Kapitel 16...Reue

Tom sein Blick fiel zur Eingangstür. Es war kurz vor seinem Feierabend...Achtzehn Uhr. Er tippte Sam auf die rechte Schulter mit seinem linken Zeigefinger und zeigte mit einem Kopfnicken zur Eingangstür. Sam schaute dem Gast, den sie gerade die Schlüssel für sein Zimmer aushändigte, über die linke Schulter. Verblüfft und um Hilfe bittend sah sie Tom fragend an, ob er den Empfang übernehmen könnte. Er wehrte ab, so auf die Art - VERGISS ES - und ging sich umziehen. Sam verabschiedete sich von dem Gast und wünschte ihm einen angenehmen Aufenthalt. Dann wand sie sich, der zu später Stunde gelieferten, Post zu und sortierte sie ein und sortierte die für ihren Vater aus.

"Hallo Sam!...Können wir reden?", fragte eine Frauenstimme sie, die sehr traurig und reumütig hinter Sams Rücken klang.

Sam drehte sich zur Vorderansicht zur Lobby um und schaute in Alex' Tränen unterlaufene, gerötete Augen. Ihr Makeup war total verschmiert.

"Oh nein!...Nicht du!...Nicht mit mir!...Geh zum Chef! Mir hast du gesagt, was du zu sagen hattest und was du von mir und unserer Freundschaft hälst...Und das war deutlich genug, Marshal!...Doch eines frage ich mich schon die ganze Zeit.

...Wie oft hast du die Flure der einzelnen Etagen am Tag betreten?...Und du willst mir weiß machen, dass du die Kameras nie bemerkt hast?...Entweder lügst du oder du hast es mit Absicht darauf angelegt, gesehen oder noch besser, erwischt zu werden....Und noch eins:

Verwarnungen werden nicht umsonst ausgesprochen. Sie sind dazu da, um es das nächste Mal besser zu machen und aus Fehlern zu lernen und sie nicht noch einmal zu wiederholen, Alex!.......So! Das wär's von meiner Seite her, was ich zu sagen hatte. Und jetzt entschuldige mich! Ich hab noch zu tun!"

Alex war verzweifelt und verknotete dauernd ihre Finger vor Nervosität ineinander. Dann sprach sie mit etwas mutiger Stimme: "Ich möchte hierher zurück, Sam!...Ich...Ich weiß sonst nicht, wo ich hin soll!...Das hier ist mein Leben!...Das ist alles hier, was ich je wollte...und...kann!..................Du...Du fehlst mir, Sam!...Ich...Ich hätte auf dich hören sollen!...Es...tut...mir leid!", flüsterte Alex nun fast leise.

"Du willst hierher zurück?...Du willst deinen Job wieder haben?...Wofür Alex?...Um wieder darauf hin zu arbeiten zum wiederholten Male Abmahnungen zu sammeln und zu ignorieren und dann wieder gekündigt zu werden? Ein und denselben Fehler zu wiederholen?...Ich würde sagen, arbeite an dir und deinem Respekt den Gästen gegenüber, an deiner Loyalität und an deinem Vertrauen an deiner besten Freundin..." Sam kam Alex Gesicht etwas näher und drohte ihr an: "...und halte dich von unseren Zimmern fern...und vor Menschen, die auf einen negativ wirken, vor allem vor solchen Honks wie dein sexbesessener Möchte - Gern - Betthüpfer- Guru...der dich in diesen Schlamassel hinein gezogen hat. Ihm hast du deine Kündigung zu verdanken...nicht mir, nicht meinem Vater...nur IHM!", und Sam drehte sich von ihr weg. Sie merkte, wie ihr die Tränen ins Gesicht stiegen.

Doch Alex ließ nicht locker. "Du bist die Chefin hier, Sam! Du kannst doch auch über mich entscheiden!", bettele Alex sie an.

