2. Kapitel (Die Eiskönigin)
"You're like snow, beautiful but cold."
- (nctrn)
Es hatte alles mit der Eiskönigin angefangen.
Sie war so etwas wie eine lebende Legende auf der St Mary boarding school, eine Schule im Nordosten Englands, die ausschließlich Internatsschüler beherbergte.
Die St Marys lag irgendwo im Nirgendwo, inmitten eines hügeligen Geschlängels von Feldern und Wäldern und Feldwegen und Waldwegen. Wo der beständige Nieselregen fast ebenso zur Landschaft gehörte wie die sanften, grünen Hügel.
Es war eine Privatschule und eine recht teure noch dazu, die sich gerne damit rühmte "ein Händchen für Problemjugendliche" zu haben. Diese Beschreibung, sowie die exzellenten akademischen Angebote der Schule, überzeugten alle die es sich leisten konnten davon, ihre aufmüpfigen Teenager auf eben dieses Internat zu schicken.
Bald schon hatte die Schule zurecht den Ruf eines Elite - Internats, in das reiche Leute ihre Kinder abschoben, sobald sie für Zuhause zu anstrengend wurden.
Und die Eiskönigin war eine davon.
Genaueres über sie, oder ihre Familienverhältnisse, wusste eigentlich keiner. Doch irgendwie war durchgesickert, dass ihr Vater einer der reichsten Männer Europas war. Und man munkelte ihre Mutter war ein niederländisches Topmodel gewesen, das vor Jahren an einer Überdosis Heroin gestorben war.
Ihren Spitznamen hatte sie schon seit sich alle auf der Schule erinnern konnten. Und jeder der sie kennenlernte verstand sofort warum.
Alles an ihr wirkte eiskalt. Sie hielt sich stets aufrecht und ihr Gesicht zeigte nur selten irgendwelche Regungen.
Sie lächelte eigentlich nie. Redete selten. Und wenn sie doch einmal den Mund öffnete wurde es totenstill und der ganze Raum lauschte ihrer kühlen, sachten Stimme, die die Zimmertemperatur zu sinken lassen schien und Schüler sowie Lehrer zum frösteln brachte.
Ihre Haut war sehr blass, wie aus Porzellan. Sie war groß, groß genug um selbst Erwachsenen auf Augenhöhe gegenüberzustehen. Ihre eisblauen Augen und deren kalte Blicke brachten Leute regelmäßig zum schaudern.
Doch das wohl auffälligste an ihr waren ihre Haare. Niemand wusste genau ob sie sie sich färbte, oder ob es tatsächlich ihre Naturhaarfarbe war, doch ihre Haare hatten einen so hellen blondton, dass sie praktisch weiß waren. So weiß wie Schnee.
Auch die teure Kleidung die sie trug war fast immer weiß.
,,Hallo, Schneemann!" Hatte an ihrem ersten Schultag ein älterer Junge gejohlt, als sie in weißen Absatzsandalen, einem weißen Wollpullover und einem weißen Tutu artigem Rock zur Schule erschienen war. ,,Oder sollte ich lieber sagen, Schneefrau?! Willst du dir noch meine Möhre für dein Gesicht ausleihen?"
Die Eiskönigin hatte ihn erst eine kleine Weile mit verschränkten Armen angestarrt, als könnte sie nicht glauben, dass ein Lebewesen es tatsächlich wagte so respektlos mit ihr zu sprechen. Dann hatte sie sich auf ihn gestürzt.
Mit ihren damals 12 Jahren hatte sie es geschafft einen fünfzehnjährigen Jungen krankenhausreif zu schlagen.
Sie hatte ihn zu Boden geworfen, wiederholt mit Fäusten und Schulbüchern auf ihn eingeschlagen und war auf seinem Gesicht herumgetrampelt. Sie hatte ihm die Nase und mehrere Rippen gebrochen und sein Gesicht so übel verbeult, dass seine Eltern Schwierigkeiten hatten ihn zu erkennen.
Eine Anklage wurde erhoben, aber nach einem Gespräch mit ihrem Vater bei Kaviar und Champagner, wieder fallen gelassen.
Eigentlich sollte die Zwölfjährige nach diesem Vorfall auch sofort wieder vom Internat verwiesen werden, doch es musste Geld hinter den Kulissen geflossen sein, denn sie blieb. Und wurde das Gesprächsthema Nummer eins der Schule.
Wochenlang redete jeder über nichts anderes als diese mysteriöse, furchteinflößende Erstklässlerin.
,,Die ist doch nicht normal.'' Wurde mit einer Mischung aus Angst und Bewunderung geflüstert. ,,Villeicht ist sie ja gar kein Mensch."
,,Hast du auch gehört, dass sie diesen Jungen so übel zugerichtet hat, dass seine eigenen Eltern ihn nicht erkennen konnten?!"
,,Aber sie ist krass hübsch, dass muss man zugeben."
,,Ich hab gehört, er hat vor Schmerzen so laut geschriehen, dass sie jetzt seine Stimmbänder behandeln müssen oder so ähnlich. Und sie hat trotzdem weiter auf ihn eingeschlagen. Wie kann man jemanden so etwas antuen?"
,,Sie ist einfach gefühlskalt! Bestimmt hat sie irgendeine Störung!"
,,Gott, sie ist wie eines dieser Kinder aus Horrorfilmen!"
,,Sie ist immer so blass und welche Person hat denn so helle Haare? Wirklich, die sind schneeweiß."
,,Gruselig."
,,Ich hab versucht freundlich mit ihr zu reden, sie hat sich eiskalt abgewendet und ist gegangen."
,,Sie ist zwölf! Warum trägt eine Zwölfjährige Chanel Kleidung?!"
,,Ey, hast du auch das Gefühl, dass der Raum kälter wird wenn sie reinkommt?"
,,Wenn der Winter eine Person wäre wär das sie."
,,Ich krieg Gänsehaut bei der, ganz ehrlich."
,,Sie trägt immer nur weiß."
,,Eiskönigin."
Und als der Lehrer die Anwesenheitsliste vorlies, wurde ihr Spitzname noch am ersten Schultag entgültig besiegelt. Denn zu Allem Überfluss hieß sie auch noch Winter mit Nachnamen.
Amalia Marie Winter.
Die Eiskönigin.
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