5.Kapitel (Panik)
,,Welcome to the panic room."
-Panic room, Au/Ra
TW: Panikattacke
Sie starrte ihn an. Ein paar ganz leichte Sommersprossen fielen ihr auf. Seine Augenbrauen waren so dicht und dunkel, als wären sie angemalt.
Er hatte etwas faszinierendes an sich. Villeicht weil er so anders schien, als alle Leute auf dieser Schule. Als alle Leute die sie jemals kennengelernt hatte. Oder villeicht weil er vorhin mit ihr geredet hatte.
Hatte sie jemals ein so freundliches Gespräch mit jemanden in ihrem Alter gehabt? Sie konnte sich nicht erinnern. Normalerweise redete niemand mit ihr, oder höchstens um sie nach sehr spezifischen Dingen über sie und ihre Eltern zu fragen.
,,Amalia? Ist alles in Ordnung?"
Er sah sie immer noch an. Eine kleine Falte hatte sie zwischen seinen Augen gebildet. Seine Stimme klang aufrichtig besorgt.
Sie konnte nur zurückstarren. Ihr war immer noch schlecht. Ob alles in Ordnung war?! Verdammt nochmal Nein. Es war als hätte ihre Lunge verlernt wie atmen ging.
,,Hey, du zitterst am ganzen Körper. Fühlst du dich nicht gut? Möchtest du raus gehen?"
Ganz langsam nickte sie. Ja. Raus klang gut. Erstmal raus hier, bis sie sich wieder einigermaßen normal fühlte.
Leo hob seine Hand.
,,Entschuldigung, Mr Lobrick, Ich glaube Amalia muss mal kurz nach draußen gehen."
Mr Lobrick sah zu der Eiskönigin, die mit geweiteten Augen da saß und zitterte.
Er seufzte leise, dieses Mädchen war für die Lehrer ein ebenso unlösbares Rätsel wie für die Schüler. Und für jemanden der kaum redete hatte sie schon eine Menge Ärger verursacht. Regelmäßig war sie in Prügeleien verwickelt, sie hatte keine Freunde, schien auch keine zu wollen und selbst Schüler die älter waren hatten Angst vor ihr. Obwohl sie intelligent wirkte und stets gute Noten schrieb beteiligte sie sich kaum am Unterricht, war Lehrern gegenüber unhöflich und ließ keinen an sich heran.
Davon abgesehen hatte ihr Vater die Macht absolut jeden Lehrer auf der Stelle feuern zu lassen, deswegen tat man wohl besser was man konnte um ihn und seine Tochter bei Laune zu halten.
,,Das ist in Ordnung. Nimm alle Zeit die du brauchst, Amalia."
Mr Lobrick setzte sein wohlwollendstes Lächeln auf und nickte ihr zu.
Leos Stimme ertönte wieder, nah an Amalias Ohr. Sie wusste nicht warum, aber sie konnte sich nicht bewegen. Und auch nicht aufhören zu zittern.
,,Möchtest du das jemand mitkommt? Eine Freundin oder so?''
Fast hätte sie gelacht. Man merkte, dass er neu war. Jeder andere an dieser Schule hätte gewusst, dass sie keine Freundinnen hatte. Einen Moment lang lenkte er sie ab, so dass sie es schaffte sich so weit zu sammeln, dass sie aufstehen konnte.
Es war, als wäre sie in einem Alptraum gefangen. Die ganze Klasse starrte sie an. Amalia konnte Geräusche hören. Stimmen, die lauter und dann wieder von ihren eigenen Atemzügen, ihrem viel zu schnellen Herzschlag, übertönt wurden. Sie atmete immer lauter und schneller, begann zu keuchen.
Noch nie hatte sie sich so gefühlt. Sie verstand nicht was los war. War sie krank?
Ihre Umgebung verschwamm vor ihren Augen. Alles sah aus wie in Nebel gehüllt. Passierte das grade wirklich? Ihr Keuchen wurde immer lauter. Viel zu laut.
,,Amalia?" Das war Leos Stimme. Sie klang besorgt. Beunruhigt.
Ihre Brust und Kehle schnürten sich zu. Sie konnte nicht atmen und rang panisch nach Luft. Es wurde immer schlimmer. Wellen der Todesangst überollten sie. Ihre Arme und Beine zitterten. Der Schweiß brach ihr aus.
War das hier ein Alptraum? Oder eine Wahnvorstellung? Alles war so unwirklich. Warum konnte sie nicht atmen?
,,Amalia?! Hey! Komm ich bring dich raus."
