Der Junge muss vom Computer weg

15. Dezember 2018

《,, ... Rettet die El-fi-nos! Rettet die El-fi-nos! ... "

,,Und eine weitere Demonstration vor Cornwells Toren."》 berichtete die blonde Reporterin in ihr Micro und ihre unverkennbaren Wolfsohren zuckten beim Lärm der demonstrierenden Benzen ein wenig irritiert zurück, während Yannick vor seinem Computer gelangweilt den Kopf auf die Arme legte und auf das 'Weitersymbol' wartete, 《,,Der Großindustrielle und Namensgeber der Firma, Dwayn Donnevin Cornwells gab erst vor zwei Monaten auf einer Pressekonferenz die Zusage, dass er seine, wie er sagt, 'angeblich' Umweltverschmutzende Fabrik still legen will, doch noch heute läuft die Fabrik und die Benzen aus der Nahegelegenen Stadt Kerol stehen wieder hier und demonstrieren zur Rettung der Elfinos, die in den angrenzenden Gewässern leben und vom Müll der Fabrik Cornwell Schaden nehmen ... "》

Genervt klickte Yannick nach ewigem Warten aufs 'Weitersymbol' die Werbung von den jetzigen Nachrichten in seinem Spiel weg und griff seinen Controller fester. Seit fast 5 Monaten hockte der 16-jährige vor seinem PC und suchtete nach dem Spiel 'Gerecht der Rache'. Noch vor einem halben Jahr hatte sich der junge Elementarier nur wenig für Videospiele interessiert, doch seit er vor knapp 5 Monaten vom Baum gefallen war und sich das Schienbein gebrochen hatte, weshalb er Wochenlang nicht vom Bett weg kam, hatte sein Onkel ihm einen richtigen Gamecomputer samt einer Handvoll Spiele geschenkt.

Seither war Yannick nicht mehr davon weg zu kriegen. Seinen Gips war er nach etwa 6 Wochen los, doch raus wollte der Teenie trotzdem nicht. Stattdessen hockte er lieber in seinem dunklen Zimmer und zockte Stundenlang ohne Unterlass weiter. Anfangs hatte er sich auch geweigert, zur Schule zu gehen, seine Mutter musste ihn dazu erst mächtig zusammenstauchen und persönlich zur Schule fahren.

Doch kaum war Yannick wieder zuhause, wanderten seine Schulsachen in die Ecke und er selbst auf den Drehstuhl vorm Schreibtisch, auf dem der PC stand, wie auch heute. Vor etwa 10 Minuten war nervlicherweise seine Mutter im Zimmer gewesen und versuchte ihn zum Mittagessen runter zu holen, doch Yannick stellte auf Durchzug. Er brauchte nur noch ein paar Gegner zu töten, dann käme er ins nächste Level.

Verbissen drückte der Teenie auf die farbigen Knöpfe und versuchte die Schergen des Bösen zu besiegen, um zum Endboss zu kommen. Er fluchte kurz ungehalten, als er eines seiner Geschütze verlor und er lachte Schadenfroh los, als er die letzte Front durchbrach und dem Sieg näher denn je war. Jetzt stand er vor ihm, der Endboss des 37. Levels. Ein großer, rot-schwarzer, fetter Frosch in Kampfmontour, der seine Spielfigur mit Blitzen attackierte und mit den Sprüngen den Boden zum Beben und Einstürzen brachte. Sich seines Sieges schon so sicher, lud Yannick die große schwarze Kanone auf dem Rücken seiner Figur und schoss ab.

Im nächsten Moment wurde der Bildschirm schwarz.

Fassungslos und erstarrt vor Entsetzen konnte Yannick seine Augen nicht vom erloschenen Bildschirm wenden. Was war passiert?

,,Nein!!" rief er wütend aus und pfefferte den Controller aus dem Impuls gegen die Wand. Sein PC war abgestürzt! Ausgerechnet jetzt! Und er hatte verdammt nochmal nicht gespeichert, weil die Speicherung nach dem Sieg gegen den Frosch automatisch eingesetzt hätte.

