Türchen 17 🕯️🕯️🕯️
Nordanien meets
'Fluch der Karibik'
Das relativ kleine, einfache Holzboot erwies sich als Glücksfall. Letzten Endes schafften es alle, sich irgendwo, irgendwie festzuhalten oder sich sogar anzubinden. Und so ging zumindest niemand über Bord. Als der Damm schließlich brach, schlug die gewaltige Welle direkt über der Expedition auf. Das Boot wurde im ersten Moment komplett unter Wasser gedrückt. Doch gottseidank war das Flussbett unmittelbar hinter der Staumauer sehr flach und außerdem trieb es das alte, trockene Holz, aus dem der Kahn bestand, schnell wieder nach oben. OBEN, das war jetzt allerdings einige Meter über dem Grund des Tales. Der Stausee ergoss seine Wassermassen komplett in den Canyon. Die Nussschale trieb wie ein Spielzeug von einem Strudel zum nächsten. Thore, der eine Plane gefunden hatte, spannte diese zusammen mit Børge über das gesamte Boot und so blieben die 'Passagiere' wenigstens ab diesem Moment von weiteren Wassereinbrüchen verschont. Durch eine kleine Lücke beförderte Hagrid nach und nach immer mehr Flüssigkeit aus dem Rumpf und so stabilisierte sich das Boot wieder, bis es endlich ganz ruhig dahintrieb. Zu diesem Zeitpunkt schliefen jedoch alle Insassen bereits erschöpft.
Malene wachte durch ein Geräusch auf. Es war nicht das beruhigende glucksen und gurgeln des Wassers, welches unter dem Rumpf entlangtrieb. Es war der Schrei einer Möwe. Doch da es in Nordanien kein Meer gab, kannte sie diese Vögel nicht und somit auch nicht deren Laute. Ihre Augen mussten sich im dämmrigen Licht unter der Plane erst orientieren. Schließlich fanden Malenes Finger den Rand der Plane. Sie griff sich einen Zipfel und zog den schützenden Mantel vom Boot. Grelles Tageslicht blendete die Prinzessin und für einen Moment war sie blind. Durch die plötzliche Helligkeit wachte nun auch der Rest der Gruppe auf. Alle reckten und steckten sich und waren dann vor allem glücklich, das schlimmste offensichtlich wieder einmal heil überstanden zu haben. Keiner konnte genau sagen, wieviel Zeit vergangen war.
Malenes Augen hatten sich zuerst an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt. Sie hielt sich eine Hand über die Augen und blinzelte umher. Erst dachte sie, ihr Blick wäre noch getrübt, denn sie sah nichts. Nur das Blau des Himmels, die Sonne und nichts. Nichts außer endlos weitem Wasser um sich herum. "Ach du heilige Wasserkuh." entfuhr es der Prinzessin. Die anderen Insassen der Schaluppe wendeten nun ebenfalls ihre Blicke hin und her. Doch alles was sie erblickten war eine endlose, spiegelglatte Wasserfläche.
Sherlock war schon wieder voll bei der Analyse ihrer Situation. "Stellt sich Frage Nummer 1, sind wir noch in Panem und hatten wirklich großes Glück? In diesem Fall befänden wir uns tatsächlich ÜBER dieser Welt. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Flutwelle uns am Ende in irgendein Meer gespült hat, da ein Stausee allgemein nicht soviel Wasser beherbergt, wie wir hier sehen. Deshalb Frage 2, sind wir noch in Panem und hatten wirklich großes Glück?" Hagrid wirkte verwirrt "Das ist doch zweimal die selbe Frage." "Nein, es ist nicht die SELBE Frage, sondern die GLEICHE, das allerdings jeweils in einem völlig anderen Kontext." John ging schlichtend dazwischen, er kannte Sherlock ja lange genug und hatte sich an seine teilweise penetrante Art gewöhnt. Ihm war klar, dass der brilliante Detektiv sich vermutlich mittlerweile sehr nach einem richtige, klassischen Fall sehnte. Diese ganzen irrationalen Welten mit all ihrer Unlogik mussten inzwischen zur Folter für seinen Verstand geworden sein. "Für den zweiten Fall möchte ich die Fragestellung konkretisieren, gehört dieses größere Gewässer noch zu Panem ODER befinden wir uns bereits in einer weiteren Welt?" "Glück hatten wir vermutlich so oder so." resümierte Sigurd.
