Das Erwachen der eisigen Flammen
Sanna verschwendete jedoch keinen Gedanken daran zu gehorchen.
Durch das Wechseln ihrer Gestalt konnte Leda die verzauberte Statue, jedoch von ihr ablenken. Für einen Moment ging Sanna in Deckung und suchte nach Avis.
Er und der Magier waren nun in einem Zweikampf verwickelt und Sanna hoffte auf den Schutz des magischen Schwertes. Während sie sich hilflos und überfordert umsah, wurde ihre Aufmerksamkeit von einem winselnden Röcheln angezogen.
Sie wandte sich um.
Am Sockel einer Stütze erblickte sie die verletzte Kreatur, die Major weggeschleudert hatte. Sanna hatte sie für tot gehalten, doch sie bemerkte, dass das Wesen ihren Blick suchte.
Vorsichtig näherte sie sich ihm.
„Der Herr ...", brachte es unter Anstrengung hervor. „Ist nicht böse ..."
Sanna war enttäuscht von der Aussage, versuchte aber der sterbenden Kreatur etwas Beistand zu leisten.
„Ihr ... müsst ... die Flamme", ächzte es, „zerstören ... Ihr könnt es ..." Die Stimme versagte ihm und es verdrehte die Augen vor Schmerz. „Ihr könnt es ..."
„Wie", fragte Sanna leise.
„Der Herr ... wird wieder wie früher ... nicht böse ... bitte nicht ..."
Die Kraft wich aus seinen Gliedern und Sanna berührte vorsichtig seine langfingrige Pfote.
„Was können wir tun?", fragte sie, doch Sisou konnte keine Antwort mehr geben.
‚Vertraue auf deinen Instinkt'.
Das Einzige, was sie tun konnte, war das Wechseln ihrer körperlichen Gestalt. Doch genau dies war der Grund für die Verfolgung ihrer Rasse gewesen. Major hatte sie gefürchtet, wegen eben jener Fähigkeit.
Verzweifelt sah sie sich im Turm um. Avis und Major kämpften verbittert. Von dem Schwert gingen seltsam grüne Lichtblitze aus, die der Magie des Magiers trotzten. Leda hielt derweil die träge Drachenskulptur mit einer spielerischen Eleganz in Schach.
Dann sah Sanna hinauf zu dem Sockel und erinnerte sich an Majors Worte: ‚... nur eine arktische Kälte vermag dies' und plötzlich erkannte sie den Birkenspanner auf der Rinde klar und deutlich.
Sie schloss die Augen und erinnerte sich an etwas, dass sie selbst nie gesehen hatte. Das Erbe ihrer Vorfahren trug es tief in sich und verlieh ihr nie geahnte Fähigkeiten, für die es bisher keine Notwendigkeit gab.
Ihr Hals streckte sich unwillkürlich, ihre Proportionen schwollen an. Sanna wuchs ein langer, eleganter Schwanz und auf dem Körper bildeten sich weiße diamantharte Schuppen und schimmernde Hornplatten. Ihre dunklen Krallen gruben sich in den Stein des Bodens und blasse beinahe transparente Haut spannte sich zwischen den mächtigen Flügeln.
Als Sannas schlanker Drachenkopf zu dem Kampfgeschehen herumfuhr, fauchte sie zornig. Eissplitter fielen ihr dabei aus dem Maul.
Sie stürzte sich auf die Drachenskulptur und Leda musste sich zurückziehen, um nicht von den Pranken des großen Eisdrachen zermalmt zu werden. Nach einem kurzen Kampf kippte die verzauberte Statue zu Boden und zerbarst in viele Trümmerteile.
Der Lärm zog auch die Aufmerksamkeit des Magiers auf das Geschehen. Seine Augen weiteten sich, doch Avis ließ ihm nicht die Möglichkeit, sich aus dem Gefecht zu lösen.
Sanna brüllte auffordernd und dann durchlitt auch Leda ebenfalls die Metamorphose.
Verzweifelt versuchte der Magier ein Schild zu beschwören, um sich Zeit zu verschaffen, doch Avis griff ihn physisch an und so war er gezwungen zu parieren.
Der Schmerz in seiner Brust, erschwerte ihm das Denken – erschwerte ihm auch das Handeln. Er hatte zwar die Unsterblichkeit erreicht, aber diese Tatsache beschützte ihn nicht vor körperlicher Pein. Der Zweikampf forderte seinen Tribut. Major versuchte sich den Transformationszauber in den Kopf zu rufen, konnte sich aber nicht konzentrieren. Das Einzige, an dass er noch denken konnte war sein Leben: die Flamme. Irgendwie musste er es schaffen, die Aufmerksamkeit der Eisdrachen davon abzubringen.
Avis trat einen Schritt vor, doch dieses Mal konnte Major seinen Blitz mit dem eigenen aufhalten. Sie prallten gegeneinander und verankerten sich und beide Männer kämpften darum, den gegnerischen Zauber abzuwehren.
Sanna versuchte derweil, den Sockel zu erklimmen. Die Drachenklauen fanden an dem kalten glatten Obsidian kaum halt. Wütend grummelte sie ihren Frust heraus. Im Turm war nicht genügend Platz zum Fliegen.
