2. Kapitel
Blair P.o.V.
Dieses Abendessen ist das seltsamste und verwirrendste in meinem ganzen Leben. Obwohl Justus und Mam eine entspannte und lustige Atmosphäre schaffen, bin ich nervös und angespannt. Im Gegensatz zu Hunter, er redet und diskutiert mit seinem Dad und meiner Mam und lacht über ihre Geschichten und Witze. Ich kümmere mich größtenteils um Jess und ertappe mich selbst immer wieder dabei wie ich Hunter von der Seite her anstarre. Ihm scheint es nichts auszumachen, das wir gestern einige intime Minuten miteinander verbracht haben. Im Gegenteil, immer wenn er in meine Richtung schaut zwinkert er mir zu und grinst mich auf eine weise an, die nicht eine an Schwester gerichtet sein sollte. Aber ich bin nicht seine Schwester! Ich bin Blaire Edwards und er ist Hunter Blackwood, und wir sind keine Blutsverwandten. Eigentlich sollte ich mir keine Gedanken über gestern machen, ändern kann ich es sowieso nicht! Und plötzlich sehe ich das was am Abend zuvor geschehen ist nicht mehr als unverzeihlichen Fehler, sondern als das was es war. Unglaublicher Sex. Obwohl es nur eine schnelle Nummer war, war es wahrscheinlich der beste Sex meines Lebens. Heiß und leidenschaftlich. Schnell und doch schien es eine Ewigkeit zu sein. Ein Fuß tritt gegen mein Schienbein und ich werde aus meinen Erinnerungen von gestern Nacht gerissen. Ein kurzer, heftiger Schmerz jagt durch mein Bein und ich kann mir gerade so ein Wimmern verkneifen. Ich sehe auf und erblicke Mam und Justus, die immernoch miteinander reden. Ich drehe den Kopf zu Hunter und blicke direkt in seine funkelnden Augen. Mit Blicken gibt er mir zu verstehen, dass ich mich zusammenreißen und beginnen soll - wie er - ganz entspannt zu sein und mich am Gespräch zu beteiligen. Mir wird warm. War es so offensichtlich gewesen? Hat er mir angesehen woran ich dachte? Ich merke wie meine Wangen heiß - und leider - auch rot werden. Hunter grinst mich wieder mit dem gleichen spitzbübischen und schmutzigen Grinsen wie vorher an. Wenn er es bis eben noch nicht gewusst hatte, dann wusste er es spätestens jetzt! Scheiße. Ich drehe mit erhobenem Kinn meinen Kopf in Richtung der Erwachsenen und beginne mit ihnen mitzureden. Als ich wenig später sehe das Jess eine Schnute zieht und schmatzt, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie Hunger hat, entschuldige ich mich schleunigst. Mit Jess im Arm gehe ich aus der Küche und durch den Flur in Richtung Eingangshalle. Ich bin, genau wie heute Morgen, erstaunt und ein wenig eingeschüchtert von der Größe des Hauses. Allein in die Eingangshalle würde das Haus passen, in dem ich aufgewachsen bin. Für einen Moment bleibe ich in der Mitte stehen und sehe mich um. Hinter mir ist die riesige, hölzerne Haustür. Genau wie diese sind alle anderen Türen in dem selben dunklem Holz gehalten, auch die Türrahmen links und rechts von mir. Links führt der dahinterliegende Flur zur Küche, zum Wohnzimmer und in ein kleines Gästebadezimmer. Den rechten habe ich noch nicht betreten und Justus hat bei seiner kleinen Hausführung auch nicht gesagt was sich dort befindet. Direkt vor mir ist eine Treppe, die mindestens viermal so breit wie eine englische und aus dem gleichen edlen, dunklem Holz wie die Türen ist. An beiden Seiten ist ein hohes Geländer, indem - so sieht es zumindest aus - Glaskristalle eingearbeitet sind. Links und rechts der Stufen ist eine Art Glaswand, die die ganze Länge des Hauses einnimmt und in der auf jeder Seite jeweils eine Glastür ist. Dadurch kann man auf einen Teil des Geländes sehen, welches hinter dem Haus liegt. Vor den Türen läuft ein steinerner Weg, der um das ganze Haus herumführt, einschließlich der Terrasse, die vor der Küche liegt. Ich gehe schnellen Schrittes an der Garderobe, welche sich direkt neben dem rechten Türbogen befindet, und den den Tischen mit teuren Skulpturen, welche sich an der Wand aneinanderreihen, vorbei. Ich spüre den Unterschied zwischen dem kalten, weißen Marmorboden und dem eleganten und weichen, dunklem Teppich, der bis vor die Treppe auf dem Boden liegt. Die hohe Decke