Malene dachte bereits wieder als Führerin dieser Expedition. "Es ist eigentlich egal, welcher der beiden Fälle zutrifft. Ich sehe weit und breit absolut kein Land. Und hier im Boot gibt es weder Ruder noch Segel. Ich weiß von der Seefahrt eigentlich fast nichts, aber meiner Meinung nach sitzen wir hier fest. Also müssen wir das restliche Essen und Trinkwasser irgendwie so einteilen, dass es möglichst lange reicht." "Also, wenn wieder ein wenig Wind aufkommt, könnten wir aus dieser Plane hier ein provisorisches Segel basteln. Ich habe allerdings keine Ahnung, wo wir dann hinsegeln könnten." machte Hagrid einen praktischen Vorschlag.
Thore setzte sich in die Spitze des Bootes. "Ich konnte unter anderem mein Fernrohr retten und schlage deshalb vor, dass wir uns gegenseitig mit der Suche abwechseln, so dass immer einer hier vorne Ausschau nach Land halten kann." Damit waren alle einverstanden. Was sie machen würden, wenn es auch nach weiteren Tagen keine Rettung gab, darüber wollte gerade jetzt erstmal keiner nachdenken.
Malene begann alle Gegenstände und den Proviant zu sortieren. Nebenbei entwickelten sich wieder einmal anregende Gespräche zwischen den Reisenden. "Hagrid, kommst du bitte mal zu mir rüber?" rief die Prinzessin ans andere Ende des Bootes. Der gutmütige Riese folgte dieser Bitte nur zu gern. Er war froh, von diesem Sherlock mal weg zu kommen, mit dessen komplizierter Art er inzwischen garnicht mehr klarkam. Außerdem hatte er dieses Mädel aus Nordanien mittlerweile richtig gern. Sie erinnerte ihn sehr an Hermine, klug und tatkräftig. "Hagrid, ich wollte mit dir noch über deine Beobachtung in Panem sprechen. Wieso bist du dir so sicher, dass da ein Drache war?" Sherlock brüllte deutlich genervt quer übers ganze Boot "Es war KEIN Drache, es war ein Hovercraft und wenn er jetzt noch einmal Drache sagt springe ich über Bord!" Hagrid sagte völlig ruhig "Drache!" und Sherlock ... sprang natürlich nicht. Wütend übernahm er die nächste Wache und bohrte mit seinem Blick durch das Fernrohr Löcher in den Horizont. Hagrid wendete sich wieder Malene zu "Ich kenne mich einfach sehr gut mit diesen Wesen aus. Natürlich stand da ein HOVERCRAFT über dem Loch in der Kuppel. Doch die Arena wurde nicht von diesem Fluggerät beschädigt. Das war der Drache, der vermutlich auf dem Dach landen wollte. Der vorzeitige Blitz entstand durch diese ... Spannung oder wie sich das nennt, wodurch er wieder vertrieben wurde." "Also für mich klingt das zwar sehr plausibel, aber ich kann nicht erkennen, was das mit unserem Feuer zu tun haben könnte." gab Malene zu bedenken. Auch John schaltete sich ein "Erschwerend kommt noch hinzu, dass Drachen meines Wissens nach für gewöhnlich Feuer speien und nicht einsaugen." "Ich weiß es doch auch nicht genau, warum, weshalb und wieso. Ich weiß nur, was ich gesehen habe." beendete Hagrid fürs erste die Diskussion. Von der Spitze her war Sherlock zu vernehmen "Leute!" 'Nicht der schon wieder.' dachte der Wildhüter gereizt 'Vielleicht sollte ICH ja lieber von Bord gehen' Ein Schmunzeln zog sich durch seinen dichten Bart. "Leute, ich glaube ich sehe da hinten etwas am Horizont."
Sofort waren alle hellwach. Das Boot drohte zu kippen, weil jeder nach vorne an die Spitze wollte. Zuerst griff sich Thore sein Fernrohr und schaute in die angezeigte Richtung. "Er könnte tatsächlich recht haben, irgendetwas hebt sich von der Wasserlinie am Horizont ab." Jetzt war Malene an der Reihe "Aber es sieht nicht wie Land aus, könnte das ein sehr großer Fisch sein?" John schnappte sich die Sehhilfe "Es ist ein Schiff, ganz klar ein Segelschiff." Er reichte das Fernrohr jetzt einfach weiter, weil man DAS da, am Horizont inzwischen von jedem Platz im Boot aus gut erkennen konnte.