Sam drohte zu platzen wie eine Bombe und sagte ganz ruhig gezwungener Maßen: "Ich bin nicht die Chefin! Und ich werde es auch nie sein!...Und hört endlich alle auf, mich so zu nennen! Denkt ihr alle, dadurch fühle ich mich besser, wenn ich das alles hier leite?", fauchte sie jetzt fast die letzten Worte zähneknirschend. Sam hatte es so satt, stets und ständig daran erinnert zu werden, was sie einmal sein werde, sobald ihr Vater abdankte. Sie hasste ihre Tante dafür, ihr diese große Bürde aufgetragen zu haben. Niemand hatte sie je gefragt, was sie eigentlich wollte und sich für ihr Leben wünschte und erhoffte, was noch vor ihr lag. Sam beließ die Diskussion dabei und wand sich von Alex ab.

Sam begrüßte die Spätschicht und wies diese noch schnell ein. Dann schickte sich Sam an zum Fahrstuhl hinüber zu gehen, um ihre tägliche Zimmerkontrolle auf den Etagen durchzuführen, bevor sie ihren Feierabend antrat. Jonas wartete bereits auf sie am Fahrstuhl.

Alex ließ sich nicht so leicht abwimmeln und rief durch die Lobby Sam hinterher.
"Ich hab dir gesagt, dass es mir leid tut!...Zählt das denn gar nicht?", warf sie ihr barsch nach.

Sam blieb mitten in der Lobby stehen, ballte ihre Hände zu Fäusten und knurrte vor sich hin und drehte sich zu ihr.

"Sag mal, siehst du nicht, dass ich...Das ist ja wohl nicht wahr!", und sie ging im Eiltempo zu Alex zurück und schnappte sie sich am linken Ellenbogen und schleifte sie in den Aufenthaltsraum hinter der Rezeption. Dann platzte Sam vor Alex richtig laut...ja...sie brüllte fast wie eine hitzige Löwin, der man die Welpen weggenommen hatte, um sie in einen Zoo zu verschleppen, während sie hinter sich die Tür zu warf.

"Was soll das Gezeter und dein rebellisches Auftreten?...Denkst du etwa, du bist die Einzige, die in dieser Sache verletzt oder deren Vertrauen missbraucht wurde? Denkst du etwa, es wird jedem Einzelnen hier im Hotel besser gehen, wenn ich meine Hand über jeden von euch hier im Hotel beschützend halte und alles durchgehen lasse, weil meine beste Freundin der Meinung ist, die Regeln des Hauses zu ignorieren? Was glaubst, wenn das jeder Angestellte hier machen würde? Wo kämen wir dann denn hin? Willst DU etwa als wandelndes Beispiel voran gehen und jeden Einzelnem im Hotel zeigen, wie man es nicht machen sollte? Um jeden Gast hier glücklich zu machen und ihm einen unbeschwerlichen und entspannten, unvergesslichen Aufenthalt zu bescheren, hat man mit einem glänzenden, vertrauenswürdigen Beispiel und hingebungsvollem, sicherem Auftreten voran zu gehen, Alex Marshal! Wo bei dir eigentlich Hopfen und Malz verloren ist!...Du denkst, du kommst hierher und kannst einfach so deinen Job wieder haben und alles ist vergeben und vergessen...und unter den Tisch gekehrt?..." Sam war außer sich. Alex kam einfach so hier hereingeschneit und traute sich unter Sams Augen und dachte, es wäre so einfach, sie wieder in diesem Haus aufzunehmen? So ging man nicht mit Sam um!...Nicht mit Sam Stanford!

Sam wurde ruhiger und erinnerte Alex: "Du denkst, du bist so unwiderstehlich, dass jeder mit dir ins Bett hüpfen will, der dir gerade über den Weg läuft? Ist das alles, woran du in letzter Zeit nur denken konntest? Meinst du nicht, dass diese Zeiten aus der Ausbildung schon längst das Zeitliche gesegnet haben?........Sieh, was aus dir geworden ist, Alexandra Marshal! Denkst du etwa, deinen Eltern wäre es Recht gewesen, wie du dein Leben auf die Beine stellst? Sie würden sich in ihrem eigenen Grab umdrehen, wenn sie wüssten, wie du dein Leben meisterst!"

Sam wollte gehen und schleunigst den Aufenthaltsraum des Empfangs verlassen, doch Alex hielt sie am rechten Oberarm fest.

