Kapitel 19...Dein eigenes Büro
Als Sam am Montag zur Arbeit erschien, stand ihr Vater an der Rezeption und checkte neue Gäste ein. Sie blieb am Eingang stehen, lehnte sich an die Säule links von ihr, beobachtete ihn eine Weile und lächelte. Er hatte ihren Vorschlag beherzigt und mischte sich unter das Volk. Es tat ihm offensichtlich gut, sein Schneckenhaus verlassen zu haben.
Er ging richtig auf dabei, er lächelte, er machte seine kleinen Scherze. Er sah glücklich aus. Er unterhielt sich mit anderen Menschen, die unter seinem Dach wohnten und sich wohl fühlten. Wenn nur nicht dieses gottverdammte Herz wäre, dass ihm vielleicht sein Leben verkürzen wird.
Noch akzeptierte sein Körper es. Doch wenn er weiter hier herum rannte, als wäre er neun Jahre alt, dann würde seine Uhr definitiv schneller ablaufen...
Sam hatte das ganze Wochenende darüber nachgedacht, seit sie den Rundgang mit Max und Billy am Samstag erledigt hatte und entschied, sich um Billy zu kümmern. Das würde sie an ihren freien Tagen tun....Wenn sie mal frei hatte...Eigentlich jeden Samstag...Misses Andrews war ja gekündigt worden. Sie müsste es nur mit Max besprechen und seine Einwilligung erlangen. Vielleicht brauchte Max sie überhaupt nicht, denn so, wie sie das Ganze bisher überschaut hatte, hatte Harper das Familienleben im Griff, Billy war gut erzogen...nett, höflich, niedlich...süß. Sam musste gerade selbst vor sich hin lächeln, als diese Gedanken in ihrem Kopf spazieren gingen. Na schön! Legen wir diesen Gedankengang erstmal beiseite und lassen Sam ihren Arbeitstag beginnen. Wer weiß, was er noch für sie bringen wird.
Langsam ging sie auf ihren Vater zu und lächelte ihn schon von weitem an. Er winkte ihr mit der rechten Hand zu.
"Guten Morgen, mein Kind!"
"Morgen Daddy!"
Benjamin atmete auf. "Mhm!...Es tut gut, das Büro mal zu verlassen....Das war ein guter Schubser zur Tür hinaus von dir, mich mal aus dem Büro hinaus zu werfen...Ich danke dir...Versauern möchte ich nicht unbedingt in meinem Büro. Es tut gut, sich die Beine zu vertreten und mit anderen Leuten zu reden..." Nachdenklich schaute er sich in der Lobby um und redete vor sich hin. "Früher hab ich das mit Helen oft getan...Ich weiß gar nicht, wieso ich damit aufgehört hab. Sicherlich, weil es ohne sie keinen Spaß macht..."
"Dann nimm Mister Harper oder mich mit auf diese morgendliche Tour...oder deine Frau, Dad.", schlug Sam ihm vor.
"Gute Idee!...So machen wir es!...Ich hab mir heute schon meinen Kaffee selbst geholt und hab dir einen gleich mitgebracht...Schwarz - Weiß, richtig?...Hier, bitte sehr!", und Ben schob ihr einen Becher mit ihrem Kaffee auf der Empfangstheke lang zu ihr herüber.
"Danke, das ist lieb von dir!", und Sam umarmte ihren Vater. "Ich geh mich nur schnell umziehen und dann bin ich für dich da, Dad.", sagte sie zu ihm.
Doch er hielt seine Tochter auf.
"Was ist los?", fragte sie verwirrt.
"Ich denke...Es wird Zeit, dass du dein eigenes Büro bekommst. Schließlich...naja...Dann kannst du deine Bestellungen für die Hygiene und alles andere von da aus erledigen...Dann musst du nicht hinter dem Empfang dazu stehen oder in dem kleinen Büro dort...Du hast sogar dein eigenes Telefon...Ich weiß, du hasst telefonieren, außer, wenn ich dich anrufe...Komm, ich zeig's dir...Miss Marshal?", drehte er sich zu Alex um.
"Ja, Mister Stanford?"
"Könnten Sie kurz?...Ich bin gleich zurück."
"Aber natürlich, Mister Stanford!"
***
Benjamin holte ein blaues Tuch aus seiner Jackett - Tasche und band es seiner Tochter um die Augen. "Dad, ich sehe nichts mehr!"
"Ehm...Das ist ja auch Sinn und Zweck der ganzen Sache, mein Kind!" Benjamin nahm seine Tochter an ihre rechte Hand und winkte seiner Frau und Max zu, die am Eingang der Kaffee - Bar auf sein Zeichen warteten.
Sam vernahm das Klacken von Absatzschuhen, die näher in ihre Richtung kamen.
"Mum?", und Sam streckte ihre linke Hand blind aus und ihre Mutter ergriff sie.
Theresa strahlte ihren Mann an und gab ihm einen Kuss auf seine Wangen.
"Ich kann es kaum erwarten, ihr Gesicht zu sehen, Liebling!" flüsterte sie ihrem Mann ins linke Ohr.
Max gesellte sich dazu und hatte seine Hände elegant in seinem Anzug versenkt. Was hatte er denn da unter seinem linken Arm eingeklemmt? Papier?...Wir werden sehen!