Einige Zeit später gab es keine Zweifel mehr. Dieses Objekt am Horizont war ein Segelschiff und es bewegte sich direkt auf die Expedition zu. Inzwischen konnte man es auch mit bloßem Auge erkennen. Damit wurde auch klar, dass sie sich jedenfalls nicht mehr in Panem befanden, denn dort gäbe es sehr sicher keine klassischen alten Segler, sondern moderne stromgetriebene Boote.
Die Freude hielt allerdings nur kurz an. Sigurd bemerkte ganz nebenbei, dass dieses Schiff ja komplett schwarz daherkam, er jedoch in Büchern Bilder gesehen hätte, wo die Boote allesamt weiße Segel gehabt hätten. Daraufhin schaute sich auch John das ganze noch einmal genauer an und entdeckte dabei die Totenkopf-Flagge am höchsten Mast. Ohne, dass er es selbst richtig glaubte, sprach er nur ein Wort aus "Piraten!" Damit alleine konnten aber außer ihm selbst und Sherlock wieder einmal alle anderen nichts anfangen. Er nutzte die Zeit, bis zur Ankunft des schwarzen Seglers, für einen Vortrag in Seefahrt, Thema 'Piraterie'.
Doch was konnten sie tun, ihr Boot lag still im Wasser. An Flucht war also nicht zu denken. Malene beschloss, ersteinmal alles weitere auf sich zukommen zu lassen. Wenn diese Piraten wirklich so schrecklich waren, wie John sie beschrieb, hätten sie sowieso keine Chance. Bei diesem Gedanken fiel ihr wieder etwas ein. Malene ging ganz ans Heck des kleinen Bootes, wo sie ungestört war und rief Thore zu sich. Nun standen sie sich direkt gegenüber, holten tief Luft und begannen beide gleichzeitig zu sprechen. "Thore ich muss dir endlich etwas sagen!" und "Malene ich muss dir endlich etwas sagen!". Doch da es beide eben gleichzeitig aussprachen, verstand keiner ein Wort des anderen. Sie lachten herzhaft und verlegen gleichermaßen. Malene hatte sich zuerst wieder beruhigt und legte Thore schnell ihren Finger auf den Mund, so dass er schweigen musste. "Thore, ich ..." in diesem Moment stieß das große Schiff seitlich gegen die Schaluppe, so dass die Insassen durcheinander purzelten.
Kurz darauf fanden sich alle Expeditionsteilnehmer gefesselt und geknebelt an Deck des Seglers wieder. Selbst Claus wurde fixiert und bekam ein Tuch um die Schnauze gebunden, weil es nicht aufhören wollte zu bellen. Malene hatte vor allem Thore und Hagrid angewiesen, es nicht auf einen Kampf ankommen zu lassen. Nun saßen sie im Kreis auf dem Oberdeck und wurden von üblen Gesellen beäugt. Alle durch John gebildeten Vorurteile bestätigten sich bisher. Die Typen sahen gefährlich und ungewaschen aus. Fehlende Zähne und verschlissene Klamotten, finsterer Blick. Überhaupt sah das ganze Schiff ziemlich runter gekommen aus. Vom Heck her war eine laute Stimme zu vernehmen "Gibbs, was haben wir da aus dem Meer gefischt?" "Einen mickrigen Haufen Landratten würde ich meinen, Käpt'n." Gibbs war ein großer stattlicher Kerl, quasi der 1. Offizier. "Ragetti und Pintel, löst die Knebel!" wies er zwei besonders übel aussehende Piraten an. Dann ging er um die Gefangenen herum und blieb vor Sherlock stehen "Woher kommt ihr?" "Das ist nicht einfach zu beantworten. Meint er jetzt direkt, oder wo wir davor überall waren oder wo wir eigentlich leben?" Gibbs schaute ungläubig auf den Detektiv. "Pintel, verpass dem hier lieber wieder einen Knebel. Der Vogel singt das falsche Lied." Er ging ein Stück weiter. "Wer ist euer Käpt'n?" Malene wollte sich gerade melden, da hörte sie, wie Thore dröhnte "Ich hin hier der Anführer." 'Oh, wie süß von ihm, er will mich tatsächlich beschützen.' dachte die Prinzessin den Tränen nahe. "Das ist sehr heldenhaft von dir, Thore. Doch ich übernehme die Verantwortung, weil ich diese Gruppe leite." Gibbs kam zu ihr "Was? Schon wieder so eine, die allen auf der Nase herum tanzen will?" "Das ist alles Unsinn, ich führe die Expedition an!" Das kam von Børge. Malene war plötzlich sehr stolz auf ihre Männer. "Ich glaube, allein schon mein weißer Kittel, weißt mich als wahren Chef aus." meldete sich nun auch Sigurd. Gibbs war völlig verwirrt. "Alle still jetzt!!! Käpt'n, ich glaube, die sind alle total verrückt. Die sehen nicht nur komisch aus, die sind auch komisch im Kopf." Jetzt konnte man hören, wie jemand vom Heck aus herüber stiefelte. Die Absätze klackten übers Holz und es klimperte.
