarm von wilden Enten! Und die Unsterblichen jenseits der Existenz gackerten.
9: Versteck
Die Himmel zerbarsten und die Sterne fielen ausglühend zur Erde. Die Fasern, die die Realität zusammenhielten, rissen auf, und exotische Farben kamen herausgeströmt wie Nebelgespenster, sich lauernd auf das Land absetzend. Ente stand inmitten des Nichts. »Verzehret die Welt, wie sie nun ist«, kam ihm zugesprochen, »und bringet sie hervor auf ein Weiteres, auf dass sie womöglich ein wahres Ende einläuten mag.« Die Fragmente des Diesseits lösten sich auf und wurden Teil des Unbekannten, das erwachte aus seinem tiefen Schlummer, so lange herbeigesehnt. Die wirren Entitäten mit ihren gigantischen Schwingen aus Pech stahlen all das Licht aus der Welt, Schreie entronnen ihren Kehlen und formten einen Vortex aus bloßer Leere. Der Verstand wurde unklar und vermischte sich mit dem Rest allen Seins in ihm, bis letztlich nichts mehr stand.
Entonio kam daher. In seinen beiden Händen hielt er das, was er für das Instrument hielt, welches ihm in seinen Taten dabeistehen würde, das Eulenreich dem Erdboden gleichzumachen. Ein Ei, nicht wirklich von irgendeiner Besonderheit geprägt, doch wurde ihm fest versichert, es würde ihm den richtigen Pfad vorgeben. Es würde alles zur richtigen Zeit zum richtigen Ort leiten, so meinte einst ein wichtiger Freund zu ihm, womöglich auch viel mehr als nur das. Ob dem auch wahrlich so sei, das konnte man zwar nicht wissen, doch zu zweifeln an seinen Worten, daran hatte Entonio keinen einzigen Gedanken gegeben.
Der Wald war dicht und bewuchert von zahlreichen Pflanzen, viele davon mit Dornen oder ähnlichem ausgestattet, doch war er gekonnt in der Kunst, sich unversehrt durch die Sträucher und Büsche hindurchzuzwängen. Weitab von der Zivilisation, da lag sein einstiges Versteck. Lange schon war es her, dass Entonio sich zuletzt an diesem Ort wiedergefunden hatte. Im Boden klaffte ein kleines Loch, tief in die Erde führend. Er erinnerte sich an früher, wie er zum ersten Mal diese Zuflucht entdeckt hatte, kurz nach seiner Flucht direkt, und wie er dort auf ihn gewartet hatte, der er ihn heranbringen würde zu dem, was er nun war, einem mit Sinn. Er wurde nostalgisch und sehnte sich zurück, doch unterbrach ihn ein Unwohlsein, das er nur selten gehabt hatte.
Da war wer hier unten außer ihm, der hier nichts zu suchen hatte. Entonio blieb still und stumm. Seine Augen waren noch recht blind im Schwarz, seine Ohren gespitzt und angespannt suchend nach dem kleinsten Laut nur. Doch kam nichts. Langsam regte er sich wieder und begann sich aufzulockern, »Sicher sei es hier doch wohl«, dachte er sich bloß und fuhr fort mit dem Begehen der Höhle, unachtsam geworden und nicht kommen sehend von der Seite den betäubenden Schlag gegen seinen Entenschädel.
10: Gefangen
Augen öffneten sich, blickten sofort sich um, schnellstmöglich versuchend, irgendetwas nur auszumachen. Vor ihm waren die Silhouetten zweier Wesen, die eine gehörte einem Federviech, die andere … einem Menschen?
Er wollte versuchen, aufzuspringen, bemerkte zu spät aber die provisorischen Fesseln um seine Gliedmaßen und schliff sich an einem spitzen Stein die Haut auf. Stille. Die beiden blieben stumm, hockten bloß da, ihn anblickend.
»Ich habe keine niederträchtigen Intentionen«, sagte Entonio, inständig hoffend, dass er sich aus der Situation herausreden könnte. »Unbewaffnet bin ich und hege keinen Grund zu Aggressionen gegen irgendeinen nur von von euch. Lasst mich darum gehen, so bitte ich euch beide!« Er hatte Zweifel um die Effektivität seiner Worte.
»Was sucht Ihr hier?«, wurde er von der Menschin gefragt in vollkommener Ruhe, was er nicht hatte erwartet.
»Ich suche Unterschlupf. Mein bisheriges Zuhause ist nicht mehr«, meinte er, »und so kam ich her, wo ich meine Kindheit verbracht an diesem Ort habe, ich ihn sogar mein erstes Heim nennen würde.«
»Ihr tragt bei Euch ein Ei«, fuhr sie fort. »Woher habt Ihr es? Gewiss nicht üblich ist es, dass wer ein solches einfach bei sich trägt.«
Er fühlte, dass es noch an seiner Person war, lockerte sich etwas. »Meine Gattin, äh … ist neulich verstorben? Ja, da brannte unser gemeinsames Haus nieder. Unser Kind konnte ich retten noch, aber sie war bereits tot, als ich von meiner Arbeit als Zimmerente zurückkam. Ich konnte nicht mehr tun.«
Still war er erneut. Dann kam Seufzen. »Wir mögen Euch wiedergeben nun Eure Freiheit. Ihr mögt bleiben, wenn Euch danach beliebt, zu gehen liegt Euch auch in der Wahl.«
Entonio nickte, die Menschin und das andere Federwesen, welches sich als werte Mit-Ente bei näherem Betrachten herausgestellt hatte, lösten die Ranken. Das Ei in seiner Tasche rührte sich schwach. Er stand auf. Wurde angesehen. Setzte sich wieder hin, genau wie die anderen beiden, enormer Druck ging von ihnen aus. Sein Herz fühlte sich an, als würde es zusammengepresst werden. Seine Wunde, die er sich vorhin zugezogen hatte, begann zu brennen. Sein Blick wurde unklar, seine Haut unmöglich warm, er zittrig. Durst und Hunger unerträglich sich auftuend in ihm, klaffend im Bauch eine Leere, die er noch nie zuvor gefühlt hatte, tiefgehende Verzweiflung erfüllte ihn.
Wurde ihm entgegengestreckt ein Finger der Menschin, lang und schmal, Haut glatt und eben, rein. Ein breites Grinsen auf den Lippen sie tragend.
Zu Sinnen kam er wieder. Etwas war anders, mehr als nur das. Er fühlte sich unvollkommen, als sei etwas Essenzielles verloren gegangen für immer. Neben ihm lag die andere Ente, ebenso hohl wie er, ohne Willen dazu, sich zu rühren nur.
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