"Ich wollte nur - DANKE - sagen, dass du ein gutes Wort für mich bei deinem Vater eingelegt hast...Wieder und wieder und... ich hab es dir nie gedankt...Also....DANKE!", sagte sie mit gesenktem, betrübten Kopf.

"Tja Alex!...Nur waren es dieses Mal für umsonst zahlreiche Wortverschwendungen! Die Abmahnungen waren in der Überzahl!... Und ich denke, für mich hättest du dasselbe getan, wenn ich in der Klemme gesessen hätte!", antwortete Sam enttäuscht und sie wollte gehen, endlich raus hier. Denn sie ertrug den Anblick von Alex nicht mehr. Sie blieb an der Tür stehen und sagte:
"Falls du mit meinem Vater noch reden möchtest, würde ich mich an deiner Stelle beeilen. Er hat gleich Feierabend....Ich muss los!...Jonas wartet am Fahrstuhl auf mich!", und Sam verließ das Büro.

***

Als Sam in ihrem Bett lag, bekam sie kein Auge zu. Ihr ging die Begegnung mit Alex nahe. Sie fehlte ihr sehr. Sie waren die besten Freundinnen seit ihrer Ausbildung, gingen durch DICK und DÜNN. Sam hatte ihr immer den Rücken frei gehalten. Doch dieses Mal war es zu spät und nicht gut für Alex ausgegangen. Dieses Mal hatte sie die Konsequenzen zu tragen und kam nicht drum herum.

Sam musste auf andere Gedanken kommen und deshalb stand sie nochmal auf, lief barfuß an ihren Schreibtisch, öffnete die obere, linke Schublade und entnahm einen Malblock, Dreieck, Lineal, Radierer und Bleistifte.
Das nahm sie alles mit ins Bett, setzte sich im Schneidersitz dazu und verteilte alles auf dem Bettlaken und auf der Decke.
Sie legte den Block auf ihre Knie und begann kleine, feine, hauchdünne, zarte Linien zu zeichnen, radierte hier und da etwas herum und zeichnete erneut. Das tat sie oft...Zeichnen im Bett. Dadurch fuhr sie ihren Alltag herunter und schaltete ab. Ihre Tante Helen tat es oft, als sie noch gelebt hatte....
Am Ende war es eine Skizze von einem Haus. Es war IHR Haus...

- Tante Helens Haus - ...Das Haus aus Holz.

Irgendwann war sie dann doch eingeschlafen.

***

Spät am Abend kamen ihre Eltern endlich aus dem Hotel nach Hause. Benjamin ging die Treppen rauf, um nach seiner Tochter zu sehen. Er wollte ihr noch etwas Wichtiges mitteilen. Er sah noch einen Lichtschimmer in ihrem Zimmer und ging nach einem unbeantwortetem Klopfen leise hinein.

Sam lag tief und fest schlafend in ihrem Bett. Die Tischlampe auf dem Nachtschrank war noch an.

Benjamin sah sich im Zimmer seiner Tochter um.
Überall lagen Stifte und bemalte Blätter auf ihrem Bett und auf dem Fußboden verteilt.
Er nahm sich eines davon von ihrer Bettdecke herunter und sah es sich an.

Ihm liefen die Tränen übers Gesicht. Er erkannte in der Skizze das Haus seiner Schwester Helen wieder. Es wurde damals komplett aus Holz gebaut. Helen liebte den Geruch von Holz.

Sam hatte dort viel Zeit während ihrer Kindheit verbracht, als das Hotel entstand.

Sie liebte dieses Haus. Es war mehr ihr Zuhause gewesen als das hier.
Doch es brannte vor einiger Zeit ab. Damals hieß es nach Aussagen der Anwohner, Jugendliche wären Nacht für Nacht in dieser Gegend herum geschlichen, wo Helen wohnte, seien unterwegs gewesen und hätten Unruhe in der Nachbarschaft gestiftet, um sich einigen Mutproben zu unterziehen: Einbrüche, Autodiebstähle und kleine Feuerherde legen. Da nun Helens Haus komplett aus Holz bestand, war es für das Feuer ein großer Leckerbissen und setzte das ganze Haus der Feuergefahr aus. Schließlich wurde es in Schutt und Asche gelegt und brannte bis auf die Grundmauern ab. Als Helen aus dem Urlaub zurück kam, den sie kurzerhand abbrach, weil ihr Bruder sie über den Brand informiert hatte, zog sie mit den Habseligkeiten, die ihr noch geblieben waren, kurzum ins Hotel.

