Kapitel 45
---Ihre Sicht---
Ich sitze auf der Couch und starre nervös vor mich hin. Die Tränen laufen stumm über meine Wangen. Obwohl ich weiß, dass Bill die Trennung durchzieht, habe ich Angst, dass sich dadurch seine Familie zerstreitet. Charlie hasst uns ja sowieso schon. Mal sehen, was passiert, wenn es alle mitbekommen haben...
Ich höre, wie die Haustür quietschend aufgeht, drehe mich aber nicht um. Ich habe keine Lust jetzt mit jemandem zu reden. Doch dieser Jemand setzt sich neben mich auf die Couch. Ich sehe ihn nicht an, aber ich weiß, wer es ist. Das erkenne ich an seinem Geruch und dem Rhythmus der Geräusche, die er beim Laufen verursacht.
„Hey!", sagt Charlie leise.
„Hey.", antworte ich, schaffe es aber nicht ihn anzusehen.
„Wie geht's dir?", fragt er.
„Beschissen!", sage ich und wische mit dem Handrücken über mein Gesicht.
„Verstehe ich." Dann herrscht eine Weile Schweigen.
„Macht er dich glücklicher als ich?", fragt er irgendwann. Ich senke den Kopf. Es tut mir weh, ihn so am Boden zu sehen, aber ich weiß, dass ich das Richtige tue. Ich nicke.
„Na schön! Hauptsache, dir geht es besser. Tut mir leid, dass du deine Zeit mit mir verschwendet hast.", sagt er gekränkt und will aufstehen, aber ich halte seinen Arm fest.
„Charlie! Versteh das nicht falsch. Bitte! Die Zeit mit dir war wunderschön und das letzte, was ich tun würde, ist sie zu bereuen. Es ist nur so, dass man auf sein Herz hören soll und das habe ich getan. Es tut mir so leid! Aber ich schwöre dir, dass ich dich wirklich von ganzem Herzen geliebt habe und die Zeit, die ich mit dir verbracht habe, zu den schönsten meines Lebens gehört. Nur eben erst hinter der, die ich mit Bill verbracht habe. Ich verstehe das, wenn du mich jetzt hasst."
„Ich könnte dich nie hassen. Eher hasse ich mich selbst. Dafür, dass ich nicht gut genug für dich bin.", er klingt enttäuscht. Sehr enttäuscht.
„Bitte denk sowas nicht! Du bist gut genug für mich. Vielleicht sogar ein besserer Mensch als Bill. Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Auf jeden Fall besser als ich. Aber das Herz macht manchmal seltsame Sachen aus irgendwelchen Gründen, die man selbst nicht versteht.", sage ich.
„Ja, ich weiß. Nur gibt es andere Herzen, die dann damit klarkommen müssen!" Ich spüre schon wieder die Tränen in meinen Augen, da ich weiß, dass er Recht hat. Meine Ellenbogen habe ich in die Knie gestützt und den Kopf in meinen Handflächen vergraben.
„Ich bin so ein schrecklicher Mensch.", sage ich leise und schluchze auf. Er legt mir eine Hand auf die Schulter.
„Tut mir leid. Ich sollte dir keine Schuldgefühle einreden! Du hast es sicher schon schwer genug."
„Du redest mir das nicht ein. Ich habe allen Grund, sauer auf mich selbst zu sein. Also danke, dass du... Dass du mich nicht hasst. Das bedeutet mir wirklich viel. Ich habe das nicht verdient.", sage ich, blicke aber immer noch nicht auf.
„Ich tu alles um dich glücklich zu machen, das weißt du, und ich kann mir nicht vorstellen, wer das mehr verdient hätte. Du bist ein guter Mensch, auch wenn du das im Moment nicht denkst. Wenn Bill es ist, der dich glücklich macht, dann ist das in Ordnung. Ich komm schon irgendwie damit klar. Was würde es mir bringen, wenn du zwar bei mir wärst, aber unglücklich wärst? Nichts. So ist es besser!", sagt er und nimmt seine Hand von meiner Schulter. Er lügt. Meinetwegen lügt er, nur dass ich mich besser fühle.
„Danke!" Zum ersten Mal in unserem Gespräch sehe ich ihm in die Augen. „Du bist so ein lieber Mensch, Charlie! Ändere das bitte nie! Bitte verspricht mir das! Ehrlich, ich kenne keinen Menschen, der besser ist als du. Keiner ist netter, fürsorglicher oder gütiger. Du darfst das auf gar keinen Fall ändern, ok? Diese Eigenschaften haben nicht Viele. Versprichst mir, dass du bleibst, so wie du bist.", sage ich. Er nickt und flüstert ein „Danke". Ich nehme ihn in den Arm. Er zögert zwar, legt dann aber auch die Arme um mich. Es tut gut, jetzt etwas Halt zu haben.
Ich höre jemanden die Treppe runterlaufen, löse mich von Charlie und sehe denjenigen an. Will. Er lächelt etwas traurig, aber trotzdem sehe ich seine Augen vor Freude strahlen. Fleur weiß also Bescheid. Charlie steht auf und Bill weicht sofort einen Schritt zurück. Die Arme hält er abwehrend vor sich.
„Ist ok, Charlie! Ich versteh dich! Ich wär dir aber echt dankbar, wenn du mir diesmal nichts brechen würdest."
„Kann ich mal mit dir reden?", fragt dann Charlie. Bill schaut zwar immer noch skeptisch, aber nickt.
„Ich bin oben!", sage ich und laufe die Treppe hoch.
Ich weiß das, was Charlie gesagt hat, wirklich zu schätzen und ich denke, dass auch Bill ihm unendlich dankbar dafür sein wird. Aber trotzdem glaube ich nicht, dass ihn das nicht so mitnimmt, wie er vorgibt. Ich habe sein Herz in seinen Augen brechen sehen, als ich ihm gesagt habe, dass ich Bill liebe. Es hat ihn zerstört. Er hat das eben nur mir zuliebe gesagt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es wirklich so sieht. Ja, wahrscheinlich ist er ein besserer Mensch als Bill und ich. Während Charlie andere aufbaut, ziehen Bill und ich los und schlagen jedem in die Fresse, der uns etwas bedeutet. Charlie gehört einfach zu den Menschen, die jedes Glück der Welt verdient haben, aber nie welches abbekommen. Das ist einfach nicht fair.
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