* Kapitel 13 *

Er schwieg innerhalb der Tunnel. Nicht ungewöhnlich für ihn. Wirklich frei sprach er nur, wenn kein Wächter in der Nähe war und ihnen auf einem niedrig gelegenen Balkon, der in die Schlucht auf der Nordseite des Schlosses hinausreichte, der Wind um die Nasen wehte. Es war schnell einer ihrer Lieblingsplätze geworden.

Vera legte ihre Arme vor der Hüfte leicht übereinander. Hielt sie jedoch locker, ließ keine Anspannung sehen und gab sich der demütigen Haltung hin, die sie bei vielen der anderen Dienerinnen beobachtet hatte. Die Zofen, die Unterköchinnen, die Näherinnen, alle verhielten sie sich unterwürfig schweigsam. Auch einige der Männer, nur die Färber waren anders und Ciara, wenn sie allein war.

Jetzt machte Vera sich diese Haltung ganz bewusst zu Nutze, verschleierte damit den kaum merklichen Abdruck der Kanten. Versuchte es zu verstecken. Das Buch, das Geschenk der Prinzessin, denn es gehörte nur ihr. Und niemand konnte sagen, wann eine Handlung eine aufgesetzte Tarnung oder eine Wahrheit war, wenn sie es nicht wollte.

Es hatte nichts mit Hain zu tun, dass sie das Buch nicht teilen wollte. Es reichte einfach, dass die Prinzessin wusste, dass sie nicht lesen konnte, niemand anderes musste es zusätzlich erfahren.

Die Speisesäle waren bereits zu hören, bevor man sie sah. Kurz bevor sie um die letzte Ecke traten hielt Hain an. Seine Hand verschwand von ihrem Rücken.

Verwirrt sah Vera sich um. Er umfasste ihren Arm oberhalb der Beuge und zog sie zu sich an.

Seine klaren Augen sahen dunkler aus als sonst.

„Es wäre mir sehr gelegen, wenn du die", er setzte eine betonte Pause. Hain suchte nicht nach Worten, er hob bewusst hervor. „Speziellen Interessen und Tätigkeiten der Färber, nicht an Ci weitergibst."

„Du wusstest davon?", warum hatte er ihr nichts davon erzählt? Nicht, dass er musste, oder ihr verpflichtet war, aber er war einer ihrer zwei Hauptgesprächspartner im Schloss und hatte ihre Wünsche gekannt. Dabei war es ihm nicht eingefallen, den selbstmörderischen Absichten einer ganzen Arbeitsgruppe, der sie sich im Übrigen anschließen wollte, Klang zu verleihen.

Er legte amüsiert den Kopf schief. Es erinnerte Vera an die Bewegungen der Raubvögel, auf den kleineren Berghängen in Zura.

„Ich bin schon etwas länger hier, das weißt du." Eine Halbantwort. Das tat er gerne. Seine Lippen spannten sich zu seinem schmalen Lächeln, nie sah man seine Zähne dabei. Es irritierte sie mehr, als sie zugeben wollte.

Ähnlich wie sein Atem, der ihre Wange traf. Hain roch klar und gepflegt. Leicht salzig, feucht, nach dem Eisen, mit welchem er arbeitete. Ganz anders als die von Schweiß und Rauch klebrigen Köche oder die mit Blut beschmierten Jäger und Wächter.

„Warum hast du mir nichts gesagt?", sie hasste den Vorwurf in ihrer Stimme. Gleichzeitig suchten ihre Augen nach Antworten in seinem reglosen, bleichen Gesicht.

„Aus, dem selben Grund aus, dem ich nicht möchte, dass Ci davon erfährt. Ich wollte nicht, dass du dich ihnen anschließt. Wir kommen alle nicht lebendig aus diesem Schloss heraus." Er schnaubte. „Ich kann verstehen warum du es verschnellern willst."

Dachte er etwa, sie hatte sich deshalb zum Dienst in der Färberei gemeldet? Zum Sterben? Die Erkenntnis erschütterte Vera, dass man das hier anscheinend tatsächlich tat. Das es ein plausibler Grund war.

