Kapitel 2 ~ Die große Jagt

"Willkommen, Jäger und Jägerinnen! Heute ist der Tag, auf den wir alle gewartet haben - die große Jagd beginnt. Zeigt, was in euch steckt, und möge jeder von euch heil zurückkehren. Wenn die Sonne untergeht, ist die Jagd vorbei. Viel Glück!"

Ein donnerndes Jubeln brach über den Marktplatz herein. Enja, die gerade die Ansprache gehalten hatte, band ihre blonden Haare zu einem Zopf und griff nach ihren Waffen. Die Menge teilte sich ehrfürchtig, um ihr Platz zu machen, als sie sich dem großen Tor näherte. Mit scharfen Augen suchte sie die Gesichter ab, bis sie ihre kleine Schwester neben Onkel Bennet entdeckte. Erleichtert winkte sie kurz und wandte sich dann entschlossen nach vorne. Jetzt gab es nur noch eins: überleben. "Öffnet die Tore!" rief sie, und das Tor öffnete sich mit einem tiefen, unheilvollen Knarren. Vor ihr lag eine dunkle Hölle. Ein kurzer Moment des Zögerns, dann nahm sie die Fackel und trat durch das Tor. Die Luft war kalt und feucht, das Licht der Fackel flackerte in der Dunkelheit. Nun begann das wahre Abenteuer, ein Kampf auf Leben und Tod.

Die Hölle verschlang die Jäger immer mehr, und ehe sie sich versahen, waren sie in die Dunkelheit getaucht. Endlich draußen verteilten sie sich, agierten in Gruppen statt allein. Nur Rolf, der Einzelgänger, wusste genau, wohin er musste, um die ersten Drachen zu erlegen. Enja hielt sich zurück, beobachtete alles, bereit, im Notfall einzugreifen. Die Hölle mündete in einer riesigen, zerstörten Stadt. Hier zu kämpfen wäre tödlich - die zerfallenen Gebäude boten keinen Schutz. Also machten sich die Jäger daran, die Stadt zu verlassen. Schon aus der Ferne halten die fürchterlichen Schreie der Drachen durch die Ruinen. Da es bisher anscheinend keine Probleme gab, wollte auch Enja einen Drachen erlegen. Den Nervenkitzel spüren. Doch als sie den Stadtrand erreichte, hörte sie einen Schrei - kein Drachengebrüll, sondern der entsetzliche Schrei eines Menschen. Ohne zu zögern, rannte Enja los, ihr Herz pochte wild. Der Schrei führte sie durch enge Gassen und über zerfallene Mauern. Ihr Instinkt trieb sie voran. Plötzlich sah sie ihn, ein junger Jäger, gefangen in den Klauen eines riesigen Drachens, sein Gesicht verzerrt vor Schmerz. Enjas Hand schloss sich fester um ihre Waffe. Jetzt musste sie handeln, und das schnell.

Es war ein Stadtdrache, ein Meister der Tarnung in den Ruinen, der sich hier eingenistet hatte oder vielleicht nur auf der Durchreise war. Diese Drachenart findet man nur in Städten, wo sie sich perfekt in die zerfallenen Strukturen einfügen. Dass ein solcher Drache so nah an Enjas Zuhause war, ließ ihr Blut gefrieren. Doch für Angst war jetzt keine Zeit.Sie griff nach ihrem Schwert und rannte auf den Drachen zu. Dessen Blick wandte sich von seiner Beute nun auf sie. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen schleuderte er seinen Schwanz nach ihr. Enja wich geschickt aus, griff in ihre Tasche und holte eine spezielle Bombe hervor, die sie direkt auf das Gesicht des Drachen warf. Die Bombe explodierte in einer übel riechenden Wolke, die den Drachen für einen Moment desorientierte - sein empfindlicher Geruchssinn war sein Schwachpunkt. In dieser kurzen, aber entscheidenden Zeitspanne stürzte Enja zu dem gefangenen Jäger, befreite ihn und zog ihn in Sicherheit. Der Drache schüttelte den Kopf, versuchte die stinkende Wolke loszuwerden, während Enja und der Jäger in den Schatten der Ruinen verschwanden. Der Kampf war noch nicht vorbei, aber für den Moment hatten sie überlebt.

