Kapitel 12

--- zwei Jahre zuvor ---
„Scar! Scarlett! Bleib hier!", ruft er, aber ich renne aus der Wohnung. Ich höre, wie er mir durch das Treppenhaus folgt, weshalb ich noch schneller renne. Ich muss erstmal weg hier. Weg von ihm und vor dem davonlaufen, was er mir gerade erzählt und gezeigt hat. Das war einfach zu viel auf einmal. Ich weiß, dass er viel schneller ist als ich und mich früher oder später einholen wird, aber es tut gut, sich den „Schock von der Seele zu rennen". Ich laufe über die Straße in den Park auf der anderen Seite des Hauses und sprinte über eine Wiese.
„Scar! Warte doch!", ruft er wieder. Aber ich renne weiter im Slalom um die gaffenden Menschen. Jedoch nur bis zur nächsten Parkbank, denn er hat mich eingeholt und steht jetzt vor mir. Seine traurigen braunen Augen mustern mich flehend und scheinen mir ein „Entschuldigung" regelrecht entgegenzuschleudern. Ich halte diesen Blick nicht aus. Aber als ich mich an ihm vorbeischieben will, greift er nach meinen Schultern und hält mich fest.
„Bitte hör mir zu! Ich wollte es dir schon viel früher sagen, aber ich hatte Angst davor, wie du reagierst."
„Will, das ist gerade zu viel! Lass mich los!", sage ich und versuche, mich aus seinem Griff zu befreien. Keine Chance. Er ist einfach zu stark für mich.
„Lass es mich erklären!", versucht er es erneut.
„Da gibt's nichts zu erklären. Du hast mich zwei Jahre lang angelogen. Ich brauch jetzt erstmal Zeit zum Nachdenken. Lass mich los!", sage ich mit fester Stimme.
„Versprichst du mir, dass du wiederkommst?", fragt er. In seinem Blick liegt Verzweiflung und Flehen. Ich antworte nicht. „Ich will dich nicht verlieren!", sagt er und schaut mir tief in die Augen. „Bitte glaub mir, dass es nie meine Absicht war, es dir zu verheimlichen. Aber ich hatte Angst, dass du deswegen schlussmachst." Sein Gesicht ist so voller Sorge und Verzweiflung, sodass ich schwach werde. Und ich weiß, dass er wieder dabei ist, mich zu kontrollieren. Einfach nur durch seinen traurigen Blick. Es kostet mich Kraft, aber ich schaffe es zu widerstehen.
„Kommst du wieder, wenn ich dich loslasse?", fragt er erneut.
„Vielleicht! Ich muss das erst verarbeiten.", sage ich.
„Versprich mir, dass du wiederkommst! Bitte!", fleht er.
„Das kann ich nicht, ich brauch erstmal Zeit zum Nachdenken."
„Bitte Scarlett!", flüstert er. „Es tut mir so leid!"
„Will, lass mich los!"
„Ich tu alles was du willst. Aber bitte geh nicht! Bitte verlass mich nicht. Ich kann nicht rückgängig machen, was passiert ist, aber ich will es wirklich gerne. Bitte Scar. Ich darf dich nicht verlieren."
„Das hättest du dir vielleicht mal überlegen sollen, bevor du mich angelogen hast."
„Scar, bitte nicht!"
„William!", schreie ich. „Du hast mir von Anfang an vorgelogen, du seist jemand ganz anderes. Du hast mich immer belogen. Lass mich das verdammt noch einmal verarbeiten! Ich weiß nicht, ob ich zurückkomme, aber wenn du mich nicht sofort loslässt, dann schwöre ich dir, wirst du mich nie wieder sehen!", schreie ich ihn an. Er schweigt lange und sieht mich nur an.
„Ok.", sagt er flüsternd und lässt langsam meine Arme los. „Es tut mir wirklich unendlich leid, Scarlett! Aber vielleicht solltest du wissen, dass ich es dir aus einem bestimmten Grund ausgerechnet jetzt gesagt habe."
„Nein, Will! Lass es gut sein, bitte!", sage ich und will mich an ihm vorbeischieben. Jedoch hält er meinen Arm erneut fest und hält mir einen kleinen funkelnden Gegenstand in seiner Hand hin. Es ist ein Ring.
„Ich liebe dich, Scarlett! Und wir schaffen das. Zusammen! Du hasst mich doch gar nicht wirklich! Und ich bin auch kein anderer Mensch, als du dachtest. Ich bin immer noch ich. Ich bin immer noch der, der ich vorher war. Siehst du das nicht? Ich bin der Mann, zu dem du die letzten Jahre gesagt hast, du liebst ihn. Liebst du mich etwa nicht mehr?", fragt er.
„Will, lass mich los.", sage ich wieder.
„Scarlett! Hörst du mir nicht zu? Ich liebe dich! Ich will nur dich! Ich will, dass du immer bei mir bist. Ich will dich heiraten und deshalb will ich, dass du mir sagst, dass du mich nicht mehr liebst! Denn sind wir ehrlich, du kommst nicht zurück, wenn du jetzt gehst! Also sag mir, dass du mich nicht liebst und ich lass' dich gehen. Denn dann weiß ich, dass du es nicht bereuen wirst.", sagt er.
„William! Ich schulde dir nichts. Wirklich gar nichts! Du hast mich belogen und ich kann dir das einfach nicht verzeihen, ok? Also lass mich los und schenk den Ring einer Frau aus deiner Welt! Die musst du dann wenigstens nicht anlügen.", sage ich und befreie mich mit einem Ruck aus seinem Griff. Dann laufe ich ohne mich noch einmal nach ihm umzusehen an ihm vorbei. Das muss ich aber auch nicht, um zu wissen, dass er mir traurig hinterherschaut. Mit diesem Blick, der einen dahinschmelzen lässt. Dieser Blick, der mich immer schwach werden lässt. Aber dieses Mal nicht. Dieses Mal war ich stark genug. Und ich weiß, dass ich das Richtige getan habe. Auch wenn es mir nicht leicht gefallen ist.
Ich melde mich seit diesem Tag nicht mehr bei ihm. Ich ziehe zuerst einmal zu einer Freundin oder reise umher. Ich will einfach mein Leben nicht mit jemandem verbringen, dessen Welt eine völlig andere ist als meine. Das scheinen mir unüberbrückbare Differenzen zu sein. Außerdem fühle ich mich total verarscht. Er hat mir drei Jahre lang vorgelogen er wäre ein ganz normaler Mensch. Und das verzeihe ich ihm einfach nicht. Im Nachhinein bereue ich meine Entscheidung etwas. Aber William Adams ist von nun an Geschichte.

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