„Das war nicht meine Intension." Mit Schwung zog sie ihren Arm zurück. Im Umdrehen ergänzte sie, „keine Sorge." Er sah nicht, wie ihre Lippen sich nun bewegten.

Der dritte Speisesaal war voll, wie immer zum Sonnenhöchststand. Diener aller Klassen teilten ihn. Hier waren alle ebenbürtig. Nur die Wächter hatten ihren eigenen Sal zum Essen. Der höchstgelegene der insgesamt zehn Räume, um in wechselnden Abständen alle Bediensteten unterbringen zu können. Gerüchten zur Folgen hatte der Raum der Wächter sogar ein Fenster in der Decke, durch welches Tageslicht hineintrat.

Der dritte Speisesaal jedoch, lag, wie alle anderen Kammern der Diener ganz und gar unter der Erde. Er wurde von Fackeln den Wänden erleuchtet. Ein Feuer brannte in einem der seitlichen Kamine und eine Schlange an Menschen in nichtssagenden grauen Kleidern wand sich vor dem Tresen, der den Durchgang zur Küche bildete. Durch das kleine Fenster wurden de einzelnen Rationen geschoben.

Bereits vorportioniert. Jeder erhielt das selbe. Männer erhielten drei Löffel mehr.

Sie reiten sich ein. Der Knoten an Menschen vor ihnen löste sich nur langsam. Vera legte ihre warme Hand auf den Magen, um ihn zu beruhigen.

Nicht mehr lange, sagte sie sich selbst.

Hain nahm beide ihre Teller auf eine Eisenscheibe und schulterte sich gezielt einen Weg frei.

Erst nachdem sie saßen, am äußersten Ende eines der langen Tische, hob er seine Gabel, deutete auf Vera und begann die Unterhaltung.

„Und darfst du deine Beförderung zur Zofe behalten?"

Er stieß die Gabel gezielt ins Fleisch und führte es sich zu den Lippen.

Vera kaute.

„Schätze schon. Es hat auch lange genug gedauert bis, ich sie bekommen habe." Er brummte zustimmend.

„Wen hattest du eigentlich?"

„Du meinst welchen Raum?", sie neckte ihn. Es ging ihr einfach über die Lippen. Erneut senkte sich ihr Kopf zum Essen.

„Nein ich meine „wen", genau, wie ich es gesagt habe. Mogelvogel." Über den Tisch hinweg, strich er ihr ein paar verwirrte Haarsträhnen, wieder hinters Ohr. Ihr Kopf fuhr hoch.

„Das war nur ein Mal." Ciara und er hatten ihr ein Spiel drei Steinen gezeigt, bei welchem man den Mittleren Stein, immer zwischen der Öffnung der zwei anderen Steine hindurch befördern musste. Eventuell hatte sie versucht unauffällig nachzutreten. Eventuell hatte es trotzdem nicht gereicht.

Leider hatte Hain sehr genaue Augen.

Er zwinkerte. Wartete weiterhin ihre Antwort ab. Vera schnaubte kapitulierend.

„Zweithöchster Nordturm. Die Prinzessin, aber das wusstest du bestimmt schon." Er wusste, wo die meisten Zimmer lagen und hatte seine Ohren überall.

Sein schwarzer Haarschopf fuhr hoch, weiterhin saßen seine gegelten kurzen Strähnen an Ort und Stelle.

„Das Zimmer der Prinzessin?", seine Augen blitzen wach und interessiert.

Vera winke abwickelnd mit ihrer Gabel.

„Ja, ein reiches Zimmer, wie zu erwarten. Aber eine Schlafstätte bleibt eine Schlafstädte weißt, du. Die extra Rollen und Felle ändern daran nichts." Die Turmzimmer waren weitaus unspektakulärer als er sie sich vorstellte. Er sah aus, als wollte er weitersprechen, doch sie unterbrach ihn. Vera hatte keine Lust, über etwas derartig nichtiges ihre Zeit zu verschwenden.

„Wie geht es den bei den Handwerkern voran." Der Funken in seinen Augen erlosch und sein Blick wandte sich wieder seinem Essen zu. Müde schob er es auf die Gabel. Wann hatte er das letzte Mal eine volle Nacht geschlafen?