Dann stand er vor Malene. Ein Pirat wie aus dem Bilderbuch. Stiefel, Hosen aus Leder, weißes weit offenes Hemd, darüber eine Weste, breiter Gürtel mit allerlei Krimskrams, Tuch, Pistolen und einem Degen, Schultergurt, lange teils geflochtene Haare, rotes Stirnband, Schnauzer und ein Dreieckiger Hut auf dem Kopf. Alles in allem nicht einmal unattraktiv, zumindest aus Malenes Sicht. "Frau an Bord bringt Unglück. Wir sollten sie schnell wieder los werden." "Ich darf doch wohl bitten, etwas mehr Respekt vor meinem Rang. Ich bin sozusagen der Kapitän meiner Mannschaft hier!" regte sich Malene jetzt auf. "Ragetti ..." damit hielt der Käpt'n ihm die Hand hin. Der Angesprochene verstand sofort und reichte einen Knebel rüber. Nun beugte sich der Oberpirat zur Prinzessin runter und brachte persönlich diesen Knebel bei ihr wieder an. "Wenn schon eine Frau hier bei uns, ist es besser, sie schweigt." Die komplette Mannschaft lachte laut los. "Also, ich bin Käpt'n Jack Sparrow und ihr seid an Bord der 'Black Pearl' ..." Bei diesen Worten musste John nun plötzlich auch lachen. Er versuchte sich zwar zu beruhigen, aber es gelang ihm nicht wirklich. Sofort hatte er Jacks volle Aufmerksamkeit. "Was findet er so belustigend?" John zwang sich zur Ruhe und antwortete "Also ich bitte sie. Ich möchte wirklich nicht unhöflich erscheinen, aber beim Begriff Perle fällt mir sehr viel ein. Doch das letzte, auf was dieser Name zutrifft, ist wahrlich dieses Schiff hier." Der Käpt'n blickte John fassungslos einfach nur an. "Gibbs, verfrachtet diese Herrschaften wieder in ihr Boot und vertaut es sicher achtern. Wir kümmern uns später um diese Kameraden." Malene hatte das unbestimmte Gefühl, dass Jack Sparrow bewusst nur in männlicher Form sprach. Diesen Typ beschäftigte irgendein grundsätzliches Problem mit Frauen, da war sie sich ganz sicher. Gerade als sie wieder in ihre Schaluppe befördert werden sollten, meldete der Mann im Krähennest, dem Ausguck ganz oben auf dem höchsten Mast, ein Handeslschiff auf Backboard, also links in Fahrtrichtung. Jack Sparrow ging direkt zur Reeling und zog ein Fernrohr aus seinem Gürtel. "Wir gehen auf Reichweite seitlich heran. Gibbs, Kanonen fertig machen!" "Und was wird mit diesen Vögeln hier?" "Später, Gibbs, später."
