Kapitel 3 ~ Schicksal

An der Oberfläche war nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Selbst nach einigen Minuten blieb alles ruhig. Zur Sicherheit ließ Enja ein paar Wachen zurück und ging wieder hinunter. Der Verletzte war verschwunden, und einige ihrer Leute kümmerten sich um die Blutspuren. Etwas erleichtert, wollte sie gerade etwas sagen, als ein markerschütternder Schrei die Stille zerriss. Entsetzt drehte sie sich um. 4 war es plötzlich still. "Schließt das Tor!" rief sie und zog ihr Schwert. "Na los!" schrie sie energisch zu den Leuten, die sofort handelten. Ein paar Jäger stellten sich an Enjas Seite und hielten die Stellung. Jeder wusste, dass etwas Großes bevorstand. Die Spannung lag schwer in der Luft, als sie auf das Unvermeidliche warteten.

Milena hörte den Schrei ebenso wie alle anderen. Ein bedrückendes Schweigen legte sich über die Gruppe, bis ihre Schwester energisch das Schließen des Tores befahl. Milena wusste, was zu tun war. Der Notfallplan trat in Kraft: Lebensmittel und Wasser mussten so verstaut werden, dass sie bei Gefahr nicht zerstört wurden. Jeder der gerade hier anwesend war, wartete angespannt auf dem Platz, die Ungewissheit nagte an den Nerven. Selbst Onkel Bennet wirkte ungewöhnlich angespannt. "Es wird alles gut," versicherte Milena und nahm seine Hand. Sie betete für Enja. Plötzlich bebte die Erde, gefolgt von einem heftigen Ruck direkt unter ihren Füßen. Der Kampf musste unmittelbar über ihnen toben. Die Situation war entsetzlich. Um Milena herum begannen die Menschen ebenfalls zu beten, während eine drückende Stille herrschte. Niemand wagte es, etwas zu sagen; alle Blicke wanderten immer wieder zur Decke. Die Lampen schwankten bedrohlich. Und dann geschah es. Die Decke über ihnen brach ein. Innerhalb weniger Sekunden brach das totale Chaos aus. Menschen schrien und rannten in alle Richtungen, panisch vor Angst.

Sie klammerte sich an Onkel Bennet, aber die panische Menschenmasse riss sie mit sich. Hilflos sah sie, wie ihr Onkel in der Menge verschwand. Doch es gab keine Zeit zum Nachdenken, das nächste Problem zeichnete sich bereits ab. Die eingestürzte Decke blockierte das Haupttor, und zu viele Menschen strömten zum Ersatztor. Plötzlich bebte die Erde erneut, und eine unheimliche Stille legte sich über den Raum. An der Stelle, wo die Decke eingebrochen war, zeichnete sich nun eine gewaltige Gestalt ab: Ein Drache versuchte, sich einen Weg nach innen zu bahnen. Die Panik eskalierte. Menschen trampelten rücksichtslos über alles hinweg, um ihr eigenes Leben zu retten. Schreie erfüllten die Luft, während die Menge in blinder Angst alles niederwalzte. Niemand konnte ihnen ihren Überlebenswillen verübeln, doch in diesem Chaos war jeder auf sich allein gestellt.

Milena hechtete in einen schmalen Gang und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Ihr Herz raste, während sie sich hastig in Richtung ihres Zeltes bewegte. Dort griff sie nach einem Rucksack, in dem sie die wichtigsten Dinge verstaut hatte. Enja hatte ihr einst von einem geheimen, kaum genutzten Tunnel erzählt, der wegen Einsturzgefahr aufgegeben worden war. Doch Milena blieb keine andere Wahl. Sie fand den Zugang und betrat den düsteren Tunnel. Die Atmosphäre war beklemmend und unheimlich, doch der Tunnel hatte die vergangenen Beben erstaunlich gut überstanden. Trotz der relativen Entfernung konnte Milena die angsterfüllten Schreie der Menschen deutlich hören. Für einen Moment hielt sie inne und blickte zurück. Sollte sie wirklich allein fliehen? Der Gedanke nagte an ihr. Ohne weiter zu zögern, drehte sie um und rannte zurück zu den anderen. Vielleicht gab es noch Hoffnung, jemanden zu retten.

Der Drache hatte sich bereits fast vollständig in die Erde eingegraben und riss weiterhin unbarmherzig Menschen in den Tod. Milena zögerte keine Sekunde und half so vielen wie möglich. Sie zeigte einer Mutter mit ihrem Kind den Fluchtweg und schickte sie fort. Ein schwer verwundeter Jäger lag am Boden, atmete aber noch. Milena wollte ihm helfen, doch die medizinische Versorgung war an diesem Tag nahezu unmöglich. Schweren Herzens musste sie ihn zurücklassen. In ihrer Eile hatte Milena eine tödliche Gefahr übersehen: den Drachen. Plötzlich musste sie einer gewaltigen Kralle ausweichen und blickte erschrocken in die bedrohlichen Augen des Ungeheuers. Der Drache hatte sie entdeckt und versuchte, sie zu packen. Trotz des Chaos hatte Milena nicht bemerkt, wie nah er schon war. Schnell rappelte sie sich auf und rannte um ihr Leben. Wieder griff der Drache nach ihr, doch seine Bewegungen waren noch eingeschränkt. Milena wusste, dass sie keinen Fehler machen durfte - ein falscher Schritt und das würde ihr Ende bedeuten.

