3.

»Was tust du?«, bringe ich heraus, während ich darauf warte, dass die Windschutzscheibe in tausend dolchartige Splitter zerspringt und uns beide in Scheiben schneidet. »Sollten wir nicht anhalten? Die Polizei rufen?«

»Du weißt gar nicht, in was du hineingeraten bist, oder?« Er beschleunigt den Wagen nur weiter.

»Wie auch?!« Er hat mich doch zur Gala geschleppt und scheint an dem Ganzen viel zu viel Spaß zu haben, während ich vermutlich hiernach an einem Herzinfarkt sterben würde.

Blödes Date. Blöde Neujahrsvorsätze.

»Wir gehen zurück zur Gala«, sagt Matteo. »Das, was ich dort wollte, ist immer noch dort.«

»Aber da muss ich doch nicht mit«, wehre ich mich. »Da sind immer noch bewaffnete Leute und ich kann in diesen Schuhen kaum laufen.« Lieber will ich nach Hause, mich auf der Couch einkuscheln und aus der Ferne zusehen, wie das neue Jahr mit einem Knall beginnt. Was ich nicht will, ist, dass dieser Knall ein Pistolenschuss ist.

Matteo wirft mit einen Blick zu, der viel länger ist, als das bei dieser Geschwindigkeit vernünftig wäre. »Hör zu, wenn ich dich hier absetze, werden sie dich unter Garantie finden. Deine beste Chance, hier lebendig rauszukommen, bin ich.«

Ich schlucke meine Proteste hinunter und hake einen weiteren meiner Vorsätze ab: Ich wollte schon immer immer ein wenig mehr Aufregung in meinem Leben. Dies ist zwar eher eine Wagenladung Aufregung, aber das sind doch nur Details.

Wir fahren auf die Auffahrt der Gala.

»Hast du einen Plan?«, frage ich.

»Wir gehen zu meinen Leuten, finden Linea und zwingen sie, mir zu geben, weshalb ich in erster Linie hier bin.«

Der Wagen kommt zum Stillstand. Matteo öffnet die Fahrertür und steigt aus. Kurz ringe ich mit mir und meinem Bedürfnis, einfach sitzen zu bleiben. Aber ich habe mir für das neue Jahr vorgenommen, nicht mehr so passiv zu sein, also bleibt mir wohl nichts übrig, als ebenfalls auszusteigen.

»Wonach suchst du eigentlich?«, frage ich, während wir auf den warm erleuchteten Eingang zustapfen. »Nach dem ganzen Trubel, durch den du mich schleifst, habe ich die Info doch verdient.«

Sein Kiefer mahlt und letztlich sagt er knapp: »Ein Schmuckstück. Die Flamme des Ozeans.«

Ich seufze. »Es geht immer nur ums Geld, oder?«

Matteo schenkt mir ein schelmisches Lächeln, das mich an unser allererstes Kennenlernen denken lässt. Mein Herz trommelt eine leise Melodie in meiner Brust. Blödes Herz.

»Ich schätze einfach schöne Dinge, wenn sie in meinen Händen liegen«, sagt er.

Ich kneife die Augen zusammen und sei es nur, um mich nicht von seinem Lächeln anstecken zu lassen.

Er öffnet die Tür und winkt mich mit einer angedeuteten Verbeugung hinein. »Lass uns holen, was mir zusteht.«

Schnell finden wir Matteos Männer in einem der Säle und bei ihnen sitzt auf einem Stuhl gefesselt eine Gestalt. Blut läuft von ihrer Lippe und eine Schläfe ist angeschwollen.

Mir ist, als würde ich in einen verzerrten Spiegel schauen. Der kämpferische Ausdruck in ihren Augen gleicht so gar nicht dem Blick aus meinen, den irgendjemand mal als den eines Rehs im Scheinwerferlicht bezeichnet hat.

Als sie mich ansieht, erhalte ich ein verächtliches »Hallo, Püppchen«. Trotz ihrer misslichen Lage strahlt sie ein Selbstbewusstsein aus, das mir fehlt. »Ich sollte mir nächstes Mal besser überlegen, mit wem ich zusammenarbeite, wenn meine Leute dich nicht von mir unterscheiden können.«

Ich will meinen Blick abwenden, doch wie gebannt liegt er auf meinem Spiegelbild, bis sich Matteo zwischen uns schiebt.

»Du weißt, weshalb ich hier bin, Linea«, sagt er. »Wo ist es?«

»Ich habe es nicht.« Der gelangweilte Ton in ihrer Antwort ähnelt so sehr meinem eigenen. »Fragt doch mal deine Schlägertypen. Sie sind etwa so fähig wie du.«

Einer von Matteos Männern klinkt sich ein: »Wir haben sie komplett abgesucht. Und solange sie es nicht verschluckt hat, ist es nicht bei ihr.«

»Schau mich nicht so an«, meint Linea. »Sehe ich so aus, als würde ich so einen riesigen Klunker verschlucken?« Ihr Blick durchbohrt Matteo. »Du hast ihn also selbst nicht gefunden und nur gehofft, dass ich talentierter bin als du. Dumm gelaufen für dich.«

»Für dich lief es nicht besser«, entgegnete Matteo.

»Müsste das Schmuckstück dann nicht noch hier sein?«, frage ich. Ich weiß nicht, wo ich meine Stimme gefunden habe, aber nun, da die Worte im Raum stehen, kann ich sie nicht zurück in meinen Mund stopfen, obwohl ich nun unter Matteos funkensprühendem Blick das Bedürfnis dazu habe.

Es dauert etwa zwei Sekunden, dann bricht die Hölle los.

Linea springt auf, ihre Fesseln fallen zu Boden und ein Messer schimmert in ihrer Hand. Einen von Matteos Männern stößt sie zur Seite und hastet dann zur Tür, wo sie aus meinem Blickfeld verschwindet.

»Hättest du das nicht für dich behalten können?«, knurrt Matteo.

»Ich konnte ja nicht wissen, dass deine Leute zu unfähig sind, um jemanden zu fesseln«, gifte ich zurück.

Er nickt zweien seiner Männer zu, die sofort Linea verfolgen. »Ihr anderen, sucht nach dem Klunker. Ich will ihn dieses Jahr noch in meinen Händen halten, ist das klar?«

Mit diesen Worten verschwindet er aus dem Raum und lässt mich allein zurück. Und ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich beleidigt bin, weil er mich zurückgelassen hat, nachdem er vorher getönt hat, wie wichtig es ihm war, dass ich nicht einfach zu mir nach Hause fahre, sondern ihn begleite. Aber ich bin beleidigt.

Weil ich nicht länger nervös auf meinen Händen heraumkneten möchte, stecke ich sie in meine Taschen. Und stoße gegenetwas. Etwas anderes als Taschentücher und Haargummis. Etwas mit einer glatten Oberfläche und feinen Eingravierungen.

Das gehörte nicht zu den Dingen, die ich normalerweise in der Tasche habe. Zögerlich ziehe ich es hinaus. Die feine Silberkette klimpert leise, als sie durch meine Finger rutscht. Dann halte ich den Anhänger, den ich so beiläufig mit meinen Fingern gestreift habe, in der Hand und meine Reflexion spiegelt sich in einem riesigen Edelstein, in dem sich das Licht bricht, als würden tausende Flammen im Inneren erglühen.

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