Die Gruppe wurde nun wieder an Deck gehieft und in einer Ecke platziert, wo sie nicht im Weg saßen. Irgendwie hatte plötzlich jeder an Bord etwas zu tun. Langsam näherte sich die 'Black Pearl' dem anderen Schiff. Gibbs meldete sich "Käpt'n, das ist kein Handelsschiff, das ist die 'Dauntless', das Flaggschiff der Krone." "Feuerbereitschaft Mr. Gibbs?" "Eye, Käpt'n." Malene und ihre Männer waren plötzlich sehr angespannt. "Sollten wir diesen Jack darauf hinweisen, dass ..." fragte Sigurd zaghaft. Doch Malene schüttelte nur den Kopf, da sie dank Knebel nicht sprechen konnte. "Feuer!" kam der Befehl. Doch es folgte kein Knall. "Feueeeeer!" wiederholte Jack Sparrow seine Forderung. Lustiger Weise konnte man vom anderen Segler her den selben folgenlosen Befehl vernehmen, so dicht beieinander waren sich die beiden Schiffe inzwischen. "Gibbs, was ist da unten los, die 'Dauntless' geht uns gleich durch die Lappen, sie segelt direkt am Wind!!!"
Malene war ehrlich gesagt diesmal ausgesprochen froh darüber, daß es hier auch kein Feuer gab. So gefesselt waren sie den Dingen absolut hilflos ausgeliefert. Nicht auszudenken, wenn ihnen dann plötzlich Kanonenkugeln um die Ohren geflogen wären. Unter Deck war rege Betriebsamkeit zu vernehmen. Offensichtlich versuchte man das Problem zu lösen. Doch wo es nichts zu finden gibt, ist auch nichts zu klären. Wütend bellte Jack Sparrow einige Anweisungen und kam dann noch einmal zu den Gefangenen. Er zeigte voll Zorn auf Malene "SIE, sie ist daran Schuld. Ich sagte doch gleich, Frau an Bord bringt Unglück. Heute Abend kreuzen wir die 'Interceptor'. Dann schafft ihr mir diese ganze Bande von Bord. Soll sich der Eiskönig damit herum ärgern. Der steht ja drauf, wenn Frauen auf seinem Schiff aus- und eingehen." Damit verschwand er in seiner Kajüte. Pintel und Ragetti schlenderten an den Gefangenen vorbei und unterhielten sich hörbar "Oha, Pintel, den Eiskönig werden sie also kennen lernen, puh." "Na in deren Haut möchte ich ja nicht gerade stecken, Ragetti." und gehässig kichernd verschwanden auch sie unter Deck.
Malene grübelte vor sich hin 'Der Eiskönig, konnte es noch schlimmer kommen, als jetzt. Immerhin, sie lebten noch. Dieser Jack Sparrow hätte sie ja auch einfach töten oder zumindest über Bord werfen können. Wobei Eiskönig tatsächlich bedrohlich klang. Ihre Spitznamen bekommen solche Typen sicher nicht ohne Grund. Andererseits befinden sich vermutlich noch weitere Frauen bei ihm an Bord, aber was für welche und wozu?' Bei diesem Gedanken lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Sie konnte damit klar kommen im Kampf zu sterben. Doch sie würde keinesfalls als Piratenbraut enden.
Bis zum Abend passierte dann eigentlich garnichts mehr. An Bord ging jeder seiner Aufgabe nach. Als es langsam dämmerte, näherte man sich offenbar diesem anderen Piratenschiff. Sehen konnten die Gefährten von ihrer Ecke aus nichts, doch die Kommandos und die Aktivitäten der Crew ließen darauf schließen. Und dann tauchten große Masten direkt neben der 'Black Pearl' auf. Das musste der Eiskönig sein. Langsam wurde Malene von einer wachsenden Panik ergriffen. Jack Sparrow wechselte zur 'Interceptor'. Erst jetzt fiel der Prinzessin auf, dass am höchsten Mast des anderen Schiffes keine Piratenflagge wehte, sondern ein Zeichen, welches sie in London schon oft gesehen hatte. Doch sie konnte ja mit niemandem darüber sprechen, wozu auch.
Die Sterne standen bereits hoch am Himmel, als Sparrow an Bord seiner 'Pearl' zurück kehrte. "Gibbs, schafft sie rüber, schnell bitte und dann sofort Segel setzen, wir nutzen die Nachtbrise und segeln Richtung Tortuga direkt weiter. Der Eiskönig hat eigene Pläne."
Unsanft verbrachte man die Expedition an Bord der 'Interceptor'. Bevor sie in eine stickige Kajüte gesperrt wurden, konnte Malene noch erkennen, dass dieses Schiff schon eher wie eine Perle wirkte. Zumindest entfernte man ihren Knebel. Doch gesprochen wurde nicht mehr viel. Erschöpft wie all die Tage zuvor schliefen die Reisenden ein.