Leo fing sie auf, bevor sie auf die Knie sackte. Unkontrolliert schluchzend klammerte sie sich an seinen Arm. Er musste sie regelrecht aus dem Klassenraum tragen.
Die Tür fiel ins Schloss und dämpfte das aufgebrachte Geschnatter der Schüler. ,,Ruheeee!" Brüllte Mr Lobrick.
Sobald Leo und Amalia im Flur waren ließ sie sich auf den Boden sinken. Immer noch zitternd und nach Luft ringend umklammerte sie ihre Knie.
Es hörte einfach nicht auf.
Sie wimmerte. Grub ihre Fingernägel in ihre Handflächen bis es schmerzte.
Was passierte bloß? Wurde sie verrückt?
Bei dem Gedanken wurde ihre Brust noch enger. Sie wollte aufschreien, konnte aber nicht einmal sprechen. Dieses wahnsinnige Gefühl von Angst das sie befallen hatte, ließ sie einfach nicht los. Sie war überzeugt davon sterben zu müssen. Ihre Brust tat so weh. Sie rang verzweifelt nach Luft.
,,Amalia. Hey. Sieh mich an." Leo setzte sich vor ihr auf den Boden und zwang sie den Kopf zu heben.
,,Ich glaube du hast grade eine Panikattacke. Ich kenne das, meine Cousine hat damit auch zu kämpfen. Es ist alles gut. Versuch tief einzuatmen."
Sie versuchte es und nahm einen langen Atemzug.
,,Sehr gut." Leos Stimme war sanft.
,,Jetzt zähl bis fünf und dann atme aus. 1, 2, 3, 4, 5."
Amalia atmete aus und merkte wie das Engegefühl in ihrer Brust nachließ.
,,Gut. Mach weiter. Einatmen, ausatmen. Und zähl im Kopf. Oder sag das Alphabet. Irgedwas was dich ablenkt."
Sie nahm einen weiteren tiefen Atemzug. Wartete. Atmete aus. Dann noch einen. Langsam wurde es besser.
,,Muss ich sterben?" Brachte sie zwischen zwei Atemzügen heraus.
Leo schüttelte den Kopf. ,,Nein, keine Sorge. Ich würde sagen gleich ist es vorbei. Bei meiner Cousine dauert es immer nur ein paar Minuten."
Sie atmete weiter. Ein. Aus.
,,Sehr gut. Denk an was Schönes." Ermutigte sie Leo.
Amalia nahm einen weiteren tiefen Atemzug und merkte wie der letzte Rest der Angst von ihr abfiel. Genau so plötzlich wie es gekommen war, war es wieder vorbei. Erschöpft schloss sie die Augen. Ihr Körper war schweißüberströmt, als wäre sie grade einen Marathon gelaufen.
,,Ich... Ich glaube es ist vorbei. Es geht wieder."
Ehe sie es bemerkte hatte Leo ihr eine Hand auf den Arm gelegt. Seine Stimme war nah an ihrem Ohr. ,,Sehr gut. Das hast du toll gemacht."
Sie wartete einen Moment bis sie ihn energisch von sich stieß. Die Berührung fühlte sich zwar nicht unangenehm an und er hatte ihr geholfen, aber das hieß noch lange nicht, dass er sie anfassen konnte.
,,Fass mich nicht an!"
Sie erwartete, dass er wütend werden würde. Er kannte sie nicht und hatte ihr trotzdem geholfen, sicherlich erwartete er dass sie ihm im Gegenzug regelrecht um den Hals fallen würde.
Doch er ließ sofort von ihr ab.
,,Entschuldigung."
Amalia kaute auf ihrer Unterlippe. Ein Danke war mehr als angebracht, aber sie konnte sich nicht erinnern sich jemals richtig bei jemandem bedankt zu haben.
Das Gefühl von Todesangst, dass sie ausgehalten hatte war dermaßen intensiv gewesen, es kam ihr tatsächlich so vor als hätte Leo grade ihr Leben gerettet.
Doch sie wünschte sich er hätte es nicht getan. Das er sie in diesem Zustand gesehen hatte war ihr unglaublich unangenehm. Am Liebsten wäre ihr Leo wäre nie an die Schule gekommen, oder zumindestens nicht ausgerechnet heute.
Was sagte man jetzt? Wie verhielt man sich überhaupt in so einer Situation?
,,Danke. Leo."
Er lächelte. Sein Lächeln erfüllte sein ganzes Gesicht. Aus irgendeinem Grund kam es Amalia so vor, als würde die Sonne aufgehen.
,,Keine Ursache."
Er schien es wirklich zu meinen.
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