Der junge Jäger bedankte sich schwach, doch er war zu verletzt, um weiterzukämpfen. Blut strömte aus einer tiefen Wunde an seiner Schulter. Enja drückte fest mit ihrer Hand auf die blutende Stelle, riss einen Stofffetzen von ihrem Umhang und band ihn so fest wie möglich um die Wunde, um den Blutverlust zu stoppen.

"Bleib hier und versuche still zu bleiben. Ich werde den Drachen töten," flüsterte Enja, während sie den Ernst der Lage in ihren Augen widerspiegelte. Doch als sie sich abwenden wollte, spürte sie seine Hand, die verzweifelt ihren Ärmel packte. Sie wusste, wie es sich anfühlte, in einer solchen Situation allein gelassen zu werden. "Ich komme zurück," versprach sie mit Nachdruck und befreite sich sanft aus seinem Griff. Mit dem Adrenalin, das in ihren Adern pumpte, und dem dröhnenden Brüllen des Drachen in den Ohren, schlich sie sich näher an das Ungeheuer heran. Nebenbei zerstörte er immer mehr die Ruinen. Der Stadtdrache war noch immer von der stinkenden Wolke benebelt, seine Augen suchten wütend die Umgebung ab. Dies war ihre Chance. Mit einem letzten Blick zurück auf den verletzten Jäger, machte sich Enja bereit, dem Drachen den finalen Schlag zu versetzen.

Enja griff erneut nach einer Bombe, das Herz hämmerte in ihrer Brust, während sie überlegte, wie sie den Drachen am besten ablenken konnte. Ihr Plan war klar: Sie musste unter den Drachen gelangen, wo seine Haut weniger gepanzert war, und dann mit einem gezielten Schlag töten. Als der Drache seinen massiven Rücken zu ihr drehte, sah Enja ihre Chance. Mit einem entschlossenen Satz rannte sie auf das Ungeheuer zu. Doch der Drache, trotz seiner scheinbaren Ablenkung, bemerkte sie sofort. Sein riesiges Maul schnappte in ihre Richtung, doch Enja konnte sich gerade noch zur Seite werfen und die Bombe loslassen. Die Explosion verströmte eine dichte, stinkende Wolke, die sich schnell um den Drachen legte.

Aber der Drache hatte anscheinend gelernt. Mit einem mächtigen Flügelschlag wirbelte er den Staub und die giftige Wolke davon, als wäre es nichts. Der Drache landete wieder auf seinen massiven Füßen und sein Brüllen hallte durch die Ruinen. Mit glühenden, wütenden Augen fixierte er Enja, die nun allein und ungeschützt dem Zorn des Ungeheuers gegenüberstand. Das Spiel hatte sich verändert - jetzt hieß es, entweder einen verzweifelten Angriff wagen oder in den Kampf ums Überleben eintreten.

Enja hatte auch keine Bomben mehr, schließlich hatte sie nicht mit einem Stadtdrachen gerechnet, und nun musste sie die Quittung dafür tragen. Doch Aufgeben war für sie keine Option - schließlich galt es, ein Leben zu retten. Sie hielt ihr Schwert fest in der Hand und grinste entschlossen. Wenn der Drache spielen will, dann soll er seinen Spaß haben.

