Kapitel 2
„Ben! Ich bin wieder da!", rufe ich und werfe meine Tasche achtlos zu Boden. Meine Jacke landet daneben.
„Hi, Scar.", ruft er zurück. Ich laufe ins Wohnzimmer, aus der die Stimme gekommen ist.
„Benny! Ist alles Ok? Ich war viel länger weg, als ich dachte."
„Mir geht's super! Mach dir nicht immer so viele Sorgen!", sagt er und schaltet den Fernseher ein. Ich seufze.
„Ich koch' schnell etwas!", sage ich und höre ihn wenig später in die Küche kommen. Erstaunt schaue ich ihn an.
„Du hast das alleine geschafft?", frage ich. Er verdreht die Augen.
„Komm schon, ich bin 15! Ich bin nicht so hilflos, wie du immer denkst.", sagt er und sitzt wenig später am Tisch. Ich kann mir einen weiteren Seufzer nicht verkneifen.
Er ist mein kleiner Bruder und ich mache mir generell Sorgen um ihn. Er ist eben nicht so, wie andere Kinder in seinem Alter und wirkt auch oft hilflos auf andere Leute. Ich weiß zwar, dass es nicht so ist, aber ich habe trotzdem etwas Angst um ihn. Gedankenverloren rühre ich die Nudeln um, als ich wenig später aufschrecke.
„Wie war das Vorstellungsgespräch, Scar?", fragt er.
„Super! Ich hab' den Job!"
„Toll! Wie sind die Kollegen?"
„Ach, ich habe eigentlich nur einen. Aber der ist super nett.", erkläre ich. Er grinst.
„Wie alt?"
„25!", sage ich und schmecke die Sauce ab.
„Wie sieht er aus?", fragt er. Sein Mund verzieht sich zu einem schelmischen Grinsen.
„Ben! Vergiss es!", wimmele ich ihn ab.
„Ach, komm schon! Du kannst doch nicht ewig alleine bleiben! Seit ihm hattest du keinen Freund mehr und das ist ganze zwei Jahre her."
„Ben! Wir haben uns darauf geeinigt, nicht mehr von ihm zu reden."
„Ich versteh' überhaupt nicht, wieso du schlussgemacht hast. Der war total nett. Und du hast ihn von einem Tag auf den anderen dahin geschickt, wo der Pfeffer wächst. Und das ohne irgendeine Erklärung und nachdem ihr zwei Jahre zusammen wart. Zwei Jahre.", sagt er mit Nachdruck. Ich weiß, wie dieses Gespräch enden wird. Wir führen es schließlich beinahe wöchentlich. Und genau deshalb habe ich keine Lust darauf.
„Ich hab' dir schon oft genug gesagt, dass ich nicht darüber reden will. Er ist Geschichte und das wird sich auch nicht ändern."
„Sag mir doch wenigstens, warum!"
„Nein! Ich hab' dieses Thema abgehakt und damit basta!", sage ich und stelle den Topf auf den Tisch.
Er stöhnt und murmelt etwas vor sich hin, das wie „Verstehe einer die Frauen" klingt. Ich weiß, dass er so schnell nicht lockerlassen wird, aber ich kann ihm nicht sagen, warum ich schlussgemacht habe. Ich weiß es selbst nicht so genau. Vielleicht war es der Schock. Ich weiß es nicht, aber ich rede mir immer ein, dass es das Richtige war.
Ich rede es mir ein, aber ich hoffe immer noch, dass ich es irgendwann wirklich so sehen kann. Ich habe es selbst nach zwei Jahren nicht geschafft, ihn zu vergessen. Oft träume ich sogar von ihm. Dann sehe ich ihn lächelnd vor mir. Wie er lässig die Hände in die Hosentaschen schiebt und grinst. Wie ich dieses Lächeln geliebt habe... Genauso habe ich es geliebt, wie er jeden Morgen mit einer Fresse aufgestanden ist, als wäre die Produktion von Kaffee eingestellt worden - der typische Langschläfer eben. Wie er immer sein Gesicht verzogen und seine wunderschönen braunen Augen verdreht hat, wenn ihn etwas genervt hat. Wie er mich immer liebevoll Engel genannt hat, obwohl meine Haare pechschwarz sind und ich grüne Augen habe.
Ich vermisse ihn. Vor allem, wenn ich daran denke, wie mir seine Küsse jedes Mal den Verstand geraubt haben. Niemand konnte mir so ein Gefühl verleihen wie er. Sobald er mich berührt hat, war meine Umwelt plötzlich wie ausgestorben. Es gab nur uns beide und sonst niemanden auf der Welt. Nur er und ich - Scarlett und Will. Es war das schönste Gefühl, das ich kenne, von ihm in den Arm genommen zu werden, und selbst das war nicht mit den Nächten, die wir zusammen verbracht haben zu vergleichen. Es war einfach nur alles perfekt, wenn er mich im Arm hatte.
Ich muss an den Tag denken, an dem wir uns kennengelernt haben. Es war mit Abstand der schönste meines Lebens.
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