Für Helen brach damals eine Welt zusammen und sie war völlig am Boden zerstört.
Wochenlang lag sie der Polizei in den Ohren den Fall zu klären. Doch die Polizei hatte keine Handhabe über die Verursacher. Sie zogen weiter und stifteten woanders ihre Unruhen.

Benjamin legte Stifte, Radiergummi, Lineal, Dreiecke und Block, sowie die Skizzen leise auf ihren Schreibtisch, deckte Sam mit ihrer Decke zu, löschte das Licht und verließ leise das Zimmer seiner Tochter.

Im Flur verweilte er noch kurz und betrachtete die Skizze, die er mit hinaus genommen hatte.
"Helen...mein Gott Helen!...Du fehlst mir so!", schluchzte er. Erst jetzt war ihm bewusst, wie sehr sie ihm fehlte.

Dann ging er mit der Zeichnung ins Hotel in sein Büro und legte es auf seinem Schreibtisch aus. Er stützte sich links und rechts neben der Zeichnung ab und betrachtete die Skizze. Tief in seinen Gedanken hörte er die Stimme seiner Schwester:

"Es sieht wundervoll aus, Benjamin!...Die lange Wartezeit hat sich endlich gelohnt!", und beide Zwillinge standen Arm in Arm vor dem fertigen Holzhaus.
Er liebte dieses Haus genauso wie Helen. Es war groß und sehr geräumig gewesen.

Ein Klopfen an der Tür ließ ihn kurz in seinen Gedanken pausieren und aufatmen. "Herein!", rief er und Max betrat Bens Büro. "Sind Sie nicht vor zehn Minuten gegangen, Mister Stanford?"
Er kam zum Schreibtisch, um ihm noch eine Rechnung von Mister Clarkson, dem Hausmeister, zu bringen.
Diese legte Max neben die Skizze auf den Tisch. Er warf einen Blick auf das große Blatt, was vor ihm auf dem Schreibtisch lag.

"Was ist das, Ben?", fragte Max ihn.

"Eine Skizze von Sam...Ich hab sie bei ihr im Bett gefunden...eine Skizze von vielen...Es ist das Haus meiner Schwester Helen. Sam hat mehr Zeit dort verbracht als hier. Es war ihr zweites Zuhause...Es ist vor ein paar Jahren bis auf die Grundmauern abgebrannt. Zum Glück war Helen zu dem Zeitpunkt im Urlaub, sonst hätte sie das Feuer nicht überlebt...Es hieß, es wäre Brandstiftung gewesen. Man hat es aber nie aufgeklärt."

"Darf ich?", fragte er Benjamin.
"Natürlich Mister Harper!"
Max drehte die Skizze zu sich. nahm sie in seine Hände und studierte jeden Winkel, jedes Fenster, jede Tür und jeden Treppenaufgang. Jedes Aufmaß nahm er ins Auge.
Es war eine übersichtliche, sehr genau detaillierte und sehr gut lesbare Skizze, aus der man etwas machen könnte.
"Ich hab eine Idee, Mister Stanford!" Max ging an den Kopierer und legte die Skizze dort ab und kopierte sie dreimal.

Ben sah ihn fragend an. "Was haben Sie vor, Harper?"

"Ich muss nur ein paar Anrufe tätigen... Würden Sie mich morgen auf einen Ausflug begleiten, Mister Stanford?...Zeigen Sie mir bitte den Ort, wo das Haus einst gestanden hat..."

"Was haben Sie vor?", sah Ben abwechselnd auf die kopierten Blätter und auf Max.

"Wir geben Sam ihre Erinnerungen zurück, Mister Stanford."

"Wie wollen Sie das anstellen?"

Max legte ihm die Original - Skizze zurück auf den Schreibtisch und tippte mit seinem rechten Zeigefinger darauf.
Mit fest entschlossener Stimme sagte er zu Ben:

"DAMIT!"

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