Mit einem entschlossenen Griff zog Enja noch einen kleinen Dolch aus ihrer Tasche und rannte wieder auf den Drachen zu. Der gigantische Schwanz des Drachen peitschte erneut durch die Luft, doch Enja wich mühelos aus und erreichte die mächtigen Vorderkrallen des Ungeheuers. Mit einem gezielten Stich rammte sie den Dolch in die raue Haut des Drachen, der vor Schmerz und Wut brüllte. Diese Ablenkung nutzte Enja und schlüpfte geschickt unter den Drachen. Er hatte nichts von ihrer gewagten Bewegung bemerkt. Erst als sie mit aller Kraft ihr Schwert in den Bauch des Drachen rammte, brüllte er laut auf und fiel zur Seite. Das Schwert, aus der Kralle eines anderen Drachen geschmiedet, schnitt mühelos durch die Haut und richtete verheerenden Schaden an. Dazu war es in ein starkes Gift getränkt, was die Wirkung noch verstärkte. Sie spürte den triumphalen Rausch des Kampfes. Jeder Herzschlag trieb sie weiter an, die Schreie des Drachen erfüllten die Luft und sie wusste, dass sie dem Sieg nahe war.

Der Drache brauchte noch einen Gnadenstoß und stieß das Schwert in sein Herz. Man hörte noch einen lauten Schrei und dann ein dumpfes Geräusch, der Kopf war zu Boden gefallen und der Drache machte seinen letzten Atemzug.

"Sehr beeindruckend, Anführerin." Rolf trat aus seinem Versteck hervor und klatschte in die Hände. "Natürlich hätte ich das Biest mit einem einzigen Schlag erledigt, aber ich wollte sehen, ob du noch kämpfen kannst." Er grinste breit, und Enja konnte nur seufzen. Sie hasste diesen Kerl abgrundtief. "Ich bin ein wenig aus der Übung, aber ich habe jetzt keine Zeit für dich, Rolf." Sie wischte ihr Schwert sauber und machte sich auf den Weg zurück zu dem Verwundeten. Rolf folgte ihr dicht auf den Fersen, seine Neugierde kaum zu verbergen. Als sie endlich ankamen, kniete Enja sich neben den Jäger und prüfte seinen Puls. Ihr Herz sank, als sie nichts spürte. Der Mann war tot.

"Der Tod war unnötig, was zum Teufel machte ein Drache hier?" fauchte sie wütend und bedeckte den Kopf des Jägers mit einem Tuch. "Es stimmt schon, dass es sehr ungewöhnlich ist, dass sie hierher kommen. Vielleicht wird die Nahrung knapp für sie," ergänzte Rolf nachdenklich. Doch Rolf wollte sich darüber keine weiteren Gedanken machen; für ihn zählte nur die Jagd. "Rolf, geh weiter jagen, ich kümmere mich hier," befahl sie entschlossen. Rolf zögerte nicht und verschwand rasch in den Trümmern. Der Tote trug eine Kette um den Hals, die wahrscheinlich sehr wertvoll war. Vielleicht konnte man damit seine Angehörigen ausfindig machen. Enja betete kurz für den jungen Mann und setzte ihren Weg fort. Zu gerne hätte sie die Leiche mitgenommen, um sie ordentlich zu begraben, aber das viele Blut würde ihr Versteck verraten. Das Risiko war einfach zu groß.

Schließlich setzte sie ihren Weg fort. Danach gab es keine Zwischenfälle mehr, zumindest hatte Enja nichts bemerkt. Die Sonne neigte sich langsam dem Horizont entgegen, was bedeutete, dass es Zeit war, zurückzukehren. Unterwegs begegnete sie immer mehr Jägern, die stolz ihre Beute präsentierten. Als alle wieder unten auf dem Lagerplatz versammelt waren, verschaffte sich Enja einen Überblick über die Verluste. Bisher war nur ein Jäger tot, und einer wurde vermisst - man konnte jedoch sicher sein, dass auch ihn der Tod ereilt hatte. Auf dem riesigen Platz herrschte reges Treiben; die Jagd hatte diesen Monat offensichtlich viel eingebracht. Enja fühlte die Erschöpfung in ihren Gliedern und wusste, dass sie eine Pause brauchte.Auf dem Weg zu ihrem Zelt traf sie Milena. Enja überreichte ihr die Kette des toten Jägers, und Milena, zuverlässig wie immer, wusste sofort, was zu tun war. Endlich erreichte Enja ihr Zelt und befreite sich von ihrer schweren Rüstung. Sie machte sich mit einem magischen Kristall heißes Wasser und ließ sich in ein großes Fass sinken, das als improvisierte Badewanne diente. Endlich konnte sie entspannen, während die Anspannung des Tages langsam von ihr abfiel.