,,MAMA!!" Entnervt sprang der kochende Erdelementarier von seinem Stuhl auf und rannte aus seinem Zimmer, ,,Mama! Der verdammte Computer ist abgestürzt! Mein gesamtes Spiel ist zerstört, ich kann wieder ganz von vorne anfangen!!"

Mit kochendem Blut stampfte er die Treppe runter und lief ins Wohnzimmer, wo er seine Mutter vermutete. Und tatsächlich saß sie neben ihrem älteren Bruder auf der Couch und las seelenruhig eine Zeitschrift.

,,Ich weiß, Schatz."meinte sie mit überschlagenen Beinen und blätterte seelenruhig die Seite ihrer Illustrierten um, ,,Der Strom für die obere Etage ist aus."

,,WAS!!!" Fassungslos blieb Yannick vor seiner Mutter stehen und sein Onkel lachte.

,,Hallo Yannick." begrüßte er ihn und musterte den Jungen, ,,Schön dich mal wiederzusehen, ohne den Computer im Hintergrund laufen zu haben."

Yannicks Augen weiteten sich, als er das Werkzeug seines Onkels bemerkte.

,,Habt ihr ... Ihr habt mir den Strom ausgeschaltet?!!!" Wütend funkelte er beide an und seine Mutter erhob sich, um sich vor ihn zu stellen. Es gab mal eine Zeit, da war sie wirklich das größte Wesen, dass er kannte. Doch inzwischen war er selbst gewachsen und wusste, dass es größere Benzen als seine Mutter gab, auch wenn sie mit ihren knapp 1,80m schon eine gute Größe besaß, ebenso wie ihr Bruder, der sie sogar noch um ein paar Zentimeter überragte. Auf Yannick war das große Gen nicht über gegangen, er kam eher nach seinem Vater, der nur 1,68m wurde.

,,Yannick, deine Spielsucht nahm langsam überhand, du hast nur noch in deinem Zimmer gehockt und bist nicht mal zum Essen runter gekommen."versuchte seine Mutter ihren Sohn zu überzeugen, doch Yannick blockte wütend ab.

,,Das stimmt doch gar nicht!!" rief er, ,,Ich bin oft runter gekommen! Was glaubst du denn, wo ich aufs Klo gegangen bin?! Denkst du, ich habe in die Ecke gepisst?! Und überhaupt, ich war voll oft unten! Du hast es bloß nie mitgekriegt, du Rabenmutter!!"

,,Schrei mich nicht an, ... "

,,Ich schreie so viel ich will!"schrie Yannick und wurde demonstrativ noch lauter. Seine Mutter bemühte sich, ruhig zu bleiben, weil sie genau wusste, dass es nichts brachte, jetzt zurück zu schreien.

,,Ich habe Wochenlang an diesem Highscore gearbeitet!!"übertrieb der Junge laut, ,,Wochenlang!! Ich war gerade beim Endboss ..."

,,Ja, Wochenlang."unterbrach ihn sein Onkel, der nun auch aufgestanden war und sich zu seiner Schwester stellte, ,,Wochen, in denen dich kaum jemand zu Gesicht bekommen hat. Wochen, in denen deine schulischen Leistungen enorm gesunken sind!"

Er drehte sich um und schnappte sich vom Wohnzimmertisch ein Blatt Papier.

,,Das hier hat deine Mutter heute morgen im Briefkasten gefunden!"

,,Yannick, du gefährdest deine Versetzung in die nächste Klasse!"rief seine Mutter fast schon verzweifelt und versuchte ihrem Sohn den Ernst der Lage klar zu machen, ,,Du hast wegen deinem Bruch schon Wochen in der Schule gefehlt und musst eine ganze Menge nach arbeiten! Aber du machst hier zuhause nichts! Weder Hausaufgaben, noch übst du für die Arbeiten!"

Sie nahm ihrem Bruder den Wisch von der Schule aus der Hand und hielt ihn ihrem Sohn unter die Nase, doch der schnaubte nur eingeschnappt.

