Kapitel 4...Vater und Tochter
Nach ihrem Feierabend sah Sam im Büro ihres Vaters vorbei, bevor sie nach Hause ging. Ihr Zuhause lag gleich vom Hotel nebenan. Also hatte sie keinen weiten und langen Weg zu bewältigen. Wurde sie schnellst möglichst gebraucht, war sie schnellst möglichst vor Ort.
"Klopf, klopf!", meldete sich Sam bei ihrem Vater an und sah durch den Türspalt des Büros hinein. Ihr Vater sah von seinem Schreibtisch auf und strahlte, als er seine einzige Tochter in der Tür stehen sah. Er legte die Schreibutensilien beiseite und erhob sich von seinem Chefsessel. Sie trat ein und ging lächelnd auf ihn zu.
"Sam!...Hallo mein Kind! Wie war dein Tag?"
Er war auf sie zugegangen und schloss sie in seine Umarmung zur Begrüßung ein. "Ganz gut! Und du, Dad? Geht es dir heute besser?", und die Beiden gingen nebeneinander her zum Kamin, in dem ein Feuer loderte. "Komm Kind! Setz dich zu mir und unterhalte dich mit einem in die Jahre gekommenen Vater über deinen arbeitsreichen Tag.", und sie setzten sich in die Sessel am Kamin.
Benjamin hatte immer noch Schwierigkeiten beim Gehen. Er stützte sich mit einer Krücke auf der rechten Seite ab. Lieber so sich vorwärts zu manövrieren, als in einem Rollstuhl sitzen, der einem nach einem langen Tag Muskelkater in den Armen bescherte, der einem dann Nachts nicht ruhig schlafen ließ.
Seine Herz - Transplantation war noch nicht allzu lange her. Sie wurde vor ein paar Wochen durchgeführt, bevor Tante Helen starb und beerdigt wurde.
"Geht es dir wirklich gut, Dad?" Er nickte.
"Diese Krücke bringt mich langsamer als eine Schnecke von A nach B...Aber es wird besser...Meinem Herzen geht es gut, außer die Trauer über den Verlust deiner Tante, die noch in mir steckt, beeinflusst noch mein Gemüt."
"Ist dir warm genug oder soll ich dir eine Decke bringen?", fragte sie ihn, als er auf seinem gemütlichen braunen Ledersessel Platz genommen hatte.
Ihr Vater legte seine linke Hand auf ihre Rechte, die auf der Sessellehne lag. "Nein, mein Kind! Das ist nicht nötig...Aber ich danke dir für deine töchterliche Fürsorge." , und er strich über ihre linke Wange.
"Du siehst müde aus, Sam.", bemerkte Benjamin nebenbei. "Du solltest nach Hause gehen...Ich warte hier noch auf deine Mutter!"
"Dad?...Warst du heut schon bei Tante Helen auf dem Friedhof?..."
"Wenn deine Mutter mit ihrer Arbeit fertig ist, besuchen wir deine Tante Helen."
"Ich vermisse sie sehr, Dad!"
"Ich auch meine Tochter... ich auch! Vor allem ihre Kochkünste in der Hotel - Küche vermisse ich sehr...Und ihre Stimme, wenn sie nebenan immer laut gesungen oder einen Angestellten ermahnt hatte..."
Sein Blick fiel auf die Nebentür links von seinem Kamin, die zu Helens Büro führte. Von der Lobby her gab es auch eine Tür in Helens Büro.
Helen war seine Zwillingsschwester. Sie war sehr krank gewesen und konnte ihre Krankheit nicht besiegen. Sie hatte sie sehr geschwächt. Vor ein paar Wochen verstarb sie.
"Da du schon mal hier bist, mein Kind. Können wir kurz über Geschäftliches reden?...Ich brauche jemanden, der sich um die ganzen Utensilien für die Bäder und den Pool kümmert, Reinigungsutensilien und Waschlotionen, Shampoo, Toilettenzubehör für die Zimmermädchen und für die Putzkolonne und für den Wellness - Bereich die Öle und was die Masseure noch alles benötigen...und wie hieß dieses auflösende Zeugs zum Baden nochmal, was die Kinder so sehr lieben?"
"Badezusätze Dad...Die Utensilien für den Pool werd ich an Mister Clarkson weiterreichen. Ich werde gleich noch mit ihm darüber sprechen. Vielleicht kann er jemanden dafür abstellen, der sich darum kümmert. Ansonsten gebe ich eine Stellenschreibung heraus, dass wir jemanden dafür suchen. Männer haben mehr Ahnung vom Pool und das Drumherum...Frauen sollten davon die Finger lassen. Den Rest übernehme ich...Ich tu es gern.", versicherte Sam ihrem Vater.
"Die ganzen Badezimmer im Hotel müssen kontrolliert werden, ob etwas benötigt wird, mein Kind!"
"Diese Aufgabe übergebe ich den Zimmermädchen. Sie haben den besseren Überblick, da sie jeden Tag in den Zimmern und Bädern sind und sich um die Reinigung kümmern. Ich werde ein Auge mit darauf haben und laufe mit den Zimmermädchen die Etagen ab. Wir schaffen das, Dad!", bestärkte sie ihn und nahm seine kalten, faltigen Hände in ihre und legte ihren Kopf darauf.
"Das wollte ich hören, mein Kind!", antwortete Benjamin seiner Tochter. Ihr Vater rückte nach einer kleinen Weile noch etwas näher mit seinem Sessel an den Kamin heran.
"Wird dir das nicht zu viel der Verantwortung? Du hast schon genug Aufgaben übernommen.", fragte er seine Tochter besorgt.
