24. Kapitel

Erschrocken wandt ich mich um und starrte vor mir zu dem Eingang der scheinbar leeren Bibliothek. Ich hatte erwartet, dass ich mich gegenüber von jemandem finden würde, doch als ich mich umwandt fand ich nichts vor, was zu mir gesprochen haben könnte. Der leere Gang unterhalb der Bücherwände gähnte mir entgegen und die Bücher in den überfüllten Regalen wirkten nicht gerade so, als ob sie sich auf der Schnelle des Sprechens bemächtigt hätten.

Verwirrt fasste ich mir an den Kopf und erklärte mich schon selbst zu verrückt, als mir ein raues Lachen entgegen kam, welches meinen Blick zur oberen Balustrade schweifen ließ. Tatsächlich fand ich dort eine leicht ergrauten Mann zwischen weiteren Bücherregalen wieder, der mir schelmisch entgegen lächelte. Doch so schnell er in meinem Blickfeld aufgetaucht war, so eilig war er auch wieder verschwunden. Verwundert blinzelte ich dem alten Mann hinterher, der nur leere Sekretäre in meinem Sichtfeld hinderließ. Kopfschüttelnd fasste ich mir an den Kopf und war kurz davor aus dieser merkwürdigen Situation zu flüchten, als hinter mir ein weiteres Räuspern erklang, was mich rasch herum fahren ließ.

Dort stand nun der schon in die Jahre gekommene Herr und schaute lächelnd zu mir auf. Doch hatte ich ihn eindeutig aus der Ferne zu alt geschätzt. Zwar ergraute sein Haaransatz schon leicht, doch schätzte ich ihn auf Mitte Vierzig. Ebenfalls wirkte er im Vergleich zu den umstehenden Regalen voller Bücher so klein, beinahe winzig. Selbst zu mir fehlten ihm beinahe ein ganzer Köpfe, was mich in Staunen versetzte, da auch ich nicht gerade zu den größten Personen in meinem Umfeld gehörte.

Aufmerksam musterte der Fremde mich, bevor er sich einfach umdrehte und den Anschein machte verschwinden zu wollen. Vollends perplex starrte ich dem Älteren hinterher, der zielstrebig auf eines der Regale zu lief und geschäftig etwas suchte. Langsam folgte ich ihm zu seinem Ort der Begierde. "Entschuldigt, doch wer seit ihr?" Stumm ignorierte er meine Bitte seiner Vorstellung zu beginnen und suchte scheinbar weiter in dem überfüllten Regal vor sich etwas.

Minutenlang beobachtete ich sein Vorhaben ungeduldigt und entschloss mich schließlich meine Audienz in der Bibliothek zu beenden, da der Herr mich mit seiner Ablehnung allmächlich nervös werden ließ.

Entschlossen wandt ich mich um und steuerte bereits den düsteren Torgang an, als ich seine raue Stimme ein weiteres Mal in meinem Rücken hörte. "Wollt Ihr uns schon verlassen, junge Dame?"

Erschrocken wirbelte ich herum und bedachte das Mannsbild mit zusammengezogenen Brauen. "Oh, Ihr sprecht doch mit mir?" Schmunzelnd ging er auf mich zu und verbeugte sich leicht. "Entschuldigt mein Verhalten und meine Unhöflichkeit, ich vergaß, welchen Titel ihr führt und in der Zukunft führen werdet." Unsicher nickte ich ihm zu, obwohl ich kurzweilig an meine unangenehme Situation erinnert wurde. "Nun denn, lasst mich Euch vorstellen. Mein Name ist Robert Shirley, stolzer englischer Staatsbürger." Ungläubig starrte ich zu ihm. "Entschuldigt meinen Zweifel, doch für mich macht ihr nicht den Anschein, als ob ihr aus meinem Heimatland stammen würdet."
Gerade seine Aufmachung glich nicht dem gängigen englischen Adel. Sein gebräunte Haut war von einem großen gemusterten Turban geziert, welcher ihn größer erscheinen ließ, als er eigentlich war. Passend zu diesem trug er ein beiges Gewandt, welches durch feine Stickerein verziert war. Durch dunkel gelb geknüpfte Bänder zusammengehalten und einen gelben Seidenschal schmiegte sich das Gewand an seine leicht übergewichtige Figur. Umschlungen wurde dieser von einem sonnengelben Mantel, verziert durch gläubische Muster des Islams.
Ein raues Lachen klang an mein Ohr, als er meinen kritischen Blick auf sich spürte. "Ich stamme ursprünglich aus Winston, West Sussex. Doch die abenteuerlust zog mich hierher. Mit meinem Bruder machte ich mich auf diese Reise, um die persische Miliz nach englischen Künsten auszubilden. Schon einige Jahre weile ich hier, sodass meine englische Art langsam wohl verblasst. Ich hoffe diese Tatsache entschuldigt ebenfalls mein vorherig taktloses Verhalten."