Dass ein Drache so nah an der Basis gesichtet wurde, ließ Enja keine Ruhe. So etwas war bisher noch nie vorgekommen. Irgendetwas musste diesen Vorfall ausgelöst haben. War es nur purer Zufall, oder steckte mehr dahinter? Wenn es einen tieferen Grund gab, könnten sie möglicherweise ein ernsthaftes Problem haben. Enja war so tief in Gedanken versunken, dass sie die Zeit völlig vergaß. Erst als ihr Magen laut knurrte, bemerkte sie, wie hungrig sie war. Sie stieg aus dem Fass, trocknete sich ab und zog frische Kleidung an. Anschließend machte sie sich auf den Weg zur Kantine. Dort herrschte immer noch viel Trubel. Die Jäger stritten hitzig darüber, wer den größten Drachen erlegt hatte. Enja konnte die angespannte Aufregung in der Luft förmlich spüren. Während sie sich eine Mahlzeit holte, lauschte sie den Geschichten und versuchte, die Unruhe zu verdrängen, die der Gedanke an den nahen Drachen in ihr ausgelöst hatte.

""Was beschäftigt dich, Enja?" fragte Onkel Bennet mit ernster Miene. Enja zuckte erschrocken zusammen und sah ihm direkt in die Augen. Er setzte sich ihr gegenüber, ein dampfendes Getränk in der Hand, das nach Tee roch. "Ein Jäger ist heute gestorben," begann sie stockend, ihre Stimme zitterte. "Meine Hilfe kam zu spät."
Ihre Hand verkrampfte sich, die Erinnerung schmerzte tief. Doch Onkel Bennet legte beruhigend seine Hand auf ihre Faust. Die Wärme seiner Berührung ließ Enja ein wenig entspannen. "Das ist tragisch, Enja," sagte er sanft, aber bestimmt. "Doch das Leben geht weiter. Die Jagd war heute sehr erfolgreich, und..."

Onkel Bennet wollte gerade weitersprechen, als plötzlich aufgeregte Stimmen laut wurden. Ein Mann rannte herbei, die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Enja, wir haben ein Problem! Der vermisste Jäger liegt vor dem Tor!"
Enja sprang auf, ihr Herz schlug wild. "Zeigs mir sofort!" Befahl sie dem Mann und eilte los. Onkel Bennet blieb zurück und versuchte, die aufkommende Panik unter den Menschen zu beruhigen. Sein ruhiges Auftreten und seine beruhigenden Worte halfen, die Menge zu besänftigen und Ordnung zu bewahren.

Vor dem Tor hatte sich bereits eine Menschenmenge versammelt, leise murmelnd und voller Anspannung. Enja bahnte sich einen Weg durch die Menge und fragte in die Runde: "Wie sieht die Lage aus?" Rolf trat vor. "Bisher ist alles ruhig, aber wir müssen davon ausgehen, dass der Jäger verwundet ist. Das Blut könnte bereits Drachen angelockt haben." Die Situation war heikel, doch es blieb keine Zeit zum Zögern. "Nehmt eure Waffen und helft mir," befahl Enja entschlossen. "Einige von euch kümmern sich um den Verletzten, der Rest kommt mit mir und sichert das Gebiet!" Die Männer zögerten keine Sekunde und griffen zu ihren Waffen. Enja wandte sich an eine Frau und befahl: "Hol die Ärzte!" Das Tor wurde geöffnet, und wie erwartet fanden sie den schwer verletzten Jäger davor. Ohne zu zögern, eilte Enjas Truppe an dem Verwundeten vorbei, die Waffen bereit, um den Eingang zur Hölle zu sichern. Die Luft war voller Spannung, als sie sich auf das Unbekannte vorbereiteten, bereit, sich jeder Gefahr zu stellen.

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