„Die Ausbauten im Ostflügel, für die Versorgungsaufzüge gehen langsamer voran als geplant. Das gefällt mir nicht." Er kräuselte seine Augenbrauen, während sich die Haut oberhalb seiner Nase in kleine falten legte.

„Du investierst zu viel." Er war jeden Tag, der Letzte, der sämtliche Baustätten des Schlosses kontrollierte. Er übersah alle Pläne, was er nicht entschied, wurde nicht gebaut. Es war nicht verwunderlich, dass er häufig reizbar und mit den Gedanken an anderer Stelle war.

„Das stimmt allerdings." Hain lachte, volltönend. Dieses Mal mit dem ganzen Mund.

„Worüber wird hier gelacht?" Ciara, trat aus der sie umgebenden hektischen Traube an Menschen und setzte sich neben ihren Bruder. Er warf Vera einen betonten Blick zu. Zur Antwort schüttelte sie kaum merklich den Kopf.

Nein, sie würde nichts verraten.

Dankbarkeit schien in seinem Blick. Ciara war ohnehin Köchin und Zofe der dritten Cousine der Königin, sie musste nicht alles wissen. Es hatte keinen Mehrwert.

„Über die Arbeitsmoral deines Bruders. Du solltest besser auf ihn achten." Genervt schüttelte besagter Bruder den Kopf.

Ciara klopfte ihm auf die Schulter.

„Er lässt mich nicht und das weißt du genauso gut wie ich."

Vera gab ein zustimmendes Geräusch von sich. Das Gespräch kam ihr weniger intensiv vor, jetzt da sich Ci zu ihnen gesellt hatte. Sie kam häufig etwas später, was bedeutete. Veras Pause war zur Hälfte bereits vorbei.

Sie versuchte zu ignorieren, wie ihre Haut prickelte, hinter ihrem linken Ohr. Dort wo Hain ihre Haarsträhnen korrigiert hatte.

Tam hatte das auch immer getan. Tam hatte auch ganz andere Dinge getan, aber unter seinen Berührungen hatte ihre Haut nicht geprickelt. Sie war nicht einmal nennenswert wärmer geworden. Aber die Auswahl in der Wildnis war beschränkt und sie waren füreinander die beste verfügbare Wahl gewesen.

Es war seltsam, dass jetzt ein anderer Man, die selben Berührungen ausführte. Ein älterer besser gebauterer Mann.

Tam war mehr Junge als Mann.

Sie vermisste ihn, aber mehr sein Lachen. Seine wilden Ideen, wie man die Jagt erleichtern konnte. Seine Träume von einer besseren Welt.

Nicht seinen Körper.

In dieser Hinsicht waren sie sich gegenseitig nichts schuldig.

„Wusstet ihr eigentlich, dass die Wächter einen weiteren Rebellenangriff befürchten. Hat Jelika erzählt."

Jelika, die Köchin, die mit den Wächtern aufstand und heimlich ihr Training verfolgte.

Jelika, die wollte, was keine Frau wollte.

Die erste weibliche Wächterin, in der Geschichte der Eislande werden. Oder, was wesentlich warscheinlicher war, wie alle Frauen vor ihr, zur Insel der verlorenen Seelen schippern, nachdem das Urteil des Sterngerichts sie in den Wahnsinn getrieben hatte.

Keine Frau war je erwählt worden. Es gab Gründe warum es niemand mehr versuchte.

„Das befürchten sie doch ständig, aber die Wahrheit ist, hier ist noch nie jemand reingekommen." Hain tat die Bemerkung ab. Er musste es am besten wissen.

„Schätze nicht, dass es hier in den nächsten Monden spannend wird." Vera sprach es leiser aus, sodass es nur ihre Gegenüber hören konnten. Sie war bereits verurteilt, sie musste es nicht weiter darauf anlegen. Die nächste Strafe würde die Ristossorios treffen. Das waren ein paar Worte nicht wert.

Sie waren nicht tief genug unter der Erde für laut ausgesprochene Wahrheiten.

Hain nickte zustimmend und Ci ließ das Gespräch, über die neuesten Themen aus der Küche plätschernd im Hintergrund weiterlaufen. 


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