"Tante Helen ist nicht mehr da, Dad. Einer muss die Aufgaben übernehmen. Du brauchst Mums und meine Unterstützung. Ich kann die Ordner und den Computer von Tante Helen mit in das Büro an der Rezeption nehmen und mich einarbeiten in diesen Bereich. Tante Helen ist es schon des öfteren mit mir durchgegangen, was die Bestellung betrifft. Wenn du möchtest, kann ich das auch hier bei dir erledigen, um dir etwas Gesellschaft zu leisten. Dann bist du tagsüber nicht mehr so allein und hast jemanden zum Reden. Dann könnten wir das gemeinsam durchgehen. Oder du erhebst dich aus deinem Arbeitssessel und begleitest mich bei den morgendlichen Kontrollgängen auf den Etagen."
"Nein, nein, ist schon in Ordnung!...Gutes Kind! Ich danke dir, kleine Sam!..."
"Du kannst nicht ewig in diesem Büro herum sitzen. Ich weiß, sie fehlt dir und uns allen auch. Doch davon kommt sie nicht wieder...Du musst nach vorn schauen und weitermachen ...für Tante Helen...für uns...für dich Dad. Tu's für mich Dad!", und Sam gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Benjamin hatte plötzlich einen Geistesblitz. "Warte mal, ich hab da eine Idee!"
"Und die wäre?", wartete Sam gespannt auf deine Antwort.
Benjamin warf einen Blick auf die Tür zu Helens Büro.
"Du könntest das Büro deiner Tante beziehen, um die Arbeit zu erledigen...Wenn du es möchtest, mein Kind.", bot er seiner Tochter an.
Sam schaute ebenfalls auf die Tür. Seit ihre Tante nicht mehr unter ihnen weilte, hatte sie ihr Büro nicht mehr betreten...aus Ehrfurcht und Respekt. Hinter dieser Tür befanden sich viele schöne Erinnerungen mit ihrer Tante. Sam hatte die Kraft noch nicht dazu hineinzugehen. Dafür war die Situation noch zu frisch.
Ihr Vater strich ihr mit seiner linken Hand sanft über ihren Schopf. Er konnte nur erahnen, was gerade in ihrem Kopf vor sich ging. Ihre Tante war fast so etwas wie eine zweite Mutter für die kleine Sam. Ihre Gedanken überschlugen sich wohl gerade. "Sam?...Gib dir nicht die Schuld für all das!...Sie konnte nicht mehr dagegen ankämpfen...Da, wo sie jetzt ist, geht es ihr besser und sie ist dort gut aufgehoben.", sprach er mit gedämpfter Stimme.
Sam sah ihren Vater mit Tränen in den Augen an.
"Und hier war sie es nicht?...Gut aufgehoben?"
Sam erhob sich und hielt die Hände ihres Vaters noch mit ihren fest.
"Ich werde mein Bestes geben, Dad! Ich möchte Tante Helen nicht enttäuschen! Gib mir ein Versprechen, Dad!" Er sah seine Tochter an. Sein Blick war getrübt und traurig. Ihm fehlte Helen sehr.
"Gib dich nicht auf, hörst du?...Du bist nicht allein! Du hast uns alle hier, die dir helfen, wann immer du einen von uns brauchst, Dad."
Benjamin stand kurz auf und sah seine Tochter tief in ihre braun - grünen Augen. "Dann gib du mir auch ein Versprechen, meine Tochter...Wenn es dir zu viel wird, sag rechtzeitig bescheid."
"Es wird mir nicht zu viel werden, Dad! Versprochen!"
Benjamin lachte etwas kleinlaut.
Sam sah ihn an und wunderte sich über seine Reaktion.
Es war eine Weile her, dass er so lachte wie gerade jetzt...weich und herzhaft.
"Was ist so lustig, Dad?"
"Kein Wunder, dass du keine Zeit für dich selbst hast, um einen Mann zu finden, weil du so viel und so hart arbeitest."
"Das werd ich schon noch...irgendwann...Versprochen!...
Aber darüber solltest du dir jetzt keine Gedanken machen!", und schon schwirrte ihr Mister Max Harper durch den Kopf. - Verdammt! Verschwinde aus meinem Kopf! - herrschte sie sich in Gedanken an. Das war ja nicht mehr auszuhalten. Er hatte überhaupt nichts in ihrem Kopf zu suchen.
"Kann ich dir noch etwas bringen, bevor ich rüber ins Hause gehe?...Einen Tee?...Einen Kaffee?...Möchtest du vielleicht etwas essen?"
Ihr Vater verneinte und bedankte sich.
"Leg dir noch etwas Holz im Kamin auf, sonst geht es aus, Dad...Wir sehen uns morgen früh! Arbeite nicht mehr solange. Du solltest dich lieber noch etwas schonen, haben die Ärzte gesagt.....!"
Sam ließ die Hände ihres Vaters los und verabschiedete sich von ihm mit einer Umarmung und einem töchterlichen Kuss auf seine in Falten gelegte Stirn.
In diesem Moment dachte er, ob er seiner Tochter nicht zu viel zumute.
"Ich hab dich lieb, Dad!...Gute Nacht!", und sie verließ sein Büro.
"Gute Nacht Tochter!", wünschte er ihr.
Benjamin sah seiner Tochter nach und sprach vor sich hin:
"Ich hab dich auch lieb, mein Kind!"
Ihr Vater war alles, was ihr Tante Helen zurückgelassen hatte. Um nichts in der Welt wollte sie ihn auch noch verlieren. Es ängstigte sie sehr, daran zu denken, wenn der Tag da war, an dem er ihrer Tante folgen würde. Sie war ein Familienmensch und sie würde darum kämpfen, dass ihr Vater ihr noch sehr lange erhalten bleiben wird.
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