Ein Lächeln zauberte sich auf mein Gesicht, als ich erkannte, dass ich von nun an einen Staatsmann an meiner Seite wusste, der zusätzlich nach dem zweiten Anschein einen guten Eindruck auf mich machte. Sein lockeres Lächeln beruhigte mich ein wenig, denn dir vorherigen Ereignisse verblassten immer mehr. "So, so. Winston, Sir Shirley. Auch mir ist dieses winzige Städchen bekannt, da ich vor nicht all zu langer Zeit den Nachbarort Buncton besuchte, bevor ich die Reise in dieses Land antrat." Shirley lächelte daraufhin wohlwollend und bot mir lächelnd den Arm. "Es ist spät geworden, vielleicht führen wir unsere Unterredung fort, während wir uns auf den Weg zum Speisesaal machen. Dort wird leider schon bald meine Anwesenheit gefordert, sodass wir unsere Unterredung dort fortsetzen müssen. Der Separ-Salah fordert weitere Berichte meines Bruders ein, der jedoch zurzeit leider verhindert ist. Als sein Begleiter werde ich seinen Platz einnehmen müssen." Nickend stimmte ich ihm zu und nahm den mir dargebotenen Arm an.

Mit langsamen Schritten näherten wir uns, durch die weitläufigen Gänge dem Speisesaal, in dem unsere Anwesenheit gefordert wurde.
Nach unzähligen düsteren Gängen, die nur durch einige Kerzen dämmrig erhellt wurden, erreichten wir schließlich den Saal, der zur Speisung gedacht war. Bei unserem Erscheinen öffneten augenblicklich zwei Pagen die hölzernen Tore und ließen uns in gebeugter Haltung in den Saal eintreten.
Dort angekommen wanderten wir Seite an Seite den Teppich entlang, welcher den edlen Stein überdeckte und uns zur gedeckten Tafel führte. Vornehm erhoben sie einige Herren und neigten höflich den Kopf, während ich mich ebenfalls gemessen beugte. Der Schah blickte finster auf unser Ankommen herab, während seine Gemahlin uns lächelnd  empfand. Noch immer hatte er nicht die Entscheidung seines Sohns gebilligt und mich angemessen in seinem Haus willkommen gehießen.
Auf unseren Weg zu unserem Sitz verneigten wir uns nochmals, bevor wir uns schließlich niederließen. Galant schob er mir meinen Sessel hinweg, anstatt es einem Pagen zu überlassen. Dankend nickte ich ihm zu und lächelte ihn freundlich an. Dieser quittierte meine Reaktion ebenfalls mit einem Lächeln, bevor er sich selbst niederließ. Ich war wirklich froh, dass ich nun wusste, dass meine Schwester und ich nicht die einzigsten Menschen waren, welche nicht aus den umherigen Königreichen stammten. Hoffnug breitete sich in mir, dass Sir Shirley mir behilflich sein könnte mich in den kommenden Wochen und Monaten hier vollends einzuleben und mir einige Personen in seinem Umfeld bekannt zu machen. 