,,Hier steht es schwarz auf weiß! Du hast in insgesamt 10 Arbeiten hintereinander in verschiedenen Fächern eine 6 geschrieben!!"rief sie und ihr Vorsatz, bei der Konfrontation mit ihrem Sohn ruhig zu bleiben, löste sich in Luft auf. Irgendwie musste sie ihren Sohn doch dazu bewegen, die Schule ernst zu nehmen, ,,Das hier ist eine Mahnung! Wenn du dich jetzt nicht endlich anstrengst, dann musst du das Schuljahr wiederholen!"

,,Na und?!"pfefferte Yannick zurück und verschränkte trotzig die Arme, ,,Was macht das schon? Ein Schuljahr mehr und außerdem kann ich genauso gut nach der 9. Klasse verschwinden!"

,,Yannick, damit gefährdest du deinen Abschluss!"rief seine Mutter nun verzweifelter.

,,Was soll denn bitte später aus dir werden?"fragte sein Onkel, der wesentlich ruhiger war, als die rotblonde Frau.

,,Gamer, was sonst?"meinte Yannick mürrisch und senkte den Blick, ,,Könnt ihr mir jetzt den Strom wieder anstellen?"

,,Nein."antwortete seine Mutter knapp und verschränkte ihrerseits die Arme vor der Brust, ,,In einer Woche sind Frühlingsferien. Und in den Ferien kommst du zu deinem Vater, das haben wir schon so abgesprochen. Er soll dich vom Computer weg holen."

,,Was!?"rief Yannick entsetzt, ,,Wieso?! Ich will nicht in die Wildnis!!"

Und Wildnis war nicht mal das richtige Wort dafür. Vor knapp 15 Jahren, kurz nach seiner Geburt und wenige Monate nach der Scheidung seiner Eltern, war sein Vater, der Naturwissenschaft studiert hatte, nach Sorain gezogen, wo er eine Forschungsstation aufgebaut hatte.

In dieser Station mitten im Dschungel, gab es selten Netz, daher reduzierten sich die Telefonate von Vater und Sohn oft auf gerade mal zu Festtagen oder Geburtstagen. Und auch seine Mutter machte sich selten die Mühe, sich stundenlang ans Telefon zu klemmen, bis endlich eine Verbindung zur Station stand, um mit ihrem friedlich auseinander gegangenen Ex zu sprechen. Außer halt in Notfällen.

,,Keine Wiederrede. Dein Vater ist informiert. Du wirst fahren."meinte seine Mutter in, nach Yannicks empfinden, kaltem Ton, ,,Zwei Tage hast du Zeit, deine Koffer zu packen. Ich habe mit deinen Lehrern gesprochen. Du darfst die letzte Schulwoche schon für die Reise nutzen, denn es steht im Sinne aller, dass deine Noten wieder besser werden. Und vielleicht bringt dich dein Vater ja auf andere Ideen ... "

,,Ach, und wie willst du bitte die Fahrtkosten auftreiben?"fragte Yannick genervt. Als er klein war, wollte er öfter mal seinen Vater besuchen, doch seine Eltern konnten die Flüge nicht bezahlen, denn nach Sorain und zurück ist es ein sehr weiter weg und es gibt viele, teure Zwischenstationen. Insgesamt zwei Tage dauerte der Hinweg.

,,Ich werde dich hinbringen."meinte sein Onkel, ,,Ich habe in den nächsten Wochen geschäftlich in Kuria zu arbeiten und Kuria ist gerade mal eine Flugstunde von Sorain entfernt. Ab Kuria wirst du alleine fliegen müssen, aber das bekommst du hin. Die Flüge und Zwischenstopps sind von meiner Firma bezahlt, deswegen ist das kein Problem."

,,Na toll!"knurrte Yannick, ,,Kann ich überhaupt irgendwas entscheiden?"

,,Yannick, wir wollen doch nur, dass du dir deine Zukunft nicht schon mit 16 verbaust."versuchte seine Mutter versöhnlicher und wollte ihn umarmen, doch Yannick blockte wieder ab.

,,Ich gehe in mein Zimmer!"knurrte er wütend und stampfte die Treppe hoch.

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