und das helle Sonnenlicht lassen die Stufen unglaublich viele aussehen, und so bin ich schneller als erwartet oben auf der letzten. Eine wunderschöne und lichtdurchflutete Galerie erstreckt sich über der Eingangshalle. Sie bildet eine U-Form, an den Wänden entlang. Die Treppe endet genau in der Mitte, sodass gegenüber von mir fünf Türen sind und links und rechts von mir sind jeweils vier. Mein Zimmer ist links von mir, genau wie Jess's Kinderzimmer, welches rechts neben meinem ist, links neben meinem Zimmer ist das Bad von mir ... und Hunter, wie mir Justus heute Morgen bei seiner Führung eröffnet hatte. Der Raum links vom Bad ist demnach Hunters. Ich gehe seufzend am Geländer entlang und durch die erste Tür. Justus hat sich viel Mühe dabei gegeben, ihr Reich passend einzurichten. Der Traum eines jedes Mädchens, in Form eines wunderschön gearbeiteten Prinzessinnenhimmelbettes mit rosafarbenem Bezug steht unter dem Fenster, welches den ganzen Raum in freundliches, strahlendes Licht taucht. Neben dem Kinderbett steht ein bereits mit Windeln und Anziehsachen befüllter Wickeltisch aus demselben hellen Holz wie das Bett - und mit dem gleichen rosa. Außerdem hat Justus noch einen Laufstall besorgt, den mal leicht hochheben und in einen anderen Raum mitnehmen kann, je nachdem wo man ihn gerade braucht. In einer beeindruckenden Kiste, die übrigens perfekt zu dem Bett und dem Wickeltisch passt, sind zudem noch so viele Spielzeuge, Kuscheltiere und anderes Baby- und Kinderzeug , dass mir etwas schlecht wird. Das alles muss so viel gekostet haben, nicht das für Justus und Hunter Geld eine Rolle spielen würde, doch ich meine die Zeit, die Justus gebraucht hat um das alles einzurichten und zu gestalten. Selbst die Wände sind mit kindgerechten Wandtattoos verziert worden. Für meinen Geschmack etwas zu sehr, naja, Mädchen, doch man merkt, das er sich Mühe gegeben hat. Große Mühe. Er will das wir eine richtige Familie werden, er will das wir lernen miteinander zu leben, uns akzeptieren wie wir sind, er will das wir uns irgendwann lieben wie eine richtige Familie. Obwohl er mich und Jess heute Morgen noch nicht kannte, ist er sich sicher, dass wir das schaffen werden. Für einen Moment muss ich innehalten weil mir alles zu viel wird. Ich hatte einen Vater und ich hatte einen Bruder, und beide haben Mam und mich verlassen. Das ist noch nicht lange her und ich weiß nicht ob schon bereit bin für dieses Leben. Dieses neue Leben. Eines welches ganz anders werden wird, wie mein bisheriges. In England haben Mam und ich für zweieinhalb Jahre ein Haus bewohnt das zwar im Gegensatz zu den Häusern meiner Freunde und Klassenkameraden ziemlich groß war, doch mit diesem Anwesen würde es niemals mithalten können. Langsam lasse ich mich auf den bequemen Sessel in einer Ecke des Zimmers sinken, der wohl eher für mich als für Jess gedacht ist. Eine kleine Hand berührt kurz meine Wange und lächelnd sehe ich zu wie sie glucksend ihre winzige Hand zurück auf ihren Bauch fallen lässt. Wieder zieht Jess eine Schnute und ich sage leicht lachend zu ihr:"Ist schon gut, du bekommst ja gleich etwas zu essen." Jess macht große Augen, lacht, und wirkt fast so als hätte sie jedes Wort verstanden. Ich ziehe einen meiner Arme unter ihr hervor und löse damit einen meiner BH-Träger vom Körbchen. Sekunden später liegt Jessica glücklich saugend an meiner rechten Brust. Wieder umhüllt uns diese Blase, die immer dann um Jess und mich herum zu existieren scheint, wenn wir einen intimen, ganz besonderen Mutter-Tochter Moment erleben. Nur einmal waren wir beim Stillen nicht allein gewesen. Damals, direkt nach Jessica's Geburt haben Mam und die Hebamme, die uns schon durch die Schwangerschaft begleitet hat, mir gezeigt wie es geht und was ich beachten muss. Damals habe ich mich unwohl und einfach Seltsam gefühlt, was auch daran gelegen haben konnte, dass es ein gewöhnungsbedürftiges Gefühl ist, wenn man ein Baby stillt. Doch inzwischen hat sich dieses ungewohnte und komische Gefühl in ein vertrautes, besonderes gewandelt. Als ich erfahren habe, dass