Alle Drei gingen mit Sam in Richtung Versammlungsraum. Max öffnete die Tür links daneben, legte seine Hände von hinten um ihre Taille und schob Sam durch die offen stehende Tür. Benjamin und Theresa folgten ihnen.
Sam sah nichts durch das Tuch. Doch sie hatte den Geruch von frischer Farbe und Holz in der Nase.
"Wo sind wir?", fragte sie.
"Warts ab! Ich befreie dich gleich von dem Tuch...So! Noch ein kleines Stückchen. Achtung, aufgepasst...Taataa!", und sie konnte wieder sehen.
***
Sam blinzelte mit ihren Augen, bis alles wieder scharf zu erkennen war.
Sie sah sich in ihrem eigenen Büro um und war überwältigt. Sie sah alle drei mit weit aufgerissenen Augen an und strahlte über das ganze Gesicht.
"Das gehört mir?", fragte sie die im Raum stehenden Anwesenden - sandfarben gestrichene Wände, bodentiefe, große Sprossenfenster hinter denen eine Terrasse zum Park auf sie wartete, ein eigenes Badezimmer nebenan, ein Kamin, auf dem Fotos standen von ihrer Familie und...von Tante Helen.
"Erkennst du den Raum hier wieder?", fragte ihre Mutter.
Sam hatte Tränen in den Augen. Sie erkannte den Raum wieder. Dieser war früher ihr Kinder - und Jugendzimmer gewesen, als die Stanfords noch im Hotel gewohnt hatten, als es gebaut wurde, ehe Sam sich Gedanken über ihre eigenen vier Wände machen konnte. Sam wohnt seit der Fertigstellung mit ihren Eltern in der Villa neben dem Hotel. Sie teilt nur die Küche, die Bibliothek und das Wohnzimmer mit ihnen.
Über dem Kamin hing ein großer Bilderrahmen. Sam trat näher heran. "Oh mein Gott!", flüsterte sie. "Das ist das Haus von Tante Helen!", sagte sie zu ihren Eltern und Max. "Ich liebe dieses Haus aus Holz...Das war mein Lieblingsort...Jede Ecke, jedes Fenster, jede Tür, jedes Zimmer hab ich mir eingeprägt...bis es abgebrannt war. Brandstiftung, so hieß es damals. Gott sei Dank war Tante Helen verreist, sonst wäre sie in diesem großen Feuer umgekommen...", sprach Sam mit sich selbst. Sie strich mit ihren Händen über das Bild. "Ich vermisse Tante Helen!" Sam hatte gar nicht bemerkt, dass sie mit sich selbst die ganze Zeit gesprochen hatte.
Ihr Vater legte das dazu gehörige Foto vor ihre Augen. Sam nahm es in ihre Hände. "Es hat eine Fotografie existiert?", fragte Sam ihren Vater, als sie darauf blickte und drehte sich zu ihm um.
"Ja, hat es, sogar mehrere.", und er legte ihr lächelnd ein Fotoalbum auf den Schreibtisch. "Es gehört dir.", bemerkte Benjamin nebenbei.
***
Auf einmal war alles nebensächlich... der Schreibtisch, ihre Couch, ihr Stuhl, ihr Laptop, der Blick aus der Sprossen - Terassentür...Sie hatte nur noch Augen für das Album. Sie nahm es zur Hand, setzte sich auf ihren Drehstuhl am Schreibtisch und blätterte darin - vom ersten Balken, bis zum letzten Balken, bis zum Richtfest und zur Einweihung, das erste große gemeinsame Essen an dem langen Drei - Meter - Tisch, der erste Grillabend auf der Terrasse mit Blick auf die große Brücke, auf der ihre Tante und ihr Vater die Autos gezählt hatten, das erste Weihnachten und bis zum Brand und die Rückstände waren darin festgehalten.
Max trat auf sie zu und legte ihr noch ein Geschenk auf den Tisch.
"Was...was ist das?", blickte sie fragend zu ihm auf, als sie das Geschenk vor ihrer Nase liegen sah.
"Machen Sie es auf!", bat er sie.
Sie zog das Geschenk an sich heran und öffnete auch dieses. In den Händen hielt sie noch einen großen Bilderrahmen. Darin war der Bauplan des Hauses von Tante Helen zu sehen.
"Ein Bauplan...von...Tante Helens Haus?", stellte sie allen die Frage. Dann drehte sie sich direkt zu Max und meinte überrascht: "...Woher...", fragte sie überwältigt und sah alle drei in diesem Raum an...ihre Mutter, ihren Vater und Max.
Ihr Vater trat auf sie zu und sagte: "Das...mein liebes Kind, bleibt unser Geheimnis!...Du kannst alles essen, aber nicht alles wissen!", und er drückte sie.
Sam fand keine Worte dafür. Sie fragte gar nicht weiter danach, wie er da ran gekommen war. Sie war einfach nur noch glücklich und drückte den Rahmen ganz fest an ihre Brust und ließ Freudentränen laufen. Jeden Einzelnen von ihnen...ihre Mutter, ihren Vater und Max, nahm sie in ihre Arme und bedankte sich bei ihnen für die große, gelungene Überraschung.
Max Harper aber:...Er hielt sie noch etwas länger fest. Er genoss ihre Nähe und ihre Wärme, sowie den süßen Geruch ihres Parfüms.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top