Zufrieden ließ ich anschließend den Blick durch den geschmückten Saal schweifen. Wie bei meiner Ankunfft war der gigantische Raum ordentlich und penibel gepflegt. Die Kerzen in den Kronleuchtern erhellten den Saal ausgiebig und ließen ihn zusätzlich in einem gemütlichen Licht erscheinen. Der lange Tisch wurde durch glänzendes Besteck und handbemalte Krüge bekleidet. Edelmänner und vereinzelt Frauenzimmer unterhielten sich lachend an der langen Tafel, während sie langsam begannen ihre Speise einzunehmen. Eine allgemeine fröhliche und unbeschwerte Stimmung herrschte bei diesem Mahl, was meinerseits jedoch getrübt wurde, als ich bemerkte, dass meine Schwester wieder einmal nicht an der Speisung teilnahm. Sie hatte schon in den vergangenen Tagen jegliche Gesellschaft unbesucht gelassen, was ganz und gar nicht ihren Gewohnheiten entsprach. Trotz diesen Umständen versuchte ich mir nicht meine Laune zu vermiesen und versprach mir selbst am morgigen Tag nochmals mein Glück zu versuchen, Ann zu besuchen.
Noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen wandt ich mich wieder Sir Shirley zu, der mich interessiert musterte. "Fehlt Euch etwas, my Lady? Ihr habt für eine kurze Zeit erschrocken gewirkt." Geschmeichelt über seine Sorge zauberte sich nochmals en Lächeln auf meine Lippen. "Eure Sorge schmeichelt mir, doch Ihr könnt unberuhigt sein, ich nahm alleinig das Fehlen meiner Schwester zur Kenntnis, wodurch ein wenig Sorge mich ereilte." Beruhigend legte er mir eine Hand auf den Arm, was unweigerlich den Drang erweckte diese wieder an ihren vorherigen Ort zu legen. "Ich denke Ihr könnt unberuhigt sein. Ihr wird es sicher gut gehen." Mit eienm zarten Lächeln auf den Lippen dankte ich ihn,bevor ich mich wieder den Speisen vor mir zu wandt.
Doch, bevor ich überhaupt die Möglichkeit hatte endlich etwas zu mir zu nehmen, spürte ich einen schweren Blick auf mir. Unruhig ertrug ich diesen einige Minuten, drehte mich jedoch schließlich um und suchte den Übeltäter. Moosgrüne Augen trafen auf dunkle Augen, die mich schon so oft verfolgt hatten. Finster blickten sie zwischen meiner Begleitung und mir her, während ich vollends spürte, was er von dieser Unterredung hielt. Intensiv musterte er meine Gestalt, was mich unweigerlich erschaudern ließ, bevor er leicht den Becher hob und mir aus der Ferne zu nickte. Zusätzliche Blicke fesselten mich auf meinem Platz, als ich zittrig den Becher hob und ihm mit einem gezwungenen Lächeln zu prostete. Die umherstehenden beobachteten unsere Gesten wohlwollend und wendetetn sich anschließend ihren Tätigkeiten wieder zu. Seufzend schenkte ich dem Valiahd einen versteckten grimmigen Blick, den er mit einem Lächeln quittierten. Boshaft wurde ich mir seinem Plan bewusst, denn er hatte der edlen Gesellschaft nochmals bewiesen, dass ich seine Aufmerksamkeit genoss. Murrend wandt ich mich nach links, wo ich meinen Begleiter vermutete, der jedoch nicht mehr dort saß. Beinahe verschluckte ich mich an meiner eigenen Luft, als ich sah, dass statt Sir Shirley dort die Malekeh Platz genommen hatte. Eilends sah ich mich nach meinem vorherigen Partner um, den ich schließlich in der Nähe auf einem Diwan mit einem anderen Mann unterhielt. Als hätte er beinahe meinen meinen panischen Blick gespürt, drehte er den Kopf und bedachte mich mit einem aufmunterten Lächeln, bevor ich mich wieder meiner jetztigen Gesprächspartnerin zu wandt. Erschrocken musterte ich sie, was sie mit einem sanften Lächeln quittierte. "Eure Hoheit." Ein Lachen drang aus ihrer Kehle "Habt keine Angst mein Kind, ich werd euch nichts tun, nicht heute und nicht in der Zukunft. Ich weiß, wie es ist in dieser Männerwelt überleben zu müssen."Freundlich betrachtete sie mich, während sie ihren bisherigen Monolog weiterführte. "Ich hoffe, dass Ihr alles besitzt, was Ihr benötigt?" Dankend nickte ich ihr zu. "Ja, ich danke Euch, mir fehlt nichts, Eure Hoheit. Das Gemach, was Ihr mir zur Verfügung stellt, ist sehr gemütlich und mehr, als ich mir je erträumt hätte." Ein bezauberndes Lächeln stahl sich auf die Lippen der Herrscherin, was sie unweigerlich mehrere Jahre verjüngte. "Das freut mich sehr, denn nichts soll unseren Gästen und Töchtern fehlen. Falls du jemals etwas benötigst, ob es ein Rat oder doch etwas anderes ist, ist meine Tür für dich offen. Ein glückseliges Lächeln zauberte sich auf meine Lippen, als ich merkte, dass ich in ihr, der Herrscherin des Landes, indem ich nun wohnte, eine neue Verbündetet gefunden hatte, die mir ihre vollkommene Unterstützung zu sicherte.

In den kommenden Tagen führte Sir Robert mich immer öfters mit der Malekeh zusammen. Zu Beginn in seiner Anwesenheit, doch schon bald nahmen sie mir meine Scheu vor der unbekannten Sprache und ihrer fremden Art.
Fortan trafen wir uns täglich zu meiner Angewohnheit des Nachmittagstees und unterhielten uns unterdessen. Gemeinsam lernten wir des anderen Kultur und Gewohnheiten kennen. Nach wenigen Tagen begann sie mir ihre Sprache näher zu bringen, im Gegenzug verbesserte ich ihre Sprachkenntnisse. Schon bald verband uns eine Vertrautheit, die keiner mehr zu unterbinden vermochte. Selbst des Königs Misstrauen verschwand allmächlich durch meine Nähe zu seiner Gemahlin. Doch, obwohl ich die Gesellschaft der Malekeh als äußerst angenehm empfand, fehlte mir dennoch etwas. Denn der Umgang zu meiner Schwester wurde mit jedem vergangenen Tag schlechter. Meine Gesellschaft mied sie weiterhin, selbst wenn ich sie direkt besuchte. Sie verschanzte sich zunehmends in ihrem Gemach und ließ sich nur noch zu den geforderten Anlässen blicken. Zu den gemeinsamen Frühstücken meldete sie sich krank, zum Mittagsmahl war sie verhindert und das Abendessen nahm sie alleine zu sich. Die Gesellschaft zu jedem mied sie und doch war sie fort, wenn man sie suchte. Misstrauen setzte sich in den Köpfen der Menschen und Bediensteten fest, denn sie erwarteten von ihr, wie von mir, tadelloses Benehmen durch den uns zugeteilten Stand.

Die Meute wurde unruhig, die Bediensteten redeten und die Bevölkerung forderte, das was sie schon bei meiner Ankunft gefordert hatten - ihre Malekeh.

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Wie immer würde ich mich über Kritik und Kommentare freuen :)





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