ich Schwanger bin, habe ich mir nicht vorstellen können, wie ich ein Kind großziehen, oder auch nur das Baby bekommen sollte. Ich hatte Angst vor allem, den Schwangerschaftssymptomen, der Geburt, der Verantwortung, aber vor allem davor, dass es dem Baby nicht gutging. Das kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Diese Angst und gleichzeitig dieses unerklärliche Empfinden, welches an Vorfreude erinnert, nur so, so viel stärker, als irgendein Gefühl das ich davor jemals gespürt habe. Zu der Angst um die Gesundheit des Baby's kam auch meine Sorge dazu, dass Elliott von der Schwangerschaft erfahren könnte. Bis heute hat er keine Ahnung dass er Vater ist. Der Vater meiner Tochter. Ich sehe immernoch zu Jess und bin so unglaublich dankbar, dass sie meine Augen und meine Haarfarbe geerbt hat. Ich erkenne zwar das ihre Nase eine Ähnliche Form wie seine hat, doch ansonsten kann ich bis jetzt nur sehr wenig von ihm an ihr erkennen. Sanft streichle ich ihr über die Stirn. Ich weiß noch wie ich sie das erste Mal gesehen habe und wie wunderschön ich sie fand. Vor der Entbindung hatte ich solche Panik davor, dass ich sie nicht lieben können würde. Ich habe Angst gehabt, dass immer wenn ich sie sehe, dass ich da Elliott sehen würde und nicht mein Kind. Die Erleichterung die mich durchströmte, als ich merkte, dass ich in meiner wunderschönen, kleinen Jess niemals nur ihren Vater sehen konnte, war so überwältigend, dass ich gefühlte Stunden nicht mehr aufhören konnte zu Weinen. Mam war damals die ganze Zeit an meiner Seite, als Mutter und als die Person, die als einzige die Wahrheit über Elliott und mich wusste. Selbst Lucy, meine allerbeste Freundin, weiß bis heute nur einen Teil der Wahrheit. Ich habe ihr das wesentliche erzählt, aber von dem wichtigstem hat sie keine Ahnung. Doch das hat sie nicht davon abgehalten wie meine Mam mir immer beizustehen und mich zu unterstützen. Jess hört aus zu trinken und ich stehe auf. Ich trage sie so, dass sie über meine linke Schulter schaut. Ich richte meine Kleidung und klopfe ihr dann ganz sanft auf den Rücken, bis sie ihr Kopperl gemacht hat. Für ein paar Minuten albere ich mit ihr herum, doch dann gähnt sie und reibt sich die Augen. Lächelnd lege ich sie auf den Wickeltisch und wechsel ihre Windel und ziehe ihr ihren dunkelblauen Schlafsack an. Dann verdunkle ich ihr Zimmer und wiege sie so lange in meinen Armen bis ihr die Augen zufallen. Ich lege sie in ihr neues Bettchen und drücke ihr einen leichten Kuss auf die Stirn. Hoffentlich schläft sie heute Nacht in dem neuen Bett und in der neuen Umgebung genauso gut, wie sie es Zuhause getan hat. Wobei sie heute Nachmittag ziemlich lange geschlafen hat. Ein paar Sekunden sehe ich auf mein schlafendes Kind. Plötzlich bin ich auch müde, die Zeitumstellung und der darauffolgende anstrengende Tag haben mir Kraft geraubt und jetzt wo ich in diesem Dunklem Raum stehe würde ich mich jetzt am liebsten auf mein eigenes Bett werfen und schlafen. Doch als ich den Schatten hinter mir sehe, der das wenige Licht verdunkelt, welches durch einen schmalen Spalt durch die Tür fällt, bin ich wieder hellwach. Ich drehe mich um und sehe Hunter lässig im Türrahmen lehnen. Sein Gesicht liegt im Dunkeln, doch ich weiß genau, wieso er hier oben ist. Verdammt, ich habe gehofft, dass wir dieses Gespräch erst später führen werden. Langsam stelle ich das Babyfon an, nehme das weiße Waki-Taki-artige Gerät in die Hand und trete zögernd auf ihn zu. Wir sagen kein Wort, während ich ihm ins Badezimmer folge. Die Fließen sind in hellem Weiß gehalten, genauso wie die Waschbecken, die Badewanne und die Toilette. Die Regendusche ist nur durch eine Glaswand vom restlichen Badezimmer getrennt. Allein der riesige Spiegel über den beiden Waschbecken ist so lange, wie das ganze Badezimmer, das ich mit meiner Familie vor so langer Zeit bewohnt habe. Die dunklen, hölzernen Möbel lassen den Raum edel und - zugegeben - ziemlich schön aussehen. Nur im offenen Hängeschrank neben den Spiegeln und auf der Duschablage stehen ein paar Hygieneartikel. Hunters.