"MILENA!" Die Stimme riss sie aus ihren Gedanken, und zu ihrem Entsetzen stand Rolf vor ihr. Eine klaffende Wunde an seinem Kopf blutete heftig und das Blut rann seine Wange hinunter. Ohne Vorwarnung packte er ihre Hand und zog sie mit sich. "Warte, wir müssen hier entlang!" rief sie und lenkte ihn zum geheimen Tunnel. Sie erreichten den Eingang und hasteten durch den dunklen Gang. Endlich am Ziel, stießen die Geretteten zu ihnen. Der Ort glich einer Hölle, und die angstvollen Blicke der Menschen ließen sie nicht los. Plötzlich erzitterte der Boden erneut, und sie rannten weiter, die Kinder fest in den Armen, um keine Zeit zu verlieren.

Endlich hatten sie das Ende der Hölle erreicht, und der silbrige Mondschein drang durch die Wolken. Die Dunkelheit war inzwischen undurchdringlich geworden. "Macht die Fackeln aus und seid leise," flüsterte Rolf und führte die Gruppe in eine verfallene Ruine. Die bröckelnden Wände boten etwas Schutz, genug, dass man die Menschen nicht sofort entdecken würde. Milena lehnte sich an die kalte Steinmauer, umgeben von den anderen, und lauschte in die stille Nacht. Ihre Gedanken kreisten um ihre Schwester und die Hoffnung, dass es ihr gut ging. Ab und zu durchbrachen die Schreie der Drachen die Nacht, ein unheilvolles Geräusch, das Milena erschaudern ließ. Es waren definitiv mehrere, und noch nie zuvor hatten sie ein Lager angegriffen. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Neben ihr wischte sich Rolf das Blut vom Gesicht und musterte die kleine Gruppe. Er war der einzige, der kämpfen konnte - eine schreckliche Bilanz. "Bleibt hier und seid still. Ich muss mir einen Überblick verschaffen," murmelte er und verschwand in der Dunkelheit. Milena konnte ihre Besorgnis kaum zurückhalten.

Gefühlt verging eine Ewigkeit, und die Truppe wurde immer ungeduldiger - besonders Milena. Sie stand auf, lief auf und ab, ihre Gedanken verloren in einem Wirbel aus Angst und Hoffnung. "Bitte, setz dich hin, Milena. Du machst uns alle nervös," sagte eine Frau, die ihr Kind fest in den Armen hielt. Ohne Widerworte wollte Milena sich setzen, doch dann hörte sie etwas. Steine polterten zu Boden, Ruinen wurden umgestoßen. Das konnte nur eines bedeuten: Ein Drache war ganz in der Nähe. Auch die anderen wussten es. Einige hielten sich die Hand vor den Mund, um keinen Laut von sich zu geben. Eltern drückten ihre Kinder an sich und verbargen sie hinter Felsen. Die schweren Schritte des Drachen kamen unaufhaltsam näher. Zwischen den bröckelnden Wänden zeichnete sich ein gigantischer Schatten ab, der direkt an ihnen vorbeizog. Man konnte das leise Knurren des Drachen hören, bedrohlich und nah. Eine falsche Bewegung, und sie würden alle mit ihrem Leben bezahlen.

Leider blieb der Drache genau neben ihnen stehen und schien die Gruppe zu wittern. Mit zuckender Nase streckte er seinen gewaltigen Kopf immer wieder in die Luft und schnüffelte, als wollte er ihre Fährte aufnehmen. "Ey Drache, hier bin ich!" Enjas Stimme zerschnitt die angespannte Stille. Milena spürte einen kurzen Moment der Erleichterung, ihre Freundin zu hören. Der Drache brüllte wütend auf und stürmte in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Im gleichen Moment erschien Rolf und winkte die Gruppe hektisch weiter.

Rolf führte sie auf dem schnellsten Weg aus der Stadt, dicht gefolgt von Enja. Als sie wieder zusammenkamen, war Milena die erste, die Enja stürmisch in die Arme schloss. Enja zog scharf die Luft ein, ihre Schmerzen verrieten die tiefe Wunde an ihrer Hüfte. Besorgt ließ die Schwester sofort los und betrachtete die Verletzung genauer. "Sie muss dringend versorgt werden," sagte Milena mit drängender Stimme zu Rolf, der sichtlich überfordert wirkte. "Wir haben keinen, der sich damit auskennt, und unsere Basis ist zerstört," erwiderte er mit bedrückter Miene. "Wir haben noch einen Schutzbunker, der etwas weiter außerhalb liegt," meinte Enja, die sich schwer auf Milena stützte. "Das dauert mindestens zwei Tage, und du bist stark verwundet," entgegnete Rolf, der keinen besseren Plan hatte. Die Gruppe wusste, dass jeder Schritt entscheidend sein könnte. Die Dringlichkeit der Situation lastete schwer auf ihnen, und sie mussten jetzt handeln, um Enjas Leben zu retten.

"Es tut mir leid, aber wir haben keine andere Wahl. Wir brauchen Schutz, damit auch die Kinder überleben," sagte eine Frau eindringlich, und alle wussten, dass sie recht hatte. "Nun gut, aber es gibt Regeln," verkündete Rolf mit entschlossener Stimme. "Keiner trennt sich von der Gruppe. Jeder hört auf mein Kommando, verstanden?" Die Anspannung war förmlich greifbar, als alle nickten. Enja schmeckte das absolut nicht, aber sie hatte keine andere Wahl. Die Gruppe rückte enger zusammen, ihre Schritte waren von einer bedrückenden Stille begleitet. Jeder Herzschlag war ein Echo der Gefahr, die sie verfolgte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top