Als sie sich hilfesuchend nach Leda umsah, sah sie die Spiegelung der violetten Sphäre in ihren grünen Augen. Ihre Schwester antwortete mit einem genügsamen Brummen.
Entschlossen warf sie sich mit der Kraft ihres Körpers gegen den Sockel. Ein unheilvolles Knacken des spröden Obsidians war zu hören. Sanna brüllte triumphierend und gemeinsam schafften sie es den Sockel zu Boden zu stürzen.
Unter einem ohrenbetäubenden Knall zersplitterte die Säule in Abertausend kleiner Teile. Die Sphäre reagierte jedoch viel träger.
Langsam, wie der Samen einer Butterblume glitt sie herab. Sanna nahm es durch einen seltsamen Dunstschleier hindurch wahr. Sie spürte ihre Kraft und Konzentration schwinden. Ihr wurde schwindelig und auch Ledas Bewegungen wurden wankend und unkontrolliert.
Magie erfüllte die Luft. Ob es die Magie des Magiers, die des Schwertes oder gar die der seltsamen Sphäre war, konnte sie nicht vernehmen. Sie konnte auch keinen Gedanken daran verschwenden.
Als die Lichtkugel mit der violetten Flamme auf ihrer Augenhöhe ankam, versammelte Sanna ihre letzten Kraftreserven. Sie dachte an die Wandteppiche im Königreich der Ælfen. Erinnerte sich an Filcusus' Worte und darauf, dass sie stets ihrem Instinkt vertrauen konnte.
Während Major seine verbleibenden magischen Ressourcen bündelte, um sich aus der Situation zu befreien, begann Sanna mit eisigem Atem auf die Flamme zu speien. Leda verstand sofort und tat es ihr gleich.
Der Magier schrie zornerfüllt auf. Chrysoryd vibrierte heftig in Avis' Händen und die beiden Kämpfer umhüllte ein Schleier aus blauen und grünen Blitzen, die sich halbkugelförmig um sie legten. Die Energie schwoll auf ein beinahe unerträgliches Ausmaß an und entlud sich schließlich mit einem bebenden Knall, der den Turm erzittern ließ.
Sowohl Avis als auch der Magier wurden durch die Wucht der Entladung davon geschleudert. Doch während Avis reglos auf dem Boden liegenblieb, trieben der Ehrgeiz, der Zorn und auch der Überlebenswille Major weiter an.
Der Schmerz in seiner Brust wurde von dem Brennen seines Herzens verdrängt, es strahlte in die Arme, strahlte in die Beine, bis er seine Gliedmaßen kaum mehr spürte. Panik ergriff den Magier und brachte ihm zur letzten verzweifelten Tat.
Er schaffte es, sich zu erheben, doch bereits nach einem Schritt, zwangen ihn die eisige Kälte und ein Taubheitsgefühl ihn wieder in die Knie. Wie ein hilfloses Kleinkind konnte er nur dabei zusehen, wie die Drachen die schützende Sphäre um seine Lebensflamme zerstörten.
Er verfluchte sich für seine Unvorsichtigkeit, verfluchte sich für seine Torheit und auch für seine Überheblichkeit. Major sah, wie einer der Drachen verschwand und an dessen Stelle lag nun eine junge Frau bewusstlos auf dem Boden.
Eine Sangotin, wie er wusste. Er hatte alles dafür getan, um dieses Volk auszulöschen. Es war die Unfähigkeit seiner Dienerschaft, dem er diesen Fehler zu verdanken hatte.
Die schützende Hülle verblasste und löste sich gar auf.
Sein eigener Herzschlag, war das Einzige, dass er noch hörte.
Die Wunde in seiner Brust, die sein Bruder geschlagen hatte, das Einzige, das er noch fühlte und er wusste, diese Verletzung würde seinen Tod bedeuten, sobald die Flamme ganz erloschen war.
Auch der zweite Drache war nun am Ende seiner Kräfte. Er sah den reinweißen Körper einknicken und in sich zusammenfallen und er sah, wie der Leib des Eisdrachen die Lebensflamme unter sich begrub.
Für einen kurzen Moment verblieb die Sangotin noch in der Gestalt des Drachens. Nur ein kleiner Moment, doch lange genug, um die Flamme zu ersticken.
Die Kraft des Magiers gab nach und auch das Pulsieren seines Blutes stoppte. Schlaff sank er auf den von Obsidiansplittern übersäten Boden.
Ein angenehm warmes Gefühl breitete sich unter ihm aus und die Dämmerung überkam ihn. Es war, als konnte er endlich in den traumlosen Schlaf fallen, den er so herbeigesehnt hatte.
Das letzte, an das er dachte, war die Lemniskate, nicht wissend, dass das Amulett, das er besessen hatte, unter ihm in seine Einzelteile zerbrochen war.
I tried so hard and got so far
But in the end, it doesn't even matter
I had to fall to lose it all
But in the end, it doesn't even matter
About
Genius Annotation ime when I tried so hard
[Lyrics des Songs „In The End" von „Linkin Park" aus dem Album „Hybrid Theory" von 2000 ]
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