Besagter lehnt sich gerade gegen das Waschbecken und verschränkt die Arme vor der Brust. Er mustert mich, als versucht er mich einzuschätzen. Wir starren uns die ganze Zeit in die Augen, während ich die Tür hinter mir schließe, und mich - genauso cool wie er - mit verschränkten Armen gegen die Tür lehne.
In meinem Bauch kribbelt es, als ich daran denke wie er mich gestern noch berührt hat. Es scheint unendlich lange her zu sein. Verdammt, ich kann sowas nicht brauchen. Es ist knapp ein Jahr her seit der Trennung, oder besser der Flucht, vor Elliott, da kann ich jetzt keine heiße Affäre mit meinem baldigen Stiefbruder gebrauchen! "Wusstest du es?", meine Stimme ist leise und ruhig, doch mein Blick ist genauso wie vorher: einschätzend und kalt. Für einen Moment mustert er mich weiter, und ich denke schon, dass er mir nicht antworten wird, doch dann macht er es doch:"Nein" Anscheinend ist er kein großer Redner! Aber immerhin.
Ich schließe die Augen und seufze. Gott sei Dank. Er hat es nicht Absichtlich gemacht. "Na dann können wir es einfach vergessen, ich meine wir hatten beide keine Ahnung, und das wäre das beste für uns alle. Immerhin sind wir jetzt sowas wie Geschwister! Aber das ausgerechnet wir beide Sex hatten ist schon ein ziemlicher Zufall, bei all den Leuten im Club..." Ich habe die Augen geöffnet und bin im Badezimmer herumgelaufen, doch Hunter unterbricht meinen panikerfüllten Redeschwall, indem er vor mich tritt und mich an den Oberarmen festhält. Ich erstarre und sehe mit großen Augen zu ihm auf. Wie kann er nur so lässig bleiben?
Seine schönen, grünen Augen blicken mich ruhig an und sein ganzer Körper strahlt Ruhe aus. Ich dagegen bin ein Wrack, ich habe Angst, dass das alles herauskommt. Es würde alles zerstören. Die Beziehung von Mam und Justus würde darunter leiden. Zwischen Hunter und mir würde es unerträglich peinlich werden. Und was würden die Leute hier denken? Meine neuen Klassenkameraden, Hunters Freunde? Keiner von ihnen würde es verstehen. Aber am meisten hatte ich Angst davor, wie ich das jemals Jess erklären sollte. "Hey Schatz, ich habe einmal mit deinem Onkel geschlafen."
Hunter reißt mich aus meinen Gedanken:"Beruhige dich, Blair.", er sieht mir die ganze Zeit in die Augen, sieht nicht ein einziges Mal weg. "Wir kriegen das hin." Er hat recht, noch ist es noch nicht zu spät. Niemand wusste von unserem Fehler. Ich bezweifle, dass uns jemand im Club gesehen hat. Wir waren ja schon nach wenigen Sekunden im Personalbereich gewesen. Niemand, außer uns beiden, weiß es. Und es wird auch keiner erfahren, wenn wir beide den Mund halten.
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