Der nächste Tag begann unsanft, wie der letzte endete. Die Tür flog auf und einige Piraten traten ein. Sie entfernten die ganzen Stricke und schubsten einen nach dem anderen raus auf Deck ins helle Tageslicht. Wie bei der 'Pearl' konnte man nicht sehen, was auf dem Steuerdeck vor sich ging. Malene fiel jedoch auf, dass ihr Eindruck vom Vorabend sie nicht getäuscht hatte. Die Seeleute sahen sauberer und gepflegter aus. Das ganze Schiff war geschrubbt und in ordentlichem Zustand. Vom Steuerdeck war plötzlich eine Frauenstimme zu vernehmen "Tellfort, sind die Gefangenen an Deck? Der Käpt'n wird sie gleich in Augenschein nehmen wollen, wenn er aus seiner Kajüte kommt." Tellfort war offensichtlich der Pirat, der direkt neben Malene stand. Denn er brüllte jetzt seinerseits Richtung Steuerdeck hoch "Eye, Sir, alles bereit. Die Gefangenen sind an Deck und die Fesseln gelöst." Malene musste fast lachen 'Sir? Wow, die Frau da oben hatte offensichtlich einen festen Stand hier an Bord. Scheinbar ist sie tatsächlich im gleichen Rang wie Gibbs auf der 'Black Pearl'. Ich bin gespannt, wie sie aussieht.' dachte sie still vor sich hin. Und schon im nächsten Moment wurde ihre Neugier befriedigt, denn direkt vor ihr stand plötzlich diese 'Sir'. Unwillkürlich musste sie nun doch kichern. Die Piratin fasste Malene am Kinn und zwang sie so, ihr ins Gesicht zu sehen. Die Prinzessin war erstaunt. Vor ihr stand eine attraktive, junge Frau, mit entschlossenem Blick. Es war ein wenig, als wenn sie in einen mentalen Spiegel schauen würde. "Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich dich dem Eiskönig zeigen sollte." dachte 'Sir' laut nach. "Wie heißt du und wie alt bist du?" "Malene und ich bin 20 Jahre alt." wunderte sich die Befragte. 'Ist diese Frau da vor mir etwa eifersüchtig auf mich? Oh man, ich will ganz sicher nichts von ihrem Eiskönig wissen.' Doch die Piratin bohrte weiter "Bist du schon vergeben oder hast du zumindest einen Liebsten?" "Ich glaube, dass dich das nichts angeht!" Ein Raunen ging durch die um sie herum stehende Mannschaft. Offensichtlich hatte Malene eben einen bösen Fehler begangen. "Ich denke, dass mich das sehr wohl etwas angeht. Du hast mir auf alles zu antworten, was ich dich frage! Du scheinst deine Situation falsch einzuschätzen. Also, gibt es einen Mann an deiner Seite?" Sie verstärkte den Griff um Malenes Kinn. Die überlegte nun fieberhaft, wie sie sich aus dieser Lage wieder heraus manövrieren könnte. Sagte sie, dass es niemanden gibt, würde das die Eifersüchtige nur bestätigen. Antwortete sie mit ja, wollte die Hexe sicher weiter wissen, wer der Glückliche ist. Und so, auf diese Art, wollte Malene es ihrem Thore nun wirklich nicht offenbaren. Gerade, als Malene zu einer Antwort ansetzte war von oben eine kraftige Stimme zu vernehmen "Elizabeth, Liebste, was tust du denn da. Behandelt man so seine Gäste?" 'Sir' fühlte sich offensichtlich ertappt und ließ direkt von Malene ab. Er da oben war also der Eiskönig. Er wirkte zwar freundlich, aber man hörte dem Unterton seiner Stimme an, dass diese Laune bei Bedarf sicher sofort umschlagen konnte. Seine Stimme, genau ... Malene kannte diese Stimme. Freundlich, doch Respekt einflößend. Aber das war unmöglich. Wie sollte der, dem diese Stimme gehörte, hier her geraten sein, als Pirat, als der Eiskönig. Und da begriff die Prinzessin schlagartig, was dieser Spitzname eigentlich bedeutete. Jetzt war ihr alles egal, sie war sich absolut sicher. Malene riss sich von ihrem Bewacher los und rannte in einem unglaublichen Tempo die Treppe zum Steuerdeck hinauf. Schon auf halbem Wege rief sie aus voller Kehle "Marcus? Marcus! Bruder ..." und dann ersticken Tränen der Freude ihre Stimme. Einen Moment standen sie sich gegenüber. Hinter Malene waren zig Piraten nach gerannt, um den Käpt'n gegebenenfalls zu schützen. Allen voran diese Elizabeth. Die halbe Mannschaft hatte ihre Degen auf die Prinzessin von Nordanien gerichtet. Doch diese nahm das überhaupt nicht zur Kenntnis, sie blickte glücklich in die Augen ihres so lange vermissten Bruders. Marcus starrte sprachlos zurück. Er wirkte reifer, hatte jetzt einen Dreitagebart. Doch das majestätische war ihm nach wie vor anzusehen. "Marcus, DU bist der Eiskönig?" Der löste sich nun endlich aus seiner Schockstarre und stürzte seinerseits auf sie zu. Beide fielen sich nun in die Arme und weinten vor Freude. "Malene, wie kommst du denn hierher? Bei allen Ouden Alvenholms ... Moment." Marcus nahm seine Schwester an seine Seite und sprach jetzt zur Mannschaft "Elizabeth, Männer, ich darf euch meine geliebte kleine Schwester Malene vorstellen. Ihr ist mit demselben Respekt zu begegnen wie eurem Käpt'n selbst!"
Ab diesem Moment gab es kein Halten an Bord mehr. Die ganze 'Interceptor' feierte. Der verschollene König von Nordanien begrüßte seine Landsleute herzlich und auch die Gefährten der anderen Welten. Danach bat er die ganze Expedition in seine Kajüte. Es gab ja soviel zu erzählen. "Zuerst möchte ich dir noch Elizabeth vorstellen. Elizabeth Swann ist meine Verlobte. Ihr hattet ja leider einen suboptimalen Start, aber das wird schon wieder. Und jetzt erzähl, Malene! Wie kommst du hier her und wer begleitet dich aus welchem Grund?" Malene versuchte daraufhin stark gekürzt, doch so ausführlich wie nötig die letzten Tage, Wochen und Monate zusammen zu fassen. Umgekehrt erfuhr sie, dass Marcus zuerst alles versuchte, wieder nach Hause zu finden. ABER ähnlich wie Malene driftete er von Welt zu Welt. Bei den Piraten angekommen, fasste er schließlich den Entschluß, jetzt einfach eben hier ein neues Leben aufzubauen. Ihm gefiel ursprünglich der Gedanke, den Reichen zu nehmen, um es den Armen zu geben. Dass es die Piraten mit dem Geben nicht so genau nahmen, merkte er erst viel später. Zusätzlich konnte er sich für die klaren Strukturen in der Seefahrt begeistern. Er war halt durch und durch ein König. Schnell stieg er in der Rangordnung auf und kaperte zuletzt gemeinsam mit Jack Sparrow das schnellste Schiff der Krone, die 'Interceptor'. Von da an steuerte er sein eigenes Schiff und arbeitet auf allen Gebieten etwas anders als die klassischen Piraten. Im Grunde verhalf Sparrow ihm vor allem deshalb zum eigenen Schiff, weil er nur so auch Elizabeth von der 'Pearl' wieder runter bekam.
Nachdem das wichtigste ausgetauscht war, wurde Marcus wieder ernster. "Ihr denkt also, dass das verschwinden des Feuers aus allen möglichen Welten etwas mit Drachen zu tun haben könnte?" "Ja, zumindest ist das bisher die einzige Spur, die wir haben und Hagrid kommt mir auf diesem Gebiet ziemlich kompetent vor." fasste Malene ihre Position zusammen. Marcus wühlte daraufhin in einem Stapel Seekarten. "Ich bin mir nicht sicher, aber ich weiß, wo man uns in dieser Frage vielleicht weiter helfen könnte. Es ist einen Versuch wert."
Die 'Interceptor' segelte langsam ins Abendrot hinein. In der Ferne zeichneten sich allerdings dunkle Schatten ab. Malene konnte durch das Fernrohr Land entdecken. Dunkle, bedrohlich wirkende Felsmassen stellten sich am Horizont quer in den Weg des Schiffes. Erst spät erkannte Malene, dass es keine scharfkantigen Klippen waren, die da ins Meer ragten, sondern eine riesige Festung.
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